W&F 1999/3

Bundeswehr und »alte Kameraden«

Patenschaft oder nicht?

von Tobias Pflüger

In W&F 3/98 veröffentlichten wir ein Gespräch zwischen Klaus Naumann vom Hamburger Institut für Sozialforschung und Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung zum Thema »Kontinuität – Diskontinuität Bundeswehr – Wehrmacht«. In diesem Gespräch erklärte Tobias Pflüger: „Die Elitetruppe der Bundeswehr – das Kommando Spezialkräfte (KSK) – hat offiziell die Patenschaft für das Kameradenhilfswerk der ehemaligen 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht übernommen, einer Eliteeinheit, die 1943 nachweislich Verbrechen auch an der sowjetischen Zivilbevölkerung begangen hat.“ Unser Leser Wolfgang Deixler, Sprecher von Pax Christi München, schrieb daraufhin an das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) mit der Bitte um Aufklärung. Das BMVg antwortete, die „durch Herrn Tobias Pflüger aufgestellte Behauptung, das Kommando Spezialkräfte (KSK) habe offiziell die Patenschaft für das Kameradenhilfswerk der ehemaligen 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht übernommen, ist falsch. Das Kommando Spezialkräfte unterhält keine Patenschaft zum Kameradenhilfswerk der 78. Sturm- und Infanteriedivision, noch wird das Kommando eine solche Verbindung eingehen.“ Wir baten Tobias Pflüger, dem nach zu gehen. Hier sein Bericht:

In dem Gespräch habe ich mich damals auf einen Bericht in der Zeitschrift Alte Kameraden (inzwischen Kameraden) bezogen, in dem es über das 19. Divisionstreffen am 14. September 1996 wörtlich hieß: „Zum letzten Mal wurden wir von unserem Paten-Btl., der 251er Fallschirmjäger in der Graf-Zeppelin-Kaserne nach Calw eingeladen.“

In der Zeitschrift »Alte Kameraden« hieß es weiter: „Am Gedenkstein der Fallschirmjäger begrüßte unser Vorstand, Kamerad Kullen, den letzten Kommandeur 251, Major May, Herrn Pfarrer Bier und alle Kameraden. … Grüße gehen an Herrn Oberstlt. von Pescatore mit Gattin und OStFw. a.D. Petrus, Kamerad Kullen bedankt sich bei General Schulz für dessen immerwährende Zusage, unsere Treffen hier in Calw abhalten zu können. Herr Major May übergibt unsere Betreuung an die 1. KSK. Unser Ehrenvorsitzender, Herr Oberst a.D. Kohler, spricht über Tradition und ihre Wichtigkeit zur Erhaltung der Bundeswehr. Herr Oberst a.D Schirmer, der erste Kommandeur des 251. FlschJgBtl., übergibt den Traditionsraum an die 1. KSK, Herrn Hptm. Rachmann, der in Vertretung von Herrn Major Klein, dem Kp.Chef des 1. KSK, uns anschließend die zukünftige Gliederung und die Aufgaben der KSK sehr anschaulich erklärt.“

Vertreter der Informationsstelle Militarisierung haben nach dieser Veröffentlichung den damaligen Kommandanten des KSK um Auskunft und ein Gespräch in der Sache gebeten. Sie bekamen keine Antwort. Am Antikriegstag (01.09.) 1996 machte ein Bündnis verschiedener Gruppen mit Unterstützung des DGB Reutlingen/Tübingen in Tübingen beim dortigen »Heldengedenkstein« der 78. Wehrmachtsdivision auf den Sachverhalt dieser speziellen Traditionspflege aufmerksam (vgl. Schwäbisches Tagblatt 02.09.1999). Auch beim Ostermarsch 1997 in Calw, der sich u.a. gegen die Aufstellung des Kommando Spezialkräfte (KSK) richtete, kam die Patenschaft zur Sprache.

