Deutschlands Verantwortung im UN-Sicherheitsrat
von Lisa Heemann und Patrick Rosenow
Seit dem 1. Januar 2019 sitzt Deutschland für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Das wichtigste Gremium der Weltorganisation mit fünf ständigen und zehn nichtständigen Mitgliedstaaten ist für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit hauptverantwortlich zuständig und steht vor enormen Herausforderungen. Nicht nur die Krisen und Konflikte in Syrien, der Ukraine oder in Venezuela sorgen für eine starke Konfrontation innerhalb des Rates. Einige Mitgliedstaaten stellen sogar die bisherige multilaterale und regelbasierte Weltordnung grundsätzlich infrage – diesbezüglich ist der Sicherheitsrat aufgrund seines Regelwerks aber nahezu handlungsunfähig.
Die Erwartungen der UN-Mitgliedstaaten an die Bundesrepublik sind sehr hoch: Mit 184 von 193 Stimmen erzielte Deutschland im letzten Jahr in der UN-Generalversammlung ein sehr hohes Wahlergebnis. Deutschland wird als »Brückenbauer« gehandelt – zwischen den USA auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite, z.B. im Syrien- und Ukraine-Konflikt oder bei den Spannungen zwischen den USA und Iran.
In der Mehrzahl seiner Sitzungen befasst sich der Rat mit »Alltagsgeschäften«, wie der Verlängerung von Friedensmissionen oder Sanktionen. Die Themen Abrüstung, Krisenprävention, Klimawandel und Menschenrechte sollten jedoch stärker in seinen Fokus rücken– dies sind auch für die Bundesrepublik relevante Themen. Der Vorsitz des Sicherheitsrates rotiert im monatlichen Wechsel, und der Vorsitz bestimmt maßgeblich die Agenda. Deutschland und Frankreich werden zum ersten Mal im März (Frankreich) und April (Deutschland) dieses Jahres im Rat eine Art »Doppelpräsidentschaft« führen. Sie hegen den Anspruch, mit einer starken und gemeinsamen europäischen Stimme zu sprechen, allerdings fällt in diese Zeit voraussichtlich der »Brexit«, der Ausstieg des ständigen Sicherheitsratsmitgliedes Großbritannien aus der Europäischen Union. Dies könnte die Zusammenarbeit erheblich erschweren.
Bei alledem darf nicht vergessen werden: Der Sicherheitsrat muss auf aktuelle Krisen und Konflikte sehr kurzfristig reagieren können. Gerade dann muss Deutschland bei Abstimmungen eine klare Position beziehen – entweder für oder gegen etwas – und darf sich nicht, wie im Fall Libyen 2011, mit einer Enthaltung aus der Affäre ziehen. Die Bundesregierung ist gefordert, sich auf solche Situationen vorzubereiten, indem sie die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen für eine kohärente Außenpolitik zur Verfügung stellt.
Aufgrund der komplexen Gemengelage sollte die Bundesregierung überlegen, die Entscheidungsstrukturen und Weisungen durch das Auswärtige Amt gegenüber der Ständigen Vertretung in New York zu vereinfachen. Mehr Handlungsfreiraum für den Ständigen Vertreter im Sicherheitsrat könnte sowohl die Sichtbarkeit der Bundesrepublik als Brückenbauer erhöhen als auch bei Konfliktthemen ein konstruktives Verhandlungsklima in einem polarisierten Rat fördern.
Die deutsche Öffentlichkeit zeigt großes Interesse an außenpolitischen Themen, lehnt aber mehrheitlich ein stärkeres militärisches Engagement ab. Das Beharren auf völkerrechtlichen Regeln und die Angst vor Abenteuern mit unkalkulierbaren Risiken sind groß. Letzteres gilt allerdings nicht für Einsätze mit Mandat des UN-Sicherheitsrats. Wenn die Diskussion über Blauhelm-Einsätze zusammen mit der über die strategischen außenpolitischen Interessen und die Werte Deutschlands geführt würde, wäre Deutschland besser auf die fordernde Mitarbeit im Sicherheitsrat vorbereitet. Aus diesem Grund muss die deutsche Öffentlichkeit immer wieder über die Möglichkeiten und Grenzen der Vereinen Nationen und des Sicherheitsrats informiert werden.
Eine Reform des Sicherheitsrats, seiner Zusammensetzung ebenso wie des Vetorechts, bleibt hingegen bis auf Weiteres unrealistisch und damit auch der Anspruch Deutschlands auf einen ständigen Sitz im Rat. Europa ist – gemessen an der Weltbevölkerung – in dem Gremium ohnehin schon deutlich überrepräsentiert. Die fünf ständigen Mitglieder sind überdies zu keiner Reform bereit, und die möglichen Kandidaten für einen ständigen Sitz sind sich untereinander auch nicht einig. Deutschland sollte daher seine Ressourcen besser auf die kontinuierliche Reform der Arbeitsmethoden und ihre Transparenz konzentrieren sowie sich für konstruktive Debatten im Rat einsetzen.
Dr. Lisa Heemann ist Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN).
Patrick Rosenow ist leitender Redakteur der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN, die von der DGVN herausgegeben wird.