Direkte Eingriffe ins Klima
Eine friedenspolitische Herausforderung? Tagung am KlimaCampus Hamburg, 10./11. November 2011
von Achim Maas, Michael Brzoska, Michael Link, Götz Neuneck und Jürgen Scheffran
Die Klimaverhandlungen Ende 2011 in Durban haben wieder mal die Hoffnung auf ein baldiges und umfassendes Abkommen zur Emissionsminderung gedämpft. Bis 2015 soll noch verhandelt werden, um eine Regelung zu treffen, die erst 2020 in Kraft tritt. Gleichzeitig wird der Ausstoß an Treibhausgasen voraussichtlich weiter rasch ansteigen. Sollte es keine umfassenden globalen Änderungen in der Klimapolitik geben, wird der Klimawandel schon Mitte dieses Jahrhunderts gravierende Folgen haben. Vor diesem Hintergrund wird in akademischen und politischen Kreisen zunehmend diskutiert, mit gegensteuernden Eingriffen das Klimasystem gezielt zu beeinflussen. Solche Maßnahmen des »Geoengineering«, auch »Climate Engineering« genannt, sind jedoch stark risikobehaftet – nicht zuletzt, weil sie lokale und internationale Konflikte fördern können. Massive politische Spannungen sind vor allem dann zu erwarten, wenn ein einzelner Staat oder eine Gruppe von Staaten Geoengineering ohne internationales Einvernehmen einsetzt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Umweltbundesamt und das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag haben daher Gutachten über Potentiale, Risiken und Regulierungsmöglichkeiten von Geoengineering erstellen lassen.
Am KlimaCampus Hamburg wurde am 10./11. November 2011 die Konferenz »Geoengineering the Climate: An Issue for Peace and Security Studies?« durchgeführt, die von der Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit (CLISEC), dem Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF), dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und adelphi organisiert worden war. Mehr als 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa und Nordamerika diskutierten zwei Tage mögliche friedens- und sicherheitspolitische Herausforderungen von Geoengineering.
Geoengineering zur Konfliktprävention…
In seinem Eröffnungsvortrag gab Peter Liss von der University of East Anglia/Großbritannien einen Überblick über die verschiedenen Verfahren von Geoengineering, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen. Maßnahmen zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) umfassen Vorschläge wie die Düngung von Ozeanen (um die CO2-Aufnahme von Algen zu erhöhen), massive Aufforstung oder die Filterung und spätere unterirdische Lagerung von CO2 mittels »künstlicher Bäume«. Zweitens sind Maßnahmen zur Regulierung der Sonneneinstrahlung und damit des Energiehaushalts der Erde im Gespräch (Solar Radiation Management, SRM). Dies schließt Ideen wie die Injektion von Aerosolen in die Atmosphäre, das Aufhellen von Erdoberfläche und Wolken oder die Positionierung von Spiegeln im Weltraum ein. Das übergreifende Ziel dieser Maßnahmen ist es, Klimawandel und damit verbundene potentiell katastrophale Konsequenzen für Frieden und Sicherheit zu vermeiden. Könnte Geoengineering damit möglicherweise sogar ein Instrument von Konfliktprävention sein?
Die technischen Voraussetzungen, Wirkungsweisen und Risiken sind bei den einzelnen CDR- und SRM-Maßnahmen sehr unterschiedlich – so sehr, dass Jason Blackstock vom Centre for International Governance Innovation (CIGI, Waterloo/Kanada) die Frage aufwarf, ob sie sich überhaupt unter einem Oberbegriff subsumieren lassen. Bei eingehender Betrachtung ergibt sich, dass vor allem CDR-Maßnahmen einen relativ geringen Wirkungsgrad haben. Der Einsatz müsste in äußerst großem Maßstab erfolgen, um nachhaltige Effekte zu haben. Es würde auch Jahrzehnte dauern, bis der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre das Klimasystem wieder ins Lot brächte. CDR-Maßnahmen würden damit nicht schneller wirken als Maßnahmen zur Emissionsminderung, die vermutlich weniger kosten würden.
Anders verhält es sich mit der Zeitschiene bei SRM-Maßnahmen, die vor allem die Temperatur beeinflussen: Die Injektion von Aerosolen in die Atmosphäre, vergleichbar mit der Asche, die von Vulkanen ausgestoßen wird, könnte in nur wenigen Jahren zu einer deutlichen Abkühlung führen. Die Abkühlung wäre jedoch global ungleich verteilt, mit entsprechend unterschiedlichen regionalen Folgen. Außerdem könnten derartige Maßnahmen auch eine Veränderung von Niederschlagsmustern nach sich ziehen, wie Ulrike Niemeyer vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg herausstrich. Besonders problematisch wäre vor allem, dass einmal begonnene SRM-Maßnahmen nicht ohne weiteres abgebrochen werden könnten. Geschieht dies, würde die Erde sich in kürzester Zeit wieder erwärmen.
… oder als Ursache neuer Konflikte ?
