Eine Epoche der Ambivalenz

Eine Epoche der Ambivalenz

Von der Zangenkrise zum »Kampf der Sozialismen«

von Klaus Dörre

Der Beitrag argumentiert, dass wir in einer Epoche der Ambivalenz leben, in der einfache Wahrheiten vielleicht populär sein mögen, aber nicht realitätstauglich sind. Auch die Friedensbewegungen und die politische Linke müssen sich einer Widersprüchlichkeit stellen, die nicht im Selbstlauf zu einer positiven Synthese drängt. Die Suche nach Auswegen aus der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise wird umso dringlicher.

Was der Schriftsteller Peter Weiss in den 1970ern während einer Phase gesellschaftlichen Aufbruchs in seinen Notizbüchern notierte, trifft – freilich unter völlig anderen Vorzeichen – auch für die Gegenwart zu: „Die Epoche der Ambivalenz und der Kontroversen. Es war unmöglich, eine absolut richtige, zutreffende Ansicht zu haben, man kam der Wahrheit am nächsten, wenn man den bestehenden Zwiespalt in die Analyse des Sachverhalts einbezog. Monolithische Haltungen von vornherein zum Mißglücken verurteilt, und wenn sie mit Gewalt aufrecht erhalten werden, zeigen sie desto deutlicher das Atavistische ihres Charakters“ (Weiss 1981, S. 177). Auch heute leben wir in einer Epoche von Widersprüchen, die allerdings nicht zu einer positiven Synthese drängen und denen einfaches Denken keineswegs gerecht werden kann. Handelt es sich tatsächlich um eine Zeitenwende, um einen Kampf zwischen Autokratien und demokratischen Gesellschaften, wie es Robert Kagan (2008), Mitbegründer eines neokonservativen Think Tanks, und mit ihm inzwischen viele andere behaupteten? Ich plädiere für eine andere, eine alternative Sicht der Dinge. Wir befinden uns, so meine These, inmitten einer epochalen ökonomisch-ökologischen Zangenkrise, die das Ende der »billigen Dinge«, das Ende von billiger Natur, billiger Energie, billiger Sorgeleistungen und auch billiger Arbeit einleitet. Diese Metakrise prägt die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts und treibt zu einer neuen Weltordnung – ein Übergang, der von Naturkatastrophen, Kriegen und Massenaufständen begleitet sein wird. Diese konfliktreiche Periode zwingt progressive soziale Bewegungen, Gewerkschaften und die verblieben Organisationen der politischen Linken zu einer strategischen Neuausrichtung, die mit einer realistischen Betrachtung der Lage beginnen muss. Nachfolgend beschränke ich mich auf vier Überlegungen.

1) Von der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise…

Beginnen wir mit der Krisendiagnose. Bei einer Krise handelt es sich ihrer allgemeinsten Definition nach um einen überwindbaren Zustand. Zangenkrise besagt, dass das wichtigste Mittel zur Überwindung ökonomischer Stagnation und zur Pazifizierung interner Konflikte im Kapitalismus, die Generierung von Wirtschaftswachstum nach den Kriterien des Bruttoinlandsprodukts, unter Status-Quo-Bedingungen ökologisch zunehmend destruktiv und deshalb gesellschaftszerstörend wirkt. Mit dem Status Quo sind in diesem Zusammenhang hoher Emissionsausstoß, ressourcenintensive Produktions- und Lebensweisen sowie ein beständig steigender Energieverbrauch auf fossiler Grundlage gemeint. Der Zangengriff von ökonomischen und ökologischen Verwerfungen markiert Störungen der Gesellschafts-Natur-Beziehungen, die in ihren Wechselwirkungen eben keine Krise wie jede andere sind. Alle sozialen Felder und gesellschaftlichen Teilsysteme werden von den Auswirkungen eines instrumentellen Verhältnisses zur Natur durchdrungen. Mit der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise ist eine Bezeichnung gewählt, die eine klare Hierarchie der Krisenursachen benennt. Es handelt sich um eine Metakrise, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Übergang zu einem neuen Erdzeitalter, dem Anthropozän (Crutzen 2019), einleitet.

Der Begriff des Anthropozän besagt, dass die Menschheit zur einflussreichsten Kraft auf dem Planeten geworden ist. Sie hat es selbst in der Hand, nachhaltige Beziehungen zur Natur zu schaffen und ihr instrumentelles Verhältnis zu Naturressourcen und nichtmenschlichen Lebewesen zu überwinden. Ob wir die Artenvielfalt erhalten, die Überhitzung des Planeten stoppen, den Verbrauch endlicher Ressourcen einschränken, Hunger und Massenelend überwinden, den Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, eine fortschreitende Abholzung der Wälder und die nachfolgende Versteppung beenden und dem Anthropozän eine lange Dauer verleihen, hängt in erster Linie vom praktischen Tun in menschengemachten Gesellschaften ab.

Nun existiert die Menschheit allerdings nur als nach Nationen, Klassen, Geschlechtern, Alter, Machtressourcen etc. differenziertes Kollektiv. Hinzu kommt, dass die Störungen der Gesellschafts-Natur-Beziehungen in der Gegenwart in erster Linie von kapitalistischen Ökonomien ausgehen. Deshalb halten Sozialwissenschaftler wie Jason Moore die Bezeichnung Kapitalozän für angemessener (Moore 2015, S. 169ff.). In dieser Präzisierung ist auch angelegt, dass die expansive Bewegungsform kapitalistischer Gesellschaften auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen an unüberwindbare Grenzen stößt (Dixson-Decléve et al. 2022). Graduelle Prozesse wie die Erderhitzung oder auch der steigende Ressourcen- und Energieverbrauch können den Planeten auf dramatische Weise verändern und für Menschen zumindest in Teilen unbewohnbar machen. So ist der Meeresspiegel seit Beginn des 20. Jahrhunderts um ca. 20 cm gestiegen. Das Eis an den Polen schmilzt rascher als erwartet. Schon 2014 erreichte der westantarktische Eisschild wahrscheinlich einen Kipppunkt, der das gesamte Ökosystem destabilisiert und den Zerfall des Eisschilds beschleunigt. Das Ansteigen des Meeresspiegels bedroht zunächst kleinere Inseln und tiefer gelegene Küstenregionen (IPCC 2022); das macht das Graduelle des Klimawandels aus. Er wirkt zunächst unsichtbar und sozialgeographisch differenziert: Deshalb wird er über längere Zeiträume hinweg vor allem ein »Schicksal« der anderen sein; während Millionen Menschen in küstennahe Regionen des Globalen Südens das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bereits bis zum Halse steht, lässt es sich in den reichen Staaten des Nordens auch für die Angehörigen subalterner Klassen noch immer einigermaßen gut leben. Diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen beginnt sich allerdings mit zunehmender Geschwindigkeit zu ändern.

