W&F 2017/2

Eine Welt ohne Chemiewaffen?

Herausforderungen für das CWÜ

von Mirko Himmel, Gesine Rempp und Volkmar Vill

Seit 20 Jahren sind Chemiewaffen verboten, aufgrund ihrer Wirkung unterliegt ihr Einsatz schon viel länger einem völkerrechtlichen Verbot. Dennoch macht der Einsatz von chemischen Stoffen nicht nur bei Attentaten, sondern auch im Krieg bis heute immer wieder Schlagzeilen. Dabei ist es oft schwierig, eine bestimmte Konfliktpartei zur ­Schuldigen zu erklären. Aufgrund der Verwendbarkeit vieler einschlägiger Substanzen für zivile Zwecke ist außerdem eine eindeutige Einstufung als verboten nicht opportun. Dennoch ist das Chemiewaffenübereinkommen ein taugliches Instrument gegen chemische Kriegsführung – und Wissenschaftler*innen können unmittelbar zur Stärkung des Vertragsregimes beitragen.

Im Juli 2017 wird einer weiteren Eskalation der chemischen Kriegsführung während des Ersten Weltkriegs zu gedenken sein: Vor hundert Jahren, in der Nacht vom 12. zum 13. Juli 1917, wurde bei Ypern durch deutsche Truppen erstmals Senfgas (S-Lost) eingesetzt. Das als Hautkampfstoff eingesetzte Schwefel-Lost (benannt nach den deutschen Chemikern Lommel und Steinkopf) erwies sich als sehr potent und wurde rasch in die Chemiewaffenarsenale vieler Staaten aufgenommen.

Chemiewaffeneinsätze in der Vergangenheit

Berichte über den Einsatz giftiger Stoffe bei kriegerischen Auseinandersetzungen sind seit dem Altertum überliefert.1 Die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen im 19. Jahrhundert ermöglichten neben den überwiegend friedlichen auch neue militärische Anwendungen. Der Erste Weltkrieg (1914-1918) stellt eine Zäsur dar, weil hier erstmals chemische Waffen massenhaft eingesetzt wurden und sich ein chemisches Wettrüsten entfaltete. Weitere chemische Kampfstoffe ergänzten die Waffenarsenale der Großmächte, und auch die Zwischenkriegszeit war geprägt vom Einsatz chemischer Waffen, z.B. durch Spanien in Marokko gegen die Riff-Kabylen, durch Italien im Abessinienkrieg und durch Japan in China. Dennoch einigten sich die Staaten nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Genfer Protokoll von 1925 auf ein Verbot des Ersteinsatzes chemischer und biologischer Waffen im Kriege. Vorbereitungen auf eine chemische Kriegsführung waren aber nicht explizit verboten, sodass auch diese Vereinbarung das chemische Wettrüsten nicht verhindern konnte. Als Folge hielten die Konfliktparteien des Zweiten Weltkriegs große Chemiewaffenbestände in Reserve, die jedoch in Europa nicht zum Einsatz kamen. Umfangreiche Chemiewaffenprogramme vor allem in den USA und der Sowjetunion führten während des Kalten Krieges dazu, dass zehntausende Tonnen hochtoxischer Chemikalien für Waffenzwecke produziert und gelagert wurden.

Abrüstung und Rüstungs­kontrolle chemischer Waffen

Nachdem es der internationalen Staatengemeinschaft weder in der Zwischenkriegszeit noch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen war, sich auf die vollständige Abrüstung biologischer und chemischer Waffen zu einigen, wurde in den 1960er Jahren ein neuer Versuch im Rahmen der Genfer UN-Konferenz für Abrüstung gestartet. Aus politischen, aber auch militärischen Überlegungen wurden die Abrüstungsbemühungen für diese beiden Waffenkategorien später getrennt verhandelt, und 1975 konnte zunächst das Biowaffenübereinkommen (BWÜ) in Kraft treten. Das BWÜ ist insofern ein erfolgreicher Vertrag, als es eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen unter Verbot stellt, wenn ihm auch ein eklatanter Mangel anhaftet, da bis heute kein Überprüfungsmechanismus vorgesehen ist.2 Dieser Umstand schwächt das Biowaffenverbot – ein Fehler, der bei den ab 1984 durchgeführten Verhandlungen zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) glücklicherweise vermieden wurde.

