W&F 1997/2

Das »Neue Deutschland« in Europa

Kollektive Identität und Haltungen gegenüber Fremden

von Bettina Westle

Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und den anstehenden Stufen der europäischen Integration wird im In- und Ausland häufig die bange Frage laut, ob die Deutschen ihrer neuen politischen Verantwortung gerecht werden oder aber aufgrund der Vereinigung einen neuen, übersteigerten Nationalismus entwickeln. Insbesondere die zu beobachtende Distanzierung gegenüber der Europäischen Union wird unmittelbar auf eine Stärkung des nationalen Selbstbewußtseins zurückgeführt, und die in der Asylrechtsdebatte kulminierenden Wünsche nach einer nationalen Abschottung sowie Gewalttaten gegenüber Ausländern werden gelegentlich als Ausdruck eines weit verbreiteten, aggressiven Nationalismus gedeutet. Empirische Befunde verweisen jedoch auf die Entwicklung eines demokratisch ausgerichteten Kollektivbewußtseins bei vielen Westdeutschen und einen überwiegend vorsichtigen Umgang mit nationalen Gefühlen in beiden Landesteilen. Ethnozentrismus speist sich einerseits aus traditionellem Nationalgefühl, wird jedoch auch durch ökonomische Ängste forciert.

Der aktuelle normative Diskurs in Wissenschaft und Publizistik wiederholt unter dem neuen Vorzeichen der deutschen Einheit eine alte Kontroverse um die »Normalität und Notwendigkeit« versus »Pathologie und Gefährlichkeit« nationaler Gefühle (vgl. Westle 1994). Auf der einen Seite wird nunmehr nicht nur davon ausgegangen, daß nationale Gefühle einen wesentlichen Faktor für die Stabilität des politischen Systems darstellen, und gehofft, daß das durch die nationale Teilung »verletzte« Selbstwertgefühl der Deutschen mit Erreichen der Einheit gesunden könne (z.B. Noelle-Neumann/Köcher 1987 und Weidenfeld 1993). Vielmehr wird auch offener als zuvor ein Ablegen des »negativen Nationalismus« und die Entwicklung eines »defensiven Nationalismus« gefordert. Eine angemessene nationale Identität müsse sich ihrer typischen traditionalen, d.h. territorialen, ethnischen und/oder kulturellen Stärken bewußt sein. Sie sei zwar immer mit Abgrenzung gegenüber anderen Nationen verbunden, jedoch keineswegs per se in aggressiver Form (z.B. Nolte 1991, Zitelmann 1993, Estel 1994 und Mayer 1994).

Auf der anderen Seite finden sich deutliche Warnungen vor Gefahren einer solchen traditionalen Identität, die ein hohes ethnozentrisches Potential berge. In Nachfolge der Ansätze einer »verfassungspatriotischen Identität« wird von dieser Seite eine zwar national gebundene, aber primär auf den demokratischen Staat, seine Ideale und Institutionen hin gerichtete Identität gefordert. Von dieser Form nationaler Identifikation wird eine dem demokratischen System förderliche Wirkung ohne die Gefahren nationalistischer Aus- und Abgrenzung gegenüber anderen Nationen und Nationsangehörigen erhofft (z.B. Habermas 1989, Greiffenhagen 1991, Dahrendorf 1992). Weitergehende Vorstellungen nach einer »postnationalen«, an universalen menschenrechtlichen Idealen verankerten Identität finden ihre Begründung in der Erwartung zunehmender internationaler Migrationen sowie der Öffnung der EU nach Osteuropa (z.B. Oberndörfer 1991, Kleger 1994).

