Auf dem Wege nach Europa?
Die Britische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
von Lutz Unterseher
In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass Großbritannien – genauer gesagt: die Labour-Regierung unter Tony Blair – gerade auch das Feld der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nutzt, um näher an Europa heranzurücken. Da war zunächst das britisch-französische Treffen von St. Malo. Es kam dem Vernehmen nach auf eine britische Initiative hin zustande, fand im Dezember 1998 statt und wird gemeinhin so interpretiert, dass es dabei der französischen Führung gelang, den insularen Nachbarn stärker in die Perspektive einer europäischen sicherheitspolitischen Kooperation einzubinden. Eine andere Deutung, die durch die erstgenannte durchaus nicht völlig ausgeschlossen ist, besagt, dass Großbritannien und Frankreich im Sinne einer »Achse« zusammenrücken, um sich gegenseitig ihrer außen- und sicherheitspolitischen Privilegiertenrolle gerade auch gegenüber den anderen EuropäerInnen (einschließlich der Deutschen) zu versichern.
Ein weiteres wichtiges Ereignis ist in diesem Zusammenhang die auf der Ebene von Regierungs- bzw. Staatschefs der EU abgehaltene Konferenz von Köln, Anfang Juni 1999 – kurz vor Ende des Krieges der NATO gegen Rumpf-Jugoslawien. Dort zeigten sich die EuropäerInnen – einschließlich der BritInnen – durch das Vorgehen der Vereinigten Staaten im Kosovo-Konflikt düpiert und provoziert. Die dominante – militärisch substanziell unterfütterte – Rolle der USA, die manchen mehr als nur unterschwellig ein Ärgernis war und ist, ließ nun den Aufbau eines EU-eigenen Potentials an Streitkräften zur Krisenreaktion als vordringlich erscheinen. Man will im Falle eines Falles auch ohne die von den USA geführte NATO handlungsfähig sein (sagt allerdings, dass es nicht um ein Konkurrenzunternehmen gehe, sondern nur um militärische Optionen für die Eventualität, dass die Nordatlantische Allianz nicht handeln könne oder wolle).
Auf dem Gipfel der Europäischen Union im Dezember 1999 in Helsinki nahm die Entwicklung dann schon recht konkrete Formen an: Unter aktiver Beteiligung der britischen Regierung wurde beschlossen, bis 2003 eine europäische Eingreiftruppe in einer Stärke von bis zu 60.000 Soldaten aufzustellen, die bei Krisen auf dem alten Kontinent, aber auch in den angrenzenden Regionen interventionsfähig sein soll.
Vorgesehen ist es, die Truppe so zu strukturieren, dass sie innerhalb von 60 Tagen in ein Krisengebiet verlegt werden und dort ein Jahr durchhalten kann. Zur Finanzierung der dafür erforderlichen Maßnahmen müssen nach Auffassung der französischen Regierung und Portugals, das gegenwärtig die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, die Verteidigungsausgaben kräftig erhöht werden. Angestrebt wird eine Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Länder vor allem auf dem Gebiet moderner Präzisionsbewaffnung, strategischer Aufklärung sowie im Hinblick auf den Großraum-Lufttransport. Zudem müssen ausreichende Personalreserven verfügbar sein: „Für einen einjährigen Einsatz von 60.000 Mann, die nach jeweils vier bis sechs Monaten abgelöst werden, sind (…) bis zu 180.000 Mann erforderlich“ (EU-Eingreiftruppe, S. 272).
Wiederum unter sehr aktiver Beteiligung Großbritanniens haben die EU-Verteidigungsminister dann bei ihrem Treffen in Sintra (Portugal) im Frühjahr 2000 den nächsten Meilenstein zum Aufbau der Europäischen Eingreiftruppe gesetzt. Beschlossen wurde, die Einsatzgrundlagen, die Beteiligungsquoten der einzelnen EU-Staaten sowie Struktur und Ausrüstung der Truppe noch im Laufe dieses Jahres zu klären. Dabei dürfte es – vor dem Hintergrund bisheriger britischer Beteiligung an Missionen militärischer Krisenreaktion – nicht sonderlich überraschen, wenn die Regierung Blair auf eine möglichst substantielle und sichtbare Repräsentation ihrer Militärs in der Führungsorganisation dieser Truppe drängen wird – und zwar mit dem Verweis auf die britische Bereitschaft, einen qualitativ besonders hochwertigen Beitrag zu leisten.
