W&F 1987/4

Editorial

von Paul Schäfer

Das Original unseres Titelbildes stammt An Leonardo da Vinci: „Bildnis eines Kriegers“. Die moderne Version kommt aus einem Land, von dem viele gelernt hatten, daß es der Inbegriff des gerüsteten, kriegerischen Staates sei: der Sowjetunion. Die estnische Künstlerin A. Juurak hat es gemalt: „Mars in Waffen“. Beiträge zur Kunst des Krieges zu liefern, gilt zu da Vincis Zeiten als selbstverständlich. Sein Porträt trägt daher eindeutig heroisierende Züge. Dennoch: in unseren Augen wirkt es martialisch, bedrohlich. Der „moderne Krieger“ dagegen ist mehr: bizarr, irrational, verrückt.

Die Zeit der Helden ist vorbei.

Doch noch immer wird das Kriegshandwerk ausgeübt. Seit Jahren wütet der Krieg am Golf. Nur der Indochina-Krieg brachte seit 1945 größere Zerstörungen und Opfer. Dieser Krieg wird von der Öffentlichkeit kaum registriert, auch die Friedensbewegung ignoriert das grausame Schlachten. Auch sie denkt noch den Linien dar alten weltpolitischen Spannungsfelder entlang: da sie sich mit keiner Seite identifizieren kann und der Sache fern hinten in der Türkei mit „bloßer Moral“ nicht beizukommen scheint, wird sie verdrängt. Doch die Kontrahenten können nur durch massive Waffenimporte auch Made in Germany ihr Treiben fortsetzen. Wer die Profiteure des Rüstungsexports im eigenen Hause fördert, sollte sich nicht als Friedensstifter aufspielen. Erst recht fatal wird es, wenn die „Schlichtung“ mit dem Aufmarsch einer gewaltigen Streitmacht verbunden ist. Die jüngsten Aktivitäten der US-Armada im Golf sind nicht dazu angetan, die Region zu befrieden. Angst muß machen, wie sich hier am Exempel einer „regionalen Konfliktlösung“ die Irrationalität einer angeblich kontrollierten Eskalation durchsetzt: die Grundlagen der scheinbar rationalen Eskalationskontrolle sind brüchig.

Die Einigung zwischen Shultz und Shewardnadse über die Verschrottung der Mittelstreckenraketen schien zu verheißen, daß wir ruhigeren Zeiten entgegen gehen. Mit welchen Imponderabilien die künftige Entwicklung belastet ist, zeigt nicht nur das sukzessive Aufschaukeln des Golfkrieges. Das Börsendesaster am 19.10. - dem „schwarzen Montag“, mag reparabel sein, doch die Kassandrarufe überkommende Wirtschaftskrisen sind unüberhörbar. Von den ökologischen Problemen nicht zu reden. Und vor allem: die Suche nach immer raffinierteren Werkzeugen des Todes und der Zerstörung geht ungebrochen weiter. In den nächsten Jahren steht eine ganz neue „Waffengeneration“ ins Haus.

In diesem Heft ist viel von Abrüstung die Rede. Was uns nicht daran hindert, das Bild des modernen Kriegers voranzustellen.

Er ist noch lange nicht im Museum.

Ihr Paul Schäfer

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1987/4 1987-4, Seite