W&F 1991/4

Auf dem Wege zu einer Welt ohne Kernwaffen?

Möglichkeiten und Methoden der Rüstungskonversion für Plutoniumindustrie und Kernwaffen

von Karl F. Alexander

Mit dem Ende des Kalten Krieges ist nun, im Herbst 1991, ebenso wie auf anderen Feldern der internationalen Politik, auch auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung eine noch vor kurzem nicht für möglich gehaltene Dynamik zu beobachten. Davon zeugen die jüngsten Vorschläge der Präsidenten Bush und Gorbatschow und die von ihnen angekündigten, zum Teil auch einseitigen Maßnahmen. So hat Bush am 27. September die Abschaffung der gesamten weltweiten Bestände der USA an bodengestützten atomaren Kurzstreckenwaffen und die Einstellung einiger Projekte der Kernwaffenmodernisierung angekündigt sowie weitere Verhandlungen zu drastischen Reduzierungen des strategischen Kernwaffenpotentials angeboten. Gorbatschow hat bereits am 5. Oktober diese Initiative mit analogen Maßnahmen und zum Teil noch weitergehenden Vorschlägen beantwortet.

Mit der Realisierung dieser Maßnahmen und Vorschläge, die erstmalig quantitative und qualitative Einschnitte um Größenordnungen in das Overkill-Potential der sich gegenüberstehenden Nuklearwaffenarsenale bedeuten, stellen sich auch die spezifischen technischen Fragen der Rüstungskonversion auf diesem Gebiet in neuer Schärfe.

Eines der dringendsten Probleme ist das folgende: Die bisherigen Abkommen verpflichteten die Partner zur Zerstörung der davon betroffenen Kernwaffenträger (Raketen, Marschflugkörper u. a.), nicht aber der eigentlichen Kernsprengköpfe, die vorher auszubauen waren und keiner weiteren Kontrolle unterliegen. Auch das START-Abkommen über die strategischen Offensivwaffen hält sich offenbar an dieses Muster. Dies ist auch aus der bisherigen Herangehensweise verständlich, weil bei allen Abrüstungsabkommen die zuverlässige Verifizierung ihrer Einhaltung durch die vertragsschließenden Parteien garantiert sein muß. Mit den heutigen Aufklärungsmitteln und den vereinbarten Vor-Ort-Inspektionen läßt sich dies bei den Kernwaffenträgern offensichtlich erreichen, wie das schon die detaillierten Festlegungen des INF-Abkommens zeigten. Neue und schwierigere Probleme treten aber auf, wenn es um die ja auch zur nuklearen Abrüstung gehörende kontrollierte und verifizierbare Beseitigung der Kernsprengköpfe (der »Atombomben« im eigentlichen Sinne) geht.

Es ist bemerkenswert, daß in den Fernseherklärungen von Bush und Gorbatschow dieses Problem erstmalig als Verhandlungsgegenstand angesprochen wurde. So schlug Bush den Beginn von Diskussionen mit der Sowjetunion vor u.a. „um eine gemeinsame technische Kooperation für sichere und umweltverträgliche Lagerung, Transport und Zerstörung von Atomsprengköpfen zu prüfen“. Gorbatschow wurde noch etwas konkreter: „Die Sowjetunion erklärt sich bereit, mit den USA in einen substantiellen Dialog über die Entwicklung sicherer und ökologisch verantwortbarer Technologien für Lagerung und Transport von nuklearen Gefechtsköpfen, von Verfahren für die Verwertung nuklearer Ladungen und für die Erhöhung der nuklearen Sicherheit zu treten“ 1.