2) … zum »Würgehalsband-Effekt«

Das hängt mit einer Dynamik zusammen, die der US-amerikanische Ökonom James Galbraith (Galbraith 2016, S. 121-151) als »Würgehalsband-Effekt« bezeichnet hat. Danach sind energie- und ressourcenintensive Ökonomien, wollen sie rentabel sein, auf ein stabiles Umfeld angewiesen. Die Preise für Rohstoffe, Öl, Energie etc. müssen einigermaßen berechenbar bleiben, weil Investitionen, die sich allenfalls langfristig amortisieren, ansonsten zu risikoreich wären. In unsicheren Zeiten machen hohe Fixkosten für Gas und Öl, aber auch für seltene Erden oder Weizen und andere Nahrungsmittel hingegen eine besondere Verwundbarkeit dieser auf billigen Naturstoffen und hohem Ressourcenverbrauch basierenden Wirtschaftsweise aus. Wie das Würgehalsband bei einem Hund verhindert wirtschaftliche und politische Instabilität nicht unbedingt jegliches Wirtschaftswachstum, doch die Preise für Energie und darüber vermittelt auch für viele andere Güter steigen rasch an, um, von spekulativen Manövern beeinflusst, zeitweilig wieder zu fallen. Zugleich gibt es Krisengewinner, die, wie etwa die Öl- und Rüstungskonzerne, genau in diesen Zeiten hohe zusätzliche Gewinne abschöpfen. Insgesamt beeinträchtigt das Auf und Ab der Konjunktur und des Wachstums jedoch die Profitabilität und Leistungsfähigkeit vieler Unternehmen, ihre Investitionsbereitschaft sinkt und Verteilungskämpfe – nicht nur zwischen Klassen(-fraktionen), sondern auch innerhalb der Staatsapparate – gewinnen an Intensität (Galbraith und Dörre 2018).

Genau das ist in der Gegenwart der Fall. Die Verteuerung der »billigen Dinge« hatte bereits vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt. Dies hat eine Vielzahl an Ursachen – Streiks in den sozialen Dienstleistungsbetrieben, öffentlichkeitswirksame Interventionen von Klimabewegungen und Gewerkschaften, Hungerrevolten, Aufwendungen für Katastrophenschutz und vieles andere mehr. Der Ukraine-Krieg und die Inflation haben diese Tendenz dramatisch forciert. Diese Entwicklung ist mit Marktmechanismen offenkundig nicht mehr zu korrigieren. Das Hauptproblem marktverträglicher Instrumente besteht darin, dass sie in ihren Auswirkungen »sozial blind« sind. Die kleinen Geldbörsen werden letztendlich immer weitaus stärker belastet als die großen Einkommen. Nehmen wir die Bundesrepublik als Beispiel: In Deutschland hat die untere Hälfte der Lohnabhängigen gemessen am steigenden Volkseinkommen seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an frei verfügbarem Einkommen verloren. Steigen die Preise für Heizung, Strom, Mobilität, Mieten und Nahrungsmittel, wird dieser frei verfügbare Einkommensanteil immer geringer. Selbst für Durchschnittsverdiener*innen mit einem realen Nettolohn von monatlich 1.578 Euro (vgl. DGB 2021, S. 25) wird es dann schwer, ohne staatliche Hilfe über die Runden zu kommen.

Diese Entwicklung ist äußerst konfliktträchtig. Zielsicher ist die radikale Rechte dabei, den Würgehalsband-Effekt politisch auszunutzen. Der jüngste französische Präsidentschaftswahlkampf bietet dafür Anschauungsunterricht. Bereits im ersten Wahlgang zeichnete sich ein »neuer Klassenkampf« ab: Während sich hinter Emmanuel Macron vor allem die bessergestellte Wähler*innenschaft aus den großen Städten versammelte, votierten die weniger Betuchten in den Vorstädten für den Linken Jean-Luc Mélenchon, auf dem Lande aber für die rechtsradikale Marine Le Pen, die sich nur deshalb als gemäßigt geben konnte, weil mit Éric Zemmour ein noch weiter rechts stehender Kandidat um Stimmen konkurrierte. Sage und schreibe 67 Prozent der Arbeiter*innen votierten für die rechtsradikale Kandidatin (Wiegel und Záboji 2022). Zielsicher hatte sich Le Pen die Auswirkungen des »Würgehalsband-Effekts« zunutze gemacht und steigende Preise für Energie, Heizung, Nahrungsmittel und Mobilität zum Wahlkampfthema Nummer eins gemacht. Das konnte ihr gelingen, weil in Frankreich – darin zahlreichen westeuropäischen Gesellschaften ähnlich – klassenspezifische Ungleichheiten zunehmen, während die ausgleichende Kraft organisierter Arbeitsbeziehungen in Gestalt von Tarifverträgen, betrieblicher Mitbestimmung und gewerkschaftlichen Organisationsgraden seit langem rückläufig ist. Mittlerweile befindet sich Le Pen in »bester« Gesellschaft. Im schwedischen Volksheím haben die rechtsradikalen Schwedendemokraten die Wahlen gewonnen. In Italien schickt sich die verharmlosend als »Postfaschistin« bezeichnete Giorgia Meloni an, neue Regierungschefin zu werden. In Polen und Ungarn sitzen rechte Autokraten fest in ihren Regierungssesseln, während die trumpistischen Republikaner in den USA bereit zu sein scheinen, jegliche Reformmehrheit zu blockieren. Tatsächlich ist die Gefahr eines neuen Autoritarismus, ja eines neuen Faschismus riesengroß (vgl. Frankenberg und Heitmeyer 2022). Die aktuelle Schwäche sozialer Bewegungen und die Zersplitterung der Linken trägt dazu maßgeblich bei.

3) Nachhaltigkeit als Abwesenheit von Gewaltsamkeit

Das ließe sich ändern, wenn die politische Linke endlich damit beginnen würde, Streitigkeiten zurückzustellen und grassierendes Sektierertum zu überwinden, um sich zumindest in Grundfragen zu verständigen. Dabei ist zu bedenken, dass es in einer »Epoche der Ambivalenz« nicht die eine, ewig gültige Wahrheit geben kann. Inhaltliche Differenzen gehören ausgetragen; jede der streitenden Parteien sollte sich aber darüber bewusst sein, dass sie irren könnte. Dies vorausgesetzt, halte ich drei Themenkomplexe für zentral.

