W&F 1996/4

Frauen an den »Brand«-Herd?

Kriegsdienst und Gleichberechtigung

von Mechtild Jansen

Links – Rechts, Mann – Frau, Pazifist – Militarist sind Dichotomien, deren Realitätsnähe heute sehr unterschiedlich eingeschätzt wird. Der Umgang mit schematischen Einordnungen bietet jedoch – es sei denn, sie werden als gänzlich überholt angesehen – die Chance, Tendenzen klarer zu erkennen. Mag sein, daß der folgende Beitrag von Mechtild Jansen manchem/mancher LeserIn Mühe macht, weniger weil seine Form für W&F ungewöhnlich ist, als vielmehr, weil Verwicklungen, Widersprüchlichkeiten und Ansprüche thematisiert werden, die unbequem zu reflexieren sind in Zeiten, in denen mit alter Eindeutigkeit auch zukunftsentwickelnde Positionen verloren gegangen sind.

Frauen und die Bundeswehr, Frauen, Männer und das Militär – das Thema ist mythologisch und ein politisches Exempel. Wieder einmal beschäftigt es die Öffentlichkeit, wenn auch ob der momentanen Lage der Dinge nur als Abglanz dramatischerer Augenblicke. Das Lied vom »raus oder rein«, das da gespielt wird, ist schon alt. Das nennenswerte Ereignis liegt allein darin, daß heute die Rechte den Ton der Musik angibt, den sie der Linken abgehört und für ihre Interpretation geklaut hat. Das Blatt hat sich gewendet. Auch die Frauenbewegung übertönt nicht den Gesang. Tonangebend war sie sowieso noch nie, obwohl sie reichlich eigene gute Töne hatte. Aber die Frauen hatten schon mal lauter gesungen als die richtigen Männer. Wenn man die politische Welt des Landes einmal grob aufteilt, so stellt man fest: Die Rechte ist sich treu und treuer und die Linke weiß nicht mehr, wer sie ist.

Die Rechte hat den Frauen immer eine klare Rolle zugewiesen, ihren Teil an einem Ganzen, das auf Tradition und Herrschaft der Oberen basiert. Gebärerin, Mutter, Familienstifterin, Arbeitskraft, Reservearmee – von da aus ließ sich die Frau einsetzen. Und wenn die Frau tat, was man verlangte, hatte sie auch ihren (Vor-)Teil davon. Die Rechte ist sogar mit der Zeit gegangen und hat ihre Rolle modernisiert. Gleichberechtigung und Partnerschaft von zweien, die nicht als dasselbe aufgehen, sondern auch Verschiedenes bleiben, nennt sie das. Dabei übersetzt sich unter der Hand »Recht« in »Wert« und Wert in »Moral«, die vor allem immer dann beansprucht wird, wenn die Verhältnisse nicht so sind, wie sie sein sollen. Die inneren Ungereimtheiten und Widersprüche dieses Modells sind dennoch vergleichweise gering.

Modern ist die Rechte auch in ihrem Militärkonzept. Der Sicherheitsbegriff ist längst umfassend – ökologisch, sozial, politisch und militärisch. Das Instrumentarium wird demgemäß umgebaut, und die Bundeswehr rüstet sich für strategische, chirurgische, flexible und vor allem schnelle Eingriffe an möglichst jedem Ort der Welt. Was fehlt, sind nur noch die ausreichenden Finanzmittel, das qualifizierte (weibliche und männliche) Personal und die öffentliche Billigung für die Verwirklichung und Anwendung dieses militärpolitischen Konzepts.

Die Linke sagt, sie sei für »Gleichberechtigung der Frau«. Sie empfiehlt damit, als Frau zu leben wie ein Mann obendrein. Das aber bedeutet, beide sollen patriarchal leben, was verallgemeinert gar nicht machbar ist und zudem das konterkariert, was sein soll. Die Linke hat die Frauenbewegung bis heute nicht richtig verstanden und sich ihr Anliegen nicht wirklich zu eigen gemacht. Sie hat sich eher nur deren Worten und Forderungen angehängt, um schöner dazustehen.

