Der Innenminister kann's nicht lassen
von Walter Popp
Am 8. März hat das Bundeskabinett den Entwurf eines »Gesetzes zur Ergänzung des Katastrophenschutzgesetzes und anderer Vorschriften (Katastrophenschutzergänzungsgesetz – KatSErgG)« verabschiedet. Wenn der neue Innenminister Schäuble es sich nicht anders überlegt, wird der Gesetzentwurf noch im Frühjahr in den Bundestag eingebracht werden. Das geplante Katastrophenschutzergänzungsgesetz hat mit Katastrophen nur den Namen gemein. Es bezieht sich nämlich ausschließlich auf den sogenannten »erweiterten Katastrophenschutz«, darunter wird aber seit den sechziger Jahren der Zivilschutz verstanden. Zivilschutz wiederum ist Bestandteil der Zivilen Verteidigung und damit auch der Gesamtverteidigung. Das Katastrophenschutzergänzungsgesetz ist also nichts als ein verbrämtes Zivilschutzgesetz. Etwas anderes könnte der Bund auch gar nicht regeln, da er nach dem Grundgesetz lediglich für den Verteidigungsbereich die Gesetzgebungskompetenz hat. Für die Katastrophen im Frieden sind dagegen ausschließlich die Länder zuständig.
Schon 1980 hatten alle Bundestagsparteien (also damals auch die SPD) beschlossen, die Zivilschutzgesetzgebung zu vereinheitlichen und zu novellieren. Seitdem gab es mehrere Anläufe dazu: die SPD/FDP-Regierung versuchte es mit einem Gesundheitssicherstellungsgesetz, die CDU-Regierung danach mit verschiedenen Entwürfen für ein Zivilschutzgesetz. Alle diese Anläufe scheiterten bisher: teils lag es am Widerstand in der Bevölkerung, teils am Widerstand betroffener Institutionen und Organisationen (z.B. der Hilfsorganisationen wie DRK, Johanniter-Unfall-Hilfe usw.), teils an mangelnder Finanzierbarkeit. Gerade letzteres zwang die jetzige Bundesregierung, nun endgültig auf ihre jahrelang gehegten Pläne für eine allgemeine Bunkerbaupflicht zu verzichten.
Der Entwurf des Katastrophenschutzergänzungsgesetzes
So ist das jetzt vorliegende Katastrophenschutzergänzungsgesetz abgespeckt auf das gegenwärtig Machbare. Dem Anspruch der Bundestagsresolution von 1980 wird es auf keinen Fall mehr gerecht: lediglich Veränderungen am Katastrophenschutzgesetz von 1968 und am Beamtenrechtsrahmengesetz sind noch vorgesehen.
Wesentliche Inhalte des geplanten Gesetzes sind:
- Eine allgemeine Zivilschutzdienstpflicht – »persönliche Hilfeleistungen« nennt sich das im Gesetz – soll eingeführt werden, wie es sie schon als Luftschutzdienstpflicht unter den Nazis gab. Demnach können alle Männer und Frauen zwischen 18 und 60 Jahren zur Hilfe im Zivilschutz zwangsverpflichtet werden. Dies erscheint sehr fragwürdig im Hinblick auf das Grundgesetz, denn nach der Verfassung dürfen Frauen im Verteidigungsfall nur im Bereich des Gesundheitswesens eingesetzt werden. Ohnehin ist die Regelung im Gesetz für praktische Vorbereitungen der Zivilschützer wenig hilfreich: die Heranziehung ist nur im »Einsatzfall« – sprich im Krieg – möglich, sie darf zehn Tage im Vierteljahr nicht überschreiten.
- umfangreichsten Passagen des Gesetzes beziehen sich auf das Gesundheitswesen. Die Katastrophenschutzbehörden werden demnach beauftragt, die „gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung im Verteidigungsfalle zu planen“. So sollen sie „Nutzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten der vorhandenen Einrichtungen“ – sprich Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken, Rettungsdienste usw. – ermitteln, ebenso den „voraussichtlichen personellen und sächlichen Bedarf“ und all dies nach oben „melden“. Eine enge Abstimmung mit dem Sanitätswesen der Bundeswehr wird vorgeschrieben. Die Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhäuser werden zur Mitarbeit verpflichtet. Ebenso müssen die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhäuser und Apotheken den Katastrophenschutzbehörden „auf Verlangen Auskünfte“ erteilen sowie „das Betreten ihrer Geschäfts- und Betriebsräume“ dulden. Die Krankenhäuser müssen Alarmpläne für den Kriegsfall erstellen. Darüberhinaus können alle geplanten Maßnahmen der "Umstellung des Gesundheitswesens" – sprich Zwangsräumungen von Betten, Triage in den Aufnahmestationen usw. – bereits im Frieden angeordnet werden; erforderlich ist dazu nur, daß die Bundesregierung eine außenpolitische »Krise« sieht, die ja bekanntlich grundgesetzlich nicht definiert ist.
Gerade zur Planung des Gesundheitswesens für den Kriegsfall muß jedoch kritisch angemerkt werden: eine derartige Planung ist nur möglich, wenn bestimmte Szenarien vorgegeben werden. Bis zum heutigen Tag hat noch keine Bundesregierung derartiges gewagt. Führende Katastrophenschützer sind sich einig, daß auch in Zukunft keine Bundesregierung derartiges wagen wird. Es hätte nämlich zur Folge, daß tatsächlich ein »realistischer« Bedarf an Gütern und Personalbedarf für den Kriegsfall ermittelt werden könnte, der dann allerdings vom Bund finanziert und angeschafft werden müßte.
