W&F 2012/2

Artenvielfalt gefährdet

Wie der Mensch die Meere und seine Zukunft vermüllt

von Stefanie Werner

Rund 6,4 Millionen Tonnen anthropogene Abfälle gelangen jedes Jahr in die Ozeane. So genannte charismatische Megaspezies wie Wale, Robben und Seevögel verheddern und strangulieren sich in Abfällen, fressen diese und können dadurch mit gefülltem Magen verhungern oder an inneren Verletzungen sterben. Besonders gefährlich sind Kunststoffabfälle, die durch Brandung und Wellengang zu Mikroteilchen zerrieben werden, wobei giftige und hormonwirksame Additive in die Umwelt gelangen. Zudem akkumulieren an Mikropartikeln organische Schadstoffe aus der Meeresumwelt. Diese Mikroteilchen werden wiederum durch Meereslebewesen aufgenommen und können damit potenziell über die Nahrungskette auch den Menschen erreichen.

Die Verseuchung der Meere

Während diese Zeilen geschrieben werden, schiest Gas aus einem 4.000 Meter unter dem Meeresboden gelegenen Bohrloch des Energiekonzerns Total in der Nordsee. Es ist noch kein Jahr her, da gingen die Bilder von der Explosion der Bohrplattform »Deepwater Horizon« und der folgenden Ölkatastrophe im Golf von Mexiko um die Welt. Die immer tiefer in den Meeresboden und immer weiter nach Norden vordringende und damit immer riskantere Energiegewinnung führt offensichtlich zwangsläufig zu solch schweren Unfällen: Kollateralschäden für die Energiekonzerne, die damals wie heute nicht einmal einen »Notfallplan« haben, tatsächlich aber eine Schädigung der Natur, die oft noch nach Jahrzehnten messbar ist.

Aus den Schlagzeilen und weitgehend auch aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden ist die atomare Schädigung der Weltmeere: Angefangen von den Atomwaffenversuchen über die Versenkung atomaren Mülls im Meer bis hin zu Unfällen von Atom-U-Booten, beispielsweise der 1989 gesunkenen russischen »Komsomolets«.

Noch nicht in den Schlagzeilen ist die »ganz normale« Vermüllung des Meeres und ihre Folgen. Diesem Thema widmet sich Stefanie Werner im nebenstehenden Artikel. Aber auch zu den anderen Themen lohnt sich ein Blick in W&F (www.wissenschaft-und-frieden.de). Zum Beispiel:

Lars Pohlmeier / Jürgen Scheffran: Tahiti Mon Amour – Die Folgen der A-Waffen-Tests im Südpazifik (W&F 1-1997, S.53-55).

Ulrike Kronfeld Goharani: Die ökologische Zeitbombe. Der AtomMüll der Nordmeerflotte (W&F 2-2000, S.46-50).

Jürgen Nieth: Schatzkammer Arktis? (W&F 2-2009, S.26-30).

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Weltweit sind Meeres- und Küstenhabitate mit Abfällen kontaminiert, ein Problem, das globale und generationenübergreifende Dimensionen erreicht hat. Als marine Abfälle werden alle langlebigen, gefertigten oder verarbeiteten beständigen Materialien bezeichnet, die durch Wegwerfen oder als herrenloses Gut in die Meeresumwelt gelangen. Das schließt den Transport dieser Materialien in die Meere über Flüsse, Einleitungen und Winde mit ein. Von den Polen bis zum Äquator, von den Spülsäumen der Küsten über Ästuarien,1 ubiquitär verteilt auf der Meeresoberfläche bis in die Tiefsee, selbst in entlegensten und teilweise unbewohnten Regionen wie einigen pazifischen Archipelen finden sich mittlerweile die Überreste unserer Wegwerfgesellschaft. Strände in der Region des Nordostatlantiks weisen durchschnittlich eine Belastung von 712 Müllteilen pro 100 Meter Küstenlinie auf, bis zu 1.200 Teile pro 100 Meter Strandabschnitt konnten im baltischen Raum nachgewiesen werden.2

Zweidrittel der an deutschen Küstenabschnitten der Nordsee gefundenen Müllteile bestehen aus Plastik und/oder Styropor, an mediterranen Küsten sind es sogar über 80%. Schätzungen zufolge zirkulieren 250 Millionen Plastikteile im Mittelmeer.3 Kunststoffe, Metall und Glas haben sehr lange Abbauzeiten und stellen daher eine weit größere Gefahr für die Umwelt dar als beispielsweise Papier, Holz, Gummi oder Textilien.

