Es stand in W&F
Sanktionen effektiv gestalten?
Auf europäischer Ebene wird derzeit die Harmonisierung der Durchsetzung von Sanktionsregimen vorangetrieben. In diesem Zusammenhang soll im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens eine EU-Richtlinie mit Mindestvorschriften verabschiedet werden. Dass es im Sinne einer Normdurchsetzung sei, Sanktionsregime möglichst breit aufzustellen und nicht unilateral zu verhängen, es aber gleichzeitig auf mehr als eine harmonisierte Sanktionsdefinition ankomme, das betonten Autor*innen in W&F zur Frage der Sanktionen schon mehrfach: Christine Schweitzer und Helmut Lohrer in W&F 4/2019, Melanie Hussak und Sascha Werthes in W&F 2/2022 und Julia Grauvogel und Christian von Soest in der vorliegenden Ausgabe, ab S. 24.
Das Ringen um autonome Waffen(-systeme)
Derzeit drohen die Verhandlungen zu einem Abkommen über sogenannte »Killer-Roboter« im Rahmen der UN zu scheitern. Immerhin bekräftigte zuletzt die Bundesregierung, dass für Waffensysteme mit autonomen Funktionen stets ein Rahmen menschlicher Kontrolle sichergestellt sein müsse. Hintergrundinformationen zum Autonomiestatus von Waffensystemen und den Auswirkungen auf bewaffnete Konflikte bieten das W&F Heft 4/2018 » Kriegsführung 4.0« sowie das Dossier 90 (»Autonome Waffensysteme – auf dem Vormarsch?«) und das Dossier 93 (»Künstliche Intelligenz zieht in den Krieg«).
Pazifikstrategie wird fortgesetzt
Die von der vorausgegangenen Bundesregierung festgelegten Leitlinien zum Indopazifik (2020) sollen auch unter der Ampel-Koalition weiter Bestand haben. Die Bundesregierung will ihr Engagement in dieser Region sichtbar erhöhen. Zur zunehmenden geopolitischen Zuspitzung und Aufrüstung des südchinesischen Meeres und der Straße von Taiwan schrieb in W&F zuletzt Uwe Hoering in W&F 4/2021: Mare Nostrum, ab S. 22.
Berliner Notizen
Anmerkungen aus dem Politikbetrieb
Enquete-Kommission zu Afghanistan
Am 19. September 2022 wurde die Expert*innenkommission zur Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes konstituiert. Der Vorsitzende Michael Müller formulierte die Aufgabe der Kommission darin, „die Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik und insbesondere den ,Vernetzten Ansatz‘, ausgehend vom 20-jährigen Afghanistan-Einsatz, zu analysieren.“ Eine besondere Bedeutung komme dabei den unabhängigen Sachverständigen zu. Explizites Ziel sei es, die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas erklärte anlässlich der Konstitution der Kommission, dass die Existenz sowohl des Untersuchungsausschusses (siehe unten) als auch der neuen Enquete-Kommission unterstreiche, wie ernst der Bundestag seine Verantwortung gegenüber der Bundeswehr als Parlamentsarmee nehme. Dem Gremium gehören als sachverständige Mitglieder unter anderem Anna Geis (Universität der Bundeswehr Hamburg), Hans-Joachim Gießmann (Berghof Foundation), Michael Lüders (Deutsch-Arabische Gesellschaft), Carlo Masala (Universität der Bundeswehr München), Katja Mielke (BICC) und Ursula Schröder (IFSH) an. Bislang tagte das Gremium ausschließlich in nicht öffentlichen Sitzungen. Das Gremium blickt auf zwei intensive Jahre Arbeit voraus, so der Vorsitzende Müller.
Untersuchungsausschuss zu Afghanistan: erste Erkenntnisse.
Parallel zur Enquetekommission tagt auch der 1. Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Abzugs aus Afghanistan. Bei den Unterrichtungen und Zeugenaussagen vor dem Ausschuss wurde immer wieder sichtbar, dass es gravierende Fehleinschätzungen und eine Unterschätzung der Eskalationsdynamik auf politischer Ebene gab. Auf die diversen Warnungen aus den Ministerien heraus, aus der Forschung, der Zivilgesellschaft und auch aus dem Militär, dass es ein tatsächliches Vorhaben der Taliban sei, Afghanistan in der Fläche zu erobern und dies auch überraschend »breit« gelänge, wurde nicht oder zu spät reagiert. Dazu haben aber offenbar auch fehlerhafte Szenarien beigetragen, die in militärischen Lageberichten auftauchten – vor allem die Einschätzung, ein Regimewechsel würde bis zu 24 Monate dauern. Der hierzu geladene Zeuge aus dem BMVg führte aus, die afghanische Armee hätte damals nach dem Wissen der NATO knapp 300.000 Personen gezählt, daher wäre nicht absehbar gewesen, dass sie so schnell auseinanderfallen könnte. Die Wahrscheinlichkeiten hätten sie von der NATO übernommen. Auf die Frage, ob die letzte Zustimmung des Bundestages zur Weiterführung des Bundeswehreinsatzes fehlerhaft gewesen sei, antwortete der geladene Experte Markus Kaim (SWP): Einiges sei übersehen worden – so sei kurz davor bekannt geworden, dass die afghanische Armee nicht 280.000 Soldat*innen, wie bis dahin angenommen, sondern nur 150.000 hatte. Damit widersprach er der Lageanalyse des BMVg. Die Anhörungen des Untersuchungsausschusses werden fortgesetzt.
Verlängerter »Anti-IS«-Einsatz im Irak
Auf Antrag der Bundesregierung beschloss der Bundestag Ende Oktober die fortgesetzte Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz gegen den „Islamischen Staat“ (IS) im Irak (20/3818). Die Mission wird im bisherigen Umfang fortgesetzt. Dies sei aus Sicht der Bundesregierung notwendig, da der bewaffnete Angriff der Terrororganisation IS weiterhin andauere. Es bleibe im deutschen Interesse, ein Wiedererstarken des IS und in Folge auch eine erneute Destabilisierung des Iraks zu verhindern. Die »Fortschritte« im Kampf gegen den Islamischen Staat beschreibt die Bundesregierung im Überprüfungsbericht der Mission (20/3885). Demnach sei beim Aufbau der irakischen Streitkräfte eine „zunehmende Befähigung“ erreicht worden. Als wichtigen Beitrag hebt die Bundesregierung unter anderem das durch Deutschland bereitgestellte, bodengebundene Luftraumüberwachungsradar hervor, das aber erkennbar nur wenig mit dem beschriebenen Einsatz gegen den IS zu tun hat. Weitere Schwerpunkte des deutschen Engagements seien unter anderem die zivil-militärische Koordination in Erbil im Nordirak im Sinne des vernetzten Ansatzes, Polizeiaufbau und Rückkehrförderung im Nordirak – ebenso keine IS-bezogenen Aktivitäten.