- Darüberhinaus werden die Feuerwehren zur Mitwirkung im Zivilschutz zwangsverpflichtet. Das THW und der Bundesverband für den Selbstschutz werden zu nicht selbständigen Bundesanstalten umgewandelt, die dem Innenminister unterstehen. Beim Bundesinnenminister soll ein Beirat eingerichtet werden, der in Fragen des Zivilschutzes beraten soll.
Schließlich wird das Beamtenrechtsrahmengesetz geändert, damit auch die Beamten im Kriege zu Hilfsmaßnahmen zwangsverpflichtet werden können, was bisher nur nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz für Arbeiter und Angestellte möglich war.
Wie schon im Katastrophenschutzgesetz von 1968 können im Spannungs- und Verteidigungsfall Zwangsevakuierungen angeordnet werden, ebenso Sperrungen bestimmter Gebiete. Dafür sollen die Länder und Gemeinden die „erforderlichen Vorbereitungen und Maßnahmen“ treffen. Freilich muß auch hier die Kritik gelten, daß derartiges ohne realistische Szenarien nicht möglich ist.
Vergleicht man das vorliegende Gesetz mit Entwürfen aus den letzten Jahren, so muß festgestellt werden: Viele ältere Pläne wurden aufgegeben. Die Bunkerbaupflicht, in der Öffentlichkeit unbeliebt und auf Bundesebene nicht finanzierbar, wurde völlig fallengelassen. Der Anspruch, das Zivilschutzrecht neu zu regeln und zu vereinheitlichen, wurde ebenfalls aufgegeben zugunsten von Gesetzeskorrekturen. Die Zivilschutzdienstpflicht ist in der gegenwärtigen Planung verfassungsrechtlich sehr fragwürdig insofern, als sie eine Einbeziehung der Frauen vorsieht. Sie ist nach der augenblicklichen Planung ohnehin nur ein Torso: Zwangsverpflichtungen erst im Kriegsfall – und dann auch nur für zehn Tage – gibt natürlich keinen Sinn, um eine derartige Zivilschutzdienstpflicht überhaupt zu begründen. So darf man annehmen, daß der Innenminister in den weiteren Beratungen auch auf diesen Punkt verzichten könnte, sollten sich hier wesentliche Streitereien entzünden.
Erfassung und Verplanung des Gesundheitswesens
Entscheidend an dem neuen Gesetz bleibt die Erfassung der Beamten für den Krieg, die bisher – rein rechtlich gesehen – noch nicht möglich war. Der wichtigste Inhalt des neuen Gesetzes ist jedoch die völlige Erfassung und Verplanung des Gesundheitswesens für den Krieg, wie sie durch das Gesetz möglich wird. Nicht daß die vorgeschriebene »Planung« einen Sinn geben würde – ohne realistische Szenarien kann natürlich auch kein Bedarf ermittelt werden – jedoch ist die grundsätzliche Militarisierung des Gesundheitswesens so erst einmal festgeschrieben. Immerhin ist das Gesundheitswesen der letzte kriegsrelevante gesellschaftliche Bereich, der in den Notstandsgesetzen der sechziger Jahre nicht erfaßt worden ist. So scheint es den Zivilschützern im Augenblick zu genügen, daß die Lücke formal geschlossen wird. Wenn die Ausgestaltung auch in den nächsten Jahren noch nicht möglich sein wird, so planen sie doch allemal auf Jahre, ja Jahrzehnte. Genauere Ausgestaltungen der Gesundheitsplanungen – wie auch Konkretisierungen und Ausweitungen der Zivilschutzdienstpflicht – können dann von den Zivilschützern angegangen werden, wenn das gesamtgesellschaftliche Klima dafür geeignet erscheint. Insofern planen die Militärs und die konservativen Kreise mit langer Hand.
So ist der jetzt vorliegende Gesetzentwurf auf das augenblicklich im Parlament Machbare beschränkt. Die FDP tut sich sogar noch dick damit, daß sie die Bunkerbaupflicht herausgeworfen hat und die Zivilschutzdienstpflicht einschränken konnte. Wenn die Gesetzesvorlage noch scheitern soll, dann können dies nur zwei Dinge bewirken:
- Die Bundesregierung könnte sich gezwungen sehen, sich im letzten Teil ihrer Legislaturperiode auf die Angelegenheiten zu konzentrieren, die ihr unbedingt wichtig erscheinen. Ob dazu ein Rahmengesetz für den Zivilschutz gehört, darf bezweifelt werden;
- Die Öffentlichkeit müßte der Bundesregierung klar machen, daß sie dieses Gesetz ablehnt: immerhin führt das Gesetz zu einer weiteren Militarisierung der Gesellschaft. Es steht damit in direktem Gegensatz zu den augenblicklich international möglichen Fortschritten in der Abrüstung.
Entscheidend wird also sein, inwieweit die Friedensbewegung es schafft, den Gesetzentwurf in die Öffentlichkeit zu tragen. Die IPPNW hat dazu mehrere Materialien erarbeitet, die allesamt kostenlos und in beliebiger Zahl bei ihrer Geschäftsstelle (6501 Heidesheim, Bahnhofstr. 24) bestellt werden können:
- Eine Broschüre „Das Katastrophenschutzergänzungsgesetz ist so unredlich wie ehedem der Entwurf des Zivilschutzgesetzes“
- ein Faltblatt „Geschichte eines großen Flops“ liefert die wesentlichen Kritikpunkte kurz und publikumswirksam verarbeitet.
Dr. Walter Popp ist Arzt in Essen und Mitglied des Vorstandes der bundesdeutschen IPPNW-Sektion.