Die Kernwaffenarsenale der Welt umfaßten Mitte der achtziger Jahre nach Schätzungen etwa 5O OOO Sprengköpfe – von in einem Rucksack transportierbaren Atomminen (Sprengkraft ca. 1OOO t TNT) bis zu Megatonnen-Wasserstoffbomben, von denen eine einzige zur vollständigen Zerstörung einer Großstadt ausreicht. Die innere Konstruktion solcher Sprengköpfe ist zwar in groben Umrissen bekannt, wird aber im Detail strengstens geheimgehalten. Bei der bisher üblichen ungehemmt fortschreitenden Weiterentwicklung der Waffentechnik wird der nukleare Sprengstoff aus ausgemusterten Sprengköpfen entnommen und in umgearbeiteter Form in die neuen wieder eingebaut. Ohne Aufgabe des qualitativen Wettrüstens in der Kernwaffentechnik wird es daher kaum gelingen, einen gegenseitig akzeptablen und möglichst umfassenden Kontrollmechanismus für den atomaren Sprengstoff zu vereinbaren, als Voraussetzung für dessen verifizierbare Beseitigung. Die ausgesprochen vorsichtigen Formulierungen in den Erklärungen von Bush und Gorbatschow zu diesem Problem zeigen, daß hier noch schwierige Verhandlungen bevorstehen.

Die vordringlichsten Maßnahmen

Diese Sachlage erfordert zunächst, einfacher zu kontrollierende Verträge zur Beendigung des qualitativen Wettrüstens auszuhandeln. Die dringendste Forderung ist daher gegenwärtig ein endgültiges Verbot aller Kernwaffentests, an dessen Verifizierbarkeit kein Zweifel mehr besteht. Als nächster Schritt wäre ein Verbot der Herstellung neuen atomaren Sprengstoffs zu vereinbaren, um dann zur gegenseitig kontrollierten Beseitigung des in den von Abrüstungsmaßnahmen betroffenen Sprengköpfen enthaltenen Sprengstoffs überzugehen. Genau diese Vorschläge sind auch in der Erklärung Gorbatschows enthalten: „Die Sowjetunion verhängt mit sofortiger Wirkung ein Moratorium über nukleare Tests mit einer Dauer von einem Jahr. Sie rechnet damit, daß diesem Beispiel auch die anderen kernwaffenbesitzenden Mächte folgen. Dadurch würde der Weg für die baldmöglichste und vollständige Einstellung der Nukleartests eröffnet“. Und weiter: „Die UdSSR tritt dafür ein, mit den USA eine kontrollierte Einstellung der Produktion aller Kernspaltstoffe herbeizuführen“. Leider vermißt man analoge Aussagen in der Bush-Erklärung, die im übrigen – wenn auch in deutlich eingeschränkter Form – an der Notwendigkeit einer qualitativen Weiterentwicklung der Kernwaffen festhält: „Wir können uns ohne Gefahr diese Schritte leisten, die ich heute angekündigt habe – Schritte, die geeignet sind, die Gefahr von Fehleinschätzungen in einer Krise zu verringern. Aber um das zu tun, müssen wir entschieden jene Elemente unserer strategischen Modernisierung weiter verfolgen, die demselben Zweck dienen“.

Nukleare Sprengstoffe

Die klassischen Atombomben erhalten ihre Sprengkraft bekanntlich aus einer explosiv verlaufenden Kernspaltungs-Kettenreaktion, wofür sich als Sprengstoff Uranium 235 (Hiroshima-Bombe) und Plutonium 239 (Nagasaki-Bombe) eignen. Auch das Prinzip der »Wasserstoffbombe«, das den meisten modernen Kernwaffen zugrunde liegt, erfordert als Zünder eine Spaltstoffladung. Die Herstellung beider Stoffe ist sehr aufwendig: U 235 erfordert große industrielle Anlagen zur Isotopentrennung, Plutonium wird in Kernreaktoren aus U 238 »erbrütet« und muß durch chemische Aufarbeitung der hochradioaktiven Brennstoffstäbe abgetrennt werden. Die Existenz der dazu erforderlichen Anlagen kann heutzutage kaum noch geheimgehalten werden. Die heimliche Herstellung größerer Mengen von waffenfähigem U 235 oder Plutonium kann daher durch internationale Kontrollmechanismen zuverlässig verhindert werden.

