W&F 2019/2

Europäische Friedensvisionen retten

Jahrestagung der Plattform ZKB, 29.-31. März 2029, Bad Boll

von Melanie Bleil

Nur wenige Monate vor der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 beschäftigte sich am letzten Märzwochenende die Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung mit den Friedensvisionen der europäischen Zivilgesellschaften. Zusammen mit Gästen aus Österreich, Kroatien, Großbritannien und Deutschland diskutierten die Teilnehmenden unter dem Titel »Wie sind die Europäischen Friedensvisionen noch zu retten? Herausforderungen für die europäische Zivilgesellschaft« über die Herausforderungen, vor denen die einzelnen Zivilgesellschaften in ihren Ländern stehen und wie dabei Friedensvisionen im Kleinen und Großen verwirklicht werden können.

Bereits zu Beginn der Tagung warnte der österreichische Politikwissenschaftler Dr. Thomas Roithner vor einer Verengung des Diskurses auf die geographischen Grenzen der Europäischen Union. Europa habe mehrere Institutionen, die eine friedliche Konfliktlösung unterstützen könnten, seien es die OSZE, der Europarat oder die Vereinten Nationen. Ein besonders wertvoller Erfahrungsschatz sind ebenso die zivilgesellschaftlichen und institutionellen Ansätze, die während des Kalten Kriegs erfolgreich waren, wie etwa der »Harmelprozess« der NATO oder die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die mit ihren Dialogformen und vertrauensbildenden Maßnahmen zu einer Entschärfung der Konflikte beitrugen. Diese Erfolge nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist eine generationsübergreifende Aufgabe. Die Diskussion griff auch Maßnahmen für die Zukunft auf. So wurden neben unterschiedlichen Systemen der Entscheidungsfindung die Vision eines europäischen Grundeinkommens diskutiert, um friedliche und demokratische Gesellschaften in Europa zu fördern.

Die Europäische Union stand im Fokus der Auseinandersetzung um die europäische Friedensvision. Analysiert wurden Initiativen wie der Europäischen Verteidigungsfonds oder die Veränderungen in der Gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik, die sich unter anderem in dem überwiegend militärischen Charakter der EU-Auslandseinsätze und einer Aufrüstung der EU widerspiegeln. Dabei waren sich die Teilnehmenden einig, dass diesen Entwicklungen eine konsequente Friedenslogik entgegenzusetzen ist. Als besonders eklatant wurde die Diskrepanz zwischen den Werten der EU und den wirtschaftlichen und geopolitischen Machtinteressen wahrgenommen. Auch dies führe dazu, dass es derzeit innerhalb der EU eine Rückbesinnung auf nationale Diskurse und Identitäten gebe, die sich in der Ablehnung von Migration und in rechtspopulistischen Meinungen gegen das »Friedensprojekt Europa« ausdrücke, so die Teilnehmenden. Barbara Lochbihler, außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, kommentierte in ihrem Vortrag diese Differenz zwischen Werten und aktuellen Entwicklungen folgendermaßen: „Bei der Gründung der EU hat niemand vorausgesehen, dass sich die Mitgliedsstaaten hinter das Regelwerk zurückentwickeln.“

Aus den Berichten der europäischen Tagungsgäste ging hervor, dass es trotz unterschiedlicher Situationen in den Ländern auch gemeinsame Trends gibt: Die Verschärfung der sozialen Ungleichheit nimmt zu, Sicherheitsnarrative verändern sich, und das Misstrauen gegenüber Institutionen wächst. Auf diese Herausforderungen gilt es auch in Zukunft europäische Lösungen zu finden. Die Idee eines »Europas von unten«, das sich auf starke europäische Zivilgesellschaften stützt, betonte Dion van den Berg, Senior Politikberater bei der niederländischen Nichtregierungsorganisation PAX. Hier kommt auch der zivilen Konfliktbearbeitung eine Schlüsselrolle zu. Durch den Aufbau von Netzwerken, vertrauensvollen Beziehungen und ziviler Krisenprävention können zivilgesellschaftliche Akteure den Wandel hin zu einem friedlichen Europa anstoßen. Die gegenseitige Unterstützung von europäischen Partnern ist dabei ein wichtiges Element. Nicht nur verschafft es Organisationen Anerkennung und Bedeutung in ihren lokalen bzw. nationalen Kontexten, auch der Blick von außen trägt zu einer selbstkritischen Reflektion der eigenen Verortung von Positionen und Erwartungen bei.

Das Thema Frieden in Europa wird viele Mitglieder der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und auch die Plattform selbst weiterhin begleiten. Mit der Idee, Europa aktiv mitzugestalten – sei es, indem man Menschen mobilisiert, wählen zu gehen, oder sich über die eigenen Grenzen hinweg vernetzt, stützt und austauscht –, endete die Tagung.

Melanie Bleil

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2019/2 Partizipation – Basis für den Frieden, Seite 48–49