W&F 2023/2

Mitteilungen der Herausgeber*innen


Neuer Vorstand der AFK gewählt

Auf der vergangenen Mitgliederversammlung am 30.03.2023 wählten die AFK-Mitglieder einen neuen Vorstand. Er setzt sich nun wie folgt zusammen:

1. Vorsitzende: Dr. PD Simone Wisotzki (HSFK), 2. Vorsitzende: Prof. Dr. Eva Maria Hinterhuber (Hochschule Rhein-Waal); Beisitzende: Christine Buchwald (Hochschule Rhein-Waal), Dr. Anna-Lena Hönig (Universität Konstanz), Dr. Julia Leib (Universität Leipzig), Jun.-Prof. Dr. Janpeter Schilling (Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau) und Prof. Dr. Timothy Williams (Universität der Bundeswehr München);

Das Amt der Frauenbeauftragten wird von Madita Standke-Erdmann (King’s College London) und Stefanie Wesch (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) vertreten; die Sprecher*innen für die »Junge AFK« sind Lilli Kannegießer (Berlin), Linda Ostermann (RWTH Aachen) und Julian Schäfer (RWTH Aachen).

Ein Bericht über das AFK-Kolloquium in Berlin-Spandau soll in Ausgabe 3/23 von W&F erscheinen.

Ankündigung Herbstakademie des BdWi

Thema: Digitalisierung und Demokratie – Herausforderungen nicht nur für Hochschulpolitik

Längst ist die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt kein »Neuland« mehr, dennoch stellt der wissenschaftlich-technische Fortschritt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, die auch Fragen von gesellschaftspolitischer Bedeutung umfassen. Nicht nur das Beispiel Twitter zeigt, wie umkämpft die Kommunikationsmittel des Mediums Internet sind. Die wachsende Verbreitung von Techniken der »Künstlichen Intelligenz« oder Videokonferenzformaten erzeugen auch im Hochschulbereich Bedarf, sich mit den möglichen Folgen des technologischen Wandels kritisch auseinanderzusetzen.

Hochschulpolitisch Aktive – Studierende wie Lehrende – sind herausgefordert, zu den erwähnten Fragestellungen Positionen zu entwickeln und Stellung zu beziehen. Ziel der Tagung soll es sein, aktuelle Entwicklungen zu analysieren und gemeinsam Strategien zur Weiterentwicklung einer demokratischen Hochschule zu entwickeln, die dazu beitragen kann, die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung sozial gerecht zu bewältigen (aktualisierte Infos: bdwi.de/termine).

make install PEACE: FIfF-Kommunikation 1/23 erschienen

Die neueste Ausgabe der FifF-Kommunikation behandelt schwerpunktmäßig Friedensfragen: zum einen durch eine längere Selbstthematisierung der fortgesetzten Relevanz der Cyberpeace-Kampagne des FIfF (S. 4-10) und zum anderen durch den Abdruck von Beiträgen der FifF-Konferenz 2022 #make install PEACE (S. 16-46). Wie Stefan Hügel im Editorial schreibt:

„Frieden – das ist seit unserer Gründung […] eines der Kernthemen des FIfF. Dies gilt um so mehr, als dieser Frieden, dessen wir uns jahrelang sicher wähnten, heute wieder akut bedroht ist […]“. Ganz in diesem Sinne nähert sich die Ausgabe dem Thema »Frieden« mit einer breiten Auffassung – im Heft finden sich Beiträge zu »Preventive Policing«, über die Anteile von Wirtschaftsunternehmen an kriegerischen Handlungen, bis hin zur Problematisierung der Regulierbarkeit von Dual-Use-Gütern am Beispiel von Killerrobotern und Künstlicher Intelligenz. Eine passende Bemerkung noch: auch die FifF-Kommunikation erscheint nunmehr im 40. Jahrgang – ein schönes Auftaktheft im Jubiläumsjahrgang (Einzelheft 7 €; fiff.de).

