W&F 1989/2

„Die Liberalen sind Pragmatiker“

Ein Gespräch mit Olaf Feldmann, FDP-MdB

von Olaf Feldmann, Ingo Arend und Paul Schäfer

Olaf Feldmann`s Arbeitsplatz ist nicht gerade sehr geräumig. Dafür ist er dem Trubel im Abgeordnetenhochhaus entronnen, bewohnt mit seinen Parteifreunden Baum und Hamm-Brücher ein kleineres Anwesen und kann ins Grüne blicken. Darauf legt er Wert. Als abrüstungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion hat er sich seit Jahren einen Namen gemacht als einer, der koalitionspolitischen Windungen und Wendungen zum Trotz, sich für Entspannung und Abrüstung stark macht. Ingo Arend und Paul Schäfer sprachen mit ihm über Abschreckung, Raketenmodernisierung, Koalitionswechsel und andere Dinge.

Frage:

Halten Sie die Abschreckungspolitik noch für eine tragfähige sicherheitspolitische Konzeption?

Antwort:

Gerade noch. Ich glaube, daß wir im Augenblick auf die atomare Abschreckung noch nicht verzichten können. Gerade die Politik der FDP ist darauf angelegt, langfristig die atomare Abschreckung zu überwinden durch eine Politik, die Vertrauen auf- und Mißtrauen abbaut. Wir sind als Deutsche hier besonders gefordert; nicht nur, weil wir auf deutschem Boden die größte Waffenkonzentration haben. Dies bedeutet allerdings, daß nach einer kriegerischen Auseinandersetzung in Europa – die ich für äußerst unwahrscheinlich halte – hier nichts mehr zu verteidigen sein wird. Wir müssen uns daher im eigenen Interesse für Waffenreduzierung und Abrüstung besonders engagieren. Wir wollen mehr Sicherheit durch Abrüstung.

Frage:

Sie sagen, daß es langfristig um die Abschaffung der Abschreckung geht. Wenn nicht alles täuscht, wird ja dieses geheimnisvolle Gesamtkonzept, das die NATO Ende Mai verabschieden will, an der Abschreckungsdoktrin festhalten und eine „ausgewogene Mischung aus konventionellen und atomaren Waffen“ vorsehen.

Antwort:

Ich habe im Augenblick auch den Eindruck, daß die NATO sich etwas schwertut, auf Gorbatschow angemessen zu reagieren und die richtige Einstellung zu Gorbatschows Vorschlägen zu finden. Obwohl die meisten Vorschläge von Gorbatschow ja doch alte westliche Vorschläge sind. Vielleicht braucht der gesamte Prozeß der Vertrauensbildung auch noch eine gewisse Zeit. Wir kommen ja aus einer Zeit, in der die Sowjets auf westliche Vorschläge immer »njet« gesagt haben. Jetzt, in den letzten Jahren hat sich ja die Politik radikal geändert. Das ist keine Reform mehr, das ist ja eine Revolution, die sich da im Denken und Handeln abspielt. Noch nicht alle Dinge sind so weit verändert worden, wie wir es gerne hätten. Die Überlegenheit im Bereich der Waffen besteht noch; im Denken, in der Motivation und im Feindbilddenken hat sich wahrscheinlich schon einiges abgebaut. Aber das dauert seine Zeit. Auch bei uns muß sich das Vertrauen festigen, daß das, was sich in der Sowjetunion tut, tragfähig und von Dauer ist. Die Militärs sind da nicht an der Front. Es ist Aufgabe der Politiker, da mit neuen Ideen einzusteigen.

Außerdem kommt es ja auch nicht nur auf das an, was Deutsche denken. Wir sind im NATO-Verbund und müssen deswegen auch immer unsere anderen NATO-Partner mitziehen. Und hier wird z.T. noch sehr unterschiedlich gedacht. Wir können keine deutsche Ostpolitik betreiben, wir brauchen eine gemeinsame Ostpolitik der westlichen Bündnispartner. Nur dann ist das langfristig erfolgreich.

Frage:

Die Friedensbewegung fordert die Denuklearisierung Europas. Unterstützen Sie diese Forderung?