Entwicklung nationaler Gefühle

Empirische Befunde zu den Orientierungen der deutschen Bevölkerung zeigen, daß übersteigerter Nationalismus bislang allenfalls als Randerscheinung auftritt.1 Allgemeiner Nationalstolz (Grafik 1) ist bei den Deutschen auch nach der Vereinigung äußerst moderat geblieben. Bei den Ostdeutschen ist nationaler Stolz im Jahr der Vereinigung zwar etwas stärker verbreitet als bei den Westdeutschen. In beiden Landesteilen nimmt der nationale Stolz jedoch in den Jahren nach der Vereinigung zunächst ab – vermutlich als Folge der Probleme der inneren Einheit, ökonomischer Belastungen und der Scham in Teilen der Bevölkerung über die ausländerfeindlichen Exzesse. Erst ab 1994 zeigt sich wieder ein leichter Anstieg im Anteil der Nationalstolzen. Nach wie vor wird jedoch das in anderen europäischen Ländern bzw. im europäischen Durchschnitt übliche Niveau des nationalen Stolzes in Deutschland bei weitem nicht erreicht.

Wie schon früher nimmt auch im vereinten Deutschland die nationalstaatliche Ebene für gewöhnlich nicht den ersten Rang der Identifikationen mit politischen Gebilden ein, sondern folgt erst nach der Gemeinde oder dem Bundesland, genießt jedoch einen deutlichen Vorsprung vor der EG/EU – wie dies auch im Durchschnitt der anderen EG/EU-Staaten der Fall ist. Ausnahmen von diesem Muster finden sich nur 1991 im Umfeld der Vereinigung. Aber auch zu dieser Zeit ist die gesamtnationale Identifikation nicht eklatant hoch (Tab. 1). Zudem wird die gesamtnationale Bindung bei über 90<0> <>% der Bürger in beiden Landesteilen durch sub- und teilnationale Gefühle moderiert. Während dabei in Westdeutschland die Bindungen an das vereinte Deutschland überwiegend mit denen an die alte Bundesrepublik und an die subnationalen Einheiten einhergehen, ist im Osten eine erhebliche Instabilität der Bindungen und ein Anwachsen der teilstaatlichen Identität – also eine Hinwendung zur ehemaligen DDR – zu beobachten.

Der Vergleich der affektiven Bindungen an die Nation mit denen an die EG/EU auf individueller Ebene zeigt für beide Teile Deutschlands nur unter 5<0> <>% singuläre Bindungen an die Nation, welche ein Anzeichen für ausgeprägten Nationalismus wären. Ein deutlicher Supranationalismus bei antinationaler Haltung als möglicher Ausdruck des sog. negativen Nationalismus ist nur bei 1<0> <>% der Bürger auffindbar. Dagegen dominieren in den Jahren 1991 bis 1995 die gemäßigte gleichzeitige Bindung an beide Ebenen (zwischen 50 und 70<0> <>%, EG/EU: um 30<0> <>%) und die stärkere nationale bei gleichzeitig moderater an die supranationale Ebene (zwischen 15 und 30<0> <>%, EG/EU um 40<0> <>%) (nicht tab. ausgewiesen, s. Westle 1996; zu europäischen Bindungen s. a. Duchesne/Frognier 1995).

Die in Deutschland rückläufigen Identifikationen mit der europäischen Ebene verlaufen nicht primär zugunsten der nur nationalen Identifikation, sondern primär zugunsten tendenzieller Bindungslosigkeit und verweisen damit darauf, daß es sich nicht um einen vereinigungsbedingten Nationalisierungstrend handelt. Eine Abwendung von der EG/EU ist darüber hinaus nahezu europaweit infolge der Umstrittenheit der weiteren europäischen Integration beobachtbar, wenn sich zunehmend mehr Bürger nie als Europäer fühlen und auch im Hinblick auf die Zukunft über 80<0> <>% der Europäer ihre europäische Zugehörigkeit ihrer jeweiligen nationalen Identität nachordnen (nicht tab. ausgewiesen, s.Westle 1996).

