W&F 1992/2

Fremdenhaß in Deutschland

Einige Anmerkungen aus sozialpsychologischer Perspektive

von Forschungsgruppe: Konflikte zwischen Gruppen

Die Anzahl feindseliger und gewalttätiger Straftaten gegen Ausländer hat in der letzten Zeit erheblich zugenommen. Das Spektrum der Straftaten erstreckt sich von Beleidigungen über anonyme und offene Drohungen bis hin zu massiven tätlichen Angriffen. Täter sind meist Jugendliche, die Opfer gegenwärtig überwiegend Asylbewerber. Der festzustellende Zuwachs von Asylbewerbern wird in einem Atemzug mit den gegenwärtigen ökonomischen Schwierigkeiten infolge der Wiedervereinigung diskutiert. Zugleich wird auf die Höhe des Ausländeranteils an der Bevölkerung verwiesen. Beide Überlegungen zusammen führen bei vielen zu der Ansicht, daß das »Boot voll« sei und weitere Asylbewerber nicht mehr aufgenommen werden sollten.

Außerdem erscheint dieser Personenkreis besonders geeignet, zum stellvertretenden Opfer einer generellen Abneigung und Feindseligkeit gegenüber Ausländern zu werden. Dieser Gruppe werden in besonderem Maße alle die Merkmale zugeschrieben, auf die zur Rechtfertigung der Ablehnung von Ausländern immer schon verwiesen wurde. Dabei werden die kulturelle Andersartigkeit sowie der Vorwurf mangelnder Eingliederungsbereitschaft und Rücksichtnahme auf deutsche Lebensgewohnheiten betont. Es herrscht weitgehende Unkenntnis über die um Asyl nachsuchenden Personen und deren Schicksal. Zugleich haben die Asylbewerber im Gegensatz zu anderen Ausländergruppen kaum Gelegenheit, die positiven Seiten ihrer Kultur zu vermitteln. Daher besteht die Gefahr, daß ihre offensichtliche Andersartigkeit nicht nur als Minderwertigkeit sondern auch als unkontrollierbare Bedrohung erlebt wird.

Die Ereignisse von Hoyerswerda im neuen Bundesland Sachsen werden gern als Markstein der neuen Ausländerfeindlichkeit herausgestellt. Hoyerswerda sollte jedoch nicht dazu verleiten, Ausländerfeindlichkeit als Spezifikum der neuen Bundesländer anzusehen. Neuere Umfragen zeigen, daß ein hoher Prozentsatz auch der Westdeutschen zumindest Verständnis für das Handeln rechtsextremer Gruppen hat. Ausländerfeindlichkeit ist weder typisch ostdeutsch noch ein neuartiges Phänomen in der neuen BRD; auffällig sind jedoch die zunehmende Bereitschaft zu offener Feindseligkeit und die Intensität der Ausschreitungen.

Gängige Erklärungsmuster für Ausländerfeindlichkeit

Die vielfach in den Medien angebotenen Erklärungen für die Gewalttätigkeiten junger Deutscher gegenüber Asylbewerbern betonen entweder individuelle Besonderheiten oder aber die sozioökonomischen Lebensbedingungen der Täter. Im ersten Fall werden die Täter als verwirrte, seelisch schwer gestörte Personen dargestellt, die aus zerrütteten familiären Verhältnissen stammen. Im zweiten Fall wird vornehmlich auf die Jugendarbeitslosigkeit, die Wohnungsmisere und auf politische Orientierungsverluste verwiesen.

Beide Erklärungen können jedoch nicht zufriedenstellen. Weder sind alle arbeitslosen Jugendlichen ausländerfeindlich eingestellt, noch lassen sich soziale Phänomene auf individuelle Verwirrungen, Pathologien oder sonstige psychische Defizite reduzieren. Eine befriedigende Erklärung kann weder auf den sozialen noch auf den individuellen Aspekt verzichten, sondern muß beide Aspekte sinnvoll miteinander verknüpfen.