Die Siegener Friedenswochen 1982

Ein PPF-Bericht, der noch heute zum Handeln anregt

Die Friedenszeitung zu den Siegener Friedenswochen 1982 gab den 40 beteiligten Gruppen die Möglichkeit, sich vorzustellen und Stellung zu beziehen. Hier sind 15 Beiträge ausgewählt. Trotz erheblicher Kürzungen vermitteln sie die Vielfalt der Bewegung und die Argumentationsfreude der Friedensaktivist*innen. Das Engagement für den Frieden erscheint fundiert und selbstverständlich.

Gruppe Sozialfotografie Siegen: Es ist unser Anspruch, das Medium Fotografie in sozialen Prozessen zugunsten der Schwächeren und Unterdrückten einzusetzen. Unsere Fotografie soll das Ziel verfolgen, gesellschaftliche Mißstände aufzuzeigen und einen Beitrag zur Veränderung zu leisten. […]

Sozialistische Kinderorganisation JUNGE PIONIERE: […] Unsere Kinder brauchen Schulen, Bücher, Filme und Lieder, die von den Ideen des Friedens, der Völkerfreundschaft und der Solidarität bestimmt sind. […] Deshalb kämpfen wir für eine Gesellschaft, in der Friedenserziehung oberster Inhalt für Schulen und Medien ist. […]

Siegener Initiative von Ärzten und Pflegekräften gegen Atomwaffen: […] Unsere Initiative kämpft gegen ein von der Bundesregierung geplantes »Gesetz zur Anpassung des Gesundheitswesens an die besonderen Anforderungen des Verteidigungsfalles«. […] Wir lehnen dieses neue Notstandsgesetz ab und fordern die Abschaffung der ABC-Waffen im Westen wie im Osten. […]

Nicaragua-Gruppe Siegen: […] Wir verstehen uns als Teil der Friedensbewegung, indem wir einen Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der 3. Welt und unseren gesellschaftlichen Strukturen aufzeigen wollen. […]

Ohne Rüstung Leben: […] So stellt sich im gegenwärtigen historischen Moment die Frage: Sollen wir mit unseren Steuergeldern die weitere Anhäufung von Vernichtungswaffen finanzieren? Oder gibt es Möglichkeiten, unser Geld für den Frieden einzusetzen? […]

Aktionsgemeinschaft Notunterkünfte Siegen: […] Unsere Arbeit gegen Obdachlosigkeit hat etwas mit dem »sozialen Frieden« zu tun. […] Die unsinnigen Rüstungsausgaben lassen immer weniger Raum für gesellschaftlich vernünftige Tätigkeit. […] Wir verschwenden unseren Reichtum für militärische Zwecke, die für unser menschliches Zusammenleben keine Früchte tragen. […]

Frauen für den Frieden: Am internationalen Frauentag haben in Siegen etwa 100 Frauen beim Oberkreisdirektor vorsorglich ihre Verweigerung einer Dienstpflicht im Kriegsfall erklärt […] und deutlich gemacht, daß sie zu einer Vorausplanung von Frauen für die zivile Verteidigung im Falle eines Krieges NEIN sagen und nicht bereit sind, Krieg in irgendeiner Form zu unterstützen. […]

Demokratische Fraueninitiative Siegen: […] Ohne die Erhaltung des Friedens sind all unsere emanzipatorischen Anstrengungen sinnlos, und ohne emanzipatorischen Fortschritt wird es keinen Frieden geben in der Welt. […]

Schwule Initiative Siegen: […] Die Schwulen haben während der Nazi-Herrschaft die Erfahrung gemacht, wie leicht Diskriminierung in Vernichtung umschlagen kann. […] Diese geschichtlichen Erfahrungen haben uns empfindsam dafür gemacht, wie eng Aufrüstung, Demokratieabbau und Repressionen gegen Minderheiten verknüpft sind. […]

Evangelische Studentengemeinde Siegen: […] Wir setzen uns für eine Welt ein, in der die Unterdrückung von Menschen durch Menschen einer vergangenen Produktions- und Gesellschaftsform angehört […] und Erziehung, Bildung und Ausbildung einem Zusammenleben in Frieden für alle dienen. […]