Inhalte und Motive nationalen Stolzes

Der Inhalt nationalen Stolzes (Tab. 2) hat sich allerdings in Deutschland erheblich gewandelt. Bis in die 60er Jahre richteten die Westdeutschen ihren Stolz fast ausschließlich auf politikferne Bereiche, insbesondere auf die Wirtschaft, während in älteren Demokratien Aspekte des politischen Systems eine wesentliche Quelle nationalen Stolzes bildeten. Bis Ende der 70er Jahre wuchs jedoch der Stolz auf das politische System der BRD – symbolisiert durch das Grundgesetz und den Sozialstaat – auf ein mit anderen etablierten Demokratien vergleichbares Niveau an und ist seither recht stabil (Almond/Verba 1963, Conradt 1980, Topf/Mohler/ Heath/Trometer 1990). Die Wirtschaft bildete dabei anhaltend bis Anfang der 90er Jahre ein wichtiges Element westdeutschen Stolzes, während andere politikferne Bereiche – wie Kultur, Wissenschaft und Sport – von gemäßigter Bedeutung waren und der Bundestag offenbar nicht als institutionelles Symbol der Demokratie akzeptiert wird. Ursachen für diese Veränderungen sind das Nachwachsen jüngerer Generationen in die Demokratie, demokratische Sozialisationserfolge und eine zunehmende Bewährung des demokratischen Systems in den Augen der Bürger, die ihrerseits allerdings auch auf den Erfolgen des ökonomischen Aufbaus beruhte. Die politische, verfassungspatriotisch gebundene nationale Identität erweist sich inzwischen aber auch unabhängig von der Ökonomie als fest verankert, wie trotz des – durch die aktuellen Wirtschaftsprobleme bedingten – massiven Einbruchs des Stolzes auf die Wirtschaft in jüngster Zeit deutlich wird.

Die Ostdeutschen zeigen dagegen ein deutlich traditionaleres Nationsverständis. Im Vordergrund ihres nationalen Stolzes stand schon kurz nach der deutschen Vereinigung die Wirtschaft. Auch in den Folgejahren richtete sich der ostdeutsche Stolz primär auf die Ökonomie und – stärker als im Westen sowie in noch zunehmendem Ausmaß – auf die anderen politikfernen Bereiche auf Kosten des geringen demokratiebezogenen Stolzes. Die gegenwärtige ökonomische Problemlage wirkt sich im Osten gleichermaßen wie im Westen in einem Rückgang des Wirtschaftsstolzes aus, der durch die Ostdeutschen aber primär durch den noch verstärkten Rekurs auf andere politikferne Identifikationsobjekte kompensiert wird. Die politikferne Motivierung nationalen Stolzes bei den Ostdeutschen dürfte teilweise daran liegen, daß die Dauer ihrer Zugehörigkeit zur westlichen Demokratie noch zu kurz für die Entwicklung eines ausgeprägten politischen Stolzes ist. Teilweise kommt darin aber auch eine explizite Distanzierung gegenüber dem politischen System des vereinten Deutschlands zum Ausdruck, wenn vor allem DDR-stolze Ostdeutsche, Befürworter der Idee des Sozialismus und Wähler der PDS überproportional häufig nur politikferne Quellen ihres nationalen Stolzes nennen (nicht tab. ausgewiesen, s. Westle 1996, 1997).

Bemerkenswert ist auch, daß in beiden Landesteilen allgemein eher nicht-nationalstolze Bürger doch relativ häufig (zu etwa 80<0> <>%) auf bestimmte kollektive Güter Stolz empfinden. Dabei nennen sie nur wenig seltener als die allgemein Nationalstolzen die politischen Objekte, aber deutlich weniger die Wirtschaft und den Sport, dafür etwas häufiger Kunst und Literatur (nicht tab. ausgewiesen, Quelle: Allbus 1996). Dies kann als Beleg dafür gelten, daß die Distanz vieler Deutscher zu allgemeinem Nationalstolz nicht als Ausdruck von Feindlichkeit gegenüber ihrem politischen System oder ihrer politischen Gemeinschaft zu sehen ist.