Die Annäherung Großbritanniens an Europa auf dem Gebiet von Sicherheits- und Verteidigungspolitik entspricht dem Bemühen der Labour-Regierung, ihr Land vor allem auch in anderen – sozioökonomischen – Dimensionen verstärkt in die Entwicklung der Europäischen Union zu integrieren. Wegen dieser Entsprechung ist die skizzierte britische Annäherung durchaus ernst zu nehmen. Zu fragen bleibt allerdings, ob hinter diesem Prozess des näher Rückens ein tiefer gehender Wandel steht, ob es die Perspektive einer quasi-organischen Eingliederung gibt, die durch nationale Profilsuche motivierte britische Alleingänge längerfristig immer unwahrscheinlicher macht – oder ob Großbritannien sich nicht doch die Option bewahrt, es »immer auch anders zu können«.
Um auf diese Fragestellung eine tentative Antwort geben zu können, erscheint es sinnvoll, einen Blick auf das Profil der britischen Streitkräfte, auf ihre Konzeption und Planung zu werfen. Die Verteidigungspolitik ist nämlich in Großbritannien – erklärtermaßen – die wesentliche Grundlage von Außen- und Sicherheitspolitik. Auf dem Verteidigungssektor werden Strukturen geschaffen, die bestimmte Optionen erst ermöglichen – wenn nicht gar nahe legen.
Britische Verteidigungspolitik: eine Profilskizze
Gleichsam »vor der Klammer« der folgenden Skizze ist daran zu erinnern, dass Großbritannien nach wie vor zu den Nuklearmächten zählt. Und nach wie vor gilt diese Qualität als eigentliche Grundlage dafür, dass dieses Land Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist. Beides gibt dem Vereinigten Königreich eine privilegierte Position in der internationalen Arena.
Großbritannien lässt gegenwärtig nicht erkennen, dass es bereit ist, diese Privilegien aufzugeben oder mit anderen zu teilen. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, dass Großbritannien sich auch in Zukunft in der Lage sieht, ein nukleares Potenzial etwa auf dem gegenwärtigen Niveau zu erhalten: Wesentliche Modernisierungsschritte sind abgeschlossen. Und nach einer Reduzierung des Potenzials auf 64 U-Boot-gestützte Fernraketen mit weniger als 200 nuklearen Gefechtsköpfen ergibt sich – bei gewisser Befähigung zu »warfighting« – eine »Minimalabschreckung«, deren laufender Betrieb nur 5 Prozent der jährlichen Verteidigungsausgaben des Landes beansprucht (Chalmers, S. 9).
Konzeption und strategische Orientierung
Nachdem die derzeitige Labour-Regierung im Frühjahr 1997 ins Amt gelangt war, gab man sofort eine Strategic Defence Review (SDR) in Auftrag, die dann bis zum Sommer 1998 durchgeführt und abgeschlossen wurde (Ministry of Defence). Die dabei prägende Grundorientierung lässt sich folgendermaßen resümieren:
Die Tatsache, dass Großbritannien und seine überseeischen Besitzungen gegenwärtig und für die absehbare Zukunft militärisch nicht bedroht sind, bedeutet nicht, dass nationale Streitkräfte einen geringeren Stellenwert haben sollten. Im Gegenteil: Wenn es gelingt, eine national autonome militärische Eingreifkapazität von beträchtlichem Gewicht beizubehalten und weiterzuentwickeln, dient dies wesentlich der britischen Position in der internationalen Politik. Die geforderte nationale Autonomie der Streitmacht ist von strategischer Bedeutung, da die Koalitionen bzw. Partnerschaften, mit denen Großbritannien zu kooperieren hat, auf längere Sicht variabel sind.
Eine solche Orientierung ist durchaus keine Absage an verstärkte sicherheitspolitische bzw. militärische Kooperation – etwa mit den anderen europäischen Staaten oder aber auch den USA. Im Gegenteil: Solche Kooperation kann auf der Basis eines eigenständigen Potenzials erst wirklich ertragreich werden – jedenfalls für jenes Land, das einen besonders beeindruckenden Beitrag leistet (Codner, S. 3 f; Centre for Defence Studies, S. 5 - 7).