Herrenlos, lautlos

Nimmt der Mitteleuropäer die Abfallbelastung in Urlaubsregionen lediglich als ästhetische Störung wahr, bedeutet sie für betroffene Meereslebewesen hingegen eine ernste Bedrohung ihrer Gesundheit und oft sogar ihres Überlebens. Für mindestens 43% aller Walarten, alle Spezies von Meeresschildkröten, circa 36% der Seevögel und viele Fischarten ist dokumentiert, dass sie Müll oral aufnehmen und verschlucken können. Eine Analyse der Ergebnisse von 371 Sektionen von Lederschildkröten seit 1968 zeigte beispielsweise, dass über ein Drittel der Tiere Plastikmüll gefressen hatte.4 Da Quallen zu ihren bevorzugten Futtertieren gehören, findet oft eine Verwechselung mit Plastiktüten statt. Sobald ein Tier Plastik gefressen hat, machen tausende kleine Dornen entlang seiner Zunge und Speiseröhre ein Hochwürgen der Kunststoffe unmöglich. Die Folgen können eine teilweise oder auch vollständige Blockierung des Magen-Darm-Trakts mit dem Ergebnis einer deutlichen Verringerung der Verdauungsenzyme, erheblichem Mehraufwand im Energiehaushalt der Tiere, mit Auswirkungen auf die Fortpflanzung bis hin zum Hungertod sein. Studien über den in der Nordsee beheimateten Eissturmvogel, einem kleinen Verwandten des Albatrosses, zeigten, dass in 97% der untersuchten Mägen Plastikmüll gefunden wurde. Im Mittel wurden 25,8 Plastikmüllpartikel pro Magen mit einem Gewicht von 0,39 Gramm beobachtet.5

Untersuchungen beispielsweise an Meeressäugern zeigen weiterhin, dass Kunststoffpartikel über die Nahrungskette aufgenommen werden können, indem belasteter Fisch gefressen wird. In allen 19 untersuchten Faecesproben (Kotuntersuchungen) von Seehunden und Kegelrobben im niedersächsischen Wattenmeer wurde aktuell Mikroplastik gefunden. Neben den hier regelmäßig vorkommenden granulären Partikeln und Fasern traten auch Folienfragmente in großer Zahl auf. Die vorkommenden Plastikmengen sind hochvariabel und schwanken zwischen wenigen Milligramm bis zu einigen Gramm pro Faeces. Robben fressen Heringe, jedoch wurden in juvenilen Heringen aus dem Jadebusen keine Fragmente nachgewiesen. Das lässt vermuten, dass die Robben sich ihr Futter in der küstennahen Nordsee suchen und dass damit die Fische dieser Gebiete deutlich höher belastet sind als die Jungfische im Wattenmeer.6

Ein Zehntel des Gesamtmüllaufkommens in den Weltmeeren – das entspricht rund 640.000 Tonnen – besteht aus herrenloser, im Wasser treibender oder auf den Grund gesunkener Fischereiausrüstung, die entweder verloren gegangen ist oder aktiv in der Meeresumwelt belassen wurde, weil beispielsweise die Ladekapazitäten bereits ausgeschöpft waren. Das trifft besonders auf passiv fischendes, billig zu erwerbendes Fischereigerät wie Stellnetze zu. Diese so genannten Geisternetze fischen in der Wassersäule und im Tiefenwasser unkontrolliert und auf unbestimmte Zeit weiter. Laut der »US Marine Mammal Commission« sind 136 marine Arten bekannt, die sich regelmäßig in weggeworfenen oder verloren gegangenen Netzen, Tauen, Angelleinen oder anderem Plastikmaterial wie etwa Six-Pack-Verpackungen oder Plastikbeutel verheddern und strangulieren. Dazu gehören sechs der sieben Meeresschildkrötenarten, 51 der 312 Arten von Seevögeln und 32 Spezies mariner Säugetiere.7