Die Rückkehr des intervenierenden Staates

Schon weil (1) radikal progressive gesellschaftliche Veränderungen derzeit völlig unwahrscheinlich erscheinen, kommt jede Spielart zukunftstauglicher progressiver Politik nicht umhin, Einfluss auf das aktuell dominante Krisenmanagement auszuüben. Auf europäischer wie auch auf nationalstaatlicher Ebene zeichnet sich ab, was als wirtschaftspolitischer Paradigmenwechsel über die Covid-19-Pandemie und den Ukraine-Krieg hinaus Bestand haben wird: Heute ist der intervenierende Staat zurück. Er wirkt als Ressourcenbeschaffer, Planer und Finanzier von Infrastruktur, Garant von Eigentumsrechten gegenüber der Konkurrenz aus Übersee, Seuchen-Manager und – im besten Falle – als Beschleuniger sozial-ökologischer Innovation. Nicht ob, sondern wie Staats­interventionen aussehen, ist zumindest in den alten kapitalistischen Zentren zu einer entscheidenden Frage für die Überlebensfähigkeit des marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems geworden. Das Grundproblem, vor dem der neue Staatsinterventionismus steht, resultiert aus der Aufgabe, überschüssiges Kapital in die richtigen Felder zu lenken, um sozial und ökologisch nachhaltig wirken zu können. Einerseits ist der Kapitalbedarf in wichtigen wirtschaftlichen Sektoren und Branchen gewaltig, andererseits werden überfällige Investitionen in soziale und ökologische Nachhaltigkeit kurzfristig kaum Gewinne abwerfen. Sie sind deshalb für private Unternehmen wenig attraktiv und können ohne Umverteilung von den Reichsten zu den weniger Begüterten nicht sozialverträglich finanziert werden. Entscheidend ist deshalb nicht, dass der Staat interveniert, sondern wie er Einfluss ausübt. Hier grassiert jedoch industrie- und wirtschaftspolitische Fantasielosigkeit. Staatsbeamt*innen, die über Jahrzehnte hinweg gelernt haben, dass die Wirtschaft in der Wirtschaft stattfindet, können gar nicht kreativ handeln, wenn sie nicht durch Druck aus der demokratischen Zivilgesellschaft dazu gezwungen werden.

Politikgestaltung entlang der SDGs

Für die Beurteilung von Staatsaktivitäten gibt es (2) einen großartigen Maßstab, auf den sich die Staatengemeinschaft zu großen Teilen geeinigt hat – die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, bekannt als »Sustainable Development Goals« (SDGs). Diese Ziele sind hervorragend geeignet, auch solche Nachhaltigkeitspolitiken normativ zu begründen, die eine Überwindung des Wachstumskapitalismus anvisieren. In ihrer Kombination und Gleichrangigkeit können universelle Nachhaltigkeitsziele eine subversive Kraft entfalten, weil sie den kapitalistischen Expansionismus in all seinen Spielarten mit der Aufforderung zu Rechtfertigungen (Boltanski und Thevenot 1991) konfrontieren, die eine rasche Verringerung von Emissionen, Ressourcen- und Energieverbrauch anmahnen und die gerechte Verteilung eines Wohlstands einklagen, der auch künftigen Generationen noch zur Verfügung steht. Die SDGs kennen nur noch eine Welt, die sich entweder gemeinsam und solidarisch entwickelt oder eine Ära des globalen Niedergangs einleitet. Vor allem reduzieren sie Nachhaltigkeit nicht auf ihre ökologische Dimension. Ziel eins fordert die weltweite Überwindung aller Ausprägungen von Armut, Ziel zehn die Verringerung sozialer Ungleichheit – beides Orientierungen, die soziale Nachhaltigkeit anvisieren. Diese Ziele werden unauflöslich mit ökologischer Nachhaltigkeit zusammengebracht und zusammengedacht. So verlangt Ziel sieben die Sicherung des Zugangs zu nachhaltig produzierter Energie für alle, Ziel 13 fordert die wirksame Bekämpfung des Klimawandels und Ziel 14 klagt die schonende Nutzung der Meere und Ozeane ein, um nur drei besonders markante Koordinaten zu nennen. Wichtig ist jedoch, dass es keine hierarchische Rangfolge der Ziele gibt. Wenn-dann- oder Zuerst-danach-Beziehungen zwischen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit werden ausgeschlossen. Es gibt keine Ziele erster und zweiter Klasse, sondern ein Koordinatensystem, in das alle Kriterien für Nachhaltigkeit gemeinsam eingehen. Deshalb eignen sich die SDGs als zentrale Inhalte einer neuen, weltweiten Rechtfertigungsordnung, die normative Maßstäbe für jedes Gemeinwesen setzt. Mithilfe einer an den SDGs ausgerichteten Rechtfertigungsordnung wird es möglich, alles im Sinne von Nachhaltigkeit Erreichte am Nötigen und Wünschbaren zu messen. Jeder Kompromiss, jede Bewährungsprobe eignet sich als Ausgangspunkt neuer Kritik durch gesellschaftliche Akteure. Werden Ziele nicht oder nur ungenügend umgesetzt, besteht je nach Perspektive die Gefahr oder Chance einer weitreichenden Delegitimierung des Handelns herrschender Klassen und dominanter Eliten. Die SDGs sind konfliktträchtig, weil sie zumindest diskursiv wirken. Statt Fundamentalkritik zu üben, macht es daher für progressive gesellschaftliche Akteure, die sich der Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsrevolution bewusst sind, Sinn, sich an Definitionskämpfen zu beteiligen, in denen darüber entschieden wird, welche Richtung der gesellschaftliche Wandel einschlägt und auf welche Weise der Staat interveniert. Statt sich in inhaltsleeren »Nachhaltigkeits«-Diskussionen zu verlieren, kann sich die politische Linke dabei an einem Nachhaltigkeitsbegriff orientieren, wie ihn der zu Unrecht fast vergessene Sozialwissenschaftler Kai Tjaden bereits zu Jahrtausendwende vorgeschlagen hat (Tjaden 2002). Er versteht Nachhaltigkeit als den Gegenbegriff zur Gewaltsamkeit. Gewaltsamkeit meint für ihn weit mehr als die Ausübung von physischem Zwang und militärischem Konflikt. Gewaltsamkeit bezieht sich nach Tjaden auch auf den strukturellen Zwang, den soziale Ungleichheiten ausüben; sie findet sich in Geschlechterverhältnissen ebenso wie in Beziehungen zwischen ethnischen Gruppen und Nationen und sie findet ihren Ausdruck auch in der menschlichen Dominanz über die außermenschliche Natur und ihre Lebewesen.