Wie Geschichte und Gegenwart zeigen, kommt es vornehmlich in Phasen sozialer Unsicherheit zum Ausbruch offener Feindseligkeiten. Diese sind in der Gesellschaft latent im Sinne sozialer Vorurteile bereits vorher angelegt. Sie zeigen sich unter stabilen Verhältnissen nur gelegentlich in vereinzelten Fällen von Gewalttätigkeit. Die jüngsten Erfahrungen lehren uns aber auch, daß offensichtlich nur ganz bestimmte Personenkreise, vor nehmlich Jugendliche aus unteren sozialen Schichten, eine gesteigerte Bereitschaft zu aktiv gewalttätigem Handeln gegenüber Ausländern zeigen. Nicht zufällig sind es meist genau Angehörige dieser Schichten, die von sozialen Unsicherheiten ganz besonders betroffen sind. Somit sind es nicht notwendigerweise kranke Personen, die Gewalt gegen Ausländer verüben.

Fremdenhaß kann auch bei psychisch durchaus gesunden Menschen auftreten.

Ein sozialpsychologisches Erklärungsmodell

Welche Faktoren sind es nun, die gegenwärtig einzelne oder Gruppen von Personen dazu bewegen, offene Feindseligkeiten und Aggressionen gegenüber Ausländern zu zeigen?

Die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten einzelner Personen oder Gruppen hängt vor allem von subjektiven Wahrnehmungen, Bewertungen und Entscheidungen ab, die vor dem Hintergrund gegebener sozialer Überzeugungen (z.B. Vorurteile), objektiver Lebensbedingungen (z.B. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot) und persönlicher Merkmale (z.B. Aggressivität, Impulsivität) erfolgen. Diese drei Faktoren existieren zunächst unabhängig von Anfeindungen und Aggression; sie beeinflussen jedoch allesamt die subjektiven Einschätzungen, die jeder Gewaltanwendung vorausgehen. Dieses Erklärungsmodell geht somit weder davon aus, daß die Hintergrundfaktoren zwingend zu Ausländerfeindlichkeit führen, noch davon, daß sämtliche Einflußgrößen gegeben sein müssen, um aggressives Verhalten auszulösen.

Persönlichkeitsmerkmale einzelner Täter sollen hier nicht weiter erörtert werden. Auf die beiden anderen Hintergrundfaktoren sei kurz eingegangen.

Hintergrundfaktor Vorurteile

Vorurteile stellen Auffassungen über Personengruppen dar, die in jeder Gesellschaft als geteilte Wissensbestände existieren und ihren Mitgliedern argumentativ zur Verfügung stehen. Vorurteile sind Werkzeuge, die das Denken und Handeln der einzelnen anleiten. Sie erleichtern die Wahrnehmung und die Orientierung in der sozialen Umwelt. Auf sie kann auch rechtfertigend Bezug genommen werden. Vor allem aber vermitteln Vorurteile ein meist negativ gefärbtes Bild von einer Gruppe. Sie signalisieren einen gerichteten Handlungsbedarf, der insbesondere in Phasen der Destabilisierung und in Konfliktsituationen akut wird. Vorurteile gegenüber Ausländern sind also nicht Ausdruck krankhaften oder defekten Denkens und sind nicht an tatsächliche Erfahrungen mit dieser Personengruppe gebunden. Sie bestehen vielmehr weitgehend unabhängig von den individuellen Erfahrungen des konkreten einzelnen, seien sie nun positiv oder negativ. In Vorurteilen sind tradierte, negativ gefärbte Vorstellungen und Normen zum Umgang mit Fremden verdichtet, die nun auch auf konkrete Personen in der Gegenwart angewendet werden können. Für die einzelne Person implizieren Vorurteile ein selektives Wissen über eine Personengruppe, eine gefühlsmäßige Ablehnung dieser Gruppe und die Bereitschaft zu solchen Handlungen, die diese Ablehnung gegenüber der gesamten Gruppe oder einzelnen Mitglieder zum Ausdruck bringen.

Hintergrundfaktor sozioökonomische Lage

Vorurteile sind nicht zwingend an einen besonderen sozioökonomischen Status von Personen oder Gruppen gebunden. Die jüngste Vergangenheit zeigt jedoch, daß offene Feindseligkeit und Gewalt vielfach von solchen Personen verübt wird, die sich in ungünstigen sozialen Verhältnissen befinden. Ihre finanzielle Lage ist häufig schlecht, ihr Bildungsniveau meist gering, ihre berufliche Perspektive wenig entwickelt und ihr gesellschaftlicher Status niedrig. Von daher sind ihre Chancen im Streit mit anderen Gruppen um die Teilhabe an den knappen Ressourcen unserer Gesellschaft schlecht. Daraus resultiert Unzufriedenheit und die generelle Bereitschaft, gegen gültige Normen und Wertvorstellungen zu verstoßen.