Die Linke hat auch kein modernes sicherheits- und friedenspolitisches Konzept. »Abrüsten in Ost und West« ist passé, seit kein Ostblock mehr existiert. Das Konzept von »Gegenmacht gegen Macht« für das »ganz andere« und die gute Gesellschaft hat sein realsozialistisches Hinterland verloren und trägt im übrigen so oder so nicht. »Weg mit all dem Schrott« von Militär, diese Idee ist wünschenswert oder auch nur ein frommer Wunsch, jedenfalls kein Weg. Ein oder besser mehrere ausgearbeitete Konzepte für Entmilitarisierung, Deeskalation und zivile Konfliktlösung im Kontext mit gesellschaftlichem Umbau als einer Aufgabe von Dauer hat die Linke als ihr Allgemeingut nicht. Deshalb bleibt der Linken unter dem Strich häufig nur ein hilfloser Pazifismus oder ein Überlaufen zur anderen Seite. Sie verwickelt sich in innere Widersprüche, die die eigene Sache aus dem Lot bringen.

Aus all dem ergibt sich eine paradoxe Situation. Die Gesellschaft ist so unmilitärisch wie kaum je und die regionalen, komplexen, hochdifferenzierten Sicherheitskonflikte oder Kriege laden so wenig zur Intervention ein wie selten. Die Bereitschaft, Notwendigkeit und Überzeugung zum Krieg scheint auf einem historischen Tiefpunkt. Aber die Linke, die die öffentliche Billigung hat, kann diese nicht für sich nutzen. Die Rechte dagegen tut es peu à peu und sehr geschickt. Der Fortschritt ist zur Routine und zum Klischee geworden, so aber kann er nicht mehr tragen.

Völlig logisch kommt da erneut die Diskussion um Frauen in die Bundeswehr auf. Die Frauen sind Seismograph für die Verfassung einer Gesellschaft. Die grundsätzlichen Argumentationsmuster um die Position der Frau wie um die des Militärs sind alt, interessant ist allein ihre Kleidermode und die politischen Gewichtsverlagerungen hinter ihnen.

Die grundsätzlichen Tabus von einst sind längst gebrochen. Die Frau gehört nicht nur an den heimatlichen Herd, sondern auch an alle öffentlichen Herde, bis hin zum Brandherd des Kriegs.

Die Rechte will die Frauen in die Bundeswehr einbeziehen und empört damit niemanden mehr. Man läßt sich öffentlich damit unterhalten, wie die moderne Rechte von heute mit den eigenen Altkonservativen von gestern aufräumt. Die grundsätzlichen Tabus von einst sind längst gebrochen. Die Frau gehört nicht nur an den heimatlichen Herd, sondern auch an alle öffentlichen Herde, bis hin zum Brandherd des Kriegs. Der Krieg gilt wieder als führbar, das Militär ist relegitimiert. Daß Frauen genauso »schlecht« sein können wie Männer, erschreckt dort niemanden besonders, wo der Mensch sowieso eher als »schlecht« angesehen und die Frau im besonderen im heftigen Bilderwechsel zwischen Heiliger und Sünderin im Zweifel allemal als die »schlechtere« gegenüber dem Mann eingeschätzt wird. Die Frauen mischen bei allem fröhlich mit, umso mehr. Die Anhängerinnen der Bundeswehr treten auf als Vorkämpferinnen der Gleichberechtigung. Deren Vorkämpferinnen wiederum sind die Zögerlichen und erscheinen deshalb als die von gestern. Sie wenden ein, daß Frauen immer noch die höheren Lasten tragen, während es doch schon längst um mehr Teilhabe durch größere Unterwerfung geht.

Die Linke, das heißt linke Männer – sofern sie nicht die ganze Sprache verloren haben – empören sich, daß Frauen nun genauso scheußliche Soldaten sein sollen, ja sogar sein wollen, wie Männer. Aber irgendeinen Rat haben sie nicht. Sie verschieben das Problem auf die Frauen. Die feministische Diskussion, deren Analyse umfassender Gewalt bis hinein ins vermeintlich Private und der sich bedingenden Männlichkeits- bzw. Weiblichkeitsmythen, kennen sie immer noch nicht wirklich. Unter den Frauen »protestieren« einige wenige wacker und mit einem bisweilen seltsamen Gemisch von Argumentationen, die sich aus Frauen »als Opfer von Sozialabbau und Krieg« und, gewendet, als Friedensbringerinnen per se zusammensetzen. Diese Frauen haben die linke Lektion zu gut gelernt. Andere wollen munter hinein in die Bundeswehr, der Männlichkeit und Weiblichkeit gleichzeitig den Garaus machen. Die meisten finden allem Anschein nach weder das eine noch das andere sonderlich überzeugend. Die Linke also gibt ein Bild der Verwirrung und Handlungsunfähigkeit.