Überwindung der Gewaltsamkeit fokussieren

Nachhaltigkeit bedeutet demnach (3) die Überwindung von Gewaltsamkeit. Sie beinhaltet zwingend „den Verzicht auf kriegerische Mittel der Politik“ (Tjaden 2002, S. 16). Damit ist zugleich gesagt: Politiken, die den Anteil des Rüstungsetats am BIP auf zwei Prozent und mehr festlegen wollen, können nicht nachhaltig sein; sie sind das Gegenteil – Ausweis ökologischer und sozialer Gegenrevolution. In einer »Epoche der Ambivalenz« mag vieles strittig sein, jedes Argument trifft auf gehaltvolle Gegenargumente. Nehmen wir den Ukraine-Krieg. Sicherlich war die Westausdehnung der NATO falsch und ein Verstoß gegen mündliche Abmachungen, die seinerzeit mit Michael Gorbatschows Regierung getroffen wurden; die Rechtfertigung für einen Angriffskrieg ist damit aber nicht gegeben. Selbstverständlich kann man dennoch gegen eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sein – doch hieße dies, dass sich das Land mit leichten Waffen zu verteidigen hätte. Selbstverständlich kann man Sanktionen in Frage stellen – doch welche Mittel gäbe es dann, dem Aggressor etwas entgegenzusetzen? Welche Widerstandsformen stünden einer Bevölkerung zur Verfügung, die ein umfassendes Konzept ziviler Verteidigung niemals eingeübt hat? Und ja, auch die Ukraine ist, so wie alle postsowjetischen Gesellschaften, ein Oligarchenkapitalismus und damit alles andere als eine »Vorzeigedemokratie«. Erst jüngst hat ein Gesetz elementare soziale und gewerkschaftliche Rechte de facto außer Kraft gesetzt (Röthig und Yarmolyuk-Kröck 2021; ÖGB 2021). Doch das sind Konflikte, die innerhalb der Ukraine, innerhalb der russischen Föderation ausgetragen werden müssen. Kriege rechtfertigen sie nicht. Trotz kontroverser Beurteilungen der Lage gibt es einen gemeinsamen Nenner, der nicht kleingeredet werden darf: allen progressiven Kräfte bleibt nur, mit allen verfügbaren friedlichen Mitteln darauf hinzuwirken, dass es zu einem sofortigen Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen kommt. Einen »Siegfrieden«, gleich für welche Partei, kann es nicht geben. Die Waffen müssen schweigen, so rasch wie möglich. Alles andere bedeutet den Bruch mit Nachhaltigkeitszielen und läuft auf einen – zumindest latenten – Exterminismus hinaus.1

4) »Kampf der Sozialismen«?

Ziele sind das eine, Wege zur Zielerreichung etwas völlig anderes. Mit dem Ökonomen Thomas Piketty (2022) sei hinzugefügt, dass nichts dagegen spricht, sich den nötigen Wandel friedlich vorzustellen. Historisch betrachtet waren es allerdings stets Naturkatastrophen, große Krisen und Kriege, die revolutionäre Veränderungen mit sich brachten. Schon deshalb wäre es fatal, würden die progressiven gesellschaftlichen Kräfte die Systemfrage der radikalen Rechten überlassen. Heute geht es, um das Motiv Walter Benjamins (Benjamin 1982) aufzugreifen, bei der Suche nach gesellschaftlichen Alternativen vor allem um die Suche nach einem Notausgang, nach Auswegen aus einer epochalen ökonomisch-ökologischen Zangenkrise, die das Überleben menschlicher Zivilisation infrage stellt. In Zukunft werden wir deshalb möglicherweise, so jedenfalls Thomas Pikettys Prognose, den Übergang von einem »Krieg der Kapitalismen« zum »Kampf der Sozialismen« erleben (Piketty 2022, S. 256ff.). Dem berühmten französischen Ökonomen schwebt dabei die Auseinandersetzung eines demokratisch-ökologischen, partizipativen und kulturell diversen Sozialismus mit autoritär-diktatorischen Staatssozialismen vor, wie ihn beispielsweise die kommunistische Partei Chinas zu realisieren beansprucht.

Ganz gleich wie man zu solchen Prognosen steht: Sollen, ja dürfen »wir« im wissenschaftlichen Diskurs wie im politischen Alltag hinter einen Ökonomen zurückfallen, der vom Liberalen zum überzeugten Sozialisten geworden ist? Ich hielte das für fatal und habe mich deshalb mit meiner »Utopie des Sozialismus« (Dörre 2022) selbst klar positioniert. Das vor allem, weil es innerhalb der Grenzen, die die profitgetriebene kapitalistische Marktexpansion setzt, zwar politischen Handlungsspielräume, letztendlich aber keinen nachhaltigen Ausweg aus der Zangenkrise gibt. Trotz der tristen Lage, in welcher sich die gesellschaftliche wie auch die politische Linke derzeit in vielen Ländern befindet, sind intellektuelle Suchbewegungen, die sich um Begriffe wie den des »Ökosozialismus« (Arruzza et al. 2019, S. 63), der »Gemeinwohlökonomie« (Werneke und Zanker 2022) oder den eines »radikalen Humanismus« (Mason 2019) ranken, alles andere als trivial. Zeugen sie doch von einem intellektuellen Prozess, der die Hegemonie der ratlos wirkenden kapitalistischen Eliten in Frage stellt. Historisch betrachtet wäre es nicht das erste Mal, dass radikaler Wandel sich auf diese Weise Bahn bricht (Wallerstein 2014). Politisch entscheidend ist jedoch immer der nächste Schritt – und der ist gegenwärtig leicht zu bestimmen: Er muss auf der Straße stattfinden. Wir benötigen Massenproteste für die Besteuerung von Übergewinnen und Rüstungsprofiteuren; Einsatz der Mittel zur Deckelung von Strom- und Gaspreisen und ein Sondervermögen für ein radikales, rasch wirkendes Klimapaket!

Anmerkung

1) Exterminismus – eine Wortschöpfung des Historikers E. P. Thompson aus der Zeit des Kalten Krieges, eskalierender Blockkonfrontation und wechselseitiger Aufrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen –bezeichnet diejenigen Mechanismen von Volkswirtschaften, politischen Ordnungen und Ideologien, die als Schubkraft in eine Richtung wirken, deren Resultat die Auslöschung großer Menschenmassen sein muss (Albrecht 1997, Spalten 1188-1192).

Literatur

Albrecht, U. (1997): Exterminismus. In: Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 3, Spalten 1188-1192.

Arruzza, C.; Bhattacharya, T.; Fraser, N. (2019): Feminismus für die 99 %. Ein Manifest. Berlin: Matthes & Seitz.

Benjamin, W. (1982): Das Passagen-Werk. In: Gesammelte Schriften. Band V in zwei Teilbänden. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Boltanski, L.; Thévenot, L. (1991 [2007]): Über die Rechtfertigung. Eine Soziologie der kritischen Urteilskraft. Hamburg: Hamburger Edition.

Crutzen, J. (2019): Das Anthropozän. München: oekom.

DGB (2021): DGB Verteilungsbericht. Ungleichheit in Zeiten von Corona. Berlin.

Dixson-Decléve, S. et al. (2022): Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten. München: oekom.

Dörre, K. (2022): Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution. 2. erweiterte Auflage. Berlin: Matthes & Seitz.

Frankenberg, G.; Heitmeyer, W. (Hrsg.) (2022): Treiber des Autoritären. Pfade von Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt a.M.: Campus.

Galbraith, J. K. (2016): Wachstum neu denken. Was die Wirtschaft aus der Krise lernen muss. Zürich: Rotpunkt.

Galbraith, J. K.; Dörre, K. (2018): The great financial crisis and the end of normal. Berliner Journal für Soziologie 28(1-2), S. 39-54.

