W&F 1991/1

Editorial

von Paul Schäfer

An erster Stelle muß ein Dankeschön stehen. Unser Appell, die Beiträge für das Abonnement freiwillig zu erhöhen, hat eine zusätzliche Einnahme von über 2000.- DM für 1991 erbracht! Auch die Mitglieder der Naturwissenschaftler-Initiative haben großartig geholfen, »das neue Projekt« Informationsdienst auf den Weg zu bringen. Auch die anderen Träger der Zeitschrift engagieren sich finanziell und inhaltlich. Kurz gesagt: Die finanzielle Basis für die Fortführung von Wissenschaft & Frieden steht.

Am »organisatorischen« Rahmen wird noch gezimmert. Während Sie diese Ausgabe in den Händen halten, ist die wichtigste Phase dieses Prozesses – hoffentlich – abgeschlossen. Am 27. April tagte die Gründungsversammlung des Vereins Wissenschaft & Frieden, der künftig diese Zeitschrift herausgeben wird.In ihm sindvertreten: Arbeits- und Forschungsstelle Militär Ökologie Planung; Bewußtsein für den Frieden – Friedensinitiative Psychologie • Psychosiziale Berufe; Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung; Informationsstelle Wissenschaft & Frieden; Kulturwissenschaftler für Frieden & Abrüstung; Naturwissenschaftler-Initiative »Verantwortung für den Frieden; Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden. Weitere Einrichtungen sollen in loserem Verbund an dem Projekt mitwirken. In der nächsten Ausgabe werden wir Sie eingehender mit der künftigen Konstruktion vertraut machen. Es wird seine Zeit brauchen, bis alle Beteiligten zueinander gefunden haben; daher werden wir 1991 in der Gestaltung des Heftes experimentieren müssen. Für Ihre Ratschläge sind wir sehr dankbar.

Wir beginnen wieder mit einem umfangreichen Doppelheft: Der Golf-Krieg hat uns so viel »Stoff« beschert, daß dieser Entschluß nahezu unvermeidlich war. Zum zweiten wollen wir eine schnelle und ausführliche Auswertung der beiden großen Kongresse der Natur- und der KulturwissenschaftlerInnen, die am Jahresende stattfinden, im Januar 1992 vorlegen. Damit kämen wir auch in einen vernünftigen Publikationsrhythmus für eine Quartalszeitschrift. Wir werden versuchen, Sie durch möglichst qualifizierte Beiträge in den nächsten Heften zu entschädigen.

Der Persisch/Arabische Golf scheint inzwischen wieder weit weg. Wir hören noch von den Nachwehen: Flüchtlingselend, Schwarzer Schnee im Himalaya, Notstandsverwaltung. Doch „im Krieg gibt`s keine Würschtl“ (Karl Kraus) Nicht, daß der Krieg nichts verändert hätte. Es gibt z.B. Bemühungen um eine »Entschärfung« des »Palästinenserproblems«. Aber schon heute darf gesagt werden: Was hätte mit den mind. 400 Mrd. Dollar, die der Krieg an Kosten verursacht hat, zur Lösung der regionalen Probleme beigetragen werden können! Demokratie gibt es zwar nicht zu kaufen; aber ohne ökonomische Wohlfahrt bleiben »Menschenrechte« und »Umweltschutz« – wie wir allenthalben auf dem Globus sehen können – leere Worthülsen.

Und die intellektuellen Kriegsbefürworter hierzulande müssen zur Kenntnis nehmen: Es wird in den alten Bahnen militärischer Abschreckung, hegemonialer Macht und ökologischer Ignoranz weitergemacht. Die Welt ist beschleunigtem Wandel unterworfen; doch eine »neue Weltordnung« ist nicht in Sicht. Die Menschenrechte werden nicht zur obersten Maxime der Außenpolitik; eine Entmilitarisierung der Konfliktregionen steht nicht an; über eine (umwelt-)gerechtere Weltwirtschaftsordnung wird nicht debattiert. Dem »Endsieg« über die Natur sind wir ein großes Stück nähergekommen. Der Triumph am Golf hat die militärischen Apparate in neue Betriebsamkeit versetzt: An Schnellen Eingreiftruppen der NATO, der WEU und der Bundeswehr wird gebastelt – HighTech-Militarismus gegen Hunger?

Ohne einen grundlegenden Paradigmenwechsel der Internationalen Politik sind die Entwicklungsprobleme der Menschheit nicht zu lösen. Es ist trügerische Hoffnung, diesen Wandel an die etablierten politischen Klassen in West, Ost, Nord und Süd zu delegieren. Das Schicksal des »Neuen Denkens« hat gezeigt, wie abhängig die Umsetzung der Ideen von der wirtschafts- und machtpolitischen Entwicklung ist. Und daß die besten Ideen nicht viel wert sind, wenn es keine »sozialen Träger« für ihre Verwirklichung gibt. Dies zu ändern, bliebt unsere Aufgabe.

Ihr Paul Schäfer

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1991/1 Nach dem Golfkrieg, Seite