<>Subjektive Wahrnehmungen, Bewertungen und Entscheidungen<>

Vorurteile und sozioökonomische Lage legen zwar die Bereitschaft zu und die Richtung von Feindseligkeit nahe, führen aber nicht automatisch zu offen aggressivem Verhalten. Feindseliges und gewalttätiges Handeln beruht letztlich vielmehr auf subjektiven Wahr nehmungen, Bewertungen und Entscheidungen, die allerdings wiederum durch Vorurteile und objektive Lebensbedingungen beeinflußt werden. Ziel feindseliger Handlungen sind vornehmlich Gruppen mit vergleichbar schlechtem oder schlechterem Status, die als Konkurrenten wahrgenommen werden.

Die subjektiven Einschätzungen basieren auf dem Bedürfnis von Personen, sich selbst, ihre Situation, ihr Umfeld und ihre Perspektiven in Relation zu anderen Personen positiv zu erleben und von anderen Gruppen der Gesellschaft darin bestätigt zu werden. Positives Erleben bedeutet damit gleichzeitig die Feststellung von Überlegenheit im Vergleich zu anderen Personen und Personengruppen. Diese Überlegenheit bezieht sich auf Wertvorstellungen der in den Vergleich einbezogenen Gruppen oder Kulturen (z.B. Sauberkeit, Strebsamkeit) und deren Leistungen. Die Vergleichspartner werden nicht beliebig gewählt: Vergleiche werden gewöhnlich so vorgenommen, daß sie dem einzelnen und seiner Umgebung Überlegenheit garantieren.

Aus diesen Überlegungen folgt dreierlei:

1. Statusniedrige Personen haben wenig Gelegenheit, für sich positive Vergleiche herbeizuführen, die im breiteren sozialen Kontext ebenfalls Anerkennung finden.

2. Sie wählen daher Angehörige sozial schwächerer Gruppen wie etwa die Asylbewerber als Medium, um ihre Überlegenheit zu dokumentieren.

3. Statusniedrige Personen finden bei anderen sozialen Gruppen kaum Unterstützung für ihre Ziele und Wertvorstellungen. Indem sie sich auf eine übergeordnete Kategorie wie »Deutsch« zurückziehen, glauben sie an den positiv bewerteten Merkmalen der Gesellschaft teilhaben zu können. Je niedriger der Status der Person oder der Personengruppe, desto größer wird der Zwang, sich auf solche übergeordneten Kategorien zurückzuziehen und Mitglieder anderer, noch schwächerer Gruppen zu diskriminieren.

Im Falle der Asylbewerber sind verschiedene Bedingungen gegeben, die deren Abwer tung, Anfeindung oder gar gewalttätige Vertreibung insbesondere durch Angehörige sozial schwacher Gruppen fördern:

1. Die Anwesenheit der Asylanten wird als illegitim wahrgenommen. Den Asylanten wird unterstellt, daß sie mit Absicht das Asylrecht verletzen und sich ungerechtfertigter Weise den Zugang zu Sozialleistungen verschaffen. Damit belasten die Asylanten den Staatshaushalt, was sich vermeintlich zu Ungunsten der statusniedrigen Mitkonkurrenten auswirkt.

2. Die Höhe der Sozialleistungen für die Asylanten wird als ungerecht wahrgenommen, weil sie von keinerlei Vorleistung seitens der Asylanten abhängig gemacht wird. Im Gegensatz dazu haben die ausländerfeindlichen Deutschen entweder bereits Vorleistungen erbracht oder aber sie glauben, allein aufgrund ihrer Staatszugehörigkeit mehr Anspruch auf staatliche Zuwendungen zu haben.

3. Die den Asylanten zufließenden Sozialleistungen werden als Indiz für die Aufbesserung von deren sozialen Status verstanden. Dies wird als bedrohlich erlebt und führt zu Bemühungen, die Überlegenheit der eigenen Gruppe im Verhältnis zur Asylantengruppe hervorzuheben.

Diese Einschätzungen werden nicht willkürlich vorgenommen, sondern greifen zum Teil Argumentationen auf, die für unsere Gesellschaft und deren rechtsstaatliche Positionen durchaus verbindlich sind oder aber durch bereitgestellte soziale Vorurteile begünstigt werden.