IPCC (2022): Summary for policymakers. In: Climate change 2022: Impacts, adaptation and vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the IPCC. Cambridge/New York: Cambridge University Press, S. 3–33.

Kagan, R. (2008): Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung? München: Siedler.

Mason, P. (2019): Klare, lichte Zukunft. Eine radikale Verteidigung des Humanismus. Berlin: Suhrkamp.

Moore, J. W. (2015): Capitalism in the web of life. London/New York: Verso.

ÖGB (2021): Ukraine: Regierung droht Gewerkschaft mit kompletter Entmachtung. Blogbeitrag, oegb.at, 4.10.2021.

Piketty, Th. (2022): Eine kurze Geschichte der Gleichheit. München: C.H. Beck.

Röthig, M.; Yarmolyuk-Kröck, K. (2021): Ukraine Gewerkschaftsmonitor. Berlin: FES.

Tjaden, K. (2002): Nachhaltigkeit und Gewaltsamkeit. Historische und theoretische Bemerkungen. spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, Heft 126, S. 13-17.

Wallerstein, I. (2014): Die strukturelle Krise oder Warum der Kapitalismus sich nicht mehr rentieren könnte. In: Wallerstein, I. et al. (Hrsg.): Stirbt der Kapitalismus? Fünf Szenarien für das 21. Jahrhundert. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 17-48.

Weiss, P. (1981): Notizbücher 1971-1980, Erster Band, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Werneke, F.; Zanker, K. (Hrsg.) (2022): Renaissance des Gemeinwohls? Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Pandemie. Hamburg: VSA.

Wiegel, M.; Záboji, N. (2022): Die „strahlende“ Verliererin. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.4.2022.

Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der FSU Jena und forscht u.a. zu Kapitalismus und Nachhaltigkeit.

Gemeinsam entscheiden


Gemeinsam entscheiden

Perspektiven und Risiken von Partizipation für eine sozial-ökologische Transformation

von Laima Eicke, Maja Hoffmann, Thomas Kopp

Die Lebensweise breiter Bevölkerungsschichten im Globalen Norden ist ursächlich verantwortlich für gravierende globale Probleme, wie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, Krieg, Gewalt und Vertreibung. Dieser Befund ist Ergebnis des Konzeptes der »imperialen Lebensweise«. Das Konzept der »solidarischen Lebensweise« hingegen wagt den Versuch, eine derart zerstörerische Gesellschaftsorganisation zu überwinden. Doch wer entscheidet darüber, in welcher Gesellschaft wir heute leben und in welcher wir künftig leben wollen? Wer partizipiert an maßgeblichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen und wer nicht?

Die imperiale Lebensweise ist nach Brand und Wissen (2017) eine strukturell, kulturell und individuell tief verankerte gesellschaftliche Organisationsform, die auf der systematischen, exklusiven und unbegrenzten Ausbeutung von Natur und menschlicher Arbeitskraft im globalen Maßstab beruht. Sie beschreibt nicht einen individuell gewählten Lebensstil, sondern ist die bestimmende Lebensform breiter Gesellschaftsschichten, vor allem im Globalen Norden, zunehmend aber auch einer wachsenden Mittelschicht in sich »entwickelnden« Ländern des Globalen Südens. Stabilisiert wird sie durch einen relativ breiten gesellschaftlichen Konsens über ihre Normalität sowie durch Infrastrukturen und Institutionen, die zumindest mittelfristig ein bestimmtes Verhalten vorgeben und ein anderes verunmöglichen.

Mit Krieg und gewaltsamen Konflikten ist die imperiale Lebensweise aufs Engste verknüpft: Die Ausbeutung von Natur und Menschen mittels ungleicher Handelsverträge oder des systematischen Einsatzes von Zwangsmitteln, Gewalt und Militärinterventionen ist seit der Kolonialzeit fester Bestandteil des modernen Gesellschaftsmodells. Heute sind die Methoden nur teilweise subtiler geworden, etwa wenn die Bundeswehr am Horn von Afrika internationale Handelsrouten sichert oder wenn durch die »Strukturanpassungsprogramme« des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank ganze Volkswirtschaften umgebaut werden. Auch Konflikte, die mit den alltäglichen Praktiken der imperialen Lebensweise einhergehen, werden billigend in Kauf genommen: Rohstoffkriege im Kongo z.B. werden durch die IT-Nutzung der „transnationalen Verbraucherklasse“ (Sachs und Santarius 2005) genauso verschärft wie Landkonflikte im Amazonas durch Fleischproduktion und -konsum hierzulande (Kopp et al. 2017).

Als Gegenentwurf zu dieser imperialen Lebensweise entwerfen Ambach et al. (2019) mit dem Konzept der »solidarischen Lebensweise« eine gesellschaftliche Organisationsform, in der alle Menschen ihre Bedürfnisse verwirklichen können, ohne dabei auf Kosten anderer oder der Natur zu leben. Stattdessen steht die wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Menschen sowie im Verhältnis zur Umwelt im Zentrum. Daraus erwachsen gemeinsame Verantwortung und Sorge füreinander, gemeinsames Entscheiden und Handeln sowie Suffizienz. Der notwendige und angestrebte Übergang von der einen, nicht-nachhaltigen Gesellschaftsform zu einer anderen, nachhaltigen Lebensweise wird häufig als »sozial-ökologische Transformation« bezeichnet.

Dieser Beitrag möchte zunächst skizzieren, welche Formen Partizipation in der imperialen Lebensweise annimmt, und in einem zweiten Schritt diskutieren, inwiefern eine Ausweitung von Partizipation hilfreich für das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation hin zu einer künftigen solidarischen und damit friedensfördernden Lebensweise sein könnte.

Eingeschränkte Partizipation in der imperialen Lebensweise

Obwohl die imperiale Lebensweise von breiten Bevölkerungsschichten im Globalen Norden gelebt wird, handelt es sich nicht um eine Gesellschaftsform, über die demokratisch entschieden wurde. Über ihre Konstitution und künftige Entwicklung bestimmen in der Regel nur wenige Menschen (Brand und Wissen 2017, Kopp et al. 2017); die Partizipation an grundlegenden Entscheidungen ist eingeschränkt. Wir verstehen Partizipation in diesem Beitrag als Teilhabe am Gemeinwesen und Mitbestimmung an Entscheidungsprozessen zur Gestaltung des Gemeinwesens. Dies umfasst neben der formalen politischen Sphäre auch Wirtschaftsfragen, also die Grundbedingungen materieller Existenz.

