W&F 2012/3

Der Globale Klima-Risiko-Index 2012

von Sven Harmeling

Zum siebten Mal hat »Germanwatch« inzwischen einen Globalen Klima-Risiko-Index (KRI) vorgelegt. Dieser untersucht sowohl für das Jahr 2010 als auch für die letzten zwanzig Jahre, welche Länder besonders stark von Wetterextremen wie Überschwemmungen und Stürmen betroffen waren. Erfasst werden auch die Todesopfer sowie die direkten ökonomischen Verluste.

Die wesentlichen Aussagen des KRI 2012 machen deutlich, dass zwischen 1991 und 2010 Bangladesch, Myanmar und Honduras am stärksten unter extremen Wetterereignissen gelitten haben. Im Jahre 2010 waren zudem Pakistan, Guatemala, Kolumbien und Russland besonders stark betroffen. Alle zehn am stärksten betroffenen Länder (1991-2010) waren Entwicklungsländer mit niedrigem oder niederem mittleren Pro-Kopf-Einkommen.

Insgesamt starben zwischen 1991 und 2010 mehr als 710.000 Menschen als direkte Folge von mehr als 14.000 extremen Wetterereignissen, und es kam in diesem Zeitraum zu Verlusten von mehr als 2,3 Billionen US$ in Kaufkraftparitäten (US$ 1,5 Billionen Verlust in absoluten Zahlen).

Methodik

Die Analyse des Klima-Risiko-Index 2012 (KRI) basiert auf Datensätzen, die durch den weltweit anerkannten Münchener Rück NatCatSERVICE erfasst wurden. Dieser erhebt für sämtliche Länder alle elementaren Verlustereignisse, die erhebliche Sach- und Personenschäden verursacht haben, und stellt diese als Gesamtsumme wetterbedingter Verluste, Anzahl der Todesfälle, versicherte Schäden und Gesamtsumme der ökonomischen Schäden dar. In der Analyse des KRI wurden nur wetterbezogene Ereignisse wie Stürme, Überflutungen sowie Temperaturextreme (Hitze- und Kältewellen) berücksichtigt.

Für die Auswertung zum KRI wurden folgende Indikatoren untersucht:

  1. Anzahl der Todesfälle,
  2. Anzahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner,
  3. Summe der Verluste in US$ in Kaufkraftparität (KKP),
  4. Verluste pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Die ökonomischen- und Bevölkerungsdaten der Indikatoren 2, 3 und 4 stammen primär aus den Datensätzen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Außerdem sollte beachtet werden, dass für einige Länder, darunter kleinere Inselstaaten im Pazifik oder politisch sehr instabile Regionen wie z.B. Somalia, keine ausreichend verwertbare Datensätze vorhanden sind und daher einige Länder nicht berücksichtigt werden können.

Der KRI basiert auf den Verlustzahlen von 2010 sowie 1991-2010. Der Indexwert jedes Landes leitet sich dabei von dessen Mittelwert aus der Analyse aller vier Indikatoren und gemäß folgender Gewichtung ab:

  1. 1/6 absolute Todesfälle,
  2. 1/3 Tote im Verhältnis zur Einwohnerzahl,
  3. 1/6 absolute Verluste in US$,
  4. 1/3 Verluste im Verhältnis zum BIP in US$.

Die Identifizierung der relativen Werte des Index (Tote im Verhältnis zur Einwohnerzahl, Verluste in Prozent von BIP) ist eine wichtige Ergänzung zu den dominierenden absoluten Werten, da so eine Analyse länderspezifischer Daten über Schäden und Verluste in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten in diesen Ländern ermöglicht wird. Beispielsweise ist es offensichtlich, dass eine Milliarde US$ für ein reiches Land wie die USA nicht das Gleiche bedeutet wie für ein armes Land.

Der Indikator »absolute Verluste in US$« wird durch die Kaufkraftparität ermittelt anstelle auf der Basis nominaler Wechselkurse, da so besser zum Ausdruck kommt, wie Menschen tatsächlich durch den Verlust von einem US$ betroffen sind. Kaufkraftparitäten erlauben z.B. einen Vergleich zwischen BIP-Werten verschiedener Länder, indem Preisunterschiede verglichen werden. Vereinfacht dargestellt bedeutet dies, dass ein indischer Bauer mit einem US$ mehr Feldfrüchte kaufen kann, als es sein amerikanisches Gegenüber könnte. Daher sind die tatsächlichen Konsequenzen bei gleichem nominalen Schaden in Indien viel höher als in den USA. Für die Mehrheit der Länder müssen für die Darstellung der Schäden aus diesem Grund die US$-Werte mit einem höheren Faktor als eins multipliziert werden.