Dies wird heute schon durch den Vertrag über die Nichtweiterverbreitung der Kernwaffen (NPT-Vertrag) für die Mehrzahl aller Staaten garantiert, die ihre kerntechnischen Anlagen der Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) unterstellt haben2. Davon sind allerdings bisher die offiziell Kernwaffen besitzenden Staaten (USA, UdSSR, England, Frankreich, China) ausgenommen. Außerdem gibt es Staaten, die dem NPT-Vertrag nicht beigetreten sind und möglicherweise über die Fähigkeit verfügen, Kernwaffen herzustellen (Indien, Pakistan, Israel, Südafrika u.a.). Ein Vertrag der Kernwaffenmächte über die vollständige Einstellung der Produktion von Kernsprengstoff und die Anwendung der IAEA-Kontrollen auf ihre dazu geeigneten Anlagen würde diese unbefriedigende Situation grundlegend ändern, weitere Staaten zum Anschluß an den NPT- Vertrag bewegen, und den wachsenden Unmut vieler kernwaffenloser Unterzeichnerstaaten über ihre nicht gleichberechtigte Behandlung ausräumen.

Die gegenwärtigen Sprengstoffvorräte

Ein solcher Produktionsstopp würde zwar zunächst nichts an der wahnsinnigen Overkill-Kapazität der existierenden Waffenlager ändern, würde aber das notwendige Vertrauen für den kontrollierten Abbau der angehäuften Sprengstoffvorräte schaffen. Die Größenordnung dieser Vorräte ergibt sich aus einer 1985 publizierten Abschätzung3. Danach verfügten allein die USA über mindestens 500 Tonnen waffenverwendbaren Uraniums und ungefähr 100 Tonnen Plutonium. Die Vorräte der UdSSR dürften von gleicher Größenordnung sein. Die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe entspricht der Energiemenge, die bei der Spaltung von etwa einem Kilogramm Uranium freigesetzt wird. Eine Kernspaltungsbombe oder der Zünder einer Spaltungs-Fusions-Kernwaffe (»Wasserstoffbombe«) enthält nur einige Kilogramm Spaltstoff, bei raffinierten modernen Konstruktionen möglicherweise auch weniger. Die angesammelten Vorräte reichen also sicher für wesentlich mehr als die schon vorhandenen Zehntausende von Sprengköpfen aus. Es gibt also keinen rational einsehbaren Grund gegen einen verifizierbaren Produktionsstopp.

Herstellungsverbot von Tritium

Die heute überwiegenden Spaltungs-Fusions-Kernwaffen enthalten als Kernfusionssprengstoff Deuterium und Lithium, Substanzen, die ohne nuklearen Zünder vollkommen harmlos sind und daher auch keiner besonderen Kontrolle zu unterliegen brauchen. Eine wichtige Besonderheit der modernen Kernwaffen besteht aber darin, daß sie als Zündhilfe und zur Erhöhung des Wirkungsgrades außerdem noch das schwere Wasserstoffisotop Tritium einsetzen, das über die (d,t)-Reaktion unter den Bedingungen der Kernspaltungsexplosion eine besonders intensive und energiereiche Neutronenstrahlung erzeugt. In besonders extremer Weise wird diese Eigenschaft bei der sogenannten »Neutronenbombe«4 ausgenutzt. Tritium wird ähnlich wie Plutonium in Kernreaktoren durch Neutronenbestrahlung von Lithium erbrütet. Es ist ein stark radioaktives Isotop, dessen Halbwertszeit nur 12 Jahre beträgt. Herstellung und Verbleib kann prinzipiell mit den gleichen Methoden kontrolliert werden wie beim Plutonium.

Wegen seiner relativ kurzen Halbwertszeit hätte aber ein Herstellungsverbot von Tritium für Kernwaffen die Auswirkung, daß die existierenden Sprengköpfe wegen des radioaktiven Zerfalls des in ihnen enthaltenen Tritiums, das nicht mehr ersetzt werden kann, langsam aber sicher unwirksam würden, bzw. das noch nicht zerfallene Tritium würde für immer weniger Sprengköpfe reichen5. Die naturgesetzlich gegebene Halbwertszeit des Tritiums würde damit einen maximalen Zeitrahmen für die schrittweise Beseitigung der vorhandenen Kernwaffen setzen.

Probleme der Rüstungskonversion

Werden die politischen Probleme der atomaren Abrüstung gelöst und konkrete Schritte zur Abschaffung der Kernwaffen vereinbart, so entsteht die Aufgabe der Konversion dafür geeigneter Teile des bisher eingesetzten Potentials für zivile Zwecke.