Geisternetze sind ein besonderes Problem für Schweinswale im Schwarzen Meer. Allein im Monat April 2002 wurden 35 tote Schweinswale in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Rumäniens als Beifang in 30,2 Kilometern herrenlosen Stell- und Schleppnetzen identifiziert. Auch der Rückgang der Tiefseehaie im Nordostatlantik konnte direkt mit dem aus der Tiefseefischerei resultierenden Netzverlust in Zusammenhang gebracht werden. Geschätzte 25.080 Netze mit einer Gesamtlänge von 1.254 Kilometer gehen hier jährlich verloren.8

Beobachtungsreihen an toten und lebend gefundenen verletzten Basstölpeln auf Helgoland zeigten, dass 29% der gefundenen Tiere sich in Netzresten oder anderem Plastikmaterial verheddert beziehungsweise stranguliert hatten. Eine Studie auf der britischen Insel Grassholm, wo schätzungsweise 4.000 Basstölpelpaare brüten, konnte im Durchschnitt 470 Gramm Plastik in jedem Nest nachweisen, was einer totalen Masse von 18,5 Tonnen in der gesamten Kolonie entspricht. Während der Jahre 1996-1997 und 2005-2010 wurden 535 verhedderte und strangulierte Individuen gefunden, der Hauptteil davon waren Nestlinge.9

Grenzenlos, zeitlos

1992 verlor ein Containerschiff im Pazifischen Ozean vor der Küste Chinas 30.000 gelbe Plastikquietschenten. Jahre später wurden sie zuhauf an der Küste Großbritanniens angespült. Das zeigt zum einen den grenzübergreifenden Charakter von Meeresmüll: In der Regel stammt nur ein Teil der Funde aus der Region selbst. Bei einer Strandsäuberung auf der Insel Texel im April 2005 konnten nur 42% der gefundenen Abfälle den Niederlanden zugeordnet werden, der Rest stammte von anderen Nordseeanrainern wie Deutschland oder Großbritannien. Aber auch China, Russland oder Spanien waren unter den Herkunftsländern, die mittels Barcodes ermittelt werden konnten. An der Westküste Schwedens, im Norden Bohusläns, befindet sich ein Akkumulationsgebiet, für dessen Reinigung jährlich circa 1.125.000 Euro ausgegeben werden. Die durch die vorhandenen Abfälle verursachten Kosten für den Fischereisektor – beispielsweise für die Reinigung und Reparatur der Netze – belaufen sich auf circa 800.000 Euro. Analysen ergaben, dass 80% der Müllfunde nicht aus Schweden stammten.

Zum anderen deutet der intakte Zustand der angeschwemmten Quietschenten auf einen fatalen Sachverhalt hin: Plastik ist faktisch nicht abbaubar. Bis zu 600 Jahre braucht ein Nylonnetz, bis es sich zersetzt hat; bis zu 450 Jahre benötigen eine Kunststoffflasche oder eine Wegwerfwindel. Was in den 1950er Jahren mit dem neuen, unendlich formbaren Wunderwerkstoff so verheißungsvoll begann, hat sich für unsere Natur als regelrechter Fluch entpuppt. Eine Anreicherung von Kunststoffen wird weltweit an Stränden, in Meeresstrudeln und Sedimenten beobachtet.