Weiterhin ergeben sich die Werte, und damit auch die Rangfolge der Länder in Bezug auf die jeweiligen Indikatoren, nicht nur wegen der absoluten Auswirkungen extremer Wetterereignisse, sondern auch aufgrund von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Die Fähigkeit von Gesellschaften, Schäden beispielsweise mittels Katastrophenvorsorge, Versicherungen oder der Verfügbarkeit von Nothilfemaßnahmen zu begegnen, nimmt im Allgemeinen mit wirtschaftlichem Wachstum zu.

Trotz der historischen Analyse ist eine deterministische Projektion der Vergangenheit auf die Zukunft nicht angebracht und die Wahrscheinlichkeit, dass vergangene Extremwettertrends sich in einer Welt des globalen Klimawandels weiterhin in ähnlicher Weise fortsetzen, unklar. Die Auswertung der Schäden und Todesopfer erlaubt keine Aussage darüber, welchen Einfluss der Klimawandel bei diesen Ereignissen bereits hatte. Zudem kann ein einzelnes Extremwetterereignis aus methodologischen Gründen nicht ausschließlich auf den anthropogenen Einfluss zurückgeführt werden. Und schließlich spiegeln die Daten lediglich die direkten Einflüsse (Verluste und Todesfälle) extremer Wetterereignisse wider und decken nicht andere Auswirkungen des Klimawandels wie Meeresspiegelanstieg oder Ozeanversauerung ab. Trotzdem lässt sich ein gewisses Bild der Verwundbarkeit der Staaten zeichnen, das andere Analysen ergänzen kann. Dies kann als Warnsignal dienen, sich mit Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel besser auf möglicherweise vermehrte und stärkere Extremereignisse vorzubereiten.

Ergebnisse des KRI 2012

Tabelle 1 zeigt die zehn Länder, die im vergangenen Jahrzehnt am meisten betroffen waren, mit ihrer durchschnittlich gewichteten Platzierung (KRI-Wert) sowie die spezifischen Werte in den vier analysierten Indikatoren. Für den Untersuchungszeitraum 1991-2010 wurden Bangladesch, Myanmar und Honduras als die meistbetroffenen Länder ermittelt. Ihnen folgten Nicaragua, Haiti, Vietnam und die Dominikanische Republik. Es gibt nur geringfügige Änderungen im Vergleich zu den Analysen des KRI 2011, der sich auf die Periode 1990-2009 bezieht.

Tabelle 1: KRI-Ergebnisse für die zehn am meisten betroffenen Ländern in der Periode 1991-2010

KRI 1991-2010 (1990-2009) Land KRI-Wert Zahl der Todesopfer Tote pro 100.000 Einwohner Schäden in Millionen US$ (KKP) Schäden in % von BIP Anzahl der Ereignisse (1991-2010)
1 (1) Bangladesch 8,17 7.814 5,51 2.091 1,56 251
2 (2) Myanmar 10,50 7.130 14,06 659 1,68 33
3 (3) Honduras 11,67 327 5,05 662 2,93 56
4 (4) Nicaragua 18,00 159 2,83 212 1,90 43
5 (6) Haiti 21,17 340 3,95 155 1,12 51
6 (5) Vietnam 21,50 445 0,57 1.809 1,19 40
7 (8) Dominikanische Republik 30,50 211 2,51 181 0,37 44
8 (37) Pakistan 30,67 558 0,40 1.834 0,66 144
9 (–) Nordkorea 30,83 74 0,33 1.172 3,61 33
10 (7) Philippinen 31,83 801 1,03 660 0,30 270
32 (28) Deutschland 48,50 475 0,58 2.185 0,10 473
32 (25) Schweiz 48,50 59 0,82 381 0,16 333
53 (50) Österreich 59,83 30 0,38 385 0,16 177
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Datensätzen des Münchener Rück NatCatSERVICE und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Unter den zehn meistbetroffenen Ländern befindet sich kein Industrie- oder Annex-I-Land.1 Unter den ersten 20 findet sich nur eines, Russland, und zwar als Folge der extremen Hitzewelle in 2010. Vor allem im Verhältnis betrachtet sind die ärmeren Entwicklungsländer viel stärker betroffen. Diese Ergebnisse zeigen die besondere Verwundbarkeit der armen Länder gegenüber klimatischen Risiken – trotz der Tatsache, dass die absoluten monetären Schäden in den reicheren Ländern wesentlich höher sind. Darüber hinaus sind die meistbetroffenen Länder am wenigsten verantwortlich für den Klimawandel.