Das CWÜ wurde am 13. Januar 1993 zur Zeichnung aufgelegt, und bereits während der Unterzeichnungskonferenz in Paris setzten 130 Staaten ihre Unterschrift unter den Vertrag – ein für einen internationalen Rüstungskontrollvertrag bis dahin einmaliges Zeichen der Unterstützung. Am 29. April 1997 trat das CWÜ in Kraft, und mit Stand vom 17. Oktober 2015 gehören dem Vertrag 192 Staaten an.3 Bisher nicht beigetreten sind neben kleineren Inselstaaten Ägypten, Israel, Nordkorea und Südsudan; Israel ist seit 1993 Signatarstaat, hat die Konvention aber noch nicht ratifiziert.

Das CWÜ verbietet die Entwicklung, Produktion, Lagerung und den Einsatz chemischer Waffen und zielt auf die restlose Vernichtung vorhandener Chemiewaffenbestände ab. Zudem gibt es Vorgaben für die Regulierung des Handelsverkehrs mit bestimmten, potenziell waffenfähigen Chemikalien. Zur Umsetzung des CWÜ wurde die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) mit Sitz in den Haag gegründet. Für die bisher geleistete Arbeit bei der Abrüstung chemischer Waffen erhielt die OVCW 2013 den Friedensnobelpreis.

Mit dem CWÜ verpflichten sich die Vertragsstaaten, chemische Waffen weder zu entwickeln, herzustellen, zu handeln, zu lagern oder einzusetzen. Als »chemische Waffe« werden im CWÜ Chemikalien bezeichnet, die durch ihre chemische Wirkung auf die Lebensvorgänge den Tod, eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit oder einen Dauerschaden bei Mensch oder Tier herbeiführen können. Somit ist jeder Einsatz einer giftigen Chemikalie zu kriegerischen Zwecken verboten. Anwendungen für »nicht verbotene Zwecke« sind der friedliche Einsatz der Chemie, z.B. in der Arzneimittel-, Pestizid- oder Düngemittelproduktion oder für Forschungszwecke. Ebenfalls nicht verboten sind defensive Aktivitäten zum Schutz vor chemischen Kampfstoffen. Konkrete Stoffe werden im Anhang benannt, welcher drei Chemikalienlisten enthält. Diese sind jeweils in die Kategorien »A. Toxische Chemikalien« und »B. Ausgangsstoffe« untergegliedert. Die Einteilung richtet sich hierbei nach der rüstungskontrollpolitischen und industriellen Bedeutung dieser Substanzen und nicht nach dem tatsächlichen Gefährdungspotential oder der Schadwirkung. Liste 1 enthält Sub­stanzen mit sehr hohem Risikopotenzial, aber ohne oder mit geringem zivilen Nutzen. Liste 2 weist Substanzen aus, die in geringen Mengen für nicht verbotene Zwecke produziert werden, aber aus Sicht des CWÜ ein signifikantes Risiko darstellen, während Liste 3 risikobehaftete Substanzen mit vielfältigem Nutzen umfasst, die auch in größeren Mengen produziert werden können.

Das CWÜ setzt auf ein umfangreiches Kontrollsystem durch jährliche Deklarationen der Vertragsstaaten, Routineinspektionen von Produktionsstätten sowie kurzfristig ansetzbare Verdachtsinspektionen. Chemiebetriebe müssen daher Produktionsmengen und Umgang mit den gelisteten Substanzen der OVCW regelmäßig melden. Diese Meldungen sind eine entscheidende Basis für das vertraglich verbindliche Verifikationsregime und dienen auch Nichtverbreitungsmaßnahmen, wie der Exportkontrolle. Hier setzt auch die Arbeit der »Australischen Gruppe« an, einem informellen Zusammenschluss von aktuell 41 Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union, die durch gemeinsame Absprachen und Standards bei der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit potenziellem Mehrfachverwendungszweck (Dual-use-Güter) einer Verbreitung von biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen bestmöglich entgegenwirken. Die Handbücher und Kontrolllisten zur Erfassung relevanter Handelsgüter sind dabei eine wertvolle Hilfe.