Die Beständigkeit des Plastiks wird durch Faktoren wie Temperatur des Wassers, der Menge der UV-B Strahlung sowie biotische Prozesse in der Umwelt beeinflusst. Die physikalische, biologische und chemische Degradation führt zu immer kleineren Plastikteilen, die sich in der Meeresumwelt anreichern. Zu Mikroplastik werden Plastikpartikel gezählt, die kleiner als fünf Millimeter sind. Bei der Herkunft muss unterschieden werden zwischen Mikroplastikfragmenten, die aus größeren Teilen durch Degradation entstehen, und denen, die beispielsweise in Reinigungsmitteln und Hygieneartikeln verwendet und direkt in die marine Umwelt eingetragen werden. Plastik ist biologisch inert und kaum einer Mineralisation unterworfen, so dass Mikroplastikpartikel zwar kontinuierlich kleiner und häufiger, aber nicht vollständig abgebaut werden.

Die Wirkungen von Mikroplastik sind noch weitgehend unerforscht. Basierend auf Analysen von Muscheln liegen erste Hinweise vor, dass Kunststoffpartikel in das Kreislaufsystem übergehen und eine erhöhte Immunabwehr auf molekularer Ebene hervorrufen.10 Je nach Größe des Mikroplastiks sind besonders Filtrierer11 und Organismen an der Basis der Nahrungskette gefährdet. Die zugrunde liegenden Mechanismen müssen entschlüsselt werden, um herauszufinden, ob in der Nahrungskette eine Anreicherung stattfindet und ob Mikroplastik letztendlich in den an der Spitze des Nahrungsnetzes stehenden Räubern und im Menschen gefunden werden kann.

Mikroplastik kann weiterhin die Rolle eines Transportvektors für nicht-einheimische Organismen in entlegene Gebiete übernehmen. Jedoch ist noch nicht bekannt, in welchem Ausmaß dies zur Veränderung der Artenzusammensetzung beiträgt und wie endemische Arten und ihre Ökosysteme dadurch beeinflusst werden. Da Kunststoffe außerdem Additive wie Weichmacher enthalten oder Schadstoffe aus dem Meerwasser binden, können physikalische Effekte noch durch chemisch-toxische Effekte verstärkt werden. In Seevögeln wurde eine positive Korrelation zwischen der Schadstoffkonzentration und der Kunststoffbelastung beobachtet.12

Machtlos?

Die Herkunft der Abfälle variiert. Man nimmt an, dass 80% des eingetragenen Mülls im Mittelmeer vom Land stammt und über Flüsse und Abwässer oder durch Wind ins Meer gelangt. Der Großteil des Nordseemülls kommt hingegen vom Meer selbst, höchstwahrscheinlich von der Schifffahrt und insbesondere der Fischerei. Obwohl die Verklappung von Kunststoffabfällen seit dem Inkrafttreten des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe seit 1983 verboten ist, deuten Funde immer wieder darauf, dass diese Praxis nach wie vor illegal stattfindet.

Anlass zur Hoffnung ist für den Fall gegeben, dass eine stringente Umsetzung der 2008 verabschiedeten Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL-RL 2008/56/EG) durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erfolgt. Diese sind dadurch verpflichtet, bis 2020 einen guten Umweltzustand ihrer Meeresgewässer zu erreichen beziehungsweise zu bewahren. Dieser angestrebte gute Zustand muss anhand von elf Deskriptoren in Anhang I der Richtlinie definiert werden.

Deskriptor 10 besagt, dass die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer ab dem Jahr 2020 keine schädlichen Auswirkungen mehr auf die Küsten- und Meeresumwelt haben dürfen. Die Europäische Kommission hat eine Expertengruppe (Technical Subgroup on Marine Litter/TSG ML) etabliert, die Ende 2011 technische Empfehlungen für eine geeignete Langzeitüberwachung der Abfälle in den verschiedenen Meereskompartimenten und der biologischen Auswirkungen vorgelegt hat, um den Grad der Verschmutzung und der Gefährdung marinen Lebens zu erfassen und zu quantifizieren.13 Durch eine Anfangsbewertung des Ist-Zustands ihrer Meeresregionen, welche die Mitgliedsstaaten bis Mitte 2012 zu leisten haben, werden die Quellen und Wege, auf denen der Müll in die europäischen Meere gelangt, nach derzeitigem Wissensstand beschrieben. Weiterführende nationale und europäische Forschungsprojekte sollen eine genauere Evaluierung der Quellen leisten.