Tabelle 2 zeigt die zehn im Jahr 2010 am stärksten betroffenen Länder mit ihrer durchschnittlich gewichteten Platzierung (KRI-Wert) und den spezifischen Ergebnissen in den vier Einzelindikatoren. Pakistan, Guatemala und Kolumbien wurden im Jahr 2010 als die meistbetroffenen Länder identifiziert. Ihnen folgten Russland, Honduras und Oman.

Tabelle 2: Der Klima-Risiko-Index für das Jahr 2010: die zehn am meisten betroffenen Länder

KRI 2010 (2009) Land KRI-Wert Zahl der Todesopfer Tote pro 100.000 Einwohner Schäden in Millionen US$ (KKP) Schäden in % von BIP Human Development Index*
1 (68) Pakistan 3,50 1.891 1,10 25.316 5,42 145
2 (53) Guatemala 6,33 229 1,59 1.969 2,80 131
3 (100) Kolumbien 8,00 320 0,70 7.544 1,73 87
4 (75) Russland 11,00 56.165 39,30 5.537 0,25 66
5 (65) Honduras 14,67 139 1,73 220 0,65 121
6 (88) Oman 17,00 24 0,81 1.314 1,73 89
7 (14) Polen 17,83 151 0,40 4.745 0,66 39
8 (93) Portugal 19.67 47 0,44 1.749 0,71 41
9 (23) China 23,50 2.889 0,22 33.395 0,33 101
10 (38) Tadschikistan 24,17 27 0,35 262 1,77 127
46 (68) Deutschland 53,17 28 0,03 2351.57 0,08 9
105 (16) Österreich 85,00 3 0,04 6,81 0,00 19
118 (33) Schweiz 92,67 1 0,01 11,79 0,00 11
* United Nations Development Programme (UNDP) (2011): Human Development Report. www.hdr.undp.org.

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Datensätzen des Münchener Rück NatCatSERVICE, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des UNDP Human Development Index.

Im Jahr 2010 waren Honduras, China und auch Guatemala mehrere Male unter den am stärksten betroffenen Ländern: Honduras vor allem auf Grund von Hurrikanen, China wegen verschiedener extremer Ereignisse, vor allem Überschwemmungen, und Guatemala aufgrund von tropischen Wirbelstürmen. Außergewöhnliche Ereignisse in Pakistan (Überschwemmungen), Kolumbien (Überschwemmungen), Russland (Hitzewelle) und Oman (Überschwemmungen) verursachten die hohe Platzierung dieser Länder. Ungewöhnlich ist, dass Polen (Überschwemmungen) und Portugal (Überschwemmungen) unter den Erstplatzierten erscheinen.

Pakistan war in den vergangenen Jahren gezwungen, sich an extreme Wetterereignisse zu gewöhnen. Im Jahr 2010 wurde es von den schlimmsten Überschwemmungen seiner Geschichte getroffen: Während der Monsunzeit kamen mehr als 1.700 Menschen in 84 von 121 Distrikten zu Tode.

Im Juli 2010 verursachte eine Hitzewelle in Russland massive Schäden durch Wald- und Torfbrände. Es war der heißeste Monat, der in Moskau jemals meteorologisch erfasst wurde. Die Hitzewelle führte laut Statistik zu mehr als 55.000 Todesfällen. „Die Moskauer Hitzewelle im vergangenen Jahr war mit hoher Wahrscheinlichkeit die Folge des Klimawandels – im Gegensatz zu dem, was einige angenommen haben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent wurde der Temperaturrekord in der Region um die russische Hauptstadt im Juli 2010 nicht durch natürliche, kurzfristige Klimaschwankungen verursacht, sondern durch eine langfristige Tendenz zur Erwärmung.“ 2

Brennpunkt Afrika

Wie Tabelle 3 zu entnehmen ist, weisen afrikanische Länder einen relativ niedrigen Platz innerhalb des KRI auf. In Afrika verursachen indirekte Auswirkungen in Form von Nahrungsmittelknappheit als Konsequenz lang anhaltender Dürreperioden die schwerwiegendsten Probleme. Sich langsam und graduell auswirkende sozio-ökologische Konsequenzen des Klimawandels (slow creeping disasters) können durch die Daten der Münchener Rück und damit auch die Methodik des KRI nicht mit ausreichender Zuverlässigkeit dargestellt werden.