In diesem Zusammenhang zeigen sich auch mögliche Konfliktrisiken: Führen Geoengineering-Maßnahmen zu veränderten Niederschlagsmustern, würde dies auch die lokale landwirtschaftliche Produktion beeinflussen. Dies hätte Auswirkungen auf Nahrungsmittelsicherheit und Einkommen der Bevölkerung und könnte zudem die Konkurrenz um knappe Ressourcen verschärfen. Politische Konflikte wären abzusehen, sofern der Einsatz von Geoengineering nicht in einem multilateralen Rahmen zuvor abgestimmt wurde. Wie Alexander Proelß von der Universität Trier herausstellte, ist es problematisch, dass es aktuell kein internationales Vertragswerk gibt, welches Geoengineering vollständig abdeckt. In bestehenden Abkommen werden bestenfalls Teilaspekte behandelt. Manche Verträge, wie die ENMOD-Konvention (Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques von 1977) verbieten zwar die militärische Nutzung von Technologien zur Umweltmodifikation, erlauben aber ausdrücklich den Einsatz für friedliche Zwecke. Da Intentionen nur bedingt aus Verhalten ablesbar sind, könnte ein mit friedlicher Absicht begonnenes Geoengineering von betroffenen Staaten als feindlicher Akt gesehen werden.
Die Gefahr, dass ein Staat oder eine Gruppe von Staaten unilateral Geoengineering einsetzt, wurde von den Teilnehmenden der Konferenz unterschiedlich beurteilt. Einerseits sind die Anreize dafür stark, da es zumindest gegenwärtig keine Strukturen für multilaterale Kooperation gibt und die Kosten einzelner SRM-Maßnahmen, insbesondere der Injektion von Aerosolen in die Atmosphäre, gering sind. Andererseits würden unilaterale Maßnahmen zwangsläufig internationale Widerstände hervorrufen, da sich das Klima kaum nur für eine Region modifizieren ließe, und hätten deshalb hohe politische Kosten. Schließlich zeigt die Geschichte der Ideen zu Wetterveränderungen für militärische Zwecke, über die James Fleming berichtete, dass Geoengineering ein erhebliches Dual-use-Potential in sich birgt. Kritiker befürchten daher auch eine potentielle Militarisierung von SRM-Maßnahmen, sollten die dafür notwendigen Technologien erst zur Verfügung stehen
Konfliktpotenzial gibt es aber auch bei multilateralen Eingriffen ins Klima. Ungleich verteilte Kosten und Auswirkungen von Geoengineering schaffen relative »Gewinner« und »Verlierer«, was politische und soziale Spannungen von der lokalen bis zur globalen Ebene provoziert. Das betrifft sowohl SRM- als auch CDR-Maßnahmen. Aufgeforstetes Land wird einer möglichen landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Die Debatte um Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) in Deutschland zeigt das Spannungspotential von unterirdisch gespeichertem CO2.
Vorsicht schon bei Forschung
Heftig diskutiert wurde während der Tagung die Frage, ob bereits die Forschung zu Geoengineering problematisch ist. Gegenwärtig befindet sich die Forschung zu diesem Themenkomplex noch am Anfang und findet aktuell weitgehend auf Basis theoretischer Modelle statt. Darüber hinausgehende Feldexperimente bergen jedoch bereits die Möglichkeit nicht intendierter Folgen. Sie können Umweltauswirkungen haben und auch lokale Proteste hervorrufen. Dies zeigte sich an dem Streit über das deutsch-indische LOHAFEX-Experiment zur Ozeandüngung und auch an der Diskussion über das britische Projekt SPICE (Stratospheric Particle Injection for Climate Engineering), welches auf öffentlichen Druck hin noch vor Beginn vorerst gestoppt wurde. Experimente ohne internationale Abstimmung könnten als Versuch der Vorbereitung unilateraler großskaliger Maßnahmen interpretiert werden. Selbst abgestimmte Forschung könnte negative Folgen zeitigen. So könnte sie eine abwartende Haltung verschiedener Staaten bei der Minderung von Klimagasen auslösen und den Druck vermindern, ein Klimaabkommen zu schließen. Gleichzeitig fehlen die für Geoengineering-Forschung bereitgestellten Mittel für die Erforschung von besserer Ressourceneffizienz oder erneuerbaren Energien, wie Konrad Ott von der Universität Greifswald darlegte.
Direkte Eingriffe ins Klima stellen somit keine Vereinfachung der Klimaproblematik dar, sondern lassen sie noch komplexer werden, wie Alan Robock von der Rutgers University (New Jersey/USA) deutlich machte. Insbesondere weil CDR nur ein geringes Potential zur kosteneffizienten Emissionsminderung hat und SRM lediglich das Symptom »Erwärmung« des Klimawandels vermeidet, nicht jedoch andere Folgen wie z.B. die Versauerung der Meere, kann Geoengineering auch nach Meinung der Befürworter nur eine Ergänzungs- oder Übergangsmaßnahme sein. Sollte der politische Druck für eine intensivere experimentelle Forschung oder gar Anwendung von Geoengineering allerdings hinreichend stark werden, besteht die vorrangige friedenspolitische Herausforderung darin, rechtzeitig institutionelle Strukturen zur Herstellung eines multilateralen Konsenses zu schaffen, Konfliktpotentiale zu minimieren und Regelungen zum Interessensausgleich bereitzustellen. Vor dem Hintergrund der schwierigen und bisher wenig erfolgreichen Klimaverhandlungen verspricht dies weder eine leicht noch schnell zu bewältigende Aufgabe zu werden. Dringend erforderlich ist daher eine frühzeitige und internationale Beschäftigung mit Governance-Fragen im Zusammenhang mit Geoengineering, noch bevor der Druck auf intensivere Forschung zur gezielten Manipulation des Klimasystems übermächtig wird.
Das vollständige Programm der Tagung findet sich unter http://clisec.zmaw.de/Conference-program.1929.0.html.
Achim Maas, Michael Brzoska, Michael Link, Götz Neuneck und Jürgen Scheffran