Dennoch fand am 20.09.1997 das nächste, das »20. Disivionstreffen« des Kameradenhilfswerks in der Kaserne Nagold statt, die vom Kommando Spezialkräfte zu diesem Zeitpunkt mit verwaltet und mit genutzt wurde. Anwesend waren von Bundeswehrseite (dem Gastgeber): General Schulz, der Chef des Kommando Spezialkräfte (KSK), der Standortfeldwebel, der Kompaniefeldwebel 1. Kommando Spezialkräfte, 25 Soldaten und zivile Küchenkräfte. (vgl. Bundestagsdrucksache 13/9674).

Zu den Veröffentlichungen in den »Alten Kameraden« wollte der zuständige Sprecher des BMVg, Dr. Trapp, am 13.08.1999 keine Aussagen machen. Er erklärte, dass es von 1985 bis zum 30.09.96 eine Patenschaft mit dem Fallschirmjägerbataillon 251 gegeben habe, aber keine mit dem seit dem 01.04.96 in Dienst gestellten Kommando Spezialkräfte (KSK). Eine Mitteilung für die Öffentlichkeit habe es hierzu nicht gegeben.

Zu dem Treffen am 20.09.1997 meinte Dr. Trapp: General Schulz habe zwar eingeladen, jedoch nicht in seiner Funktion als Kommandeur des Kommando Spezialkräfte, sondern als Kasernenkommandant.

Veränderugen

In der Zeitschrift Kameraden 10/98 wird über das 21. Divisionstreffen in Freudenstadt (!) berichtet. Erstmals tagten die alten Herren nicht mehr in der Calwer oder Nagolder Kaserne. Es wird u.a. mitgeteilt, dass die Gestaltung des Traditionsraums in Nagold geändert werden solle.

Das Schwäbische Tagblatt vom 16.11.1998 informiert über die alljährliche Kranzablegung der offiziellen VertreterInnen der Stadt Tübingen (Kulturamtsleiter Prof. Dr. Wilfried Setzler u.a.) am Volkstrauertrag am »Heldengedenkstein« der 78. Wehrmachtsdivision: Dabei sind auch – wie jedes Jahr – Bundeswehrsoldaten, die sich zur „Ehrenformation“ aufstellen. Und an anderer Stelle: „Zum Kameradenhilfswerk haben die beiden Bundeswehroffiziere seit ihrer Soldatenzeit in Calw Kontakt. Die dortigen Fallschirmjäger hatten jahrelang eine offizielle Patenschaft für die Wehrmachts-Veteranen gepflegt. Nun aber fühlt sich das Kameradenhilfswerk nicht mehr wohlgelitten. Der »Traditionsraum« der 78. Wehrmachts-Division in der Nagolder Bundeswehrkaserne wurde vor wenigen Wochen geräumt und sein Inhalt zu einem befreudeten Kameraden nach Münsingen gebracht.“

Am 09.08.1999 berichtet das Schwäbische Tagblatt schließlich über die vorübergehende Einmottung des »Heldengedenksteins« der 78. Wehrmachtsdivision, der in Tübingen stand. Später soll er nach Münsingen, einem Bundeswehrstandort, in ein privates Militaria-Museum verbracht werden. Ob der neue Standort des Traditionsraumes sich auf Bundeswehrgelände in Münsingen befindet, war nicht festzustellen. Dr. Trapp vom BMVg »konnte« auch nicht zum Traditionsraum in Nagold Stellung nehmen. Er blieb bei seiner Formulierung, dass der Traditionsraum im Nachbarort Calw am 30.09.1996 aufgelöst worden sei.

Aus einem Bericht im Schwäbischen Tagblatt vom 09.08.1999 geht schließlich hervor, dass die »Patenschaft« 1998 aufgelöst wurde.

Fazit

Die jahrelange Patenschaft zwischen der Bundeswehr und dem Kameradenhilfswerk der ehemaligen 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht ist inzwischen offensichtlich beendet worden, ob 1996 oder 1998 mag dahin gestellt bleiben. Erfreulich ist, dass sie endlich beendet wurde.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1999/3 Tödliche Bilanz, Seite