Tabelle 3: Afrikanische Länder im KRI 2010

KRI Land KRI-Wert Zahl der Todesopfer Tote pro 100.000 Einwohner Schäden in Millionen US$ (KKP) Schäden in % von BIP Anzahl der Ereignisse Human Development Index*
14 Benin 26,50 53 0,55 63,66 0,46 1 167
27 Madagaskar 35,83 86 0,40 22,61 0,11 2 151
29 Uganda 37,83 307 0,90 6,71 0,02 8 161
33 Ghana 41,00 109 0,46 20,08 0,03 2 135
34 Angola 41,50 156 0,82 7,30 0,01 3 148
37 Mauretanien 43,50 21 0,66 3,70 0,06 1 159
42 Tschad 49,50 27 0,26 8,14 0,04 3 183
43 Kenia 49,67 93 0,23 14,53 0,02 3 143
47 Marokko 54,33 43 0,14 27,01 0,02 4 130
51 Togo 58,00 21 0,30 0,94 0,02 1 162
* United Nations Development Programme (UNDP) (2011): Human Development Report. www.hdr.undp.org.

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Datensätzen des Münchener Rück NatCatSERVICE, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des UNDP Human Development Index.

Dennoch bedeuten die Ergebnisse in Tabelle 3 nicht, dass Afrika nicht betroffen wäre. Basierend auf internationalen Statistiken der Katastrophendatenbank EM-DAT zeigt Tabelle 4 die Anzahl der von klimabedingten Katastrophen Betroffenen in Afrika im Jahr 2010. Insgesamt waren nahezu 37 Mio. Personen in Afrika von unterschiedlichen Wetterereignissen und ihren spezifischen Auswirkungen betroffen.

Tabelle 4: Anzahl der von wetterbedingten Katastrophen betroffenen Menschen in Afrika in 2010

Land Dürre Flut Sturm Buschfeuer Gesamt
Angola 189.781 189.781
Benin 831.000 831.000
Burkina Faso 133.362 133.362
Burundi 180.000 1.990 1.500 183.490
Kamerun 3.095 3.095
Zentralafr. Rep. 1.585 1.585
Tschad 2.400.000 144.579 2.544.579
Côte d‘Ivoire 6.425 6.425
Dschibuti 165.264 165.264
Ägypten 3.500 40 3.540
Äthiopien 6.200.000 80.700 6.280.700
Gabun 1.765 1.765
Gambia 38.961 38.961
Ghana 17.174 17.174
Guinea 48.026 48.026
Guinea Bissau 56.792 56.792
Kenia 3.754.585 211.164 3.965.749
Liberia 15.486 15.486
Madagaskar 720.000 192.132 912.132
Malawi 21.290 21.290
Mali 600.000 8.750 632.000
Mauretanien 300.000 8.750 308.750
Marokko 77.009 77.009
Mosambik 460.000 17.000 477.000
Namibia 110.000 110.000
Niger 7.900.000 233.226 8.133.226
Nigeria 1.500.200 1.500.200
Ruanda
Senegal 102.516 102.516
Sierra Leone 234 234
Somalia 4.000.000 16.200 4.016.200
Südafrika 6.000 6.000
Sudan 4.300.000 26.362 4.326.362
Togo 111.550 111.550
Uganda
DR Kongo/Zaire 70.500 2.770 73.270
Sambia 1.200 1.200
Simbabwe 1.680.000 820 1.680.820
Total 32.659.849 4.112.477 201.437 2.770 36.976.533
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf der internationalen OFDA/CRED Disaster Database EM-DAT.

Aufgrund der hohen Betroffenheit vieler afrikanischer Staaten gegenüber graduellen Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Verwüstung und Wasser- bzw. Nahrungsmittelknappheit sowie einer erhöhten Variabilität von Wetterextremen wie Stürmen und Überflutungen bedeutet dies, dass vorbeugende Maßnahmen zur Anpassung an diese klimabedingten Veränderungen von höchster Priorität sein müssen. Die begrenzten Widerstands- und Bewältigungsstrategien afrikanischer Länder gegenüber den Folgen des Klimawandels sowie ihr geringer Beitrag zum Klimawandel machen die Unterstützung afrikanischer Länder daher zu einer ethischen Verpflichtung für die internationale Gemeinschaft, insbesondere für die entwickelten Länder.