Allerdings besteht eine wesentliche Einschränkung für die umfassende Analyse von Daten aus Handelsbewegungen oder auch aus wissenschaftlichen Veröffentlichung: Trotz verschiedener Ansätze zur Benennung chemischer Stoffe fehlt eine einheitliche Beschreibung chemischer Substanzen mit potenziell doppeltem Verwendungszweck. Zwar existiert das so genannte CAS-Registrierungsnummernsystem,4 aber die Australische Gruppe vermerkt hierzu: „CAS-Nummern können nicht in jedem Fall als einziges Identifizierungskriterium angewendet werden, da verschiedene Formen einer erfassten Chemikalie verschiedene CAS-Nummern haben und Mischungen, die eine erfasste Chemikalie enthalten, ebenfalls verschiedene CAS-Nummern haben können.“ 5 Es fehlt also ein vereinheitlichter Identifikator für die Zwecke der Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung chemischer Waffen. In der Praxis wird das durch den chemischen Sachverstand und das Erfahrungswissen der Export- und Rüstungskontrollexperten ausgeglichen. Es ist naheliegend – und in der Vergangenheit wiederholt durch staatliche Akteure geschehen –, mit Verschleierungstaktiken die genannten Exportkontroll- und Verifikationsmaßnahmen gezielt zu unterwandern.

Aktueller Stand der Abrüstung chemischer Waffen

In ihrem aktuellen Bericht zur Implementierung des CWÜ vom November 2016 gibt die OVCW den Bestand an seit Inkrafttreten der CWÜ gemeldeten Chemiewaffen und Vorprodukten mit 72.525,092 t an, deklariert durch sieben Vertragsstaaten (Albanien, Libyen, Indien, Südkorea,6 Syrien, Russland, USA).7 Im Berichtszeitraum waren zehn Einrichtungen zur Vernichtung chemischer Waffen in Betrieb: eine in Libyen, fünf in den USA und vier in Russland. Insgesamt wurden bereits 65.737,447 t (90,6 %) der deklarierten Chemiewaffenbestände vernichtet. Die größten Bestände sind in Russland (ca. 40.000 t; ca. 80 % bereits vernichtet) und den USA (ca. 28.600 t, ca. 90 % vernichtet) zu finden. Syrien deklarierte 2013 ca. 1.300 t im Zuge des Beitritts zum CWÜ (100 % vernichtet). Im Irak befinden sich noch nicht näher bezifferte Mengen an Altbeständen nicht mehr einsatzfähiger chemischer Waffen in versiegelten Bunkern, deren Entsorgung aus Sicherheitsgründen zur Zeit nicht möglich ist (diese Bestände wurden in der aktuellen Meldung der OVCW daher auch nicht berücksichtigt). Libyen hat bereits alle Liste-1-Chemikalien vernichtet; die Entsorgung der deklarierten Vorprodukte soll 2017 mit internationaler Unterstützung bei der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten (GEKA mbH, Munster, Niedersachsen) erfolgen. In dieser Anlage wurden auch schon die Restchemikalien aus der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen erfolgreich entsorgt.

Aktuelle Bedrohungen durch Chemiewaffen

Die aktuell immer noch vorhandenen, aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Chemiewaffenbestände Russlands und der USA sollen bis 2023 vollständig vernichtet sein. Während diese Bestände unter staatlicher und internationaler Kontrolle stehen und ihre Abrüstung in absehbarer Zeit erfolgen soll, bilden sich in anderen Regionen der Welt neue chemische Bedrohungspotentiale heraus.

Seit 2012 gab es wiederholt Meldungen über den Einsatz chemischer Kampfstoffe im syrischen Bürgerkrieg, mit wechselseitigen Schuldzuweisungen. Dies war umso bedrohlicher, weil davon ausgegangen werden musste, dass Syrien über die größten Chemiewaffenbestände in der Region verfügte. Wohl aufgrund der zunehmend bedrohlicheren militärischen Lage der syrischen Regierung eskalierte der Einsatz chemischer Waffen gegen die eigene Bevölkerung; so wurde 2013 offenbar mehrfach der Nervenkampfstoff Sarin eingesetzt. Die meisten Todesopfer forderte ein Angriff am 21. August 2013 auf Ghuta im Osten von Damaskus – die Zahlenangaben schwanken zwischen 300 und 1.700 Toten. Unter massivem, auch militärischem, Druck vor allem seitens der USA trat Syrien zum 14. Oktober 2013 dem Chemiewaffenübereinkommen bei. Damit ist Syrien dem Chemiewaffenverbot verpflichtet. Nach durch den Bürgerkrieg bedingten Verzögerungen wurde 2014 die vollständige Vernichtung der deklarierten syrischen Chemiewaffenbestände bekannt gegeben. Allerdings traten wiederholt Unstimmigkeiten in den syrischen Meldungen an die OVCW auf, sodass Zweifel bestehen, ob wirklich sämtliche syrischen Chemiewaffen vernichtet wurden.