Vielmehr ist die Zurückhaltung der Deutschen in bezug auf allgemeinen Nationalstolz stark durch die Erfahrung bzw. Auseinandersetzung mit der NS-Historie geprägt. Sie verhindert – im Gegensatz zu den Bürgern der anderen EG/EU-Staaten, die nationalen Stolz überwiegend als Selbstverständlichkeit oder sogar als Pflicht ansehen – für einen großen Teil der Deutschen eine unreflektierte oder starke Artikulation nationalen Selbstbewußtseins (Tab. 3, s.a. Westle 1996). Insbesondere bei den nicht-nationalstolzen Deutschen sind die Auffassungen verbreitet, nationaler Stolz sei entweder sinnlos, da die nationale Zugehörigkeit ein Zufall sei bzw. es auf den einzelnen Menschen ankomme (West ca. 50<0> <>%, Ost ca. 40<0> <>%), oder nationaler Stolz sei aggressiv, d.h. überheblich bzw. gefährlich für andere Nationen und Nationsangehörige (West und Ost je ca. 40<0> <>%).

Nationale Identifikation und Haltungen gegenüber Fremden

Auch die Distanz gegenüber den in Deutschland lebenden Ausländern hat sich bei den Westdeutschen mit den Jahren verringert, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß verändert wie die Inhalte nationaler Identität. Erst in jüngster Zeit ist bei West- und Ostdeutschen, welche überwiegend mehr Vorbehalte gegenüber Ausländern äußern, eine Zunahme distanzierter Haltungen zu beobachten (Tab. 4). Im europäischen Vergleich äußern Deutsche häufiger als die Bürger anderer Staaten, es gäbe »zuviele« Ausländer in ihrem Land, und sie zeigen sich weniger aufnahmebereit für Immigranten (nicht tab. ausgewiesen).

Diese Haltungen gegenüber Fremden stehen durchaus in Zusammenhang mit Intensität und Inhalten nationaler Identifikation (Tab. 4). So zeigen allgemein nicht-nationalstolze, aber verfassungspatriotisch orientierte Bürger die freundlichsten Einstellungen gegenüber Fremden, gefolgt von denen, die zwar ausschließlich auf politikferne Identitätsquellen rekurrieren, aber allgemeinen Nationalstolz ablehnen. Bürger, deren allgemeiner Nationalstolz auch demokratisch motiviert ist, erweisen sich wiederum als offener gegenüber Fremden als Bürger mit einem nicht-demokratisch orientierten Nationalstolz. Am feindlichsten gegenüber Ausländern äußern sich die Befragten, die allgemeinen Nationalstolz empfinden, aber keines der angebotenen Objekte als Anlaß dafür sehen – also möglicherweise an andere, nicht erfragte Identitätsquellen denken (z.B. ethnischer Art wie die »deutschen Charaktereigenschaften« oder an die Geschichte; zu letzterem s. Blank/Schmidt 1993).

Der Typus nationalen Stolzes erklärt aber nicht alleine diese Orientierungen. Vielmehr nehmen für ausländerfeindliche Haltungen und Tendenzen zu nationaler Schließung europaweit die tatsächliche Ausländerquote in den Staaten sowie die Wahrnehmung ökonomischer Probleme ebenfalls eine wesentliche Rolle ein. Beides dürfte nicht zuletzt zu der etwas überproportionalen und in letzter Zeit verstärkten Distanz der Deutschen gegenüber Ausländern im eigenen Land und Immigrationswilligen beigetragen haben (vgl. Fuchs/Gerhards/Roller 1993, Kühnel/Terwey 1994, Westle 1996).