Partizipation in der imperialen Lebensweise ist in erster Linie charakterisiert durch die Vorstellung, gesellschaftliche Teilhabe bedeute primär Teilhabe an materiellem Konsum. In historischer Perspektive ist das verständlich: Die Etablierung der modernen Konsum- und Wachstumsgesellschaft im Fordismus der Nachkriegszeit ermöglichte breiten Massen die Teilhabe am materiellen Wohlstand, verstanden als Zugang zu Arbeitseinkommen und Konsumgütern. Partizipation wird daher oftmals als individuelle Kaufentscheidung verstanden bzw. als die oft behauptete Möglichkeit, durch ethische Konsumentscheidungen an der Ausgestaltung globaler Handelsbedingungen mitwirken zu können. Bürger*innen werden in dieser Lesart auf ihre Rolle als Konsument*innen reduziert, die lediglich aus einem vorgegebenen, hinsichtlich des Herstellungsprozesses intransparenten Angebot auswählen können. Die Rahmenbedingungen der globalen Ökonomie, ihre Funktionsweise, Machtstrukturen und Produktionsprozesse stehen dabei nicht zur Disposition.

Die Bürger*innen einer repräsentativen Demokratie haben zwar weiterreichende Befugnisse: Es können, wenigstens indirekt, soziale und ökologische Produktionsstandards festgelegt werden. Dennoch bleibt der reale Einfluss der Bürger*innen oftmals eingeschränkt: Die maßgeblichen politischen Entscheidungsorgane werden – wenn überhaupt – nur durch sporadisch stattfindende Wahlen besetzt; wirtschaftliche Entscheidungsträger*innen werden zumeist gänzlich undemokratisch bestimmt. Auch demokratisch legitimierte Institutionen entscheiden teilweise gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung über Rahmenbedingungen, wie etwa bei den umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA (ARD 2016). Die von Entscheidungen unmittelbar Betroffenen werden meist nicht oder nur unzureichend eingebunden, erst recht nicht, wenn man sich die globalen und die Zukunft betreffenden Auswirkungen der imperialen Lebensweise vergegenwärtigt. Erschwerend kommen Demokratiedefizite hinzu in Form der ungebremsten Einflussnahme mächtiger Lobbygruppen auf die Politik (Lange et al. 2017), bis hin zu offener Korruption, wie jüngst der »Diesel-Skandal« erneut zeigte.

Immerhin: Die eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten werden erfreulicherweise häufig genutzt. Allerdings werden deren Grenzen, zum Beispiel vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe, immer deutlicher. Ethische Konsumentscheidungen erscheinen oft wirkungslos, ebenso wie zaghafte Reformen gewählter Entscheider*innen, denen aktuell wöchentliche und weltweite Großdemonstrationen einer jungen Generation mit ihrem Wunsch nach Veränderung gegenüberstehen. Es stehen wichtige Entscheidungen über Weichenstellungen für unsere Zukunft an. Damit stellt sich die Frage, wer in welcher Form an diesen Entscheidungen beteiligt ist.

Voraussetzungen für erweiterte Partizipation schaffen

Demokratie bedeutet Volksherrschaft, und das bedeutet, regelmäßig mitzubestimmen und zugleich Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Diese Aufgabe beschränkt sich nicht darauf, alle paar Jahre ein Kreuzchen zu machen. Vielmehr ist gelebte gesellschaftliche Partizipation ein kontinuierlicher, voraussetzungsvoller Prozess. Ein wichtiger Punkt ist die Offenheit und Transparenz von Entscheidungsorganen – nur dann können aktuelle Entwicklungen mitverfolgt und eigene Ideen eingebracht werden. Doch während die Verhandlungen von Gesetzen im Bundestag öffentlich sind und online per Livestream mitverfolgt werden können, sind drei Viertel der Ausschusssitzungen, in denen die Gesetzestexte erarbeitet werden, geschlossen. Anträge, dies zu ändern, wurden zuletzt 2018 eingereicht, aber bislang abgelehnt (Bündnis 90/Die Grünen 2019).

Eine prominente Idee für mehr Mitbestimmung ist die Integration von Elementen der Direkten Demokratie, wie beispielsweise in der Schweiz. In einzelnen deutschen Bundesländern ist es erlaubt, Volksbegehren zu starten, um wichtige Anliegen auf die Agenda der Politik zu bringen. Erfolgreich wurde z.B. erst kürzlich in Bayern das Volksbegehren für Erhalt und Förderung der Artenvielfalt durchgeführt. Die Organisation Mehr Demokratie e.V. setzt sich seit 30 Jahren für bundesweite, verbindliche Volksbegehren ein.

Direkte Demokratie birgt aber auch Gefahren. Eine politische Stimmung kann innerhalb kurzer Zeit aufgeheizt werden und kippen. Parteien können dies nutzen, um problematische Interessen durchzusetzen; z.B. waren der Brexit oder das Minarettbauverbot in der Schweiz Ergebnis von nationalistischem Populismus. Umso wichtiger ist eine rechtliche Verankerung der Werkzeuge der Direkten Demokratie, damit sie mit den Prinzipien einer solidarischen Lebensweise übereinstimmen. Die »Ewigkeitsklausel«, die bestimmte Teile des Grundgesetzes schützt, ist ein Instrument hierfür.1 Darüber hinaus ist es auch Aufgabe von Bildungseinrichtungen, Menschen darauf vorzubereiten, sich kritisch eine Meinung zu bilden und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.

In der Sphäre der formalisierten Politik sind also verschiedene Formen der Partizipation möglich. Darüber hinaus werden Vorschläge diskutiert, Partizipation grundsätzlicher zu verstehen und ihren Geltungsbereich zu erweitern. Denn während wir in der politischen Sphäre beispielsweise über Möglichkeiten verfügen, relevante Informationen über staatliche Tätigkeiten in Behörden per Informationsfreiheitsgesetz zu erfragen, sind Informationen über Unternehmensaktivitäten und Lieferketten sehr begrenzt zugänglich und Entscheidungsprozesse darüber nur einer sehr begrenzten Zahl Menschen (etwa in Unternehmenszentralen) zugänglich. Zwar gibt es Unternehmensformen wie Genossenschaften oder Kooperativen, in denen betriebliche Entscheidungen, z.B. über Investitionen und Löhne, von allen Mitarbeiter*innen und Anteilseigner*innen demokratisch getroffen werden. Dennoch schließt dies nur teilweise die Menschen ein, die von diesen Entscheidungen am Ende betroffen sind. Auch ermöglicht dies keinerlei Teilhabe an Entscheidungsprozessen über die Ausrichtung des Wirtschaftssystems insgesamt. Für eine sozial-ökologische Transformation ist zudem das Beenden bestimmter Strukturen und Praxen nötig (»Exnovation«) – allerdings ist fraglich, ob sich ein Kohlekonzern selbst unter demokratischer Führung dazu durchringen kann, sämtliche Arbeiter*innen zu entlassen und den Betrieb stillzulegen.

