W&F 2019/1

Innovationen für nachhaltigen globalen Frieden

IPRA General Conference 2018, Ahmedabad/Indien, 24.-28. November 2018

von Klaus Harnack

Der Ort, an dem Mahatma Gandhi eine seiner wesentlichen Wirkungsstätten hatte, wurde vom 24. bis zum 28. November 2019 zum Tagungsort der alle zwei Jahre stattfindenden Generalkonferenz der Internationalen Gesellschaft für Friedensforschung (International Peace Research Association, kurz IPRA). Das Motto dieser Konferenz lautete »Innovation for Sustainable Global Peace«, und dementsprechend standen Fragen nach dem nachhaltigen Umgang mit materiellen und immateriellen Gütern, die den globalen Frieden fördern bzw. sichern, im Vordergrund. Unter diesem Leitmotiv waren Friedensforscher*innen aus allen Teilen der Welt eingeladen, sich auszutauschen, zu vernetzen, ihre jeweiligen Forschungsarbeiten vorzustellen und Beispiele ihrer praktischen Friedensarbeit zu präsentieren. Diesem Aufruf folgten ca. 120 Forscher*innen von allen Kontinenten. Überschattet wurde die Konferenz von der Tatsache, dass vielen Teilnehmer*innen aus einzelnen afrikanischen Ländern sowie Teilnehmer*innen mit pakistanischem Hintergrund von der indischen Einwanderungsbehörde die Einreisegenehmigung verwehrt wurde und sie folglich von der Teilnahme ausgeschlossen waren.

Der aus friedenshistorischer Sicht wichtige Ort Ahmedabad im indischen Bundesstaat Gujarat bot eine passende historische Basis für dieses Treffen und sorgte für eine produktive Atmosphäre. Hier waren die Residenz Gandhis und der Treff- und Austauschpunkt der »Sabarmati Ashram«, von hier ging 1930 der Salzmarsch aus. In dieser Zeit galt Ahmedabad als Zentrum des gewaltlosen Widerstandes gegen die britische Besatzung, außerdem spiegelt sich in dieser Stadt die Vielfältigkeit unser Welt gut wider.

Die IPRA fungiert als Dachverband fünf weiterer Unterorganisationen, die jeweils eigenständig im regelmäßigen Turnus regionalspezifische Treffen und Konferenzen organisieren und durchführen. Die fünf affiliierten Organisationen sind AFPREA – Africa Peace Research and Education Association, APPRA – Asia-Pacific Peace Research Association, CLAIP – Latin America Peace Research Association, EuPRA – European Peace Research Association und PJSA – North America Peace Research Association. Die IPRA bündelt diese Unterverbände und leistet hierbei eine bemerkenswerte Arbeit, leidet aber sichtlich unter finanziellem und personellem Mangel, was sich beispielsweise darin äußert, dass die IPRA zurzeit über kein permanentes Büro verfügt. Dementsprechend waren die Verbesserung der vereins­internen Finanzierung und die strukturelle Neuaufstellung zentrales Anliegen der abschließenden Vereinsversammlung.

Die europäische Sektion war mit nur fünf Teilnehmer*innen die am geringsten vertretene Organisation. Eine stärkere Präsenz europäischer Friedensforscher*innen wäre für die kommende Tagung deshalb sehr wünschenswert. Das Forum Friedenspsychologie war durch Klaus Harnack mit dem Thema »Tools to foster collective decision making« innerhalb der Kommission »Friedensverhandlung, Mediation, Versöhnung und Übergangsjustiz« vertreten.

Strukturell wurden die fünf Konferenztage durch drei unterschiedliche Formate geprägt: einzelne Festreden, gemeinsame Plenarsitzungen und Treffen spezialisierter Kommissionen. Letzteres war mit Abstand das häufigste Format. Hier konnten sich die Forscher*innen zu ihren spezifischen Forschungsfeldern direkt austauschen und vernetzen. Die insgesamt 16 verschiedenen Kommissionen bildeten das Rückgrat des mannigfaltigen Angebotes der Konferenz und decken die gesamte Bandbreite der gegenwärtigen Friedensforschung ab. Die Themen der Kommissionen waren: Friedenskulturen, Kunst und Tourismus / Entwicklung & Frieden / Ökologie, Konfliktrisiken, erzwungene Migration und Frieden / Gender & Frieden / Globale politische Ökonomie / Menschenrechte / Interne Konflikte und Konfliktlösung / Rechte der indigenen Völker / Medienkonflikte und Journalismus / Gewaltlosigkeit und Friedensbewegungen / Friedenserziehung / Friedensverhandlung, Mediation, Versöhnung und Übergangsjustiz / Friedenstheorien und Geschichte / Religion, Spiritualität und Frieden / Sicherheit, Entmilitarisierung und Zivilgesellschaft / Jugend, Sport und Frieden.

Auffällig war die Tatsache, dass keine einzelnen Leuchtturmprojekte die Konferenz dominierten oder besonders hervorstachen. Vielmehr war es die Vielfalt der unterschiedlichen Beiträge, die beeindruckte. Das Spektrum reichte von der Präsentation kleiner Anime-Videos zur Friedenserziehung in Japan über die systematische Dokumentation der Verhandlungsgrundlagen im Friedensprozess in Afghanistan bis hin zur Evaluation von Friedensinterventionen im Versöhnungsprozess in Kolumbien. Diese Breite spiegelte sich allerdings auch in der Qualität der Beiträge wider, die nicht immer den gewohnten Standards entsprachen. Erschwerend hinzu kamen die sehr unterschiedlichen Englischkenntnisse der Teilnehmer*innen und die sehr diversen empirischen und theoretischen Herangehensweisen der einzelnen Disziplinen. Allerdings wurde so auch die Vielfältigkeit der gegenwärtigen Friedensforschung verdeutlicht.

Fazit: Eine Konferenz, die sich deutlich von den klassischen Konferenzformaten unterschied – weniger aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung, sondern aufgrund der unterschiedlichen Kulturen, die diese Konferenz stark prägten und deswegen gegenüber dem sonst dominierenden angloamerikanischen Konferenzformat eine erfrischende Abwechslung boten. Diesbezüglich sind die Konferenzen der IPRA eine echte Empfehlung, wenn man über den eigen disziplinären Tellerrand schauen und seine Arbeit auf einer wahrhaftig internationalen Bühne testen und vorstellen möchte.

Klaus Harnack

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2019/1 70 Jahre NATO, Seite 56–57