W&F 1987/5

Alternativer Nobelpreis an Professor Dr. Hans Peter Dürr

von Redaktion

Der von der Right Livelihood Foundation gestiftete und seit 1980 jährlich verliehene Preis für besondere Verdienste um die Dritte Welt und die Umwelt erhält in diesem Jahr zu einem Viertel Professor Dr. Hans Peter Dürr, Direktor am Werner-Heisenberg-Institut für Physik des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik.

Als Begründung für die Verleihung des alternativen Nobelpreises 1987 gibt Paul Ekins als Vertreter von „Right Livelihood Foundation“ an:

Prof. Hans Peter Dürr bekommt ein Viertel des Preises zuerkannt für seine Kritik an SDI aus seiner Sicht als Physiker, für seine Anstrengungen, die High-Technology statt militärischen friedlichen Zwecken nutzbar zu machen. Die Jury ehrt in Dürr auch ein aktives Mitglied der westlichen Friedensbewegung, deren Aktivitäten und Druck es mit zu verdanken sei, daß erstmals seit 1949 ein wirklicher nuklearer Abrüstungsvertrag zustande kommt.

Paul Ekins nahm vor allem Bezug auf das Spiegel-Interview, das Hans Peter Dürr 1985 zu SDI gegeben hatte, zur Stellungnahme Dürrs vor dem Friedensforum in Moskau, in der Dürr Anregungen zum friedlichen Gebrauch von Wissenschaft und zur weltweiten Zusammenarbeit von Wissenschaftlern bei Lösung globaler Probleme vorgetragen hat – Anregungen, die in der Gründung von Global Challenges Network (GCN) mündeten. Erster Schritt von GCN ist die Einrichtung einer INTERNATIONAL SCIENCE AND TECHNOLOGY STUDY GROUP, die im Frühsommer nächsten Jahres ihre Arbeit aufnehmen wird. Der mit dem Preis verbundene Beitrag von $ 25.000 ist für die Arbeit des GCN bestimmt.

In seiner Dankesrede anläßlich der Verleihung am 9.12. führte Prof. Dürr u.a. aus:

„Als Wissenschaftler möchte ich mich gegen den schrecklichen Mißbrauch der Wissenschaften wenden. Es werden heute in immer größerem Maße nicht nur finanzielle, sondern vor allem auch intellektuelle Ressourcen vergeudet, um noch raffiniertere, noch heimtückischere und noch zerstörerische Waffen und Gegenwaffen zu entwickeln. Und nicht nur das! Um diese ruinöse militärische Aufrüstung abzubremsen oder abzustoppen, werden weitere hochmotivierte Menschen in diese Militärmaschinerie hineingezogen, deren Absicht eigentlich gerade das Gegenteil war, nämlich sich dieser Militärmaschinerie zu verweigern, sich ganz aus ihr herauszuhalten. Sie finden sich häufig in der verzwickten Lage, als Partner in ein Spiel gezwungen zu werden, an dem sie sich überhaupt nicht beteiligen wollen.(…)

Wir alle haben wirklich Besseres und Vernünftigeres zu tun, als immer nur gegen diese verrückten und gefährlichen Projekte anzudiskutieren und zu demonstrieren. Wir alle würden lieber unsere kostbare Zeit und unsere schöpferische Energie für einen konstruktiven Zweck einsetzen, für etwas, was dazu beitragen könnte, die lebensspendende Funktion unserer Erde und ihre Schönheit zu erhalten und die Zusammenarbeit, das Zusammengebörigkeitsgefühl und die Freundschaft unter den Menschen zu fördern. Wir alle wollen aus dieser Haltung des Abwehrens, des Gegenstemmens heraus und unsere Kräfte den eigentlich sinnvollen Zielen zuwenden, anstatt unsere Gedanken mit militärischen Gegenstrategien zu verschmutzen.

Es ist mir klar, daß wir auch in Zukunft militärische Fragen bei unseren Überlegungen nicht ausklammern dürfen – leider. Denn der Friede und damit das Überleben der Menschen wird heute offensichtlich immer noch am stärksten durch das wahnsinnige und sich immer noch weiter aufschaukelnde Wettrüsten bedroht (…)

Deshalb müssen wir, ob wir dies wollen oder nicht, uns leider weiterhin mit militärisch-technischen Entwicklungen kritisch auseinandersetzen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, die Dynamik des Wettrüstens zu brechen.(…)

Eine Friedenssicherung im eigentlichen Sinne kann nie durch militärische Maßnahmen oder technische Kniffe erreicht werden. Militärisch-technische Maßnahmen können bestenfalls die Zündschnur verlängern: sie können auf entscheidende Weise die Zeitspanne ausdehnen, die wir für die Lösung der grundlegenden Probleme benötigen, oder besser: die wir für eigen Lernprozeß brauchen, der unsere Aufmerksamkeit auf diese Probleme lenkt. Eine solche Verlängerung der Zündschnur hilft aber nur wenn wir gleichzeitig die dadurch gewonnene Zeit auch wirklich nutzen, um auch den Sprengsatz selbst zu entschärfen.. Es ist allerhöchste Zeit, daß wir uns auf alle die großen, schwierigen und drängenden Weltprobleme konzentrieren, welche die Menschheit und das höher organisierte Leben auf unserem Planeten tödlich bedrohen. Und hierzu gehört eben nicht nur die Bedrohung der Menschheit durch die Massenvernichtungswaffen.“

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1987/5 Die Karte der nuklearen Welt, Seite