W&F 2018/1

Deutsche Waffen, deutsches Geld …

von Jürgen Nieth

… morden mit in aller Welt. Dieser so oft bei den Friedensdemonstrationen der 1980er Jahre skandierte Slogan erhält zu Beginn dieses Jahres neue Aktualität.

Im Januar 2014 hatte der damals frisch vereidigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch erklärt: „Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört.“ Daran müsse sich etwas ändern, es brauche eine „restriktive Haltung beim Waffenexport“.

Vier Jahre später zählt Deutschland nicht nur weiterhin zu den größten Exporteuren von Rüstungsgütern weltweit. Die Zahl der Ausfuhrgenehmigungen ist unter der Ägide der Großen Koalition sogar noch gestiegen. Auf ihr Konto gehen zwischen 2014 und 2017 Lieferungen im Gesamtwert von 25,1 Milliarden Euro – das sind 21 Prozent mehr als in den Jahren der schwarz-gelben Regierung von 2010 bis 2013. Besonders eklatant war der Anstieg der Lieferungen in Drittstaaten außerhalb von EU und NATO. Sie nahmen um 47 Prozent auf 14,48 Milliarden Euro zu.“ (Johanna Metz in »Das Parlament«, 5.2.2018, S. 3)

Mehr Waffenexporte in Krisengebiete

Dennoch behauptet die Bundesregierung auch im Januar 2018 noch, sie verfolge „eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik.“ Und: „Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen.“

„Gehts noch dreister?“, fragt da René Heilig im ND (25.1.2018, S. 6) und verweist darauf, die „Masse der deutschen Exporte geht […] direkt in die größten Spannungsgebiete der Welt“. Er zählt auf, dass unter den zehn größten Importländern (außerhalb der NATO und gleichgestellter Staaten) sich Algerien, Ägypten, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate befinden.

Doch nicht nur die Waffenexporte in Dritt- und Entwicklungsländer – sie machten 2016 immerhin 53 Prozent aus – sind äußerst problematisch, das zeigt der Einsatz deutscher Panzer im Krieg des NATO-Partners Türkei gegen die Kurden, gegen Syrien.

Angriffskrieg mit deutschen Panzern

Christiane Schlötzer zeigt in der SZ (24.1.2018, S. 4) auf, dass es schon immer Kritik an den Panzerlieferungen in die Türkei gegeben habe, „vor allem, wenn Panzer bei Kämpfen gegen die PKK in Anatolien gesichtet wurden. Diese Amateuraufnahmen waren meist verschwommen und es durfte gerätselt werden. Nun verbreitet die halbstaatliche Agentur Anadolu selbst gestochen scharfe Bilder von Leo-2-Panzern auf der Fahrt nach Syrien.

Die „schwarz-gelbe Bundesregierung lieferte in den Achtzigerjahren 274 Kampfpanzer der ersten Modellreihe […] Anfang der Neunzigerjahre gingen noch einmal 150 weitere »Leopard« an das türkische Militär […] Unter Rot-Grün wurde die Waffenhilfe für den Verbündeten fortgesetzt. Ab 2005 lieferte Deutschland noch einmal 354 Stück des 62 Tonnen schweren »Leopard«-Nachfolgemodells […] [Die Türkei bekam] immer neue Modelle des Typs 2 A4, der damals weltweit als modernster Kampfpanzer auf dem Markt begehrt war“, heißt es in SPIEGEL ONLINE (23.1.2018). Die Autoren verweisen darauf, dass es für die ersten Lieferungen noch die Verpflichtung gab, „dass die Türkei die Kampfpanzer nur in Übereinstimmung mit Artikel 5 des Nato-Vertrags, also nur zur Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff, einsetzen durfte“, es für jüngere Leopard-Lieferungen aber keine Auflagen mehr gab.

2017 wünschte die Türkei eine Nachrüstung der Panzer gegen Minen. Johannes Leithäuser – der davon ausgeht, dass die Türkei als Nato-Mitglied Anspruch auf deutsche Rüstungsgüter hat“ – schreibt dazu in der FAZ (24.1.2018, S. 8), Sigmar Gabriel habe beim Besuch des türkischen Außenministers Mitte Januar „geäußert, er sehe keine stichhaltigen Argumente, um der Türkei eine solche Nachrüstung der Leopard-Panzer zu verweigern“. Tobias Schulze sieht das in der taz (24.1.2018, S. 1) kritischer: „Der Öffentlichkeit verkauft er die Nachrüstung türkischer Panzer auch noch als moralische Pflicht im Kampf gegen den IS. Im ersten Moment scheint das nur dreist. Nun, wo die Türkei mit diesen Panzern bei den Kurden in Nordsyrien vorfährt, wird es vermessen.“

Das große Schweigen

„In den internationalen Medien wird es zumeist etwas verharmlosend Militäroffensive genannt, was die Türkei […] gegen die Kurden in Nordsyrien begeht: Eine Aggression gegen einen Nachbarstaat, das UNO-Mitglied Syrien“, schreibt Roland Etzel im ND (25.1.2018, S. 1). Und weiter: „Doch es gibt keinen Aufschrei […] Es werden lediglich Besorgnisse geäußert, und das ermutigt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wohl […] [anzukündigen], er werde die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) […] kompromisslos »ausrotten«.“

Skepsis auch bei Arno Widmann (FR 24.1.2018, S. 11): „Das Naheliegendste […] wird nicht getan werden: Es wird keinen Waffenexportstopp für die Türkei geben. Das Land führt zwar seit Jahrzehnten einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und hat diesen Krieg ausgeweitet auf Teile Syriens, aber die Türkei ist nicht nur NATO-Partner. Sie steckt auch einen Teil der Flüchtlinge, die sonst zu uns kämen, in Lager, über deren Qualität wir […] lieber nichts Genaues wissen möchten.

Parlamentskontrolle der Rüstungsexporte

Diese fordert Birgit Marschall (Rheinische Post) in einem Gastkommentar in »Das Parlament« (5.2.2018, S. 2): „Panzer, die Türken gegen Kurden einsetzen, Waffen, die Saudi Arabien im Jemen verwendet, U-Boote, die im Nahost-Konflikt für Verunsicherung sorgen – die Reihe fragwürdiger Lieferungen aus Deutschland ließe sich beliebig fortsetzen. Bei dem drittgrößten Waffenlieferanten der Welt war es bisher immer nur eine Frage der Zeit bis noch mehr Beschämendes ans Licht kommt. Deshalb reicht es nicht mehr, die Entscheidungen über Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter dem Bundessicherheitsrat zu überlassen, einem Geheimgremium aus Spitzenvertretern der Regierung. Es bedarf einer wirksamen parlamentarischen Kon­trolle […] Deshalb [müssen] die bisherigen Rüstungsexportkontroll-Richtlinien in ein richtiges Gesetz überführt werden.“

Zitierte Presseorgane: Das Parlament, FAZ – Frankfurter Allgemeine, FR – Frankfurter Rundschau, ND – neues deutschland, SPIEGEL ONLINE, SZ – Süddeutsche Zeitung, taz – die tageszeitung.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2018/1 USA – eine Inventur, Seite 4