Russell Peace Initiative Siegen: […] Der Aufbau von Feindbildern und die Erziehung zum Töten sind Ausdruck von Machtstrukturen, die Kriege von Menschen gegen Menschen erst möglich machen. […]

Bund demokratischer Wissenschaftler (BdWi): Wissenschaft braucht Frieden! Frieden braucht demokratische Wissenschaft! […]

Stadtteilfriedensinitiative Geisweid: Wir sind deutsche und ausländische Bürgerinnen und Bürger aus Siegen-Geisweid. […] Wir engagieren uns, weil wir die Auswirkungen der wahnsinnigen Hochrüstungspolitik spüren. […] Es gibt kaum einen Bereich des täglichen Lebens, wo nicht von uns verlangt wird, den Gürtel enger zu schnallen. […]

Arbeitsgemeinschaft Solidarische Kirche Westfalen: […] Wir hören das Evangelium von der Versöhnung Gottes mit der Welt und erleben vielfältige Formen der Unversöhnlichkeit. Wir hören das Evangelium von der Menschenfreundlichkeit Gottes und erleben die Unmenschlichkeit. Wir hören das Evangelium von der Gerechtigkeit Gottes und erleben Ungerechtigkeit auch bei uns. Wir hören das Evangelium von der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und erleben rücksichtslose Ausbeutung und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Wir hören das Evangelium vom Frieden Gottes und erleben Wettrüsten und Kriege in aller Welt. […]

Initiativgruppe Bürgerantrag für ein Atomwaffenfreies Siegen: […] Wir wollen, daß der Rat der Stadt Siegen im Rahmen seiner Möglichkeiten beschließt, unsere Stadt symbolisch zur Atomwaffenfreien Zone zu erklären. […]

Eine umfangreiche PPF-Broschüre zu den Siegener Friedenswochen 1981 und 1982 soll zum Antikriegstag 2023 erscheinen.

Bernhard Nolz

Sexualisierte Gewalt in der Friedens- und Konfliktforschung

Dokumentation der Stellungnahme des Vorstandes der AFK vom März 2023

Sexualisierte Gewalt findet in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens statt – so auch im Kontext von Wissenschaft und Hochschulen – und kann alle betreffen. Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) verurteilt jegliche Form sexualisierter Gewalt, sei sie physischer oder psychischer Ausprägung, aufs Schärfste.1 Im Namen der AFK solidarisiert sich der Vorstand klar mit all jenen, die mit sexualisierter Gewalt konfrontiert sind oder waren und unter deren gravierenden und langfristigen Auswirkungen leiden.

Gewalt ist, in all ihren Ausprägungen, Ausdruck von Macht und strukturellen Ungleichheiten. Machthierarchien sind der Struktur und dem Alltag von Universitäten, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen inhärent. Strukturelle, sich überschneidende und gegenseitig bedingende Ungleichheiten aufgrund von Gender, sexueller Orientierung, race, Klassen- oder religiöser Zugehörigkeit, oder auch der Herkunft aus dem globalen Süden begünstigen in dem stark hierarchischen Hochschulsystem das Ausnutzen solcher Machtverhältnisse und resultieren in Diskriminierung.

Abhängigkeitsverhältnisse Studierender von ihren Dozent*innen, prekäre Arbeitsverhältnisse von (nicht-)wissenschaftlichem Personal sowie die Neoliberalisierung von Hochschulen bzw. die Individualisierung von Studium, Lehre und Forschung verstärken diese Ungleichheiten. Dies wird durch die Strukturierung von Studiengängen, in denen einzelne Personen eine dominante Position einnehmen, und die Tatsache, dass Studierende nicht per se unter das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) fallen, verschärft.