Antwort:

So nicht. Ich meine, daß wir langfristig zu anderen Formen zur Aufrechterhaltung unserer eigenen Sicherheit kommen müssen. Wir werden uns von der nuklearen Abschreckung entfernen. Aber zunächst verschrecken wir mit dem Wort »Denuklearisierung« einige unserer Bündnispartner. Das erschwert die Arbeit.

Zudem ist das Schlagwort »Denuklearisierung«, wie es bisweilen in der Öffentlichkeit benutzt wird, eine Irreführung. Es bezieht sich auf die landgestützten Raketen. Wir sind nach wie vor abgedeckt mit atomaren Raketen, mit doppelt verwendungsfähigen Flugzeugen, mit atomar bestückten U-Booten.

Frage:

Im Moment scheint es eher um neue nukleare Aufrüstung zu gehen. Die NATO debabttiert vor ihrem Gipfel Ende Mai über die »Modernisierung« ihrer atomaren Kurzstreckenraketen und anderer Waffen. Ist die FDP für diese sog. Modernisierung?

Antwort:

Die FDP will keine atomare Aufrüstung. Wir wollen unsere Sicherheit verbessern durch Rüstungsreduzierung. Das gilt für den atomaren, das gilt für den konventionellen Bereich. Das, was sich im Augenblick zwischen Bonn und Brüssel tut, ist an sich eine drittrangige Frage, aber es ist eine symbolträchtige Frage. Sie haben zu Recht gesagt „sogenannte Modernisierung“. Wenn es um eine Modernisierung ginge, d.h. Strippen neu einziehen oder Knöpfchen erneuern, dann kann man das – soweit erforderlich – machen. Das wird sowieso ständig gemacht. Aber hier geht es um Nachfolgesysteme mit qualitativ neuen Eigenschaften und anderen Reichweiten. Das Wort Modernisierung ist irreführend. Es geht um Nachfolgesysteme für die LANCE. Es wäre absolut falsch, jetzt, wo wir gerade mit den Wiener Rüstungskontroll- und Rüstungsreduzierungsverhandlungen anfangen, ein solches falsches Signal zu setzen. Ich halte es für viel wichtiger, und das ist voll auf der Linie von Bundesaußenminister Genscher, daß wir das Übergewicht der Sowjetunion, das wir ja alle beklagen, durch Verhandlungen reduzieren. Die Sowjets haben ja auch bereits Verhandlungen angeboten. Vor einer weiteren Null-Lösung habe ich keine Angst.

Frage:

Was wäre das Ziel der Verhandlungen? Gemeinsame Obergrenzen oder die dritte Null-Lösung?

Antwort:

Das Ziel ist zunächst eine gemeinsame Obergrenze auf niedrigem Niveau. Das wäre eine Zahl unter 88 Systemen. (gegenwärtiger NATO-Bestand; die Red.) Eine Null-Lösung ist theoretisch nicht auszuschließen, ist aber nicht das primäre Ziel der Operation. Wenn eine Null-Lösung dabei rauskommt und die Sicherheit durch andere Maßnahmen gewährleistet wird, dann wäre ich nicht dagegen.

Waffen haben ja keinen Selbstzweck, sie sind ja nur eine Reaktion auf eine Bedrohung. Wenn die Bedrohung sich in einigen Jahren wirklich reduzieren sollte, dann muß man auch über unsere Waffen reden können. Das würde auch Druck auf die Wiener Verhandlungen machen, damit es dort ergebnisorientiert und schnell vorangeht.

Frage:

Bei dem NATO-Gipfel könnte folgendes passieren: Modernisierung, im Prinzip ja, aber Beschluß über die Stationierung erst nach den Bundestagswahlen, gleichzeitig jedoch Entwicklung und Bau der neuen Waffen unter amerikanischer Regie; das alles ohne konkretes Verhandlungsangebot an die sowjetische Seite. Läuft das nicht auf eine Täuschung der Öffentlichkeit hinaus? Die Waffen werden praktisch schon entwickelt, aber der formale Beschluß über die Stationierung wird 91/92 gefaßt.

