Eurofighter – Starterlaubnis verweigern!
von Michael Brzoska
Im Frühjahr 1997 soll nun endgültig über die Beschaffung von 180 Eurofighter-Kampfflugzeugen für die Luftwaffe entschieden werden. So hat es Verteidigungsminister Rühe angekündigt. Nach vielen Verzögerungen und grünem Licht für eine Beschaffung in den drei anderen beteiligten Ländern Großbritannien, Italien und Spanien ist der Beschluß überfällig. Jedes weitere Hinausschieben einer Entscheidung kostet weitere Millionen.
Der Verteidigungsminister geht davon aus, eine Mehrheit für die Beschaffung im Bundestag zu haben, wenn auch möglicherweise nur unter Einrechnung von SPD-Fraktionsmitgliedern, die gegen die Parteilinie stimmen. Aber so richtig beliebt ist das Flugzeug bei den meisten Bonner Entscheidungsträgern nicht. Natürlich mit einigen wichtigen Ausnahmen: Schließlich dürfte bei einem Beschaffungsumsatz von mindestens 25 Milliarden DM eine gute Milliarde Gewinn für die Industrie abfallen, vor allem für den Hauptauftragnehmer Daimler Benz Aerospace AG (DASA). Auch die Masse der Arbeitsplätze, egal ob es nun 18.000 sind, wie von der Industrielobby behauptet, oder eher 12.000, wie von unabhängigen Experten errechnet, entsteht bei der DASA und zwar, um genau zu sein, in bayerischen Werken der DASA. Die DASA hat ihren Flugzeugbau weitgehend regional getrennt: Ziviles im Norden, militärisches im CSU-Land Bayern. Nicht umsonst soll das Finanzministerium, unter CSU-Chef Waigel, eine Milliarde für den Eurofighter aus eigenen Töpfen beisteuern.
Aber selbst die starke bayerische Militärflugzeuglobby kann eine solche Beschaffung nicht allein durchdrücken. Wenn der Eurofighter kommen sollte, so liegt das vor allem daran, daß in diesem Projekt vielfältige Interessen gebündelt sind und es eine starke Eigendynamik entfaltet. Wenn ein Riesenprojekt wie der Eurofighter – Gesamtbeschaffungsvolumen für die vier beteiligten Länder etwa 125 Milliarden DM – einmal begonnen worden ist, können es nur starke finanzielle oder politische Argumente stoppen. Das Ende des Ost-West-Konfliktes hat beim Eurofighter nicht gereicht. Ob die akute Wirtschaftskrise und Haushaltsebbe reichen wird, ist fraglich.
Theoretisch könnte jetzt, wo die Entwicklung des Flugzeuges dem Ende zugeht und es um den Beginn der Produktion geht, noch einmal grundsätzlich über das Flugzeug diskutiert werden. Die Kosten der Beschaffung und des Betriebs der Flugzeuge durch die Bundesluftwaffe – nach Schätzung des Bundesrechnungshofs mehr als 100 Milliarden DM in den nächsten vier Jahrzehnten – könnten dem erwarteten Nutzen – Abschreckung möglicher Gegner im Osten und Süden der NATO, Einsatz bei Out-of-area-Einsätzen – gegenübergestellt werden. Bürger und Parlament könnten entscheiden, ob die absehbare Sicherheitslage wirklich erfordert, daß jeder deutsche Einkommenssteuerzahler im Durchschnitt fast 3.000 DM zum Kauf und Betrieb eines Jagdflugzeuges beisteuert, während gleichzeitig die Sozialbudgets zusammengestrichen werden.
Bei nüchterner Betrachtung stellt sich schnell heraus, daß die Argumente für den Eurofighter schwach sind. Beispiel Sicherheitspolitik: angesichts der jetzigen Sicherheitslage in Europa kann ein Jagdflugzeug keine Priorität haben – die NATO ist schon hoch überlegen und wird diese Überlegenheit auch ohne deutsche Eurofighter noch steigern. Darüber hinaus: In den neuen Kostenschätzungen für die NATO-Erweiterung wird davon ausgegangen, daß es in absehbarer Zeit keine Bedrohung aus dem Osten gibt. Beispiel Wirtschafts- und Technologiepolitik: Langfristig hat der eigenständige militärische Flugzeugbau in Deutschland keine Zukunft angesichts der Größenordnungen, die die Konkurrenz in den USA, aber auch in Großbritannien und Frankreich erreicht hat. Es ist offensichtlich, daß der zivile Flugzeugbau weitaus bessere Chancen hat. Mehr Arbeitsplätze könnten beschafft und zukunftsträchtigere Technologien entwickelt werden, wenn das Geld nicht für den Eurofighter, sondern etwa für ein neues Großraumflugzeug oder unweltschonende Flugzeugantriebe ausgegeben würde. Das gilt natürlich auch für andere Innovationsfelder, etwa die Solartechnologie.
Die vernünftige Lösung ist der Verzicht auf den Eurofighter. Die Haushaltslage verbietet die Festlegung von weit über 20 Milliarden DM für ein Jagdflugzeug. Das Geld kann anders sinnvoller eingesetzt werden, um Beschäftigung zu sichern. Die jetzt begonnenen Verhandlungen über eine Revision des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa erlauben es überdies, mit diesem Verzicht Abrüstungsschritte in anderen Staaten zu verbinden.
Soweit die Theorie. In der politischen Praxis hat die Vernunft es schwer gegen Lobbyisten, die die klare Sicht auf die Fakten vernebeln, und Argumente, die bei genauerem Hinsehen keine sind. Und sie hat es schwer, weil am Verfahren schon länger Beteiligte an ihren früheren Entscheidungen festhalten wollen. Denn sonst drohen denjenigen, die die frühere Fehlinvestition zu verantworten haben, unangenehme Fragen.
Um so wichtiger ist es, die Diskussion um den Eurofighter auf der Grundlage von Argumenten zu führen und nicht unter dem Zwang früherer Entscheidungen. Und sich nicht mit einer abermaligen Verschiebung abspeisen zu lassen, sondern auf dem Verzicht der Beschaffung zum jetzigen Zeitpunkt zu bestehen.
Michael Brzoska ist stellvertretender Leiter des Bonner Konversionsinstituts (BICC)