Studierende, aber auch Mitarbeiter*innen waren/sind aufgrund ihrer beschränkten Handlungsoptionen der Willkür von Personen in Machtpositionen ausgesetzt. Dies kann sexualisierte Gewalt begünstigen. Sexualisierte Gewalt ist zudem nach wie vor stark tabuisiert, wodurch den Betroffenen und den mit ihnen solidarischen Personen ihre Thematisierung erschwert wird und sie Gefahr laufen, nicht gehört oder gar selbst beschuldigt zu werden. Solche ihrerseits gewaltvollen Dynamiken sind in der Forschung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt hinlänglich bekannt.

Die Friedens- und Konfliktforschung widmet sich der Erforschung von Frieden und Konfliktlösungen, Herrschafts- und Machtverhältnissen, Unterdrückung und Benachteiligung. Gleichzeitig ist auch sie nicht frei von Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen, welche Machtmissbrauch begünstigen: Sexualisierte Gewalt fand und findet auch im Kontext der Friedens- und Konfliktforschung statt.

Die AFK als Berufsverband von Forscher*innen, Studierenden und Praktiker*innen im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung, fordert alle Kolleg*innen auf, bei Vorfällen von Gewalt und Machtmissbrauch nicht wegzuschauen, sich mit Betroffenen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Statusgruppe, zu solidarisieren und sie zu unterstützen. Die AFK ruft dazu auf, Strukturen an Hochschulen und anderen Wissenschaftseinrichtungen nachhaltig zu etablieren und zu stärken. Im Kontext der Organisations- und Personalentwicklung, auf infrastruktureller Ebene und hinsichtlich von Empowerment und Sensibilisierung braucht es Anlaufstellen und Maßnahmen, welche präventiv wirken, transparente Verfahren eröffnen und effektive Sanktionen bereithalten. Wir fordern alle Personen, insbesondere solche in Machtpositionen, dazu auf, diese Positionen zur Veränderungen der Strukturen zu nutzen.

Wir, als AFK, wollen diskriminierungsfreie und sichere Räume schaffen. Die AFK verurteilt sexualisierte Gewalt jedweder Ausprägung. Sie ist sich des intersektionalen Charakters sexualisierter Gewalt bewusst und steht für ein Klima, in dem sexualisierte Gewalt öffentlich gemacht werden kann und Betroffene Unterstützung erfahren. Wir rufen alle Beteiligten dazu auf, Vorfälle innerhalb des Berufsverbandes (z.B. bei Veranstaltungen der AFK) dem Vorstand oder den Frauenbeauftragten zu melden. Der Vorstand behält sich vor, der Mitgliederversammlung einen Antrag auf Ausschluss von Mitgliedern vorzulegen, die ihre Machtpositionen ausnutzen und Gewalt anwenden. Weiterhin setzt sich der Vorstand für nachhaltige Strukturen im Verband ein, um Diskriminierung präventiv zu begegnen. Die AFK plant entsprechende Schulungsangebote in ihre Kolloquien zu integrieren. Sie unterstützt weiterhin die Überwindung gewaltbegünstigender Faktoren auf dem Weg zu einem nicht-hierarchischen, diskriminierungsfreien und solidarischen Wissenschaftsbetrieb.

Hinweis: Die Redaktion hat die Hinweise zu Anlaufstellen für Betroffene anbei in einem separaten Kasten dokumentiert.

Anmerkung

1) Eine Definition findet sich unter anderem auf den Seiten der BuKoF (bukof.de/online-handreichung-sdg) und auf den Seiten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (antidiskriminierungsstelle.de).