Schlußfolgerungen

Insgesamt ist auf Grundlage dieser Befunde die These, daß Nationalstolz aufgrund der Teilung bei den Deutschen wenig verbreitet war, ebensowenig haltbar wie Behauptungen eines alle Deutschen ergreifenden nationalistischen Vereinigungstaumels. Umgekehrt finden sich auch keine Anzeichen für eine ausgeprägt negative Haltung der Deutschen zu ihrer Nation. Vielmehr artikulieren sich in den affektiven Bindungen an die verschiedenen politischen Gemeinschaften vor allem in Ostdeutschland relativ deutlich vereinigungsbedingte politische Problemlagen und Identitätsverunsicherungen. Die rückläufigen europäischen Identifikationen bringen europaweit Ängste bezüglich einer weiteren europäischen Integration zum Ausdruck. Die Skepsis vieler Deutscher gegenüber allgemeinem Nationalstolz und die Entwicklung eines Verfassungspatriotismus bei den Westdeutschen sprechen für einen historisch reflektierten und zunehmend gleichzeitig der Errungenschaft der Demokratie bewußten Umgang mit der eigenen Nationszugehörigkeit, der sich auch positiv auf die Orientierungen gegenüber Angehörigen anderer Nationen auswirkt. Diese Entwicklungsrichtung und die Chancen für die Herausbildung eines demokratisch orientierten nationalen Selbstbewußtseins auch bei den Ostdeutschen sollten nicht leichtfertig mit einer nationalistischen »Schlußstrich-Rhetorik« oder einer Überbelastung durch Probleme der inneren Einheit und Sozialstaatsabbau bei ökonomischen Problemlagen aufs Spiel gesetzt werden.