Nun gilt es, sich national ambitionierte Umweltziele für die Erreichung des guten Umweltzustands zu setzen. Die TSG ML empfiehlt die Erreichung des Nulleintrags problematischer Substanzen sowie eine signifikante Reduktion der vorhandenen Mengen um 50% bis 2020. Durch die Nordseeschutzkonferenzen wurden in der Vergangenheit die Notwendigkeit von 50%igen Reduktionen der Nährstoffeinträge und 50-70%igen Reduktionen von Schadstoffen durch Flusseinträge für den Zeitraum 1985-1995 definiert. Diese Zielsetzungen wurden im Anschluss durch die Regionalen Meeresschutzübereinkommen für die Ostsee (HELCOM) und den Nordostlantik (OSPAR) übernommen. Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt sich nun für das Problemfeld der marinen Abfälle.

Dass Reduktionen in diesen Größenordnungen möglich sind, zeigt folgendes Beispiel: Mitte der 1980er Jahre befanden sich in den Mägen der entlang der niederländischen Küste gefundenen Eissturmvögel 6,8 plus/minus 1,1 Industriepellets.14 Da die Verluste der Pellets auch hohe ökonomische Kosten verursachten, wurden Maßnahmen innerhalb der Produktion und des Transports ergriffen, die nahezu eine Halbierung der Funde in den Vogelmägen auf 3,6 plus/minus 0,5 Pellets Mitte der 1990er Jahre erbrachten. Ähnliche Reduktionen in der Belastung mit Plastikpellets konnten auch bei Seevögeln im Pazifik und Südatlantik nachgewiesen werden.15

Entscheidend ist der Umsetzungsschritt der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, der für das Jahr 2016 ansteht. Zu diesem Zeitpunkt sollen die Mitgliedstaaten ein adäquates Programm von geeigneten Maßnahmen zur Eindämmung der marinen Müllbelastung entwickelt und implementiert haben. Diese Maßnahmen müssen darauf abzielen, dass kein weiterer Müll in die Meeresumwelt eingetragen wird (z.B. durch die stärkere Nutzung von Recycling-, Dosier- und Nachfüllsystemen), dass die Meereskompartimente von bestehenden Abfallbelastungen gereinigt werden (z.B. durch die Expansion der »Fishing for Litter«-Initiative), dass bestehende Rechtsinstrumente angepasst werden (bspw. durch die Nutzung des Revisionsprozesses der EU-Richtlinie für Hafenauffanganlagen zur einheitlichen, unkomplizierten und kostenfreien Abnahme von Schiffsmüll in den Häfen) und dass Vollzugsmaßnahmen (wie verschärfte Kontrollen bestehender Reglements auf See) effektiver greifen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen auch unbequeme Themen angegangen werden. Dazu gehört beispielsweise die dringende Notwendigkeit, Kunststoffe als Wertstoffe zu etablieren, um achtloser Entsorgung vorzubeugen. Auch das Stichwort Produktverantwortung muss angemessen adressiert werden. Die Verwertungsraten variieren im europäischen Maßstab erheblich. Werden in Deutschland beispielsweise 80% der Abfälle einer Wiederverwertung zugeführt, sind es in Rumänien oder Bulgarien nur 20%. Trotzdem erfolgt der Produktvertrieb durch hoch entwickelte Ökonomien in Regionen, wo kein adäquates Abfallmanagement besteht. Produzenten müssen die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Waren übernehmen.

Anmerkungen

1) Ästuarien sind Flussmündungen ins Meer mit regelmäßigem Brackwasser-, in der Nordsee auch Tideneinfluss, mit den angrenzenden Ufer- und Überschwemmungsbereichen.

