W&F 2000/3

Bonner Notizen

von Jürgen Nieth

Teure Raketenabwehr

Die Kosten für das von den USA unter Bruch des bestehenden ABM-Vertrages geplante Raketenabwehrsystem NMD (National Missile Defense) steigen rasant. Das Haushaltsbüro des US-Kongresses geht jetzt von 30 Milliarden US-Dollar für die erste Ausbaustufe – der Stationierung von 100 Abfangraketen in Alaska – aus. Das Verteidigungsministerium hatte erst kürzlich die Kosten von ursprünglich 13 Milliarden für die erste Stufe auf 26 Milliarden verdoppelt. In einer zweiten und dritten Phase sollen insgesamt 250 Raketen stationiert werden. Gesamtkosten nach der gegenwärtigen Planung: 60 Milliarden Dollar (FR 27.04.2000).

CSU will eigenen Raketenschild

Die CSU fordert einen neuen »NATO-Doppelbeschluss« gegen die Bedrohung mit Raketen durch sogenannte Schurkenstaaten. Deutschland und Europa dürften sich beim Schutz vor dieser „neuen Bedrohung“ nicht von den USA abkoppeln. So der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber bei der Vorstellung des verteidigungspolitischen Konzepts der CSU im Wildbad Kreuth. (taz 22.05.2000).

Schweden halbiert seine Armee

Schweden halbiert seine Armee. Nach einem neuen Rahmengesetz – von SozialdemokratInnen, Linken und Zentrum verabschiedet – werden die Marine halbiert, die Landstreitkräfte von 12 auf 4 Brigaden reduziert und die Küstenartillerie aufgelöst. Letztere wird durch eine Amphibienbrigade ersetzt. Lediglich die Luftwaffe bleibt vom Sparprogramm ausgenommen. Der Umbau soll innerhalb der nächsten 10 Jahre abgeschlossen werden. Die Militärausgaben von gegenwärtig 9,7 Milliarden Mark sollen um 10 Prozent gesenkt werden (FR 01.04.2000).

Schweiz will Zahl der Soldaten halbieren

Eine breite Debatte über die Zahl der Armeeangehörigen läuft seit langem in der Schweiz. Bereits in den 90er-Jahren stimmten 35 Prozent der SchweizerInnen für eine Initiative »Schweiz ohne Armee«, die jetzt an der Einleitung einer erneuten Volksabstimmung arbeitet. Derweil hat der Verteidigungsminister Adolf Ogi ein Konzept vorgelegt, nach dem die Soldatenzahl von 400.000 auf 200.000 halbiert, während die Zahl der Berufssoldaten von 3 auf 6.000 erhöht wird (Die hohe Zahl der Armeeangehörigen ergibt sich durch die Schweizer Besonderheit, dass die Soldaten auch nach dem Grundwehrdienst, wenn sie wieder ihrem Beruf nachgehen, in der Armee bleiben und regelmäßig zu Wehrübungen herangezogen werden). Der Finanzminister geht noch weiter und fordert eine Reduzierung auf 30 Prozent (FR 27.04.2000).

Generalin sexuell belästigt

Die ranghöchste Frau im US-Heer, Generalin Claudia Kennedy, hat Beschwerde eingereicht gegen Generalmajor Larry G. Smith wegen sexueller Belästigung. Smith sollte zum stellvertretenden Generalinspekteur der US-Armee ernannt werden und wäre damit zuständig gewesen für die armeeinterne Ermittlung bei sexuellen Belästigungen.

Die Generalin hatte vor drei Jahren, unmittelbar nach der sexuellen Belästigung, den Vorfall gemeldet, ohne dass das offensichtlich die Karrierechancen ihres Kollegen behinderte. Jetzt legte sie offiziell Beschwerde ein. Erfolgreich! (taz 24.05.2000)

Kosovo 1

Nach einer erneuten Serie von Morden hat die UN-Mission Unmik von einem Besorgnis erregenden Trend gesprochen. „Die Morde sind kaltblütig. Einige erscheinen geplant und sie machen keinen Unterschied zwischen (…) Männern, Frauen oder Kindern.“ So UN-Sprecherin Manuel über die Attentate vor allem gegen SerbInnen. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) spricht von einer „alarmierenden Situation“. Gleichzeitig wird eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen der UN-Mission und der Kfor sichtbar. Während die UN-Sprecherin von ethnisch motivierter Gewalt spricht, erklärt der US-amerikanische Kfor-Sprecher Major Slaten die Anschläge zu „kriminellen Taten“. (FR 03.06.2000)

Kosovo 2

7.300 Kosovo-Flüchtlinge sind seit Kriegsende aus Bayern abgeschoben worden. Laut Innenminister Beckstein ist „die Zeit der Rückkehr“ gekommen. (taz 08.06.2000). Gegenwärtig leben 120.000 Kosovo-Flüchtlinge in Deutschland. Seit April ist die Abschiebung auf dem Landweg möglich.

Kosovo 3

Bill Clinton während seiner Europareise zur Zukunft Südosteuropas: Es ist nicht möglich, den Frieden in dieser Region sicher zu machen, „indem man die Menschen zwingt zusammenzuleben (…) Es ist auch nicht möglich, dass jede Gemeinschaft ihr eigenes Land, ihre eigene Armee und ihre eigene Flagge erhält (…) Unser Ziel muss es sein, den Balkan zu entbalkanisieren.“ (taz 22.05.2000)

Rüstungsindustrie und Arbeitsplätze

Die Waffenproduzenten sind stets bemüht, die Wichtigkeit der Waffenproduktion und der Rüstungsexporte für den deutschen Arbeitsmarkt zu betonen. Exakte Beschäftigungszahlen gibt es aber nicht. Weil die militärische Produktion immer enger mit der zivilen verzahnt wird und weil genaue Zahlen über das Volumen der Waffenlieferungen ins Ausland Mangelware sind, ist eine genaue Erfassung schwierig. Nach umfassenden Recherchen geht das Bonner Konversionszentrum (BICC) davon aus, dass insgesamt nur 25.000 Beschäftigte „Kriegsgerät für das Exportgeschäft herstellen – von der Ingenieurin im Panzerwerk bis zum Hausmeister der Munitionsfabrik“ (taz 25.03.2000). Das entspricht ungefähr der Zahl der Beschäftigten in der deutschen Lederindustrie.

Das Letzte

Neue grüne Logik

Anfang Juni 2000 hat die grüne Bundestagsfraktion – im Gegensatz zum grünen Länderrat – mit 18 gegen 8 Stimmen beschlossen, dass zukünftig für Auslandseinsätze der Bundeswehr nur noch die einfache Mehrheit im Bundestag notwendig sein soll. Die Zustimmung der Opposition wäre damit nicht mehr erforderlich.

Für den Einsatz der Bundeswehr im Verteidigungsfall sieht die Verfassung allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit – und damit die Zustimmung eines großen Teils der jeweiligen Opposition vor.

Neue grüne Logik: Für den – nicht absehbaren – Verteidigungsfall brauchen wir alle, bei den absehbaren militärischen Auslandseinsätzen stört die parlamentarische Kontrollmöglichkeit.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2000/3 Europa kommt, Seite