Weitere Informationen und Anlaufstellen für Gewaltbetroffene

Literatur

  • Kocher, E.; Porsche, S. (2015): Sexuelle Belästigung im Hochschulkontext. Schutz­lücken und Empfehlungen. Expertise für Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Hilfetelefone

  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
  • Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 1239900

Direkte Hilfsangebote

  • Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (frauenhaus-suche.de)
  • Weibernetz e.V. Bundesnetzwerk von FrauenLesben und Mädchen mit Beeinträchtigung (weibernetz.de)
  • Bundesverband Mobile Beratung. Bundesweite Beratung bei Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungserzählungen und Rechtspopulismus
    (bundesverband-mobile-beratung.de)
  • bff Frauen gegen Gewalt e.V. ­(frauen-gegen-gewalt.de)
  • Verein für Frauen*, Lesben, Trans*, ­Inter* und queere Menschen (broken-rainbow.de)

Mehr Informationen

  • Weitere Anlaufstellen auch unter:
    bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen

Friedenswissen praktisch – Neu bei »Peace Science Digest«

Soziale Netzwerke helfen der Organisation von Protesten gegen kriminelle Gewalt. PSD, Februar 2023

Bürger*innen, die sich gegen die in ihren Communities herrschende kriminelle Gewalt zur Wehr setzen wollen, stehen vor einer besonderen Herausforderung: Dieselbe Gewalt, die sie zum Protest motiviert, kann auch ihren Aktivismus behindern. Warum entscheiden sich einige Bürger angesichts dieser Unsicherheit dennoch für Proteste als Reaktion auf kriminelle Gewalt? Sandra Ley geht dieser Frage im Kontext der weit verbreiteten kriminellen Gewalt in Mexiko nach und zeigt auf:

  • Die Einbindung in soziale Netzwerke hilft zu erklären, warum sich Einzelpersonen – sowohl Betroffene als auch Nichtbetroffene krimineller Gewalt – dazu entschließen, trotz der Risiken, die sowohl von kriminellen Gruppen als auch von staatlichen Sicherheitskräften ausgehen.
  • Bei Betroffenen verwandeln soziale Netzwerke ihre Angst und Wut in »kollektive moralische Empörung«, die ihren Protest motiviert, während bei den nicht betroffenen Menschen soziale Netzwerke dazu dienen, mehr Empathie und kollektive Verantwortung für die Betroffenen zu erzeugen.
  • Sowohl bei Betroffenen als auch bei solidarischen Protestierenden tragen soziale Netzwerke dazu bei, die Wahrnehmung der Risiken und der Wirksamkeit von Protesten zu verändern, so dass sie eher auf die Straße gehen, um Sicherheit und Verantwortlichkeit zu fordern.

Schlüsselerkenntnis für die Praxis

  • Diese Studie trägt zu unserem Verständnis darüber bei, wie Sicherheit entmilitarisiert werden kann – wie gewaltfreie Aktionen inmitten von und als Strategie gegen Gewalt und Unsicherheit eingesetzt werden können – und erinnert uns auch daran, wie wichtig starke, geeinte Gemeinschaften und Organisationen für eine wirksame gewaltfreie Reaktion auf (kriminelle oder andere) Gewalt sind.

Während sich diese Studie auf den Einfluss starker sozialer Verbindungen auf die Bereitschaft von Einzelpersonen konzentriert, sich an Protesten zu beteiligen, wird in anderen Studien untersucht, wie starke, zusammenhaltende Gemeinschaften und Organisationen auch zu mehr Sicherheit und größerer Widerstandsfähigkeit gegenüber Gewalt führen. Auch hierfür gibt mehrere gute Beispiele, dass starke, gut organisierte Gemeinschaften auf der ganzen Welt die Sicherheit ihrer Mitglieder angesichts verschiedener Arten von Gewalt (einschließlich, aber nicht beschränkt auf kriminelle Gewalt) erhöht haben.

Zusammenfassung von Ley, S. (2022): High-risk participation: Demanding peace and justice amid criminal violence. Journal of Peace Research 59(6), S. 794-809.