2) Vgl. OSPAR (2010): Quality Status Report. OSPAR Commission, London, S.176. HELCOM (2007): Assessment of the Marine Litter Problem in the Baltic Sea Region and Priorities for Response. Baltic Marine Environment Protection Commission, S.21.

3) Vgl. OSPAR (2007): OSPAR Pilot Project on Monitoring Marine Beach Litter – Monitoring of Marine Litter in the OSPAR Region. OSPAR Publication Number 386/2007, London. Vgl. Collignon, Amadine et al. (2012): Neustonic Microplastics and Zooplankton in the Western Mediterranean Sea. Marine Pollution Bulletin (in Druck). Vgl. ICC-Kampagne (2006): Daten aus der »International Coastal Cleanup«-Kampagne aus den Jahren 2002-2006.

4) Vgl. Mrosovsky, Nicholas/Ryan, Geraldine D./James, Michael C. (2009): Letherback Turtles: The Menace of Plastic. Marine Pollution Bulletin Nr. 58, S.287 Vgl. Katsanevakis, Stelios (2008): Marine Debris, a Growing Problem – Sources, Distribution, Composition, and Impacts. In: Hofer, Tobias N. (Hrsg.) (2008): Marine Pollution: New Research. Nova Science Publishers, New York, S.53-100.

5) Vgl. Guse, Nils et al. (2012): OSPAR Fulmar Litter EcoQO – Masse von Plastikmüllteilen in Eissturmvogelmägen. Endbericht für das Bundesamt für Naturschutz, Bonn.

6) Vgl. Prof. Dr. Gerd Liebezeit, ICBM-Terramare, Universität Oldenburg, persönliche Mitteilung.

7) Vgl. Ten Brink et al. (2009): Guidelines on the Use of Market-based Instruments to Address the Problem of Marine Litter. Institute for European Environmental Policy (IEEP), Brussels, Belgium, and Sheavly Consultants, Virginia Beach, Virginia.

8) Vgl. Brown, James/Macfayden, Graeme (2007): Ghost Fishing in European Waters: Impacts and Management Responses. In: Marine Policy Nr. 31, S.488-504. Vgl. Black Sea Commission (2009): Marine Litter in the Black Sea Region. Istanbul.

9) Vgl. Votiera, S.C. et al. (2010): The Use of Plastic Debris as Nesting Material by a Colonial Seabird and Associated Entanglement Mortality. Marine Pollution Bulletin Nr. 62, S.168-172. Vgl.Schrey et al. (1987): Recording of oil victims on the German North Sea coast, including research for the establishments of the cause. Results of research: Burdening of the German bight by ship’s refuse.. Berlin: Umweltbundesamt, Texte 30/87.

10) Vgl. Teuten Emma L. et al. (2007): Potential for Plastics to Transport Hydrophobic Contaminants. In: Environmental Science and Technology, Jg. 41, Nr. 22, S.7759-7764.

11) Als Filtrierer werden Tiere bezeichnet, die ihre Nahrung (Detritus, Plankton) aus dem Wasser herausfiltern.

12) Vgl. SETAC (2010): Proceedings of the 20th SETAC Europe meeting, Sevilla.

13) Vgl. JRC Scientific and Technical Reports (2011): Marine Litter. Technical Recommendations for the Implementation of MSFD Requirements. Luxemburg.

14) Industriepellets sind primäre Kunststoffpartikel, die als Ausgangsmaterial zur weiteren Verarbeitung hergestellt werden.

15) Vgl. Ryan, Peter G. et al. (2009): Monitoring the Abundance of Plastic Debris in the Marine Environment. In: Philosophical Transactions in the Royal Society of London B: Biological Sciences, Jg. 364, Nr. 1526, S.1999-2012.

Stefanie Werner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundesamt mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) und den Themenfeldern Einträge von Unterwasserlärm und von Abfällen in die Meere.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/2 Hohe See, Seite 33–36