Für die Kernwaffenträger (Raketen, Flugzeuge, U-Boote usw.) bleibt wahrscheinlich die Verschrottung bzw. anderweitige Vernichtung die einzige Methode der Wahl, wie dies bereits bei der Realisierung des INF-Abkommens demonstriert wurde. Die Herstellungsbetriebe können natürlich zum großen Teil auf die Produktion ziviler Güter umgestellt werden.

Im Gegensatz dazu ist bei den Sprengköpfen gerade der Kernsprengstoff ein wertvolles, für die Nutzung in der zivilen Kernenergetik gut geeignetes Material. Aus diesem Grunde spricht Gorbatschow auch von der „Verwertung der nuklearen Ladungen“. Die einzig zweckmäßige und noch dazu nutzbringende Methode einer solchen Verwertung waffenfähigem Spaltmaterials ist seine Verbrennung in energieliefernden Kernreaktoren. So können z.B. aus einer Tonne hochangereichertem U 235 nach Verdünnung mit gewöhnlichem Uranium etwa 30 Tonnen Reaktorbrennstoff hergestellt werden, ausreichend zum Betrieb eines Druckwasserreaktors mit einer elektrischen Leistung von 1000 MW für ein Jahr. Auch Plutonium läßt sich in verdünnter Form nach bereits bewährten Technologien in konventionellen Kernreaktoren verbrennen. 1990 waren weltweit 324 496 Megawatt elektrische Leistung in Kernkraftwerken installiert, diese erzeugten etwa 17% der Elektroenergie6. Würden die vorhandenen mehr als 1000 t Kernwaffensprengstoff als Brennstoff für Kernreaktoren eingesetzt, so könnte damit diese gewaltige Kapazität drei Jahre lang versorgt werden. Die Verifizierung der friedlichen Verwendung des ehemaligen Kernsprengstoffs erfordert eine lückenlose und quantitative Kontrolle des Spaltmaterialflusses durch eine teilweise automatisierte und durch Inspektoren vor Ort abgesicherte Überwachung, für die es bereits bei der IAEA Systemlösungen gibt.

Für die Durchsetzung des Herstellungsverbots neuen Kernsprengstoffs wäre die Überwachung und teilweise Umrüstung von Anlagen zur Anreicherung von Uranium erforderlich. Diese Anlagen sind heute schon ein unentbehrlicher Bestandteil der zivilen Kernenergetik, da fast alle Kernkraftwerke an U<|>235 angereicherten Brennstoff benötigen. Mit dem dafür erforderlichen geringen Anreicherungsgrad ist aber dieses Material grundsätzlich nicht für Kernwaffen geeignet. Das waffenfähige Plutonium wird demgegenüber in dafür speziell errichteten Produktionsreaktoren hergestellt. Hier dürfte aus technischen und ökonomischen Gründen die Stillegung und Demontage dieser Reaktoren die Methode zur Durchsetzung des Herstellungsverbots sein. Tatsächlich sind in den letzten Jahrzehnten auch schon einige dieser Produktionsreaktoren stillgelegt worden.

Plutonium fällt aber auch bei der Wiederaufarbeitung des Kernbrennstoffs aus der zivilen Kernergienutzung an. Dieses Plutonium enthält höhere Anteile der schwereren Isotope Pu 240, Pu 241 und Pu 242, die seine Verwendung für Kernwaffen zwar erheblich behindern, aber nicht völlig ausschließen. Daher ist eine strenge internationale Kontrolle aller Plutoniumvorräte, also auch derer aus der zivilen Kernenergetik, von der Wiederaufarbeitung bis zur endgültigen energetischen Nutzung, dringend geboten. Das Kontrollsystem der IAEA konzentriert sich auch jetzt schon gerade auf dieses Problem.

Eine neue Aufgabenstellung wäre die Einbeziehung der Produktion und Verwendung von Tritium in das internationale Kontrollsystem, falls eine Ersatzlieferung für Kernwaffen verhindert werden soll. Dies ist wichtig, weil zukünftige Kernfusionsreaktoren Tritium als Brennstoff benötigen und in größeren Mengen produzieren werden, so daß also ein absolutes Herstellungsverbot nicht sinnvoll wäre. Aufbauend auf den Erfahrungen des schon existierenden Kontrollsystem der IAEA für Spaltmaterialien dürften aber auch für dieses Problem akzeptable Lösungen möglich sein.