Ihre klare Antwort auf die Problematik »Frauen und Militär« hatte nur Bestand, solange es hinter und unter dem männlichen Antimilitarismus, der seinem Gegenüber noch spiegelbildlich verhaftet blieb, einen weiblichen Pazifismus gab, der traditionelle Rollenbilder mit sich trug, und beide die männliche bzw. weibliche Friedensbewegung dominierte.Die Frauenfriedensbewegung war dabei ein höchst eigenes Gemisch aus konservativen und partnerschaftsorientierten Frauen und Feministinnen zweier Schulen, einer antipatriarchalen und einer, die die Vielfalt des Menschen betont. Die Enttäuschung über »die Friedensbewegung« und »die Frauenbewegung«, in der pauschalisierenden Quintessenz, ist groß.

Eine laute Diskussion um Gleichberechtigung auf dem Exerzierplatz entflammt, wo dieselbe in der Gesellschaft leise, still und heimlich demontiert wird.

Vor diesem Hintergrund erklären sich Erscheinung und Verlauf der verwirrenden aktuellen Diskussion um das Thema »Frauen in die Bundeswehr – ja oder nein?«, das seltsam verteilte Schweigen und Reden und deren Inhalt. Rechte argumentieren dabei »links« und Linke »rechts«. Es scheint zu schlingern, wer sich schlichtem Pro und Contra verweigert. Frauen in die Bundeswehr, Gleichberechtigung in der Armee – ja oder nein? Die Fragestellung und Argumentationsmuster sind retardierend. Hinsichtlich der Akzeptanz der Bundeswehr sind sie ein »Nachhutgefecht«, bezogen auf die Gleichberechtigung im hier und heute ein »Nebenkriegsschauplatz«.

Merkwürdig ist allenfalls, welche Notfälle sich da gegenseitig aus derPatsche helfen sollen. Junge Männer haben keinen Bock mehr und lassen die Bundeswehr leerlaufen. Junge Frauen haben dagegen noch richtig Power und finden keinen Platz, sie auszutoben. Eine laute Diskussion um Gleichberechtigung auf dem Exerzierplatz entflammt, wo dieselbe in der Gesellschaft leise, still und heimlich demontiert wird.

Zwei Positionen lassen die Sache – trotz mangelnder Originalität – für manche reflexartig spannend erscheinen, eben weil mit ihnen die gewohnten Einteilungsmuster durchbrochen werden. LobbyistInnen der Bundeswehr fechten gegen das Traditionsmilitär und deren zurückgebliebenes Frauenbild und Feministinnen wenden ihre Patriarchatskritik gegen linken Antimilitarismus. Die Debatte wäre schnell zu den Akten zu legen, wären nicht doch noch neue Anstöße aus ihr herauszuschälen.

Diskriminiert werden Frauen im Militär noch mehr als außerhalb. Die sich trotzdem durchsetzen, schaffen es nur als gesteigerter Mann.

Taucht das Wort »Frau« auf, läßt – im Kontext der Bundeswehr anders als bei schöpferischer Arbeit, Geld und Macht – das Wort Gleichberechtigung nie auf sich warten. Ersatzobjekt, Trick oder Überzeugung? Jedenfalls sind Zweifel angebracht, wo Gleichberechtigung angedient und nachgetragen wird. Selten steht noch zur Debatte, worin und wofür da wer mit wem gleichberechtigt sein soll und ob die Sache selbst gleichberechtigt funktionieren kann. Stattdessen wird Gleichstellung als Gleichberechtigung untergejubelt. Nicht jede Gleichstellung endet aber schon in Gleichberechtigung, die ihrem Wesen nach unteilbar ist. Sachlich bemessen darf die Metapher bislang fast ausschließlich als Vorwand und Instrumentalisierung qualifiziert werden.

Die Armeen funktionieren nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Noch keine Regierung oder Parlamentsfraktion hat quantitativ die hälftige Beteiligung und qualitativ den gleichen Kombatantenstatus für Frauen gefordert. Frauen sind Minderheiten in den Armeen. Ihre freiwilligen Dienste schließen Lücken, die Männer lassen. Diese »Chance« wird erfahrungsgemäß meist von den Deprivilegiertesten oder den Aufstiegsseligsten wahrgenommen. Diskriminiert werden Frauen im Militär noch mehr als außerhalb. Die sich trotzdem durchsetzen, schaffen es nur als gesteigerter Mann. Gleiche Aufstiegschancen müssen sie sich im Zweifel vor Gericht erkämpfen, nachdem ihnen die Gleichstellungspolitik dazu die Chance überhaupt erst eröffnet hat.

Alles wie überall im Patriarchat, nur halt seine letzte Domäne? Oder noch mehr, eine andere Systematik? Zieht die Soldatinnen militärtechnische Macht und Stärke oder Demokratie und Emanzipation an? Jedenfalls haben sich Frauen im Militär bisher nicht als »Speerspitze« des Feminismus ausgezeichnet, eher als dessen Troß oder Nutznießerinnen.

Das Argument der Gleichberechtigung fungierte bislang vor allem als Hilfsargument zur Bejahung des Militärs. Es können aber auch die zu ihm stehen, die der Bundeswehr Positives so oder so zubilligen: Aus Überzeugung vom Sinn von Armeen, von dieser Bundeswehr und ihren Militärstrategien; als unvermeidbares Übel oder schlichte Realität, von denen niemand abgehalten werden soll; als Tabubruch gegen das offizielle Waffenverbot für Frauen, das ausschließt vom Können und der Macht auch zum Töten; im Glauben, Frauen humanisierten qua Natur das Militär, aus der Erkenntnis, daß polare Geschlechterbilder – männliche Stärke und weibliche Schwäche, Beschützer und Beschützte – selbst Bestandteil des Militarismus sind, und sie zu dementieren ihn schwächt.

Unter dem Aspekt der Gleichberechtigung gab es gegen die Einbeziehung von Frauen in die Bundeswehr nie ein Argument, außer daß Militär und Militarismus mit Gleichberechtigung und Emanzipation nicht viel zu tun hatten. Die Frage lautet deshalb, ob Gleichberechtigung das Militär verändern kann oder das Militär die Gleichberechtigung. Wer Militärapperate für teuer, unproduktiv, gefährlich oder gar überflüssig hält, sollte sie minimieren. Wer den Einsatz von Gewaltmitteln zum Töten und Besiegen möglichst ausschließen will, sollte entmilitarisieren. Wer »Out of area«-Einsätze nicht sinnvoll findet, braucht nicht unbedingt Frauen noch hinterherzuschicken. Wer die »Natur der Frau« nicht umgedreht mythologisieren will, sollte Männer ihre humanen Potentiale entfalten lassen. Wer Machttabus brechen will, sollte Friedenspolitikerinnen zu Regierungschefs machen. Wer polare Geschlechtermuster abschaffen, zugleich neue Überlegen- und Unterlegenheits-Muster vermeiden will, muß auch ihre Institutionen umwandeln. Wer auf den Zusammenhang von Hierarchie und Spaltung zwischen den Geschlechtern, zwischen personaler, kultureller, struktureller und militärischer Gewalt pochen will, muß alle diese Gewaltverhältnisse zurücknehmen und für allgemeine Gleichberechtigung sorgen. Andernfalls wird mensch hinnehmen müssen, daß Frauen im Militär nicht den Effekt haben, dieses einzuschläfern, sondern zu beleben.

Mit einem bestimmten Quantum Frau funktioniert heute fast alles besser als ohne sie: Klima, Organisation, Disziplin, Motivation etc., während gleichzeitig soziale Spaltung, politische Regression und verdeckte Handelskriege wachsen. Vorsorglich wäre deshalb das Ziel der Gleichberechtigung auf das Militär selbst anzuwenden. Es müßte ihr dienen und so gestaltet werden, daß es das vermag. Notwendigerweise würde es dann als Militär transformiert und als Exekutionsmaschine von Gewalt demobilisiert. In diesem Fall würde Gleichberechtigung mit der Entmilitarisierung der männlichen Soldaten beginnen.

Wer Männer aus der Wehrpflicht nicht herausholt, kann die Bundeswehr Frauen nicht verweigern. Wer zivile Konfliktlösung nicht verwirklicht, kann Frauen keinen Waffenstatus und Generalstab versagen. Wer gleiche Menschenrechte nicht zu realisieren sucht, kann Frauen nicht verwehren, zu befehlen oder zu gehorchen. Die zeitgemäße Frage heißt: Mit welcher demilitarisierten Sicherheitspolitik in welcher konvertierten »Armee« können oder müssen Frauen und Männer welchen demokratischen Dienst tun, um gewaltträchtige oder -tätige Konflikte zu deeskalieren und friedlich zu lösen? Wünschenswert wäre eine neue Diskussion etwa über defensive Umrüstung, zivile Konfliktlösung, Berufsarmee auf Zeit, einen Grunddienst für alle in Selbstverteidigung, im Schutz Angegriffener und Unterstützung zur Selbsthilfe, in der Sorge für Alte, Kinder, Kranke. Das wäre eine neue Sicherheitspolitik und mehr und tiefere Gleichberechtigung.

Mechtild Jansen arbeitet als freie Publizistin

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1996/4 Weltweit im Kommen: Die neue Bundeswehr, Seite