Äußerst besorgniserregend sind Einsätze von Chlorgas als chemische Waffe, auch nachdem Syrien dem CWÜ beigetreten war. Chlor als Basischemikalie wird so vielfältig genutzt, dass es in den Anhängen zum CWÜ nicht explizit als Chemiewaffe benannt ist, Produktion und Handel daher auch nicht kontrolliert werden. Die Ziele, aber insbesondere die Art der Ausbringung des Chlorgases durch aus Armeehubschraubern abgeworfene Fassbomben, legen die Urheberschaft der syrischen Regierung nahe. Dies wurde wiederholt bestritten, gilt laut Bericht einer gemeinsamen Untersuchungsmission (fact-finding mission) der Vereinten Nationen und der OVCW aber zumindest für einige ausgewählte Fälle inzwischen als erwiesen.8 Diese Mission hatte auch Vorfälle bestätigt, bei denen der »Islamische Staat« in Syrien Angriffe mit chemischen Kampfstoffen, u.a. mit S-Lost, durchgeführt hatte.

Im September 2016 berichtete Amnesty International über angebliche Chemiewaffenangriffe durch Regierungstruppen in der Darfur-Region im Sudan. Von Januar bis September 2016 seien wiederholt unbekannte chemische Stoffe gegen die Bevölkerung eingesetzt worden.9 Die sudanesische Regierung widerspricht dieser Darstellung vehement. Die OVCW erklärte in einer Stellungnahme vom 29. September 2016, dass gegenwärtig nicht genügend Informationen und Beweismittel vorliegen, um eine Aussage zu den Vorwürfen treffen zu können.

Kürzlich geriet zudem der Nervenkampfstoff VX erneut in die Schlagzeilen, als am 13. Februar 2017 auf dem Flughafen von Kuala Lumpur in Malaysia ein Giftattentat auf Kim Jong-nam, dem im Exil lebenden Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, verübt wurde.10 Die malaysischen Behörden beschuldigen Nordkorea, hinter dem Attentat zu stecken, was von der Regierung aber abgestritten wird. Über Nordkorea, das nicht Mitglied im CWÜ ist, wurde wiederholt berichtet, es verfüge angeblich über große Bestände an VX und weiteren Chemiekampfstoffen.11

Beitrag der Wissenschaft zur Stärkung des CWÜ

In der Vergangenheit trugen Wissenschaftler*innen entscheidend zur Entwicklung chemischer Waffen bei,12 aber gleichermaßen gibt es Möglichkeiten, aus den Wissenschaften heraus einen aktiven Beitrag zur Abrüstung und Nichtverbreitung chemischer Waffen zu leisten. Dies gilt aktuell insbesondere für die Bewertung von Handelsbewegungen bisher nicht durch die Stofflisten des CWÜ oder der Australischen Gruppe erfasster Chemikalien.

Hier kann eine an der Universität Hamburg im Arbeitskreis von Professor Volkmar Vill entwickelte umfassende chemische Stoffdatenbank, die mithilfe objektorientierter Programmierung die Implementierung einschlägiger Verbotsnormen, Gesetze und Verordnungen konsequent berücksichtigt, einen entscheidenden Beitrag liefern. Die Eingabemaske zur Datenbank erkennt anhand der hinterlegten Stoffdefinitionen nicht nur eine mögliche Zuordnung zum CWÜ, sondern auch analoge Strukturen mit ähnlichem Gefährdungspotenzial, für die das System zudem teilweise auch toxikologische Einstufungen vornimmt. Das ist umso wichtiger, weil einige Chemiekampfstoffe auch Dual-use-Güter sind, da sie neben dem Einsatz als Chemiewaffe auch einen zivilen Nutzen haben können, z.B. als Arzneimittel (Beispiel N-Lost). Aus Sicht der Rüstungskontrolle bzw. Nichtverbreitung chemischer Waffen kann mithilfe der Datenbank einem Versuch, die Regelungen des CWÜ gezielt zu umgehen, begegnet werden.

Auch aus wissenschaftlichen und Sicherheitsgründen ist das relevant, denn Derivate potenziell hochtoxischer Chemikalien können so schon vorab identifiziert werden, noch bevor entsprechende chemische Synthesen im Labor erfolgen. Das System erkennt automatisch die im CWÜ regulierte Substanzen, auch wenn sie einzeln nicht explizit in den Anhängen genannt werden (Abb. 1), und gibt Hinweise zur Einstufung sowie grundlegende Gefahrenhinweise aus. Außerdem sind in der Datenbank bereits die durch das Scientific Advisory Board der OVCW vorgeschlagenen erweiterten Stoffinterpretation von isotopenmarkierten Stoffen und isomeren Formen13 umgesetzt und teilweise auch schon eine Erkennung strukturell ähnlicher, nicht regulierter Stoffe programmiert. Gerade im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit in der Rüstungskontrolle chemischer Waffen könnte ein zuverlässiger, von allen Vertragsstaaten anerkannter Algorithmus zur Erkennung und Zuordnung hochtoxischer Verbindungen eine objektive Ergänzung zu Expertenmeinungen sein, die auch weniger speziell ausgebildeten Personen eine schnelle und standardisierte Stoffbewertung ermöglicht.