Prinzipiell haben die britischen sicherheitspolitischen Interessen einen weltweiten Bezug. Nationale Belange erscheinen aber in besonderem Maße tangiert (was mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu militärischen Maßnahmen des Vereinigten Königreichs führen könnte), wenn es sich zuspitzende Krisen im – weit definierten – Mittelmeerraum sowie im Nahen und Mittleren Osten (besonderes Augenmerk: Golfregion) geben sollte.
Man will weiterhin in der Lage sein, ein Szenario wie das des Zweiten Golfkrieges zu bedienen, als Großbritannien eine Panzerdivision, 26 größere Kriegsschiffe und 80 Kampfflugzeuge für länger als sechs Monate entsandte. Alternativ soll es möglich sein, eine etwa brigadestarke Formation über längere Zeit (mehrere Jahre) im Rahmen von Missionen wie die SFOR zu stationieren und zugleich eventuell noch mit einer ähnlich starken Formation einen Kampfeinsatz kürzerer Dauer zu absolvieren.
Generell kommt in der Strategic Defence Review die Überzeugung zum Ausdruck, dass militärische Mittel – wenn richtig, also insbesondere durch Großbritannien angewandt – hervorragende Friedensstifter sind, denen gegenüber zivilen Mechanismen der Konfliktbewältigung – jedenfalls was ihren Mittelbedarf anbelangt – ein deutlich höherer Stellenwert zugewiesen wird.
Umfang und Struktur
Im Jahre 1999 umfassten die präsenten Streitkräfte des Vereinigten Königreiches knapp 213.000 freiwillig dienende Soldatinnen und Soldaten. Die Personalreserven, die um der Durchhaltefähigkeit bei Auslandseinsätzen willen kräftig angezapft werden, hatten einen Umfang von etwas über 300.000 Personen, der für eine Freiwilligenarmee als recht stattlich gelten muss. Es ist geplant, diese – erst nach einem längeren Schrumpfungsprozess erreichten – Personalumfänge im Wesentlichen zu erhalten.
Die British Army hat an der gegenwärtigen Präsenz einen Anteil von 55 Prozent, während auf die Royal Air Force 24 Prozent und auf die Royal Navy 21 Prozent des Personals entfallen. (Zum Vergleich: In der Bundeswehr hat das Heer einen Anteil von knapp 70 Prozent und die Marine liegt unter 10 Prozent.) Vorgesehen ist es, den Anteil der British Army ganz leicht auszuweiten, um ihr ein etwas größeres personelles Polster für Auslandseinsätze zu geben. Insgesamt aber entsteht der Eindruck, dass die Streitkräfte des Vereinigten Königreiches – wegen ihres besonderen Akzentes bei den Luft- und Seestreitkräften – sich stark an Aufgaben strategischer Machtprojektion orientiert haben (und dies wohl auch weiter tun werden). Also weniger Friedensunterstützung durch Präsenz am Boden und mehr Peacemaking durch Bestrafungsschläge über große Distanzen.
Die gleichwohl nicht unerhebliche britische Interventionsorientierung zu Lande bildet sich vor allem auch dadurch ab, dass immerhin zwei – relativ schwere – Divisionen des Vereinigten Königreiches der großen Eingreifformation der NATO zugeordnet sind, die unter der Bezeichnung Allied Commander Europe Rapid Reaction Corps (ARRC) figuriert. Dieser Riesenverband umfasst mittlerweile acht Divisionen insbesondere der europäischen NATO-Mitglieder und wird immer von einem britischen Viersternegeneral kommandiert. Die Tatsache, dass Großbritannien seit 1991/92 (der Gründung des ARRC) diesen »Erbhof« besitzt, wird auf zwei Gründe zurückgeführt: Zum einen darauf, dass die USA vor dem Hintergrund ihrer besonderen Beziehung zu Großbritannien sich bessere Kontrolle über Europa dadurch versprachen, dass sie den Posten des »Aufpassers« an die British Army vergaben. Zum anderen aber auch darauf, dass sich die Briten in Sachen Militärintervention als besonders erfahren, energisch und handlungsfähig darstellten (letzteres im Gegensatz zu den armen Deutschen, die damals – vor der entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes – noch nicht so richtig durften).
Ambitionen und Widersprüche
An dieser Stelle kann nicht differenziert auf den Ausrüstungsstand und die Beschaffungspläne der britischen Streitkräfte eingegangen werden. Wichtig ist aber ein Hinweis auf wesentliche Perspektiven und auch Dilemmata.
