W&F 1999/2

Der Preis des Krieges

Die Bundeswehr wird noch teurer

von Paul Schäfer

Dass die Bundeswehr nach dem Kosovo-Krieg nicht mehr dieselbe sein wird, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Mehr noch. Weitreichende Änderungen hat der für Verteidigungs- und Kriegsangelegenheiten zuständige Mann am Kabinettstisch, Minister Scharping, bereits öffentlich angekündigt:

  • Der Anteil der sog. Krisenreaktionskräfte soll beträchtlich erhöht werden. Bisher sind dafür etwas über 50.000 Soldaten eingeplant.
  • Die Bundeswehr brauche neue, längerreichweitige Transportkapazitäten und müsse endlich über eine eigenständige strategische Satellitenaufklärung verfügen.

Zu rechnen ist also mit dem beschleunigten Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee und neuen Beschaffungsprogrammen, die die in den letzten Jahren eingeleitete dritte große Beschaffungswelle der Bundeswehr ergänzen.

Der Kosovo-Krieg habe deutlich gemacht, wie sehr die Westeuropäer rüstungstechnologisch den USA hinterherhinkten, heißt es nicht nur in Fachkreisen. In der Tat stellen die USA auf dem Balkan das Gros der Flugzeuge, mehr als 70 % der eingesetzten »Feuerkraft«, einen Großteil der High-Tech-Waffen und der benötigten Aufklärungs- und Gefechtsführungssysteme. In der »Bremen-Erklärung« des WEU-Ministerrats vom 11. Mai dieses Jahres haben die europäischen NATO-Mitglieder gerade wieder die Notwendigkeit einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschworen. Man kann davon ausgehen, dass sich die europäischen Rüstungsanstrengungen nach dem Krieg verstärken werden, d.h. steigende Rüstungsetats. Ob die Bürgerinnen und Bürger von London bis Athen diese Zumutung akzeptieren werden, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Mit den neuesten Schreckensmeldungen über zu erwartende Mindereinnahmen der öffentlichen Hand von 35,4 Mrd. DM in den Jahren 2000 bis 2002, spitzen sich die ohnehin riesigen Finanzprobleme des Bundes noch weiter zu. An einem »strikten Sparkurs« führe kein Weg vorbei, meint der neue Finanzminister. Die Absicht der Militärplaner, den Wehretat überplanmäßig aufzustocken, erscheinen unter diesen Vorzeichen als kühn. Selbst in SPD-Kreisen, die bisher strikt an dem derzeitigen Streitkräfteumfang festhalten wollten, setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass man zu Personalkürzungen kommen müsse, wenn man die ehrgeizigen Rüstungs-Investitionsprogramme aufrechterhalten wolle. Die Zahl von 270.000 Soldaten geistert herum. Ob sich eine solche Verschlankung der Bundeswehr als Abrüstungspolitik verkaufen ließe, sei dahingestellt. Tatsache wäre, dass die Einsparungen bei den Personalkosten für die interventionistisch ausgerichtete Umrüstung und die Finanzierung der Kriegseinsätze verwandt würden.

Was kostet uns der Krieg?

Schon beim jetzt verabschiedeten Rüstungsetat 1999 war ein heftiges Gezerre hinter den Kulissen im Gange. Dabei ging es vor allem um die Frage, zu welchen Anteilen der laufende Kriegseinsatz auf dem Balkan aus dem Einzelplan des Ministers Scharping bzw. der Allgemeinen Finanzverwaltung (Einzelplan 60) finanziert werden sollte. Wie man hört, trug zum überraschenden Rücktritt Oskar Lafontaine nicht zuletzt bei, dass sich Scharping die Unterstützung des Kanzlers sichern konnte, die Kriegskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Während der SFOR-Einsatz in Bosnien mit ca. 300 Millionen DM und die Einsätze der Luftwaffe (gegenwärtig mit knapp 300 Mio. DM veranschlagt) noch aus dem Einzelplan 14 (BMVg) zu erwirtschaften sind, soll der Finanzminister den Einsatz des Heeres (mit 441 Mio. DM angesetzt) übernehmen. Auch der jüngste Bundestagsbeschluss über »humanitäre Hilfe« der Bundeswehr in Albanien und Mazedonien soll mit etwa 360 Mio. DM dem Einzelplan 60 zugeschlagen werden.

Insgesamt soll der Balkan-Einsatz der Bundeswehr nach jetziger Vorstellung 1999 ca. 1,5 Milliarden DM kosten. Diese Rechnung enthält einige Unbekannte. Noch nicht eingeschlossen sind die Aufwendungen für die Wiederauffüllung der verbrauchten Waffenarsenale. Bisher wurden zum Beispiel durch die deutschen Tornado-Piloten knapp 200 HARM-Raketen verschossen, deren Wiederbeschaffungswert gegenwärtig pro Stück 1,2 Mio. DM beträgt. Die wirklichen Ausgaben werden also in diesem und im nächsten Haushaltsjahr noch weiter steigen.