Hier setzt das Konzept der Wirtschaftsdemokratie an. In einem grundsätzlichen Sinne verstanden, meint es Gewaltenteilung zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht sowie das gleiche Recht aller auf Mitbestimmung und -gestaltung in ökonomischen Angelegenheiten, analog zur staatlichen Demokratie (Johanisova und Wolf 2012). Dies würde deutlich erweiterte Mitbestimmung über Zweck, Mittel und Gestaltung von u.a. Arbeit, Produktion, Konsum, Handel, Investitionen oder Geldschöpfung bedeuten – und neue Formen der Entscheidungsfindung und Gewaltenteilung auf verschiedenen Ebenen erfordern. Ansprüche an erweiterte Demokratie in diesem Sinne sind bereits Gegenstand vielfältiger Debatten und Praktiken weltweit, etwa Commons, Energiedemokratie, Landrechte, Wassersouveränität, Sorgeräte und andere Rätesysteme, Ecoswaraj, Parecon, Schulden-Audits, Transition Towns oder Ernährungssouveränität, Letztere z.B. verwirklicht im Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Hoffmann 2018).

Trotz solcher Beispiele funktionierender Wirtschaftsdemokratie in Teilbereichen und begrenztem Ausmaß gibt es viele offene Fragen zu ihrer möglichen Ausweitung und Ausgestaltung vor dem Hintergrund komplexer, arbeitsteiliger Gesellschaften. Um Wirtschaftsdemokratie sinnvoll zu organisieren, bedürfte es beispielsweise einer De-Globalisierung bzw. dezentralen Regionalisierung der meisten Wirtschaftssektoren. (Globale) Solidarität und Verantwortung oder möglichst hierarchiefreie Strukturen wären hierbei keine Selbstläufer. Auch wäre Versuchen in diese Richtung der Vorwurf der Planwirtschaft und Sowjet­romantik sicher, ebenso der Ineffizienz oder der Sorge, dass nicht alle in allen Dingen mitreden können oder wollen.

Insgesamt beruht die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe aller Menschen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf einem System, das den Menschen die Freiheit ermöglicht, sich aktiv einzubringen. Wenn Menschen Tag für Tag acht und mehr Stunden arbeiten müssen, um sich den Alltag leisten zu können, haben sie kaum mehr Zeit und Kraft, um sich politisch oder gesellschaftlich zu engagieren. Daher wären eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und andere sozialpolitische Maßnahmen zur Absicherung materieller Grundbedürfnisse wichtige Voraussetzungen für eine umfassende Partizipation.

Partizipation für eine sozial-ökologische Transformation

Entscheidende Bereiche, in denen über die Zukunft unserer Gesellschaft entschieden wird, bleiben in der imperialen Lebensweise also demokratischer Mitbestimmung verschlossen. Partizipation im aktuellen institutionellen Rahmen ist nicht ausreichend gewährleistet, um grundlegende Weichenstellungen zur Überwindung der imperialen Lebensweise vorzunehmen. Dabei fehlt es sowohl an effektiven institutionellen Instrumenten zur Partizipation als auch an wichtigen Voraussetzungen, um diese wahrzunehmen, wie z.B. Transparenz und eine Absicherung finanzieller und zeitlicher Ressourcen. Eine Ausweitung bestehender Formen der Partizipation wie auch ihre Ausweitung auf andere Formen und Bereiche (wie z.B. den Wirtschaftsbereich) betrachten wir jedoch als zentral für eine solidarische Lebensweise, trotz der Risiken, die das bergen kann.

Die Rolle von Partizipation als sozial-ökologische Transformationsstrategie selbst bleibt weiterhin offen. Es gibt bereits heute zahlreiche Experimentierräume der Partizipation, etwa in der Solidarischen Landwirtschaft oder in Kommunen, die Finanzentscheidungen in einem Bürger*innenhaushalt aushandeln lassen. Diese Räume können neben einem Lernprozess über Lebens­mittel­anbau oder städtische Verwaltung der Finanzen dazu beitragen, demokratische Praxen zu erlernen. Dies ist insofern sehr wichtig, als Menschen hierzulande in der Regel keinerlei Erfahrung mit Formen direkter Demokratie bzw. Partizipation haben, die über erprobte Instrumente wie Volksentscheide hinaus gehen. So können Menschen Aushandlungsprozesse verschiedener Interessen erproben, um gesellschaftliche Konfliktlösung inklusiv und mit friedlichen Mitteln zu gewährleisten.

Gleichzeitig sind Partizipation Grenzen gesetzt, und sie ist kein Allheilmittel. Oftmals beschränkt sie sich auf eine Auswahl aus vordefinierten Möglichkeiten innerhalb der Grenzen institutioneller Pfadabhängigkeiten. Und selbst wenn es gelingt, diese aufzubrechen, ist Partizipation nicht gefeit gegen Populismus und potenziell rückschrittliche Entwicklungen. Doch besonders die aktuellen Herausforderungen im Klima- und Umweltschutz machen deutlich, dass sich global weite Teile der Bevölkerung – und allen voran eine junge Generation – mit ihrem Wunsch nach einer zukunftsgerichteten, sozial-ökologischen Transformation nicht ausreichend repräsentiert sehen und mehr Mitsprache in Politik und Wirtschaft auf der Straße einfordern.

Anmerkung

1) Artikel 19(2) des Grundgesetzes lautet: „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“

Literatur

Ambach, C.; Austaller, M.; Bähr, H.; Beil, C.; Brokow-Loga, A.; Eicke, L.; Inkermann, N.; Hildebrandt, F.; Jeglitzka, E.; Kalt, T.; Kolbinger, J.; Lage, J.; Ries, F.; Ritter, J.; Rosswog, T.; Schwausch, C.; Thomas, W.; van Treeck, K.; Walch, S. (2019): Das Gute Leben für Alle! Wege in die solidarische Lebensweise. München: oekom.

ARD (2016): ARD-DeutschlandTREND Mai 2016, durchgeführt von infratest dimap; ­tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-551.pdf.

Brand, U.; Wissen, M. (2017): Imperiale Lebensweise – Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. München: oekom.

Bündnis 90/Die Grünen – Bundestagsfraktion (2019): Ausschüsse sollen öffentlich tagen. 21.1.2019; gruene-bundestag.de.

Hoffmann, M. (2018): Imperiale Lebensweise, sozial-ökologische Transformation und Wirtschaftsdemokratie. aep informationen – Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, Vol. 45, Nr. 4, S. 32-35.

Johanisova, N.; Wolf, S. (2012): Economic democracy – A path for the future? Futures, Vol. 44, Nr. 6, S. 562-570.

Kopp, T.; Becker, M.; Decker, S.; Eicker, J.; Engelmann, H.; Eradze, I.; Forster, F.; Haller, S.; Heuwieser, M.; Hoffmann, M.; Noever Castelos, C.; Podstawa, C.; Shah, A.; Siemons, A.; Wenzel, T.; Wolfinger, L. (2017): Auf Kosten anderer? Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert. München: oekom.

Lange, T.; Deckwirth, C.; Sawatzki, A.; Katzemich, N. (2017): Lobbyreport 2017. Köln: LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie e.V.

Sachs, W.; Santarius, T. (2005): Fair Future – begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit. München: C.H. Beck.

