W&F 2001/4

Bonner Notizen

von Jürgen Nieth

US-Wissenschaftler warnen vor NMD-Nebenfolgen

Amerikanische Wissenschaftler haben vor einer unerwünschten »Nebenwirkung« der US-Raketenabwehr gewarnt: Raketen, die kurz nach dem Start abgeschossen werden, könnten in Europa oder Kanada statt in den USA landen. Nach einem Bericht von »New Scientist« (29.08.01) brennt die Zündrakete noch, wenn Interkontinentalraketen wenige Minuten auch dem Start zerstört werden. Der Nuklearsprengstoff könne dann unkontrolliert weiterfliegen und irgendwo niedergehen, schreibt Ted Postol, Physiker am Massachusetts Institute of Technology. Eine von Nordkorea abgefeuerte Rakete könne dann über Alaska oder Kanada, eine aus dem Irak abgefeuerte über dem europäischen Festland oder Großbritannien explodieren.

Die Kritik richtet sich gegen das Vorhaben, eine Laser-Abfangwaffe an Bord eines Jumbo-Jets zu stationieren (siehe auch FR 31.08.01).

CIA aktiv in den Balkankriegen

Mit dem kroatischen Ex-Außenminister Mate Granic hat am 20. August erstmals ein ehemaliger Spitzenpolitiker die Zusammenarbeit zwischen der CIA und dem kroatischen Geheimdienst SIS bestätigt. Nach Granic sei der kroatische Angriff auf die Stellungen der Serben 1995 ohne US-amerikanische Hilfe nicht so leicht möglich gewesen. In der Folge wurden 250.000 Serben aus der Krajina vertrieben.

Nach einem Bericht von »Newsweek« spricht auch der Sohn des ehemaligen kroatischen Präsidenten, Tudjman, der zeitweilig den kroatischen Geheimdienst leitete, von einer De-facto-Partnerschaft CIA-SIS. Die USA hätten den Kroaten ihre Luftaufklärung und die Auswertung von geheimen Funksprüchen der Serben überlassen, teilweise noch bevor diese an das Pentagon weitergeleitet worden seien.

Nach demselben Bericht haben die USA an der kroatischen Adriaküste bei Zadar während der Balkankonflikte einen geheimen Stützpunkt unterhalten, von dem aus auch die militärischen Vorgänge im Kosovo bis zum Luftkrieg der NATO 1999 mit ausgewertet worden sein sollen (taz 21.08.01).

USA experimentierten mit Bio-Waffen

Die USA haben offenbar seit Mitte der neunziger Jahre in bislang nicht bekannten Ausmaß mit biologischen Kampfstoffen experimentiert. Nach einem Bericht der New York Times soll der Geheimdienst CIA ab 1997 eine Bombe der früheren Sowjetunion nachgebaut und das Modell im vergangenen Jahr in zwei Testserien erprobt haben. Die Zeitung zitiert US-Geheimdienstler, nach denen im US-Bundesstaat Nevada auf einem ehemaligen Atomtestgelände eine Biowaffenfabrik aufgebaut wurde.

Innerhalb der Clinton-Regierung soll es den Berichten zufolge zu Kontroversen über die Zulässigkeit der Experimente gekommen sein. Die Konvention über das Verbot biologischer Waffen von 1972 wurde von über 140 Ländern, darunter auch den USA, ratifiziert. Danach ist eine Produktion dieser Waffen verboten, erlaubt sind nur Forschungsarbeiten zu defensiven Zwecken.

Die Bush-Regierung will die Arbeiten nun ausweiten und denkt dabei auch an die Entwicklung neuartiger biologischer Kampfstoffe, so soll z.B. eine neue, gefährliche Variante des Milzbranderregers hergestellt werden.

Dem Bericht der Zeitung zufolge waren die Geheimprojekte auch ein Grund, warum die USA sich im Juli d.J. gegen das in Genf ausgehandelte Protokoll zur besseren Kontrolle des Biowaffen-Verbots gesperrt haben (siehe auch FR 05.09.01).

Enttäuschendes Ergebnis der UN-Kleinwaffen-Konferenz

Die erste Konferenz der Vereinten Nationen über die Kontrolle von Kleinwaffen ist mit einem verwässerten Kompromiss über freiwillige Selbstkontrollen der Staaten zu Ende gegangen. „Vor allem die Vereinigten Staaten hatten eine Einigung über die Hauptpunkte – Einschränkung des privaten Waffenbesitzes und Verkaufbegrenzungen an »nichtsstaatliche Akteure« (Befreiungsbewegungen) – blockiert“ (FAZ 23.07.01). Washingtons einzige Konzession war die Zustimmung zu einer Fortsetzungskonferenz im Jahr 2006.

Nach UN-Schätzungen sind 500 Millionen Kleinwaffen im Umlauf und Ursache für den Tod von einer halben Million Menschen jährlich. Der legale Handel mit den Waffen soll den Herstellern jährlich bis zu 6 Milliarden Dollar einbringen, für den illegalen Handel wird mindestens eine Milliarde US-Dollar veranschlagt.

Die FR kritisiert vor allem, dass die USA auf der »außenpolitischen Option« bestanden hätten, Aufständischen etwa im Kampf gegen Regime beizustehen, die Völkermord betrieben. „Die Formulierung lässt sich willkürlich auslegen und erlaubt die aktive Unterstützung von Umsturzversuchen in anderen Ländern.“ (FR 23.07.01). Die Zeitung verweist darauf, dass der Sturz unliebsamer Regime mit Hilfe bewaffneter Rebellenbewegungen nicht nur gegen das Völkerrecht verstößt, sondern auch andere Mächte zur Nachahmung verleitet.

Rüstungsexporte steigen weiter

Die Waffenexporte steigen weiter, so die alljährliche Studie »Conventional Arms Transfers to Developing Nations«. Demnach wuchsen die Waffenverkäufe im letzten Jahr um 8 Prozent auf 36,9 Milliarden US-Dollar. Allein die USA schlossen Lieferverträge über 18,6 Mrd., also etwas mehr als die Hälfte. 68 Prozent davon gehen nach einem Bericht der New York Times in Entwicklungsländer. Nummer zwei der Rüstungsexporteure ist Russland (7,7 Mrd.), gefolgt von Frankreich (4,1 Mrd.) und Deutschland (1,1 Mrd. US-Dollar).

Größter Rüstungsimporteur waren im Jahr 2000 die Vereinigten Arabischen Emirate mit 7,4 Mrd. US-Dollar, gefolgt von Indien (4,8 Mrd.) und Südkorea (2,3 Mrd.).

Das Letzte

Gewissen oder Parteidisziplin

„Ich erwarte von den Bundestagsabgeordneten, dass sie sich nicht vor einer Entscheidung drücken und akzeptieren, was die Außen- und Sicherheitspoltiker in der Fraktion ihnen vorschlagen. (…) Man muss klar sagen, welche Folgen dieses Verhalten hat: Kein SPD-Abgeordneter ist in den Bundestag gewählt worden, weil er Fritz Müller oder Peter Struck heißt, sondern als Kandidat der Partei und der ist er auch verpflichtet.“ So Fraktionsvorsitzender Peter Struck in einem Spiegel-interview (Nr. 36, S. 27) zu den 19 Nein-Stimmen aus der SPD-Fraktion zum Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr.

Wie ließ die SED 1950 singen: „Die Partei, die Partei hat immer Recht, und Genossen es bleibet dabei…“ Und damit leitete sie eine ideologische Säuberungsaktion ein.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2001/4 China im Umbruch, Seite