Zunächst einmal erscheint es unter den britischen Verteidigungsplanern eine ausgemachte Sache zu sein, dass die relative Schwäche an präsentem Personal vor allem durch modernste Technik ausgeglichen werden muss. Dies bildet sich indirekt auch darin ab, dass die besonders Technik-orientierten Teilstreitkräfte – nämlich die Royal Navy und die Royal Air Force – ein ziemlich großes Gewicht im militärischen Gesamtkonzert haben. Doch, um welche Art neuster Technik soll es genau gehen? Da gibt es in der Strategic Defence Review Fanfaren, die à la Américaine eine »Revolution in Military Affairs« (RMA) durch die sich in den Streitkräften verbreitende Anwendung von Informationstechnologien verkünden. Entsprechend theatralisch wird denn auch die geplante Beschaffung operativ-strategischer Aufklärungssysteme und von präzisionsgelenken (»intelligenten«) Abstandswaffen hervorgehoben. Zugleich wird mit der Strategic Defence Review aber auch die kaum gebremste – in manchen Bereichen sogar forcierte – Acquisition von respektheischenden, eher traditionellen großen Hauptwaffensystemen bzw. Kampfplattformen betrieben.
Dies hat pointierte Kritik provoziert: „Für die Vision der Revolution in Military Affairs ist die Einsicht zentral, dass traditionelle Waffenplattformen und große Truppenkonzentrationen mit der Verbreitung intelligenter Bewaffnung zunehmend verwundbar werden. Deswegen ist es zwingend, die militärischen Fähigkeiten mehr auf aufgelockerte und vernetzte Strukturen zu stützen. Zu dieser Einsicht will nicht so recht passen, dass sich die britischen Streitkräfte auf eine kleine Anzahl hochwertiger Systeme konzentrieren sollen – wie z. B. Flugzeugträger und Transportschiffe mit Panzern für amphibische Landungen“ (Centre for Defence Studies, S. 12 f – Übersetzung: L.U.).
In der Tat, die Royal Navy soll in etwa zehn Jahren wieder zwei »richtige«, große Flugzeugträger bekommen, nachdem sie lange Zeit mit kleineren Trägern nur für Senkrechtstarter vorlieb nehmen musste. Diese und andere Beschaffungsvorhaben lassen den Eindruck entstehen, dass es den britischen Verteidigungsplanern vor allem auch um den symbolisch-politischen Gebrauch militärischer Mittel geht – sicher nicht zuletzt, um Britanniens nationales Profil zu schärfen. Vor diesem Hintergrund mag man dann die Passagen über die »Revolution in Military Affairs« noch weniger ernst nehmen: Vielleicht geht es auch hier darum, Eindruck zu schinden? Vielleicht gewandet man sich dem militärischen Zeitgeist gemäß, um sich – in Fortsetzung der besonderen Beziehung – bei der Hightech-Nation USA anzubiedern?
Kosten und Grenzen
Im Vergleich zum deutschen erscheint der britische Verteidigungshaushalt üppig ausgestattet (Vorbild …, S. 104 f): 1998 betrug der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien 2,6 Prozent (in Deutschland 1,5 Prozent). Und 1999/2000 liegen die Verteidigungsausgaben in Großbritannien bei umgerechnet etwa 68,5 Mrd. DM (Deutschland: 45,3 Mrd. DM). Dem Akzent entsprechend, den die britischen Streitkräfte auf »Technik« legen, beträgt der dortige Anteil der Beschaffungsausgaben am Verteidigungsbudget ca. 38 Prozent (Deutschland: 15,6 Prozent). Auch die Ausgaben und ihre Grobstruktur zeigen also, dass in Großbritannien »Militär noch etwas wert ist« – was die Ahnung nahe legt, dass man wegen der besonderen nationalen Bedeutung dieses Instruments sich wohl etwas schwer tun dürfte, es weitgehend zu »vergemeinschaften«.