Tabelle 1:
Verbundenheiten mit politischen Gemeinschaften
Westdeutsche Ostdeutsche EU- Durchschnitt ohne Deutsche
F/1991 H/1991 F/1993 F/1995 F/1991 H/1991 F/1993 F/1995 H/1991 F/1995
Gemeinde 2.10 1.52 2.10 1.57 2.05 1.55 2.02 1.47 1.66 1.66
Bundesland/ Region 2.17 1.43 2.21 1.47 2.17 1.42 2.18 1.37 1.57 1.56
West: alte BRD/ Ost: alte DDR 2.14 2.25 2.71 2.19
Deutschland/ Nation 2.07 1.65 2.23 1.76 2.08 1.67 2.41 1.73 1.56 1.54
EG/EU 2.54 2.60 2.74 2.63 2.80 2.68 3.11 2.77 2.52 2.63
(Mittelwerte 1=stark verbunden bis 4=überhaupt nicht verbunden)
Fragetext:
Und jetzt möchten wir wissen, wie stark Sie sich mit Ihrer Gemeinde und ihren Bürgern verbunden fühlen? Sind Sie Ihrer Gemeinde und deren Bürgern gefühlsmäßig stark verbunden, ziemlich verbunden, wenig verbunden oder gar nicht verbunden? – entsprechend für: Bundesland, alte Bundesrepublik/ehemalige DDR so wie sie vor der Vereinigung bestand, Deutschland als Ganzes, Europäische Gemeinschaft. (Der angegebene Fragetext entspricht der Politischen Kultur Studie. Die Fragetexte in den anderen Erhebungen variieren nur geringfügig.)
Hinweise: F=Frühjahr, H=Herbst.
Quellen: F/1991 Allbus, H/1991 Eurobarometer Nr.36, F/1993 Politische Kultur Studie, F/95 Eurobarometer Nr. 43-1b.
Tabelle 2:
Stolz auf kollektive Güter
(Mehrfachnennungen, Prozente)
Westdeutsche Ostdeutsche
1988 1991 1992 1994 1996 1990 1991 1992 1994 1996
Grundgesetz 51 51 48 53 53 23 21 17 26 24
Sozialstaatliche Leistungen 39 49 45 37 49 31 24 15 18 23
Bundestag 10 5 5 10 6 11 7 3 5 3
Wirtschaftliche Erfolge 51 64 59 46 44 60 60 54 36 41
Wissenschaftliche Leistungen 37 40 38 35 41 56 51 48 42 57
Kunst und Literatur 22 23 22 22 31 47 41 44 36 53
Leistungen der Sportler 21 19 20 19 23 41 42 50 39 54
auf nichts davon stolz 20 12 13 15 13 6 13 13 20 10
Fragetext: Auf diesen Kärtchen finden Sie eine Reihe von Dingen, auf die man als Deutscher stolz sein kann. Wählen Sie bitte diejenigen drei Dinge aus, auf die Sie am meisten stolz sind. A) Das Grundgesetz, B) Der Bundestag, C) Die Leistungen der deutschen Sportler, D) Die wirtschaftlichen Erfolge, E) Die deutsche Kunst und Literatur, F) Die wissenschaftlichen Leistungen, G) Die sozialstaatlichen Leistungen.
Erläuterungen:
Die Kategorie „auf nichts davon stolz“ ist als gültiger Wert behandelt und umfaßt auch die Befragten, die „weiß nicht“ antworteten oder von denen keine Angabe vorliegt.
Quellen: 1988, 1991, 1992, 1996 Allbus, 1990 ISSP-Plus Ost, 1994 Nachwahlstudie 1994.
Tabelle 3:
Meinungen zu Nationalstolz 1994
(Prozente)
Westdeutsche Ostdeutsche EU- Durchschnitt ohne Deutsche
Pflicht 9.5 9.7 23.6
Selbstverständlich 40.0 44.9 50.3
Zufall/Unsinn 19.2 18.0 9.0
Jeder anders/Unsinn 10.0 6.1 6.9
Überheblich 7.5 9.5 2.6
Gefährlich 13.8 11.8 7.7
Fragetext: Auf dieser Liste stehen einige Meinungen zu Nationalstolz. Sagen Sie mir bitte, welcher dieser Meinungen Sie persönlich am ehesten zustimmen. A – Nationalstolz ist eine Pflicht für jeden guten Bürger; B – Nationalstolz ist eine Selbstverständlichkeit; C – Nationalstolz ist Unsinn, weil die Nationalität Zufall ist; D- Nationalstolz ist Unsinn, weil jeder Mensch anders ist; E – Nationalstolz ist überheblich, er richtet sich gegen Menschen anderer Nationalität; F – Nationalstolz ist gefährlich, er führt zu extremem Nationalismus und sogar zu Kriegen; (G- Nichts davon; zu fehlenden Werten definiert).
Quelle: Eurobarometer Nr.42.
Tabelle 4:
Einstellungen zu Ausländern in West- und Ostdeutschland gesamt und nach Aspekten nationalen Stolzes
(Mittelwerte)
Alle Typus des Stolzes 1996
Mittelwerts- index:
1= freundlich
7= feindlich
1980 1984 1988 1990 1994 1996 allg. stolz + (auch) politisch allg. stolz + nur nicht- politisch allg. stolz + keines der Objekte allg. nicht stolz + (auch) politisch allg. nicht stolz + nur nicht- politisch allg. nicht stolz + keines der Objekte
West % 49.1 9.1 3.7 23.6 5.3 9.2
Mittelwert 4.46 4.14 3.92 3.59 3.35 3.66 3.96 4.20 4.39 2.85 3.50 3.59
Ost % 28.9 33.7 4.2 11.0 16.1 6.0
Mittelwert 3.66 4.07 4.13 4.32 4.87 3.35 3.72 4.16
Fragetext: Bei dieser Frage geht es um die in Deutschland lebenden Ausländer. Auf dieser Liste stehen einige Sätze, die man schon irgendwann einmal gehört hat. Sagen Sie mir bitte zu jedem Satz, inwieweit Sie ihm zustimmen. Der Wert 1 heißt, daß Sie „überhaupt nicht zustimmen“, der Wert 7 heißt, daß Sie „voll und ganz zustimmen. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen. A) die in Deutschland lebenden Ausländer sollten ihren Lebensstil ein bißchen besser an den der Deutschen anpassen, B) wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken, C) Man sollte den in Deutschland lebenden Ausländern jede politische Betätigung untersagen, D) die in Deutschland lebenden Ausländer sollten sich ihre Ehepartner unter ihren eigenen Landsleuten auswählen. Bis 1990: „Gastarbeiter“, ab 1994 „Ausländer“.
Indices: Die Werte zu den Haltungen gegenüber Ausländern beruhen auf einem Mittelwertindex über alle 4 Items hinweg.
Der Typus des nationales Stolzes ist ein Kombinationsindex aus allgemeinem Nationalstolz (dichotomisiert in sehr und ziemlich stolz=„allgemein stolz“ versus kaum und gar nicht stolze=„allgemein nicht stolz“) mit den genannten Objekten des Stolzes (Grundgesetz, Sozialstaat und Bundestag=“politisch“, alle anderen Objekte=“nicht politisch“ sowie „auf nichts davon stolz“).
Quellen:Allbusse.