Operationalisierung der Schäden und Verluste

Bisher sind die Klimaschutzversprechungen der Regierungen weltweit vollkommen unzureichend, um den globalen Emissionstrend umzukehren und einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Die Ergebnisse des KRI können als Warnsignal verstanden werden, sich durch entsprechende Vor- und Nachsorgeprogramme auf möglicherweise vermehrte und stärkere Extremereignisse einzustellen. Durch die Analyse vergangener Extremwetterereignisse und deren Auswirkung auf die Weltgemeinschaft können wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, um aus früheren Versäumnissen und deren unmittelbaren Konsequenzen zu lernen und sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Die Analyse macht dabei vor allem eines deutlich: Bei der Bewältigung der bevorstehenden Konsequenzen des Klimawandels sitzen wir alle im selben Boot: arme und reiche Menschen und Gesellschaften – allerdings auf verschiedenen Decks des Schiffes. Im Sinne des Verursacherprinzips stehen daher die Hauptverursacher des Klimawandels in der Verantwortung: Sie müssen die Menschen in Entwicklungsländern stärker bei ihren Bemühungen unterstützen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen.

Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung wurde 2010 in Mexiko unternommen. Beim UN-Klimagipfel in Cancún einigten sich die Parteien der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) darauf, ein Arbeitsprogramm zum Umgang mit und Ausgleich von klimawandelbedingten Schäden und Verlusten in Entwicklungsländern zu etablieren.3 Gemeinsam mit anderen Aspekten, wie z.B. der Übernahme von Richtlinien und Modalitäten für nationale Anpassungspläne oder der Vereinbarung über die nächste Phase des im Jahr 2006 beschlossenen Nairobi-Arbeitsprogramms zu Auswirkungen, Anpassung und Vulnerabilität, sind Forschritte im Bereich des Arbeitsprogramms zum Umgang mit klimawandelbedingten Schäden und Verlusten ein entscheidender Beitrag zum Anpassungspaket.

Aus zwei Gründen ist die Kenntnisnahme klimawandelbedingter Schäden und Verluste von besonderer Bedeutung:

1. Aufgrund der bisherigen und zukünftig erwarteten Treibhausgasemissionen sind die voraussichtlich in den nächsten 20 Jahren auftretenden Auswirkungen des Klimawandels abzuschätzen. Demzufolge müssen neben der Vermeidung klimaschädlicher Emissionen sowie der Anpassung an nicht mehr vermeidbare Klimafolgen auch konkrete Maßnahmen entwickelt werden, um klimawandelbedingten Schäden und Verlusten durch Extremwetterereignisse wirksam entgegenzutreten.

2. Der aktuell fehlende Ehrgeiz zur Emissionsminderung führt die Welt auf einen Pfad hin zu einem Anstieg der Durchschnittstemperatur von 4-5° C. Folglich bleibt die Minderung klimaschädlicher Emissionen auf lange Sicht ein kritisches Ziel, zumal durchaus die Gefahr eines sich selbst verstärkenden Klimawandels und entsprechender drastischer Auswirkungen (Meeresspiegelanstieg, Verwüstung, Gletscherschmelze etc.) besteht.

Aus diesen Gründen ist es höchste Zeit für die internationale Staatengemeinschaft, nicht nur ihre Minderungsziele zur Vermeidung eines gefährlichen Klimawandels deutlich zu erhöhen, sondern sich gleichzeitig auch mit den Konsequenzen klimawandelbedingter Schäden und Verluste auseinanderzusetzen und verbindliche Maßnahmen zu deren Bewältigung zu entwickeln.

Ein Jahr nach der 17. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention (COP17) in Durban ist es daher für die COP18 in Doha/Katar im November/Dezember 2012 entscheidend, dass endlich konkrete Maßnahmen beschlossen werden, um gemäß der Vorgaben der UNFCCC klimawandelbedingten Schäden und Verlusten in Zukunft besser begegnen zu können.

Anmerkungen

1) Annex (Anhang) I der Klimarahmenkonvention listet 41 Industrie- und Schwellenländer auf (die meisten davon OECD-Staaten oder Staaten Mittel- und Osteuropas), die sich in Artikel 2 der Konvention das Ziel gesetzt haben, einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden.

2) Siehe Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de) sowie Rahmstorf, S. und Coumou, D. (2011): Increase of extreme events in a warming world. Proceedings of the National Academy of Sciences (early edition), doi:10.1073/pnas.1101766108,

3) Decision 1/CP.16, paragraph 26.

Sven Harmeling ist Autor des Globalen Klima-Risiko-Index bei Germanwatch. Der Beitrag wurde mit Unterstützung von Boris Schinke, Charlotte Haberstroh und Sönke Kreft verfasst. Die Erstellung des KRI wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/3 Klimawandel und Sicherheit, Seite 10–14