Ausblick

Mit der eindeutigen Verbotsnorm im Rücken und einer funktionierenden internationalen Organisation zur Umsetzung des Vertrages als Unterstützung kann das CWÜ durchaus als erfolgreicher Abrüstungs- und Rüstungskontrollvertrag angesehen werden. Daher ist es entscheidend, jede potenzielle Schwächung des CWÜ wirkungsvoll zu unterbinden: Auch Wissenschaftler*innen sollen und müssen aktiv werden, um das Chemiewaffenverbot weiter aufrecht zu halten und zu stärken, denn am Ende dürfte dieses Vertragswerk das beste Instrument gegen die chemische Kriegsführung sein.14

Anmerkungen

1) Martinetz, D. (1996):Vom Giftpfeil zum Chemiewaffenverbot. Frankfurt am Main: Harri Deutsch Thun.

2) Himmel, M. (2016): Das Biowaffenübereinkommen – Fit für die Zukunft? W&F 3-2016, S. 42-45.

3) Eine Liste der Vertragsstaaten des CWÜ wird durch die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW, engl. Organization for the Prevention of Chemical Weapons/OPCW) auf ihrer Website opcw.org sowie unter der Dokumentnummer S/1315/2015 bereitgestellt.

4) CAS steht für Chemical Abstracts Service. Das CAS Registry wird von der American Chemical Society geführt und listet die verfügbaren Informationen zu nahezu 130 Millionen Sub­stanzen auf.

5) Hinweise zur Ausfuhrkontrollliste der Australischen Gruppe; zu finden unter australiagroup.net.

6) Südkorea besteht darauf, in offiziellen Berichten nicht namentlich erwähnt zu werden, und wird daher als »ein Vertragsstaat« bezeichnet.

7) Bericht der OVCW an die Staatenkonferenz zum CWÜ vom 30. November 2016; Dokumentnr. C-21/4.

8) Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (2016): Third report of the Organization for the Prohibition of Chemical Weapons – United Nations Joint Investigative Mechanism; Dokumentnr. S/2016/738.

9) Bericht der Organisation Amnesty International vom September 2016, Indexnummer AFR 54/4877/2016.

10) Siehe z.B.: Verdächtige nach Tod von Kim Jong Nam wegen Mordes angeklagt. ZEIT Online, 1. März 2017.

11) Länderreport zu Nordkorea der Nuclear Threat Initiative vom Dezember 2015; siehe nti.org.

12) Siehe dazu: Wöhrle, D. und Thiemann W.: Der Chemiker Fritz Haber. Anerkannte Wissenschaft – und Etablierung eines Massenvernichtungsmittels. W&F 1-2011, S. 45-49.

13) Bericht des Scientific Advisory Board der OVCW (2016): Response to the Director-General’s Request to the Scientific Advisory Board to Provide Further Advice on Scheduled Chemicals. Dokumentnr. SAB-23/WP.1.

14) Während der Freigabe dieses Artikels wird aus Syrien berichtet, am 4. April 2017 sei erneut eine von Rebellen gehaltene Ortschaft mit einem Nervenkampfstoff angegriffen worden und es seien mindestens 70 zivile Todesopfer zu beklagen – eine erneute Eskalation des Chemiewaffeneinsatzes in diesem Konflikt.


Mirko Himmel ist Biochemiker und arbeitet gegenwärtig am Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg zu Fragen der präventiven Rüstungskontrolle biologischer und chemischer Waffen.
Professor Volkmar Vill ist Chemiker und Physiker und hat im Fachbereich Organische Chemie der Universität Hamburg ein Datenbanksystem zur vereinheitlichten Stofferkennung und Bewertung etabliert, das auch für die Rüstungskontrolle chemischer Waffen geeignet ist.
Gesine Rempp ist Chemikerin und entwickelt im Arbeitskreis Vill datenbankengestützte Informationssysteme für die chemische Anlagensicherheit.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2017/2 Flucht und Konflikt, Seite 52–55