Ganz so rosig wie auf den ersten Blick sieht die finanzielle Lage der britischen Streitkräfte aber doch nicht aus. Zwar sieht die mittelfristige Finanzplanung von 1998/99 bis 2001/02 eine leichte Erhöhung des Verteidigungsbudgets vor, doch errechnet sich bei Anwendung des amtlichen BIP-Deflators für den angegebenen Zeitraum eine reale Abnahme um 4 Prozent (Chalmers, S. 9). Dies bedeutet, dass entweder Personal abgebaut werden muss (eigentlich ist das Gegenteil vorgesehen) und/oder dass zahlreiche Beschaffungsvorhaben verschoben bzw. gestreckt werden. (Gerade der bisher relativ hohe Anteil des Investitionssektors im Verteidigungshaushalt lässt die Tatsache besonders unangenehm durchschlagen, dass die Rüstungsmodernisierung mit Preissteigerungsraten verknüpft ist, die signifikant über dem BIP-Deflator liegen.)
Es gibt Gerüchte, denen zufolge einer der beiden geplanten großen Flugzeugträger zur Debatte steht. Ähnliches ist auch aus Frankreich bekannt, wo darüber gerätselt wird, wie denn der zweite Atom-Flugzeugträger der Charles de Gaulles-Klasse finanziert werden soll. Weitere Gerüchte aus beider Länder Hauptstädte schließlich lassen annehmen, dass es Überlegungen gibt, denen zufolge Frankreich und Großbritannien einen Flugzeugträger gemeinsam bauen und betreiben könnten (um dann insgesamt drei zu besitzen). Der dritte Träger könnte dann durchaus einen europäischen Anstrich bekommen, bliebe aber letztlich in binationaler Hand und Ausdruck des Ranges seiner Besitzer.
Beispielhaft angedeutet sei hiermit nur, dass militärische Kostendynamik und allgemeine Haushaltszwänge (New Labour ist vielleicht immer noch irgendwo auch eine sozialdemokratische Partei) zu einer in ihrem Resultat recht exotisch anmutenden Kooperation führen können.
Vorsichtiges Fazit
Die Sicherheitspolitik des Vereinigten Königreiches gründet sich auf Streitkräftestrukturen und eine Verteidigungsplanung, die im Wesentlichen und insbesondere im Hinblick auf die Perspektive einer »Europäisierung« folgendermaßen zu kennzeichnen sind:
Erstens: Die Fundierung von Außen- und Sicherheitspolitik durch militärische Stärke und die Befähigung zu weitreichender Machtprojektion gilt als von entscheidender Bedeutung. Der hohe Stellenwert bisher betont national geprägter Streitkräfte lässt eine weitgehende Integration in supranationale Strukturen auf absehbare Zeit unwahrscheinlich sein.
Zweitens: Die nationale Autonomie britischer Expeditionsstreitkräfte hat eine doppelte Funktion. Zum einen dient sie dazu, mit verschiedenen Koalitionen bzw. wechselnden Kräftekonstellationen kooperieren zu können. Zum anderen besteht die Funktion darin, innerhalb der jeweiligen Konstellation den nationalen Einfluss optimieren zu können.
Drittens: Die Ansprüche militärischer Machtdarstellung können mit dem Ressourcenbedarf gesamtgesellschaftlicher Modernisierungsprozesse so in Konflikt geraten, dass Kooperationspartner erforderlich werden, mit denen man sich enger liieren muss. Dies muss aber nicht zu einer Vergemeinschaftung oder Europäisierung des britischen Arsenals führen: Denkbar ist auch der – weitere – Ausbau einer Achse London – Paris, die letztlich dem Ausdruck von Privilegien und nationalen Interessen dient.
Literatur
Centre for Defence Studies (ed.): The Strategic Defence Review: How Strategic? How Much of a Review? (London Defence Studies Nr. 46) London: Brassey's June 1998.
Chalmers. M.: The Comprehensive Spending Review and Strategic Defence Review (Dept. of Peace Studies, University of Bradford: Conference Paper) Novemer 1998.
Codner, M.: Aircraft Carriers: The Next Generation? ISIS Briefing (1998) Nr. 70.
EU-Eingreiftruppe: Planungen Ende 2000 abgeschlossen, Soldat und Technik, 5/2000.
International Institute for Strategic Studies: The Military Balance 1991/92, 1998/99, 1999/2000, London: Brassey's 1991, 1998, 1999.
Ministry of Defence: Strategic Defence Review: Modern Forces for the Modern World, London: Ministry of Defence, July 1998.
Vorbild Großbritannien? Entwicklung der Streitkräfte und der Verteidigungsausgaben im Vergleich, Soldat und Technik, 3/2000.
Dr. Lutz Unterseher lehrt an der Universität Münster und ist Vorsitzender der Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik