W&F 2000/3

Forschung für den Markt

Zur Fusion von GMD und FhG

von Wolf Göhring

GMD und FhG fusionieren, verkündete Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung, am 29. September letzten Jahres. Staatssekretär Dr. Uwe Thomas (SPD), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der GMD, äußerte bereits vorher die Vermutung, dass diese Nachricht wie eine Bombe einschlagen werde. Die Sprache von Thomas erinnert – wohl unbedacht – an die militärische Tradition der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung e. V. , die ihren Sitz in München hat und aus 47 Instituten besteht. Die 1949 gegründete FhG übernahm u.a. auch Institute der Militärtechnik aus der Nazizeit. 1999 verwendete die FhG 140 Millionen DM oder fast 10 % ihres Haushalts für Militärforschung und Kriegsvorbereitung (FAZ am 18. 4. 2000).
Die GMD, die in die FhG überführt werden soll, entstand 1968 als Großforschungseinrichtung, damals Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH, heute GMD Forschungszentrum Informationstechnik GmbH genannt. Sie ging aus einem Institut an der Bonner Universität hervor. Und hat bisher keine Militärforschung betrieben. Gegründet haben die GMD der Bund (90% Anteile) und Nordrhein-Westfalen. Heute sind auch Berlin und Hessen Gesellschafter. Die 8 Institute der GMD liegen in Sankt Augustin, Berlin und Darmstadt. Sie zählt 1.450 Beschäftigte, die FhG 9.000, davon 1.200 im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik.
Begründet wird die Fusion beider Unternehmen mit einer besseren Orientierung auf den Markt. Wolf Göhring befürchtet, dass damit auch die GMD in die Militärforschung einbezogen wird und die Orientierung am Markt zu Lasten der Grundlagenforschung geht.

Die Belegschaft forderte 1974, dass die GMD „ausschließlich friedlichen Zwecken dienen“ solle. Den daraufhin gefundenen modus vivendi wollte der jetzige Staatssekretär Thomas, damals Referent im Forschungsministerium, bereits Anfang der 80er-Jahre aufheben: Die GMD sollte sich der Entwicklung „intelligenter Minen“ widmen, die an der Grenze zur DDR vergraben werden sollten. Die GMD lehnte ab und fand später dafür auch in der Politik Verständnis. Anke Brunn (SPD), langjährige Forschungsministerin in NRW, bekräftigte, dass Militärforschung Ressortforschung des Bundes und als solche auszuweisen sei, eine Grundfinanzierung käme dafür nicht in Frage. Auch die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium Cornelia Yzer (CDU) äußerte 1996: „Die wissenschaftliche Arbeit der vom Bund geförderten deutschen Großforschungszentren dient schon immer ausschließlich friedlichen Zwecken.“1

Das Fraunhofermodell als Subventionsmodell?

Die Versuche, die GMD zu »fraunhoferisieren« gehen bis 1973 zurück. Damals sah der Bundesrechnungshof in der GMD „eine Bundesanstalt für Datenverarbeitung“, die den Bundesbehörden Entwicklungsarbeiten abnehmen sollte. Das hätte das Aus für die Forschung bedeutet. Das Forschungsministerium hielt mit einem Modell dagegen, bei dem sich die GMD wie die FhG finanzieren sollte: je ein Drittel Grundfinanzierung, öffentliche Projekt- und Industriemittel. Entsprechend dem »Erfolg«, Industriemittel einzuwerben, sollte die Grundfinanzierung steigen oder fallen mit dem Ziel, „den Personalbestand zu dynamisieren“.

Dieses Modell wurde in der GMD nicht durchgesetzt, aber – sogar weiter gehend – in der FhG, die heute 40 % ihrer Mittel in industrieller Auftragsforschung hereinholen soll. Die FhG operiert so produktnah, dass häufig nur noch kurzfristig entwickelt oder Service für die Entwicklungslabors der Industrie oder Beratung geboten wird, wie er von anderen Consulting-Firmen und Ingenieurbüros auch zu haben ist. Die Grundfinanzierung ermöglicht der FhG eine hervorragende technische Ausstattung, mit der am freien Markt operierende Unternehmen bedrängt werden. Manche Landesregierung hält dieses für Wirtschaftsförderung. Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass die Grundfinanzierung in die direkte Subventionierung der Industrieaufträge fließt. Steuerrechtlich – Gemeinnützigkeit und Prozentsatz der Umsatzsteuer seien als Stichworte genannt – und wettbewerbsrechtlich – national und europäisch – wirft dies erhebliche Probleme auf. Auch strafrechtlich kann es bedeutsam werden, wie staatsanwaltliche Besuche bei der FhG zeigten. Der Kompromiss, den die etwa 700 (deutschen) Mitglieder der FhG – Personen, Unternehmen, Verbände, die Bundesländer und der Bund – in dieser Hinsicht geschlossen haben, muss nicht von Dauer sein, vor allem wenn er europäischen Interessen widerspricht.

Der Umsatz der FhG belief sich 1999 auf etwas über 1,4 Milliarden DM, darunter 620 Millionen an Grundfinanzierung, zu der der Bund 468 Mio. DM beisteuerte; die Länder beteiligten sich mit 25%. „Die Gesamtaufwendungen der Fraunhofer-Gesellschaft 1998 betrugen rund 1,3 Milliarden DM, davon 1,1 Milliarden im Leistungsbereich Vertragsforschung. Hier erwirtschaftete sie etwa zwei Drittel aus Aufträgen der Industrie und aus öffentlich finanzierten Forschungsprojekten.“ Die Vertragsforschung ist nach dieser Angabe im Web zu einem Drittel – etwa 400 Millionen DM – auf Grundfinanzierung angewiesen. Einem Diagramm im Web über die »Finanzierung der Vertragsforschung« der FhG von 1979 bis 1997 liest man für 1997 eine Vertragsforschung in Höhe von knapp 1,1 Milliarden DM ab, bestehend aus öffentlichen Projektmitteln und sonstigen Erträgen mit rund 300 Mio., aus Auftragsfinanzierung der Wirtschaft mit 350 Mio. und aus Grundfinanzierung mit etwa 430 Mio. DM. Häufig sind öffentliche Projekte unterfinanziert, so dass Grundfinanzierung hineinfließt. Selbst wenn nochmals der gleiche Betrag – nämlich 300 Mio. DM – aufzuwenden wäre, blieben 130 Mio. DM an Grundfinanzierung, die nach diesen Angaben als Subvention der Vertragsforschung mit der Wirtschaft verstanden werden können.

Zum Vergleich: Die GMD erhält rund 120 Millionen DM an Grundfinanzierung, darunter 12 Mio. (= 10%) von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin. Mit weiteren 60 Mio. Drittmitteln, das meiste davon deutsche oder europäische Projektfördermittel, die sie in Kooperation mit anderen deutschen und europäischen Forschungsinstituten und Unternehmen einwirbt, hat sie einen Jahresumsatz von gut 180 Mio. DM. Industriemittel sind nur ein geringer Teil ihrer Einnahmen. Bei einer Fusion hätten die GMD-Institute die industrielle Auftragsforschung in einem umkämpften Markt von etwa 15 Mio. DM auf etwa 60 Mio. DM hochzufahren.

Aus für die informationstechnische Grundlagenforschung?

„Mit der Zusammenführung wird eine Stärkung und Konzentration der staatlich geförderten Forschung in der Informations- und Kommunikationstechnik erzielt. (…) Es ist das Ziel der Bundesregierung, Deutschland in eine europaweite Spitzenposition in der Informationsgesellschaft zu bringen. Damit tragen wir dazu bei, nachhaltig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Deswegen sollen Kompetenzen beider Einrichtungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik gebündelt und Synergien durch eine gemeinsame strategische Ausrichtung sowie eine enge Verzahnung der Institute ermöglicht werden.“ (Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF vom 29.9.1999)

Diese Absichten von Frau Bulmahn sind mit der Fusion nicht zu verwirklichen. Grundlagenforschung, auch angewandte, ist in der FhG kaum bezahlbar. Forschungsergebnisse müssen erst in die FhG transferiert werden, wenn sie dort genutzt werden sollen. Die bereits 1973 einsetzenden Beiträge der GMD zum Internet wären in der FhG so nicht möglich gewesen. Es gibt weitere ähnliche Beispiele:

Die Institute der FhG – sie umfassen meist über 200 MitarbeiterInnen – operieren als selbständige Profit-Center – auch gegeneinander. Jedes Institut erhält 1 Mio. DM Grundfinanzierung als Basisausstattung. Die Zentrale der FhG genehmigt in dem Maße weitere Grundfinanzierung, wie ein Institut Aufträge aus der Wirtschaft hereinholt. Projektfördermittel der öffentlichen Hand zählen hierbei zunächst nicht. Mittel der EU mit europäischer Kooperation sind verpönt. Würden die GMD-Institute diesen Kriterien unterworfen, so wären sie nach kurzer Zeit Bankrott. Die Hälfte des Personals wäre nicht mehr finanzierbar. Grundlagenforschung, längerfristig angelegte Vorhaben oder solche, die nicht auf kurzfristig vermarktbare Produkte oder Dienstleistungen zielen, müssten eingestellt werden. Internationale Kooperationen, auf EU-Mitteln fußend, wären abzubauen. „Wenn man uns eine Arznei mit solchen Nebenwirkungen verschreibt, dann sagt uns doch einmal, an welcher Krankheit wir eigentlich leiden“, meinte dazu ein Institutsleiter auf einer Betriebsversammlung der GMD.

Privatisierung der Forschung: alle gegen alle

Was jetzt realisiert werden soll, wurde im Kern bereits 1996 von Thomas und Prof. Dr. Max Syrbe, einem früheren Präsidenten der FhG, in einem Papier für die Friedrich-Ebert-Stiftung entwickelt, mit dem Titel: »Forschungsunternehmen statt Forschungsbehörden: Zur Reform der anwendungsorientierten Großforschungseinrichtungen«. Die Autoren unterteilen die Großforschungseinrichtungen in anwendungs- und erkenntnisorientierte. Die erste Gruppe aus DLR, GBF, GKSS, GMD, GSF, HMI, KFA und FZK2, die rund 18.000 Beschäftigte zählt, bezeichnen sie mit GFE-A. Diese stünden im Mittelpunkt öffentlicher Kritik.3 „Diese entzündet sich an dem von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Nutzen der Tätigkeit der GFE-A im Verhältnis zu dem Aufwand4, der überdies im Wesentlichen über den »bequemen« Mechanismus Grundfinanzierung abgedeckt wird. (S. 2) … (Diese) erwies sich immer mehr als Hindernis bei der Anpassung an neue Aufgabenstellungen. (S. 4) … Aus der Sicht der Forschungspolitik werden die teuren GFE-A bei knappen Kassen zunehmend als Klotz am Bein empfunden. … Zu wenig marktnahe Forschung, zu wenig Patente und Übernahme der Ergebnisse durch die Wirtschaft.5 (S. 5) … Die Großforschungseinrichtungen … sind … Behörden. Sie sollten Forschungsunternehmen werden (S. 11). … Institute der GFE-A sollten in der Regel projektorientiert als Institute auf Zeit angelegt werden. Insofern ist eine Annäherung an die Führungsstrukturen der FhG (Institute als Profit Center) wünschenswert. (S. 14) … Wir schlagen vor, einen Forschungsmarkt zu etablieren, in dem die GFE-A miteinander konkurrieren und auch gegen andere öffentliche Forschungseinrichtungen antreten müssen. … Wir wollen, dass die GFE-A im Wettbewerb ihren Platz in den Programmen des BMBF erkämpfen.“ (S. 18) Thomas/Syrbe wollen den Bundesanteil der Grundfinanzierung von 2,2 Milliarden (1995) auf 600 Mio. DM senken und 5 Jahre lang einfrieren. (S.18) „Langfristig … soll die Grundfinanzierung des Bundes bis zu 30 Prozent der Erlöse der GFE-A abdecken. (S. 21)“

Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF Catenhusen (SPD) äußerte im Bundestag: „Im Kern geht es darum, inwieweit sich die GMD über die Jahre hin stärker an Marktentwicklungen und Marktbedürfnissen orientiert. … Auch die Fraunhofer-Gesellschaft betreibt zurzeit Arbeiten, die strategisch und längerfristig orientiert sind. … Strategien werden nicht für eine große Zeitspanne formuliert; auch diese Einrichtung wird sich vielmehr alle drei bis fünf Jahre auf dem Forschungsmarkt neu positionieren müssen.“ Es scheint, als hielte Catenhusen die herumschwirrenden Werbegags der Branche für Innovationen und den auf 3 Jahre im Voraus gerichteten Blick bereits für Strategie. Mit solider Forschung hat das aber nichts zu tun.

Auf Druck von Thomas und Bulmahn erfolgt „die Zusammenführung von FhG und GMD… unter Fortentwicklung und Ergänzung des bestehenden FhG-Modells.“ „Die deutsche Wirtschaft unterstützen“, „Markt und Nachfrage“, „identifizierte Märkte“, „potenzielle Märkte“, „bestehende und neue Märkte“, „zukünftige Märkte“, „Markterschließung“, „Grundlagen für neue Geschäftsfelder“: Das sind die wichtigsten Stichwörter in den dafür entwickelten Eckpunkten.

Die GMD kooperiert in geförderten Projekten mit anderen ForscherInnen und Unternehmen. Die Institute werden regelmäßig evaluiert und die Kommissionen dazu unter Federführung des Bundesforschungsministeriums eingesetzt, was auch für den international besetzten Beirat der GMD gilt. Dieser gibt geachtete Empfehlungen über die Plazierung der GMD im Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik. In diesen Gremien und im Aufsichtsrat ist die Industrie vertreten. Die GMD ist Mitglied im European Research Consortium for Informatics and Mathematics (ERCIM), der mit über 7000 Beschäftigten größten europäischen Forschungsorganisation auf diesem Gebiet. Eine hohe Zahl der WissenschaftlerInnen der GMD tritt jährlich auf internationalen Konferenzen an. Sie publizieren hunderte Artikel in der internationalen Fachpresse. Bei Konzentration auf Auftragsforschung bliebe davon nicht viel, dann bedürften z.B. Publikation und weitergehende Kooperationen der Genehmigung des »Partners«.

Von Rüttgers bis Bulmahn: Technik für die Marktdynamik

Die Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte der Forschungseinrichtungen (AGBR), der auch die Gesamtbetriebsräte der GMD und der FhG angehören, hatte Bulmahns Vorgänger Rüttgers (CDU) bereits 1997 kritisiert: „Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit müssen gleichrangige Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik werden. Volkswirtschaftliche Gesichtspunkte, die auch die gesellschaftlichen und ökologischen Folgeschäden berücksichtigen, müssen eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung ersetzen. Anstelle des immer schärferen internationalen Konkurrenzkampfes um Weltmarktanteile müssen partnerschaftliche Alternativen gefunden werden. Wissenschaft und Forschung als gesellschaftsgestaltende Faktoren brauchen den gesellschaftlichen Dialog. Demokratische Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten müssen geschaffen und die Folgen neuer Techniken abgeschätzt werden. Hierfür sind Mittel bereitzustellen.“
(http://www.helmholtz.de/arbeitsformen/agbr/leitlin.html)

Diese Kritik muss sich auch die heutige Regierung gefallen lassen. Zwar heißt es bei Thomas/Syrbe: „Technische Problemlösungen sind komplizierter geworden, da sie … auch ökologische und soziale Aufgabenstellungen beachten müssen. (S. 5) „Mit Blick auf die Zukunft kommt es jetzt darauf an, … effektiv zum Innovationsprozess in der deutschen Industrie und zur Lösung öffentlicher Probleme im Bereich der Infrastruktur, der Ökologie, des Gesundheitswesens beizutragen.“ (S. 8) Anmerkungen, die heute als Beiwerk erscheinen, denn wenn sich Forschung am Profit orientiert, lässt sich »Nachhaltigkeit« nicht mehr erforschen. Die Technikentwicklung wird dann patriarchalisch orientiert bleiben und unter dem Stichwort »Spitzenposition in Europa« werden sich Machtstrukturen verfestigen.

Symptomatisch ist die Evaluation der FhG. Die Evaluateure, 8 Männer, jeder ein Chef, haben 1998 herausgefunden: „Im Vergleich mit den anderen CROs (Contract Research Organisation im Ausland, W.G.) leidet die FhG als einzige unter dem gravierenden Wettbewerbsnachteil, Führungskräften keine wirtschaftskompatiblen Vergütungen – auch in Verbindung mit einer Flexibilisierung und Befristung von Arbeitsverhältnissen – bieten zu können.“ (Peter Kohlhammer u. a.: Systemevaluierung der Fraunhofer-Gesellschaft: Bericht der Evaluierungskommission, November 1998, S. 29)

Die Kommission war gefragt worden: „Welche technologieorientierten Märkte weisen weltweit und für die deutsche Gewerbliche Wirtschaft die größte Wachstumsdynamik auf? Auf welchen Technologien wird diese Marktdynamik vornehmlich beruhen? … Verfügt die Fraunhofer-Gesellschaft über geeignete Verfahren, Prinzipien und Möglichkeiten, um entsprechend der dynamischen Entwicklung der Märkte für Dienstleistungen und Produkte in Deutschland und weltweit ein ausreichendes und zeitnahes Leistungsspektrum anzubieten?“ (S. 4) „Die Kommission bescheinigt der FhG eine vorrangig auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtete Forschung von internationalem wissenschaftlichen Niveau und hohem volkswirtschaftlichen Nutzen. Wirtschaftlichkeit, Markt- und Ergebnisorientierung sind das Ergebnis des … Modells der erfolgsabhängigen Grundfinanzierung. … Fachliche Flexibilität und finanzielle Stabilität … beruhen nicht zuletzt auf der großen Zahl relativ eigenständig am Markt operierender Institute.“ (S. 6) Die Kommission empfiehlt,die Ausrichtung auf die zukünftigen Anforderungen des Marktes zu verstärken. „Eine nachhaltige Steigerung der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und in ihrer Folge auch der Wirtschaftserträge auf mittelfristig 40 % (bis 2005) erscheint realisierbar und wird empfohlen, sofern die Zuwendungsgeber … die für das wettbewerblich härtere Operieren am Markt erforderlichen Freiräume einräumen.“ (S. 7) „Die (FhG) … fördert die Dynamik der Märkte. … Die Ressourcen zur freien Vorlaufforschung (sind) mit nur rund 20 % des Institutsbudgets stark limitiert. … Die FhG muss deshalb ihr laufendes operationelles Geschäft stark an der aktuellen Nachfrage orientieren.“ (S. 9) „Die FhG sieht eine … Abschwächung bei … konventioneller Wirkungs- und Umweltforschung (vor).“ (S. 10) „Das Technologieportfolio der FhG deckt wesentliche umsatzstarke Märkte im kurz- bis mittelfristigen Bereich hinreichend ab, Defizite werden jedoch in Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnik und insbesondere in den Life Sciences gesehen. … Von den technologischen Durchbrüchen im ersten Jahrzehnt des nächsten Jahrhunderts werden über die Hälfte den Life Sciences6 zugeordnet.“ (S. 11)

Die Kommission äußert sich nicht näher zu den Life Sciences und deren militärischer Bedeutung. Die Motorik von Insekten und deren nervöse Steuerung sollen beispielsweise in spinnenartigen Laufmaschinen und unbemannten Hubschraubern nachgeahmt werden, um Kriegsroboter zu bauen. Mit dem Aufbau der Westeuropäischen Union (WEU) wächst der Bedarf an militärischer Informations- und Kommunikationstechnik. Die FhG wird auf diese Einnahmequelle kaum verzichten, um „Deutschland in eine europaweite Spitzenposition in der Informationsgesellschaft zu bringen“. Für die Beschäftigten bedeutet das dann Geheimhaltungspflicht und Sicherheitsüberprüfungen.

Ein Resümee

Die Fusionsankündigung hat eine Diskussion zur Forschungspolitik provoziert. „Wir wollen nicht nur über neue Medien reden, sondern sie auch zur Kommunikation nutzen. Mir liegt daran, mit Ihnen persönlich die Ziele und Chancen einer Fusion von FhG und GMD zu diskutieren,“ schrieb die Ministerin per E-mail an die MitarbeiterInnen der GMD. Nach über 400 Antworten mahnt sie: „An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Einrichtungen habe ich die nachdrückliche Bitte, die Diskussion wieder dorthin zurückzuverlagern, wo sie hingehört. Nämlich in die Einrichtungen selbst.“ Die Diskussion – Presseartikel, Mitschnitte aus den Medien, über 400 Beiträge aus der GMD, auch eine viel kritisierte Bundestagsrede von Catenhusen (»Man will seine Ruhe behalten.«) – ist unter
http://borneo.gmd.de/~veit/fusion/fusion.html
öffentlich geworden.

Die Diskussion wird weiter geführt, auch im Web. Gelingt die Umstrukturierung der GMD, so ist zu befürchten, dass auch auf die weiteren 16.000 Beschäftigten der Großforschungseinrichtungen A (GFE-A), auf die Max-Planck-Gesellschaft und auf die Institute der Blauen Liste ähnliches zukommt: eine marktradikale Privatisierung der Forschung mit einer nationalistischen Ausrichtung und dem Abbau all dessen, was der kapitalistische Markt nicht finanziert.

Anmerkungen

1) Die angesprochenen Großforschungszentren sind in der Hermann-von-Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) zusammengeschlossen. Die GMD ist Mitglied, die FhG nicht. Bei einer Fusion hätte die GMD aus der HGF auszutreten.

2) Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, Gesellschaft für biologische Forschung, Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt, GMDForschungszentrum Informationstechnik, Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung, Hahn-Meitner-Institut, KFAForschungszentrum Jülich, Forschungszentrum Karlsruhe

3) Thomas/Syrbe verweisen auf »Großforschung völlig untauglich« und »Köpfe statt Konten« von Böndel/Dürand in Wirtschaftswoche, Heft 3 (1995), S.60-66

4) Thomas/Syrbe beziffern die Grundfinanzierung der GFE-A bei einem Gesamthaushalt von 3,0 Milliarden DM im Jahre 1995 auf 2,4 Milliarden.

5) Thomas/Syrbe beziehen sich auf a) Weule, H. u.a.: Zusammenarbeit GFE/Industrie. Mai 1994, b) N. N.: Bewertung der Industrierelevanz staatlich geförderter Forschungseinrichtungen im Bereich der Informationstechnik. ZVEI, Juni 1994 und c) Wissenschaftsrat: Stellungnahme zur Umweltforschung in Deutschland. Köln 1994

6) Webster 1974: a branch of science (as biology, medicine, anthropology, or sociology) that deals with living organisms and life processes.

Dipl. Math. Wolf Göhring arbeitet seit 28 Jahren in der GMD. Über 15 Jahre davon war er Betriebsratsmitglied. Sein erster Job war aber in der FhG. Damals dort vom Verteidigungsministerium bezahlt, machte er sich mit dem Dialog am Bildschirm und »dual use« vertraut.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2000/3 Europa kommt, Seite