Rüstungsausgaben
bleiben im Aufwärtstrend

Der jetzige Haushaltsansatz sieht einen Plafonds des Einzelplans 14 von 47,049 Mrd. DM vor. Damit musste der Rüstungsminister im Rahmen der sog. globalen Minderausgabe (minus 450 Mio. DM) sein Scherflein zur Sanierung des Gesamtetats beitragen. Nach dem Ausscheiden Lafontaines konnte sich Scharping aber eine Kompensation von 232 Mio. DM sichern: Durch die erhöhte Beteiligung des Ressorts am Verkauf von Material und Grundstücken soll dieser Betrag zur Verstärkung investiver Ausgaben genutzt werden. Damit erreicht der EP 14 fast wieder den in der mittelfristigen Planung eingesetzten Betrag und liegt nur ca. 200 Mio. DM unter dem Ansatz des CSU-Finanzministers Waigel aus dem Sommer 1998.

Addiert mit den Verstärkungsmitteln (gemeint sind hier Lohnerhöhungen) für militärische und humanitäre Aufgaben steigt er um 1,8 Prozent.

Bleibt es bei der bisherigen Planung bewegt sich der Wehretat in den nächsten Jahren wieder auf die 50 Milliarden-Grenze zu. Nach NATO-Kriterien liegt er ohnehin weit darüber. Mehr als 58 Milliarden DM schlagen demnach für das Militär zu Buche. Addieren wir die aus anderen Ressorts zu bestreitenden aktuellen Kriegskosten hinzu, so kann festgestellt werden: Zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges leisten wir uns eine Summe von über sechzig Milliarden DM für Soldaten und Waffen.

Gleichzeitig wird zur Zeit die Diskussion über einen »Marshall-Plan« für Südosteuropa geführt. Während täglich immense Kriegsschäden angerichtet werden, wird darüber gesprochen, dass umfangreiche Milliarden-Beträge für den Wiederaufbau mobilisiert werden müssten.

Anstieg vor allem bei den militärischen Beschaffungen

Die Schröder-Regierung setzt auch die Vorgabe der alten Regierung um, den verteidigungsintensiven Teil am Gesamtplafond schrittweise anzuheben. Er steigt von 23,9 % auf 25,4 % in 1999. Das Ziel bleibt ein Anteil von 30%. Nur so lassen sich auch die aufwendigen Beschaffungsprogramme zur Modernisierung und Umrüstung der Bundeswehr finanzieren. Während sich die Ausgaben für Materialerhaltung, militärische Forschung & Entwicklung nur geringfügig verändern, steigt der Posten militärische Beschaffung um knapp 1 Mrd. DM auf rund 7,3 Mrd. DM an. Mit weiteren Steigerungen ist angesichts der umfangreichen Verpflichtungsermächtigungen (Eurofighter, Hubschrauber TIGER, neue Fregatten, Gepanzertes Transportfahrzeug GTK etc.) für die nächsten Jahre zu rechnen. Allein zwei Großprojekte der Luftwaffe – die neuen Jagdflugzeuge und die neuen Hubschrauber – beanspruchen innerhalb der nächsten zehn Jahre Beträge zwischen 40 und 50 Milliarden DM. Auch bei den diesjährigen Zuwachsraten liegt die Luftwaffe mit einem Plus von 630 Mio. DM vorne. Davon wiederum fließen 375 Mio. DM allein in den planmäßigen Aufwuchs bei der Eurofighter-Beschaffung. Die leichte Absenkung des Haushaltsansatzes im Bereich militärische Forschung, Entwicklung und Erprobung um 70 Mio. DM ändert nichts daran, dass erhebliche Summen aufgewandt werden um die Tötungs- und Zerstörungsinstrumente der Streitkräfte weiter zu effektivieren. Der Etatrückgang ist nahezu ausschließlich auf auslaufende Entwicklungsprogramme beim Eurofighter und beim Kampfflugzeug MRCA zurückzuführen. Das Ministerium kann folgerichtig und mit Stolz verkünden, dass die laufenden Entwicklungsvorhaben weitgehend plangerecht fortgeführt werden können. Dies betrifft vor allem ein neues Satellitenkommunikationssystem der Bundeswehr (SATCOM), das Gepanzerte Transport-Kraftfahrzeug (GTK), die Kampfdrohne TAIFUN des Heeres , die Modulare Abstandswaffe (MAW-Taurus) und die Luft/Luft-Lenkflugkörper kurzer (IRIS-T) und mittlerer Reichweite (EURAAM/METEOR), die für die Bewaffnung des Eurofighter vorgesehen sind. 2 Milliarden DM für militärische Forschung, fünf Millionen DM für Zivilen Friedensdienst – das soll zukunftsorientierte Politik sein?

Die Friedensdividende
kommt nicht von allein

Friedensforschung und Friedensbewegung müssen sich durch diese Entwicklungen herausgefordert fühlen: Der Preis dafür, dass Deutschland seit dem 24. März 1999 neue Kriegsführungsmacht ist, ist hoch. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass der Balkan-Krieg Katalysator für weitere Rüstungsrunden sein wird. Hier und in anderen Teilen der Welt. Damit kann dann wieder die Steigerung der Ausgaben hierzulande begründet werden. Neue Initiativen gegen den Umbau der Bundeswehr, für konsequente und qualitative Abrüstung sind überfällig.

Paul Schäfer ist Wiss. Mitarbeiter im Deutschen Bundestag.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1999/2 Wieder im Krieg, Seite