W&F 2004/3

Folterknechte

von Jürgen Nieth

Nachdem von den Kriegsbegründungen der USA gegen den Irak nichts mehr übriggeblieben war, spielte die Beseitigung des Diktators und Folterknechts Saddam in der US-Propaganda eine Hauptrolle. Doch dann die Bilder aus Abu Ghraib: Folternde US-Soldaten und -Söldner. Einzeltäter oder System?

Versprechen und Wirklichkeit

„Die Vereinigten Staaten fühlen sich dem Ziel verpflichtet, die Folter weltweit abzuschaffen, und wir gehen in diesem Kampf mit gutem Beispiel voran. Ich rufe alle Regierungen auf, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und allen dem Recht verpflichteten Staaten sämtliche Folterhandlungen zu verbieten, zu ermitteln und zu verfolgen und alles zu tun, um andere grausame und anormale Bestrafungsmethoden zu unterbinden.“ (George W. Bush, The Washington Post, 27. Juni 2003)

Zu diesem Zeitpunkt wurden über 600 Häftlinge in Guantánamo unter menschenunwürdigen Bedingungen von den USA gefangen gehalten.

Die Glacéhandschuhe abgelegt

In Guantánamo wurden die Techniken getestet, die im besetzten Irak angewandt wurden, schreibt Le Monde diplomatic (11.06.04). Die Zeitschrift zitiert u. a. einen Wachoffizier aus Guantánamo mit den Worten:“Wenn du nicht ab und zu die Menschenrechte verletzt, machst du deinen Job nicht richtig,“ und den Leiter des CIA-Zentrums für Terrorbekämpfung, Cofer Black: „Es gibt ein Vor und ein Nach-dem-11.-September. Nach dem 11. September haben wir (bei der Behandlung der Gefangenen) die Glacéhandschuhe abgelegt.“

Chronologie des Folterskandals in Abu Ghraib

Die Folterungen in Abu Ghraib waren den Regierenden längst bekannt und sie waren kein »Zufall«. Das unterstreicht die in der Frankfurter Rundschau (12.05.04) veröffentlichte Chronologie:

„04.Aug. 2003: Die ersten Iraker kommen in das renovierte Gefängnis Abu Ghraib, das zuvor Saddam Hussein als Folterzentrum diente …
31. Aug.: Generalmajor Geoffrey D. Miller, Leiter des Gefängnisses Guantánamo, kommt nach Irak, um zu prüfen, auf welchem Wege schneller verwertbare Resultate bei Verhören erlangt werden können. Miller fordert ein spezielles Training für eine »Bewachungstruppe«, die die »Bedingungen für erfolgreiche Befragungen der Häftlinge/Internierten« schaffen soll …
Zwischen September und Oktober, sagen der Folter beschuldigte Militärpolizisten, hätten sie mündliche Anweisungen vom Militärischen Geheimdienst erhalten, Gefangene so »vorzubereiten«, dass sie in den folgenden Verhören reden.
17. Okt.: Das erste der bisher bekannten Folterbilder wird gemacht …
19. Nov.: Der Militärische Geheimdienst übernimmt die Leitung des Gefängnisses.
13. Jan. 2004: Ein Militärpolizist berichtet dem kriminalpolizeilichen Dienst der Armee anonym von den Misshandlungen. Dieser beginnt am nächsten Tag seine Ermittlungen. Am selben Tag soll Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach Medienberichten erstmals informiert worden sein, der Ende des Monats oder Anfang Februar auch den Präsidenten unterrichtet.
16. Jan.: Das US-Zentralkommando kündigt die Untersuchung der Vorwürfe an …
3. März: (Generalmajor) Taguba übergibt seinen geheimen Bericht über Fälle von Folter und ungesetzliche Verhörmethoden …
28. April: CBS sendet erstmals Bilder von den Misshandlungen. Der Beitrag war auf Bitten der US-Militärs zwei Wochen verschoben worden …
30.: Die Streitkräfte teilen mit, dass Guantánamo-Kommandant Miller die Gefängnisse im Irak leitet.“

Nach Veröffentlichung der Folter-Fotos wurde versucht die Schuld Einzelnen zuzuweisen. Eine These, die von Anfang an wenig glaubwürdig war. Jetzt belegen Dokumente, dass Folter angeordnet wurde.

US-Oberbefehlshaber billigte »extreme« Verhöre

Die US-Zeitung Washington Post berichtete am 13. Juni, der Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen im Irak, Ricardo Sanchez, habe persönlich Verhörmethoden gebilligt, wie die Bedrohung der Häftlinge mit Hunden, Schlafentzug und Langzeitisolation. Die Zeitung beruft sich auf ihr vorliegende Dokumente. Danach habe Sanchez im September 2003 insgesamt 32 Methoden ausgewählt, die zuvor in Guantánamo angewendet worden seien. Einige davon seien im Oktober – nachdem sie von Offizieren im US-Zentralkommando abgelehnt worden seien – gestrichen worden. Erlaubt blieben der Zeitung zufolge, Isolationshaft bis zu 30 Tagen, nur Wasser und Brot zur Ernährung, Hunde zur Einschüchterung, Gefangene extremen Temperaturen auszusetzen, Gefangene bis zu 45 Minuten in äußerst unbequeme Positionen zu zwingen. Sanchez habe diese Methoden erst untersagt, als die Folterbilder um die Welt gingen (zitiert nach Frankfurter Rundschau 14.06.04).

Folter-Aufarbeitung

Die schlichteste Idee präsentierte der US-Präsident selbst, als der Skandal nicht mehr zu vertuschen war. Nach dem Moto, wenn es den Tatort nicht mehr gibt, erinnert auch nichts mehr an die Taten, wollte er das Gefängnis Abu Ghraib abreißen lassen. Doch das geht selbst dem mit den Folterprozessen befassten US-Militärrichter, Oberst James Pohl, zu weit. Er „erklärte die Haftanstalt Abu Ghraib zu einem Tatort und untersagte damit den Abriss.“ (FR 22.06.04)

Etwas geschickter ist da schon der Versuch, die Rechtslage zu beugen. Die FAZ (09.06.04) schreibt dazu: „In einem internen Rechtsgutachten für das Weiße Haus und das Pentagon vom März 2003 wird die Ansicht vertreten, Präsident George W. Bush werde im Krieg gegen den Terrorismus weder durch internationale Verträge noch durch amerikanische Gesetze davon abgehalten, bei Verhören von mutmaßlichen Terroristen die Anwendung von Folter zu erlauben … Die Verfassungsrechte des Präsidenten im Krieg gegen den Terrorismus seien im Vergleich zum Folterverbot das höhere Rechtsgut.“

Folgt nach der Blockade zahlreicher internationaler Verträge, der Nichtakzeptanz des Internationalen Strafgerichtshofs usw. jetzt die offene Missachtung der Menschenrechte?

Folterverbot ist zwingend

Die Antifolter-Konvention der UN von 1984 ist eindeutig: „Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg … oder ein sonstiger öffentlicher Notstand dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden.“

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2004/3 Ziviler Widerstand, Seite