Literatur

Blank, Th./Schmidt, P. 1993: Verletzte oder verletzende Nation? Journal für Sozialforschung, 33, S.391-415.

Dahrendorf, R. 1992: Betrachtungen über die Revolution in Europa. Bergisch-Gladbach.

Duchesne, S./Frognier, P. 1995: Is there a European Identity? in: Niedermayer, O./Sinnot, R. (Hg.): Public Opinion and Internationalized Governance, S. 193-226. Oxford.

Fuchs, D./Gerhards, J./Roller, E. 1993: Wir und die anderen – Ethnozentrismus in den zwölf Ländern der europäischen Gemeinschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 45, S.238-253.

Greiffenhagen, M. 1991: Die Bundesrepublik Deutschland 1945-1990. Aus Politik und Zeitgeschichte, B1-2, S.16-26.

Kleger, H. 1994: Reflexive Politikfähigkeit – Zur Verschränkung von Bürger- und Staatsgesellschaft, in: Gebhardt J./Schmalz-Bruns, R. (Hg.): Demokratie, Verfassung und Nation, S.301-319. Baden-Baden.

Kühnel, S./Terwey, M. 1994: Gestörtes Verhältnis? Die Einstellungen der Deutschen zu Ausländern in der Bundesrepublik, in: Braun, M./Mohler, P. Ph. (Hg.): Blickpunkt Gesellschaft 3 – Einstellungen und Verhalten der Bundesbürger, S.71-105. Opladen.

Noelle-Neumann, E./Köcher, R. (Hg.) 1987: Die verletzte Nation – Über den Versuch der Deutschen, ihren Charakter zu ändern. Stuttgart.

Oberndörfer, D. 1991: Die offene Republik – Zur Zukunft Deutschlands und Europas. Freiburg.

Weidenfeld, W. 1993: Deutschland nach der Vereinigung, in: Werner W. (Hg.): Deutschland: Eine Nation, doppelte Geschichte, S.13-26. Köln.

Westle, B. 1996: Kollektive Identität im vereinten Deutschland – Nation und Demokratie in der Wahrnehmung der Deutschen, Habilitationsschrift. Mannheim.

Westle, B. 1997: Einstellungen zur Nation und zu den Mitbürgern, in: Gabriel, O. W. (Hg.): Politische Orientierungen und Verhaltensweisen im vereinigten Deutschland, S.61-80. Opladen.

Eine Liste mit weiteren Literaturangaben zum Thema kann bei der Redaktion angefordert werden.

Anmerkungen

1) Bei allen verwendeten Datensätzen handelt es sich um repräsentative Erhebungen der Gesamt- bzw. Wahlbevölkerung; die berichteten Befunde beruhen auf eigenen Analysen der Wahlbevölkerung; die Zusammenfassung der EG/EU-Länder verdeckt zwar länderspezifische Unterschiede, rechtfertigt sich aber als Vergleichsfolie für Deutschland. Bei der Politischen Kultur Studie 1992 und 1993 handelt es sich um ein DFG-Projekt der Autorin; die Eurobarometer wurden von ZEUS/Mannheim, der Allbus 1996 von ZUMA/Mannheim, alle anderen Datensätze vom Zentralarchiv für empirische Sozialforschung zu Köln zur Verfügung gestellt. Zurück

Dr. Bettina Westle lehrt an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1997/2 Quo vadis Europa, Seite