Ein mögliches Szenarium für die Konversion

Wie wir gesehen haben, ist die Abschaffung der Kernwaffen und die Konversion ihrer technischen Basis für friedliche Zwecke ein kompliziertes Problem, das nicht auf einmal gelöst werden kann. Auch die Aussicht auf einen gegenwärtig möglich erscheinenden großen Schritt zur Reduzierung der vorhandenen Arsenale ändert nichts an dieser Fesstellung, zeigt aber, daß jetzt auch die für die Kernwaffen spezifischen Fragen der Konversion auf der Tagesordnung stehen. Ein zum Erfolg führendes Konzept muß aus einer gut abgestimmten Folge politischer und technischer Schritte bestehen. Dabei muß jeder vorangehende Schritt die Vertrauensbasis für den folgenden schaffen. Ein solches Szenarium könnte vielleicht so aussehen:

1. Internationale Konvention über die Beendigung der weiteren Kernwaffenrüstung. Dazu gehören das vollständige Verbot aller Kernwaffentests und die Einstellung der weiteren Herstellung von Kernsprengstoff. Stillegung der Produktionsreaktoren für Plutonium und Umrüstung der Trennanlagen für Uranium. Volle Anwendung der Kontrollbestimmungen des NPT-Vertrages auch auf die kernwaffenbesitzenden Staaten.

2. Vereinbarung zwischen der UdSSR und den USA über wesentliche Reduzierungen der Vorräte an waffenfähigem Spaltmaterial und dessen zivile Nutzung unter Kontrolle der IAEA. Dies könnten zunächst auch jeweils einseitige Maßnahmen sein.

3. Bei allen weiteren Verträgen über den Abbau von Kernwaffenpotentialen wird gleichzeitig festgelegt, wieviel und nach welchen Modalitäten Kernsprengstoff der zivilen Nutzung zugeführt wird.

4. Möglichst frühzeitige Einbeziehung der anderen kernwaffenbesitzenden Staaten in die abgestimmten Reduzierungsabkommen einschließlich der Verpflichtungen zur Konversion.

5. Internationale Konvention über die vollständige Abschaffung der Kernwaffen nach einem vereinbarten Zeitplan. Dies würde die Einbeziehung aller Staaten ohne Ausnahme in das Kontrollsystem des NPT-Vertrages voraussetzen. Weitere Maßnahmen wären die Öffnung auch der Waffenlaboratorien, Produktionsstätten und Lager für Sprengköpfe gegenüber der internationalen Kontrolle, und schließlich die verifizierbare Liquidierung der gesamten militärischen Infrastruktur für Herstellung, Lagerung und Einsatz von Kernwaffen.

Die Vision der kernwaffenfreien Welt

Aus gegenwärtiger Sicht scheint der letzte Schritt der schwierigste zu sein. Auch mit den vollkommensten technischen Kontrollmethoden wird es wohl kaum möglich sein, festzustellen, ob nicht doch von dieser oder jener Seite einige wenige Atombomben vorher beiseite geschafft wurden. Einziges Mittel gegen solche Befürchtungen kann nur die weltweite Entwicklung eines Vertrauensklimas sein, das den Krieg generell als Mittel der Politik ausschließt. Erst wenn auch die Abrüstungsmaßnahmen auf konventionellem Gebiet zu einem Zustand der gegenseitigen Angriffsunfähigkeit geführt haben, wird es vermutlich möglich sein, auch diesen letzten Schritt in der atomaren Abrüstung zu gehen. Der größte Teil der gegenwärtigen Kernwaffenpotentiale könnte aber schon in den nächsten Jahren abgebaut und zum Teil auch zivilen Zwecken nutzbar gemacht werden. Die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet stimmen hoffnungsvoll. Aber weiterhin wird öffentlicher Druck notwendig sein, damit das schließlich zu erreichende Ziel einer kernwaffenfreien, friedlichen Welt nicht aus den Augen verloren wird, auch wenn diese Vision heute noch vielen verantwortlichen Politikern utopisch erscheinen mag.7

Dr. Karl F. Alexander ist Physiker und em.Professor. Bis Ende 1988 leitete er das Zentralinstitut für Elektronenphysik der Akademie der Wissenschaften in Berlin.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1991/4 Testfall Rüstungsexport, Seite