Antwort:

Warum soll man jetzt schon entscheiden, wenn die Abschreckungswaffen doch bis Mitte der 90er-Jahre funktionieren? Jetzt ist keine Beschlussfassung nötig. Die Entscheidung über die Entwicklung neuer Waffen-Nachfolgesysteme ist eine rein amerikanische Angelegenheit. Wir können den Amerikanern nicht reinreden, wir haben ihnen bei den binären Waffen nicht reinreden können, wir haben bei anderen Waffen nicht reinreden können - Sie werden die Entwicklung vorantreiben; mittlerweile sind zum zweiten Male im US-Haushalt Mittel für die LANCE-Nachfolgerakete eingesetzt. Aber die Amerikaner werden natürlich dann auf uns zukommen, wenn die Waffen in Produktion gehen sollen. Dann werden die Amerikaner uns fragen und dann werden wir uns schon deutlich zu Wort melden. Aber jetzt werden wir Nachfolgesystemen nicht zustimmen.

Frage:

In der »Tageszeitung« stand zu lesen, Genscher habe hinter den Kulissen bereits Zustimmung signalisiert?

Antwort:

Das glaube ich nicht. Abwarten. Stellen Sie sich mal vor, bei den ersten beiden Null-Lösungen wäre der Genscher nicht gewesen. Bedenken Sie, was da die kleine FDP alles geleistet hat. Auch jetzt steht die Fraktion und die Partei voll hinter Genscher.

Frage:

In der westlichen Allianz soll die Abneigung gegen den »Genscherismus« wachsen. In der FAZ wird die Gefahr einer gravierenden Änderung des Charakters der NATO heraufbeschworen. Wenn Bonn sich weiter weigere, würden die Amerikaner ihre Truppen in der Bundesrepublik mit neuen Atomraketen ausstatten, ob Bonn dem zustimme oder nicht.

Antwort:

Auf dem Boden der Bundesrepublik werden ohne Zustimmung der Bundesregierung keine atomaren Waffen stationiert, auch keine neuen chemischen Waffen. Nur die normalen konventionellen Waffen im Rahmen des Austausches.

Ich bin optimistisch, daß wir im Bündnis eine vernünftige Linie finden werden, die uns nicht auf die sog. Modernisierung festlegt. Ob wir in der NATO die Verhandlungsoption durchsetzen können, weiß ich noch nicht. Ich hoffe es natürlich. Wir wollen auf alle Fälle ein Gesamtkonzept für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Frage:

Es geht aber z.B. auch um neue nukleare Abstandswaffen und die spielen in der Öffentlichkeit bisher keine Rolle.

Antwort:

Das muß man alles in das Gesamtkonzept hineinnehmen; darüber muß man sich Gedanken machen. Über die zukünftige Rolle von Nuklearwaffen in Europa muß nachgedacht werden. Ob sie verzichtbar werden, hängt auch von den Ergebnissen in Wien ab.

Frage:

Und Sie glauben, darüber könnten Sie in der Koalition einig werden?

Antwort:

Ich glaube, daß wir eine Plattform finden können, wo wir uns alle wiedererkennen und darum wird Millimeter für Millimeter gekämpft. Jedenfalls will die FDP nicht mehr, sondern weniger Waffen.

Frage:

Sie setzen dabei auf den Wandel in der Union. Wäre es nicht sinnvoller, die Koalition gleich zu wechseln, um eine größere Dynamik im Abrüstungsprozeß zu bekommen?

Antwort:

Nein, dies wäre kein Grund. Die Union hat den KSZE-Prozess als einzige Partei Europas – mit Ausnahme der albanischen Kommunisten – zunächst nicht mitgemacht. Das müssen Sie erst mal sehen. Dann können Sie erst die Leistungen des Außenministers und der FDP ermessen, daß sie dieses Schlachtschiff auf die realistische Entspannungspolitik-Linie gebracht hat. Die Union ist doch im wesentlichen auf dieser Linie. Ich bin hoffnungsvoll, daß die Meinung in der Union sich durchsetzt, die der heutigen Zeit angemessen ist. Das ist ein mühsamer Prozess. Sehen Sie das Beispiel der Verlängerung der Wehrpflicht. Wir waren schon 1988 der Meinung – ich persönlich schon 1985 – , daß man aufgrund der Zahlen die Verlängerung verschieben kann. Jetzt ist auch die Union dafür - nicht aufgrund der neuen Zahlen der Hardthöhe, sondern wegen der neuen EMNID-Zahlen. Das Ergebnis jedenfalls geht in Ordnung.