Maja Hoffmann ist Doktorandin in Nachhaltigkeitswissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Laima Eicke forscht am Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam zur globalen Energiewende.
Dr. Thomas Kopp ist Agrarökonom an der Universität Göttingen.

Dieser Beitrag baut auf den Erkenntnissen der Veröffentlichungen Kopp et al. (2017) und Ambach et al. (2019) auf und beinhaltet adaptierte Ausschnitte aus letzterer. Die Erstautorinnenschaft für den Text teilen sich Hoffmann und Eicke.

Innovationen für nachhaltigen globalen Frieden


Innovationen für nachhaltigen globalen Frieden

IPRA General Conference 2018, Ahmedabad/Indien, 24.-28. November 2018

von Klaus Harnack

Der Ort, an dem Mahatma Gandhi eine seiner wesentlichen Wirkungsstätten hatte, wurde vom 24. bis zum 28. November 2019 zum Tagungsort der alle zwei Jahre stattfindenden Generalkonferenz der Internationalen Gesellschaft für Friedensforschung (International Peace Research Association, kurz IPRA). Das Motto dieser Konferenz lautete »Innovation for Sustainable Global Peace«, und dementsprechend standen Fragen nach dem nachhaltigen Umgang mit materiellen und immateriellen Gütern, die den globalen Frieden fördern bzw. sichern, im Vordergrund. Unter diesem Leitmotiv waren Friedensforscher*innen aus allen Teilen der Welt eingeladen, sich auszutauschen, zu vernetzen, ihre jeweiligen Forschungsarbeiten vorzustellen und Beispiele ihrer praktischen Friedensarbeit zu präsentieren. Diesem Aufruf folgten ca. 120 Forscher*innen von allen Kontinenten. Überschattet wurde die Konferenz von der Tatsache, dass vielen Teilnehmer*innen aus einzelnen afrikanischen Ländern sowie Teilnehmer*innen mit pakistanischem Hintergrund von der indischen Einwanderungsbehörde die Einreisegenehmigung verwehrt wurde und sie folglich von der Teilnahme ausgeschlossen waren.

Der aus friedenshistorischer Sicht wichtige Ort Ahmedabad im indischen Bundesstaat Gujarat bot eine passende historische Basis für dieses Treffen und sorgte für eine produktive Atmosphäre. Hier waren die Residenz Gandhis und der Treff- und Austauschpunkt der »Sabarmati Ashram«, von hier ging 1930 der Salzmarsch aus. In dieser Zeit galt Ahmedabad als Zentrum des gewaltlosen Widerstandes gegen die britische Besatzung, außerdem spiegelt sich in dieser Stadt die Vielfältigkeit unser Welt gut wider.

Die IPRA fungiert als Dachverband fünf weiterer Unterorganisationen, die jeweils eigenständig im regelmäßigen Turnus regionalspezifische Treffen und Konferenzen organisieren und durchführen. Die fünf affiliierten Organisationen sind AFPREA – Africa Peace Research and Education Association, APPRA – Asia-Pacific Peace Research Association, CLAIP – Latin America Peace Research Association, EuPRA – European Peace Research Association und PJSA – North America Peace Research Association. Die IPRA bündelt diese Unterverbände und leistet hierbei eine bemerkenswerte Arbeit, leidet aber sichtlich unter finanziellem und personellem Mangel, was sich beispielsweise darin äußert, dass die IPRA zurzeit über kein permanentes Büro verfügt. Dementsprechend waren die Verbesserung der vereins­internen Finanzierung und die strukturelle Neuaufstellung zentrales Anliegen der abschließenden Vereinsversammlung.

Die europäische Sektion war mit nur fünf Teilnehmer*innen die am geringsten vertretene Organisation. Eine stärkere Präsenz europäischer Friedensforscher*innen wäre für die kommende Tagung deshalb sehr wünschenswert. Das Forum Friedenspsychologie war durch Klaus Harnack mit dem Thema »Tools to foster collective decision making« innerhalb der Kommission »Friedensverhandlung, Mediation, Versöhnung und Übergangsjustiz« vertreten.

Strukturell wurden die fünf Konferenztage durch drei unterschiedliche Formate geprägt: einzelne Festreden, gemeinsame Plenarsitzungen und Treffen spezialisierter Kommissionen. Letzteres war mit Abstand das häufigste Format. Hier konnten sich die Forscher*innen zu ihren spezifischen Forschungsfeldern direkt austauschen und vernetzen. Die insgesamt 16 verschiedenen Kommissionen bildeten das Rückgrat des mannigfaltigen Angebotes der Konferenz und decken die gesamte Bandbreite der gegenwärtigen Friedensforschung ab. Die Themen der Kommissionen waren: Friedenskulturen, Kunst und Tourismus / Entwicklung & Frieden / Ökologie, Konfliktrisiken, erzwungene Migration und Frieden / Gender & Frieden / Globale politische Ökonomie / Menschenrechte / Interne Konflikte und Konfliktlösung / Rechte der indigenen Völker / Medienkonflikte und Journalismus / Gewaltlosigkeit und Friedensbewegungen / Friedenserziehung / Friedensverhandlung, Mediation, Versöhnung und Übergangsjustiz / Friedenstheorien und Geschichte / Religion, Spiritualität und Frieden / Sicherheit, Entmilitarisierung und Zivilgesellschaft / Jugend, Sport und Frieden.

Auffällig war die Tatsache, dass keine einzelnen Leuchtturmprojekte die Konferenz dominierten oder besonders hervorstachen. Vielmehr war es die Vielfalt der unterschiedlichen Beiträge, die beeindruckte. Das Spektrum reichte von der Präsentation kleiner Anime-Videos zur Friedenserziehung in Japan über die systematische Dokumentation der Verhandlungsgrundlagen im Friedensprozess in Afghanistan bis hin zur Evaluation von Friedensinterventionen im Versöhnungsprozess in Kolumbien. Diese Breite spiegelte sich allerdings auch in der Qualität der Beiträge wider, die nicht immer den gewohnten Standards entsprachen. Erschwerend hinzu kamen die sehr unterschiedlichen Englischkenntnisse der Teilnehmer*innen und die sehr diversen empirischen und theoretischen Herangehensweisen der einzelnen Disziplinen. Allerdings wurde so auch die Vielfältigkeit der gegenwärtigen Friedensforschung verdeutlicht.

Fazit: Eine Konferenz, die sich deutlich von den klassischen Konferenzformaten unterschied – weniger aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung, sondern aufgrund der unterschiedlichen Kulturen, die diese Konferenz stark prägten und deswegen gegenüber dem sonst dominierenden angloamerikanischen Konferenzformat eine erfrischende Abwechslung boten. Diesbezüglich sind die Konferenzen der IPRA eine echte Empfehlung, wenn man über den eigen disziplinären Tellerrand schauen und seine Arbeit auf einer wahrhaftig internationalen Bühne testen und vorstellen möchte.

Klaus Harnack