W&F 1997/1

Bonner Notizen 1/97

von Jürgen Nieth

USA behindern Verbot von Kindermilitärdienst

Schon bei den Verhandlungen für die 1990 verabschiedete Kinderrechtskonvention der UNO scheiterte die Heraufsetzung des Mindestalters für den Soldatendienst von 15 auf 18 Jahre an den USA und wenigen anderen Staaten. Die USA, die die UNO-Kinderrechtskonvention bis heute nicht ratifiziert haben, blockierten auch in der dritten Verhandlungsrunde über ein Zusatzprotokoll die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 18 Jahre. Wie die TAZ am 12.02.97 mitteilt, ist Washington aber jetzt bereit, ein Mindestalter 17 zu aktzeptieren. Ab diesem Alter dürfen US-Amerikaner zum Militär.

Menschenrechtsgruppen wollen jetzt die amerikanische Öffentlichkeit mobilisieren. Sie weisen darauf hin, daß in den Jahren 1995-96 über 250.000 Kinder unter 18 Jahren auf der Seite von Regierungsarmeen oder bewaffneten Oppositionsgruppen aktiv an Kriegen beteiligt waren – darunter in Bosnien, Sri Lanka, Ruanda und Tschetschenien.

Vorhang zu

Weitere 400 österreische Soldaten wurden zur Sicherung der Grenze zu Ungarn abkommandiert (FR. 20.02.97). Damit verstärken 2.000 österreichische Soldaten in diesem Bereich Polizei und Zoll bei der Grenzüberwachung. Ab Juli sollen zusätzlich auch Armee-Hubschrauber eingesetzt werden. Das Verteidigungsministerium begründet die Maßnahmen mit dem Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen, das eine verstärkte Außensicherung der Grenzen bindend vorschreibe.

Zur Erinnerung: 1989 wurde zwischen Österreich und Ungarn das erste Stück des »Eisenen Vorhangs« geöffnet.

NATO-Militärausgaben auf hohem Niveau

Die USA und ihre wichtigsten Verbündeten geben nach Ende des Kalten Krieges dreimal soviel Geld für militärische Zwecke aus wie ihre militärischen Gegner. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 10.02.97 veröffentlichte Studie des unabhängigen Commenwealth-Instituts in Cambridge (USA). Danach gaben die USA 1994 288,1 Milliarden Dollar, die NATO-Staaten insgesamt 469,3 Milliarden aus. Die als potentielle Feinde eingeordneten Staaten Rußland, China, Weißrußland, Kuba, Iran, Irak, Libyen, Nord-Korea, Syrien und Vietnam kommen zusammen auf 167 Milliarden.

Rüstungsindustrie profitiert von NATO-Osterweiterung

Nach Schätzungen des Haushaltsbüros des US-Kongresses kostet alleine eine NATO-Ausdehnung auf Polen, Tschechien und Ungarn über 15 Jahre zwischen 61 und 125 Milliarden Dollar. »Folgerichtig« plant Tschechien in den nächsten drei Jahren eine Verdoppelung seines Militäretats, Polen dasselbe bis zum Jahr 2002.

Trotzdem dürfte den NATO-Aspiranten für größere Sprünge das Geld fehlen. Damit die eigenen Rüstungsfirmen besser ins Geschäft kommen, garantiert die US-Regierung Kredite bis zu 15 Milliarden Dollar für Geschäfte mit 37 Ländern (darunter fast alle NATO-"Partner für den Frieden«). Wallstreet Export-Banken gewähren für Waffenkäufe Vorfinanzierungen bis zu 500 Millionen Dollar. Der »stern« (13.02.97) kommt deshalb zu der Feststellung: „Von der Osterweiterung der NATO profitiert vor allem die amerikanische Rüstungsindustrie.“

KSK im April einsatzfähig

Das Kommando Spezialkräfte (KSK), die neue Eliteeinheit der Bundeswehr, soll vom 1. April an einsatzfähig sein. Die zum Kommando gehörenden 1.000 Soldaten werden ausgebildet um „Deutsche, die im Ausland in Not geraten sind, zu retten oder aus Geiselhaft zu befreien“ oder besonders gefährliche Kampfhandlungen durchzuführen (SZ 21.02.97). Die Personalkosten für die Eliteeinheit werden mit 50 Millionen DM pro Jahr veranschlagt. Hinzu kommen nach einem Bericht des Verteidigungsministeriums noch einmal 41 Millionen DM für die besondere Ausrüstung bis zum Jahr 1999.

Kabarettisten gegen Ehrenschutz

Aus Protest gegen den geplanten gesetzlichen Ehrenschutz für das deutsche Militär haben 200 Kabarettisten. Karikaturisten und Schriftsteller Selbstanzeigen für den Fall angekündigt. daß das Gesetz verabschiedet und erstmalig angewendet wird. In den „dann zu erwartenden Gesinnungsprozessen gegen Kulturschaffende“ wollen sie der „Weltöffentlichkeit die real existierende Meinungsfreiheit in Deutschland vor Augen führen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Künstler argumentieren, daß es auch in Deutschland möglich bleiben müsse, Tucholsky, Büchner, Einstein, Friedrich II von Preußen, Heine, Laotse, Knigge, Maupassant, Scharnhorst, Voltaire und viele andere straflos zu zitieren, die den Krieg als Mord und Soldaten als Mörder bezeichnet haben – ohne deutsche Soldaten ausdrücklich auszunehmen, wie es nach dem geplanten Gesetz geboten wäre (FR 14.02.97).

Französisch-deutsche »A-Waffen-Nutzung«

Deutschland und Frankreich wollen erstmals Gespräche über eine „gemeinsame Nutzung der französischen Atomwaffen zu Abschreckungszwecken“ aufnehmen. Wie die Süddeutsche Zeitung (27.01.97) mitteilt, hat das französische Außenministerium bestätigt, daß Chirac und Kohl bereits am 9. Dezember letzten Jahres ein entsprechendes „gemeinsames strategisches Konzept“ unterzeichnet haben.

Längerdienende für KRK

Erfolgreich wirbt die Bundeswehr mit 20.000 Dienstposten für freiwillig längerdienende Wehrpflichtige. Die bis zu 23 Monate dienenden bekommen zusätzlich zum normalen Wehrsold ein monatliches steuerfreies Aufgeld von 1.200 DM.

Was die Werbung verschweigt: Weiterverpflichtungen aus dem Kreis der 10.000 T7 Rekruten lehnt das Verteidigungsministerium ab. Wer aus gesundheitlichen Gründen von der Grundausbildung befreit sei, tauge nicht für die Krisenreaktionskräfte (KRK) zum Auslandseinsatz. Posten für Dienstverlängerer gebe es aber, von Ausnahmen abgesehen nur dort, heißt es zur Begründung (Spiegel 2/97).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1997/1 Neben-einander – Gegen-einander – Mit-einander, Seite