Frage:

In diesem Jahr wird des 5o. Jahrestages des Ausbruches des II. Weltkrieges gedacht. Kann die Bundesregierung nicht einseitige, demonstrative Schritte einleiten, die verdeutlichen, daß von deutschem Boden nie mehr Krieg ausgehen wird. Z. B. die Verringerung der Soll-Stärke der Bundeswehr, oder Einschränkungen im Rüstungsetat?

Antwort:

Die Bundeswehrstärke ist für die FDP kein Tabu, aber ich glaube, es ist noch nicht an der Zeit, Reduzierungen vorzunehmen. Obwohl ich mir vom neuen Verteidigungsminister wünschen würde, daß er sich bald mit der Struktur der Bundeswehr befasst und damit auch die Frage der Zahl der notwendigen Bundeswehrsoldaten zur Diskussion stellt. Ich halte eine Möglichkeit für die Bundeswehr durchaus gegeben, sich von der Präsenzarmee zur Ausbildungsarmee zu entwickeln. Denn die hohe Präsenz ist auf Grund der sich erhöhenden und verbessernden Transparenz wahrscheinlich auf Dauer nicht mehr in dem Maße erforderlich, wie wir sie im Augenblick halten. Aber das ist nicht allein eine deutsche, nationale Entscheidung, das ist eine Entscheidung, die wir im Zusammenwirken mit den Verbündeten finden müssen. Da werden Impulse sicher auch von uns ausgehen können, wie man mit weniger Geld mehr Verteidigung erreichen kann. Das schließt den Verzicht auf manche Großprojekte ein. Ich war nie ein Freund des Jäger `90. Ich halte den Jäger `90 für weniger militärisch bedingt, als vielmehr industriepolitisch. Solche Projekte werden auch nicht dadurch besser, daß sie multinational sind. Im Gegenteil, diese multinationalen Projekte reißen uns in immer größere Dimensionen hinein. Das ist ein Dilemma unserer Rüstungskooperation.

Frage:

Zu den Verhandlungen über die Konventionellen Streitkräfte in Europa. Können Sie sich militärisch ausgedünnte Zonen in Mitteleuropa vorstellen?

Antwort:

Zonenkonzepte halte ich für problematisch. Für wichtig halte ich, daß wir gemeinsam zu Überlegungen und Ergebnissen kommen, die die konventionellen Armeen, die Militärmacht so reduzieren, daß sie zu Angriffen und zu raumgreifenden Operationen nicht mehr fähig sind. Also defensive Strukturen und vielleicht ein stärkeres Auseinanderrücken der Großgeräte im mitteleuropäischen Bereich.

Frage:

NATO-Generalsekretär Wörner sagt, die NATO sei bereits defensiv. Umorientierungen müssten nicht vorgenommen werden.

Antwort:

Das behauptet der Warschauer Pakt auch von sich. Die NATO ist auch defensiv. Das ist auch bei demokratischen Staaten gar nicht anders möglich. Es geht darum, daß Panzer nicht in der vordersten Reihe stehen oder nur in ganz minimaler Zahl; da hat die NATO meines Erachtens sehr weitreichende und gute Vorschläge gemacht. Es geht um die Festlegung auf gemeinsame Obergrenzen. Und dann geht es darum, daß die Transparenz erhöht wird – ich glaube, wir sind schon Riesenschritte im Bereich der Vertrauensbildung vorangekommen. Ich bin optimistisch, daß wir in den Wiener Verhandlungen, nach den langen Vorbereitungen der MBFR-Verhandlungen über 15 Jahre, daß wir jetzt Anfang der 90er Jahre zu konkreten Reduzierungsergebnissen kommen. Und ich hoffe, daß die Sowjets die angekündigten einseitigen Schritte schnellstens durchgeführt. Das wäre auch ein sehr positives Signal für die Wiener VKSE-Verhandlungen.

Frage:

Was halten Sie denn von dem Vorschlag des ehemaligen NATO-Oberkommandierenden in Europa Goodpaster, die Gesamtbestände um 50 Prozent auf beiden Seiten zu reduzieren?

Antwort:

Ja, aber mit gleichen Obergrenzen. Daß die NATO sagt, wir brauchen nur 5 Prozent Reduzierung, das halte ich für nicht tragbar. Wir müssen auch kräftig reduzieren.

Frage:

Wie sehen Sie die künftige Rolle Europas? Besteht nicht die Gefahr, daß es vor allem um ein westeuropäisches Militärbündnis geht?