Frieden für den Cyberspace? PSD, März 2023

Der Cyberwar gilt heute als »neue Domäne militärischer Operationen«. Der Großteil der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur hat Konzepte aus der Zeit des Kalten Krieges zur Erklärung der Sicherheitsdynamik im Cyberspace herangezogen. Joe Burton und George Christou argumentieren jedoch, dass der Cyberwar „eine Idee, eine Metapher und ein Narrativ [ist], das hinterfragt und dekonstruiert werden muss“. Nach einem Überblick über verschiedene Ideen und Strategien zur »Desecuritization« argumentieren sie, dass eine Neudefinition am besten unter Heranziehung von Instrumenten der Konfliktprävention und -beilegung erreicht werden kann, um das bestehende Cyber-Narrativ neu zu formulieren und der zukünftigen Versicherheitlichung neuer Technologien zuvorzukommen. Sie halten fest:

  • Cyberwar wird allgemein als Aktivität verstanden, die darauf abzielt, „die Computernetzwerke eines Gegners zu zerstören, zu stören und/oder auszunutzen“, aber vielleicht ist es sinnvoller, ihn als einen bestimmten Diskurs zu verstehen, der umstrittene Interaktionen im Cyberspace als Sicherheitsbedrohungen darstellt, die militarisierte Reaktionen erfordern.
  • Der Cyberwar-Diskurs hat die „Versicherheitlichung und Militarisierung des Internets“ gerechtfertigt und zu „verstärkten Spannungen“ zwischen den mächtigsten Ländern der Welt beigetragen.
  • Indem wir die Cybersicherheit durch die Brille der Friedens- und Konfliktforschung betrachten, können wir den Diskurs über Cyberwar in Richtung Cyberpeace verschieben.

Schlüsselerkenntnis für die Praxis

  • Eines der Merkmale des Militarismus ist, dass er zur Versicherheitlichung politischer und sozialer Probleme beiträgt und eine gewalttätige, gewaltsame Reaktion als vernünftige Lösung für Probleme normalisiert, die andernfalls vielleicht nicht als solche verstanden würde. Der Militarismus wird zu einem fest verwurzelten und hartnäckigen System, das alle politischen Entscheidungen durchdringt, nicht nur Fragen der nationalen Sicherheit oder militärische Angelegenheiten. Diese Forschung bietet zwei wichtige Ansätze, um der Militarisierung des Klimawandels und der Migration in den Vereinigten Staaten entgegenzuwirken:
  • erstens, Sicherheitsnarrative immer in Frage zu stellen, wo auch immer sie auftauchen, und
  • zweitens, auf bestehende Konfliktlösungs- und Friedenskonsolidierungspraktiken zurückzugreifen, um Sicherheit zu entmilitarisieren.

Zusammenfassung von Burton, J.; Christou, G. (2021): Bridging the gap between cyberwar and cyberpeace. International Affairs 97(6), S. 1727-1747.

Essay »Un-Contest« zu Feministischer Außen- und Sicherheitspolitik

Unter dem Titel »Un-Contest« hat die hinter dem Peace Science Digest stehende War Prevention Initiative dazu eingeladen, in Essays das politische Projekt der feministischen Außen- und Sicherheitspolitik kritisch zu hinterfragen – und Wege zu erkunden, wie es vorangebracht werden könnte.

Es sind über 40 Einreichungen aus 18 Staaten eingegangen, elf Essays werden nun veröffentlicht werden auf der Seite des PSD. Ermöglicht wurde das Projekt durch MADRE, CodePink, Every Woman Treaty, International Center for Research on Women, Women of Color Advancing Peace and Security (WCAPS), Women Cross DMZ, and Inkstick Media.

Es sind bislang schon folgende Beiträge veröffentlicht worden: Ein Aufsatz zielt auf eine dekolonial-kritische Hinterfragung der Stoßrichtung des Projektes einer feministischen Außenpolitik im Kontext seiner Anwendung auf die politische Situation in Aotearoa/Neuseeland; ein weiterer Beitrag fordert eine afro-feministische Sichtweise, die die „speziellen Herausforderungen von Frauen in Afrika anerkennt“, und ein dritter Beitrag vertieft Impulse zur Rolle und Möglichkeit eines lokal verankerten feministischen außenpolitischen Blicks.

Mehr unter: warpreventioninitiative.org/peace-science-digest

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2023/2 Klimakrise, Seite 57–60