Antwort:

Nein. Wenn Sie die WEU-Plattform ansehen, sind dort auch die Gedanken des Harmel-Berichts aufgenommen: die Verteidigungsfähigkeit aufrechterhalten, aber eine Politik des Ausgleichs und der Entspannung, vor allem auch gegenüber den osteuropäischen Nachbarn betreiben.

Westeuropa allein als Verteidigungsbollwerk, diese Gefahr sehe ich nicht. Wir wachsen wirtschaftlich zusammen, wir lernen uns kulturell und touristisch näher kennen, wir versuchen unsere Bildungsabschlüsse zu respektieren und unsere Arbeitsmöglichkeiten auszudehnen innerhalb Westeuropas – da hinkt der sicherheitspolitische Bereich ja eher nach.

Frage:

Daß sich der Osten durch den Ausbau der WEU auf neue Weise bedroht fühlen könnte, sehen Sie nicht?

Antwort:

Nein. Ich würde den europäischen Pfeiler der NATO bejahen. Ich halte das für richtig, daß die Europäer ihre eigene Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der NATO betreiben. Aber wir wollen letztendlich eine kooperative Sicherheitspolitik. Diese Sicherheitspolitik muß die Bedrohungsängste der anderen Seite mit aufnehmen in ihre eigenen Verteidigungsüberlegungen. Wir erwarten aber auch, daß die andere Seite unsere Bedrohungsängste und Bedrohungsgefühle respektiert. Deswegen halte ich für sehr gut, daß z.B. jetzt zum ersten Mal NVA-Offiziere mit Bundeswehroffizieren zusammengekommen sind und daß der scheidende Verteidigungsminister sich in der sowjetischen Militärakademie umgeschaut hat.

Frage:

Ist die FDP für die verstärkte Förderung der Friedensforschung?

Antwort:

Die Friedensforschung gibt auch der Politik immer wieder sehr gute Denkanstöße. Aber es ist manchmal schwierig, das in der harten Realität durchzusetzen. Die schönen Vorstellungen müssen gegenüber der eigenen Industrie, gegenüber den eigenen Bündnispartnern durchgesetzt werden. Das ist gar nicht so einfach.

Ich habe immer für eine bessere Ausstattung und für eine höhere Bewertung der Friedensforschung gekämpft, schon in der sozialliberalen Koalition.

Frage:

Die FDP will oder wird sich stärker engagieren?

Antwort:

Es können sich meines Erachtens nicht genügend Leute um die Friedensforschung kümmern.

Frage:

Uns ist nicht klar, auf welcher konzeptionellen Grundlage die FDP ihre Sicherheitspolitik entwickelt.

Antwort:

Wir wollen die Verteidigungsfähigkeit aufrechterhalten; setzen aber stark auf Ausgleich und Entspannung. Das konzeptionelle Profil ist – wenn Sie so wollen – die strukturelle militärische Angriffsunfähigkeit. Diese Gedanken sind uns ebenso geläufig wie der SPD. Diese Politik lässt sich aber nur Schritt für Schritt verwirklichen. Die schönsten Konzepte, im stillen Kämmerlein ausgetüftelt, helfen nicht viel.

Die Liberalen sind Pragmatiker, da müssen Sie sich dran gewöhnen. Das kommt davon, weil wir in fast allen Regierungen waren. Da werden Sie realistisch und sehen, was sie machen können und was nicht. Aber wir wissen auch, wie man sich durchsetzt. Das machen wir dann auch. Man muß immer wieder dran erinnern, daß in der CDU nur Weizäcker, Barzel und einige wenige für den KSZE-Prozess waren, die anderen haben dem nichts abgewinnen können. Das haben die Leute schon verdrängt. Dies ist eine Riesenleistung der FDP, die Union auf diese Linie gebracht zu haben.

Sicher haben wir im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik mit der SPD weniger Probleme.

Frage:

Die Friedensbewegung hat auch ihren Teil zu dieser Veränderung beigetragen ...

Antwort:

Wir stehen nicht außerhalb der Friedensbewegung. Ich habe auch früher, als Abgeordneter auf Veranstaltungen der Friedensbewegung gesprochen. Wir betrachten uns als Teil der Friedensbewegung im Parlament.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1989/2 Sind Gesellschaft und Militär noch vereinbar, Seite