Die Entscheidung

zu konkreten Gewaltakten

Wie kommt es nun zum offenen aggressiven Verhalten? Die Wahrnehmung von Ungesetzmäßigkeit, Ungleichbehandlung und Statusbedrohung lösen beim Einzelnen affektive Reaktionen aus, die einerseits die Bereitschaft zu feindseligen Handlungen erhöhen und andererseits die moralischen Hemmschwellen gegenüber gewalttätigen Akten herabsetzen. Diese Absenkung der Hemmschwelle wird noch durch eine Depersonalisierung der einzelnen Opfer begünstigt, d.h. sie werden nicht als konkrete Personen sondern gleichsam als gesichtslose Elemente einer abgewerteten sozialen Gruppe wahrgenommen und behandelt. Folglich trifft die Gewalt entgegen vorherrschenden Normen auch Kinder, Frauen und Alte. »Erfolgreiche Vorbilder« wie Hoyerswerda oder Hünxe sowie der Applaus einzelner Bürger vor Ort oder an Stammtischen fördern diese Enthemmung ebenso wie der den Feindseligkeiten häufig vorausgehende Alkohol konsum. Vielleicht häufig ungewollte Unterstützung liefern auch Kommentare von Journalisten und Politikern, die ihre Empörung über feindselige Ausschreitungen unmittelbar mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit einer neuen Ausländer und Asylpolitik verknüpfen. Damit signalisieren sie den Tätern, daß sie mit ihnen im Ziel übereinstimmen und ledig lich die Wahl der Mittel verurteilen.

Die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten, wie es sich z.B. im Werfen von Brandsätzen äußert, hängt zudem stark von individuellen Kosten-Nutzen-Abwägungen ab. Diese betreffen

1. die Wichtigkeit des angestrebten Ziels

2. die Einschätzung der Wirksamkeit der konkreten Aktion im Hinblick auf das angestrebte Ziel, sei es die massive Terrorisierung der Opfer, sei es die Betroffenen dahin zu treiben, ihr Asylgesuch fallenzulassen oder sei es lediglich die Profilierung vor der eige nen Gruppe als mutig oder kampfstark.

3. die zu erwartenden Konsequenzen bezüglich Verantwortlichkeit und Sanktionen, die z.B. dann vernachlässigt werden können, wenn die Aufklärungsquote nur gering ist oder das Werfen von Brandsätzen lediglich als leichte Sachbeschädigung gewertet würde.

Daneben ist der erlebte soziale Druck seitens der Mitglieder der eigenen Bezugsgruppe für die Entscheidung zur Handlung bedeutsam.

Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verpflichtet den einzelnen auf bestimmte Ziele und Normen. Hinsichtlich der in die aktuellen Gewalttätigkeiten einbezogenen Tätergruppen ist zu vermuten, daß dort öffentliche Verunglimpfungen und der Einsatz von Gewalt gegen Ausländer nicht nur akzeptiert sondern sogar positiv sanktioniert werden.

Beide Faktoren, die Kosten-Nutzen-Abwägungen und der soziale Druck, werden durch situative Bedingungen unmittelbar beeinflußt. Hierbei spielt insbesondere die Anwesenheit weiterer Gruppenmitglieder eine bedeutsame Rolle: Das Risiko des einzelnen, zur Verantwortung herangezogen zu werden, verringert sich, gruppen spezifische Hinweise auf die Angemessenheit des feindseligen Verhaltens sind ständig präsent und die soziale Anerkennung seitens der Gruppe erfolgt unmittelbar.

Konsequenzen

Welche Maßnahmen können aufgrund dieser Analyse ergriffen werden, um Ausländerfeindlichkeit und Gewalttätigkeit abzubauen? Die erforderlichen Maßnahmen lassen sich erneut den drei genannten Bedingungen – soziale Vorurteile, objektive Deprivationen, subjektive Einschätzungen – zuordnen:

1. Es wäre verkürzt, das gegenwärtige Phänomen der Gewaltkriminalität gegen Ausländer als Taten gesellschaftlicher Randgruppen zu begreifen. Vielmehr muß erkannt werden, daß die feindseligen Handlungen auf einem breiten Fundament weitgehend geteilter Vorurteile basieren. Die Täter können davon ausgehen, daß ihnen für ihr Verhalten in gewissem Maße Anerkennung zuteil wird. Diese soziale Unterstützung muß ihnen entschieden entzogen werden. Dies erfordert insbesondere positive Stellungnahmen zu Ausländern durch die Autoritäten unserer Gesellschaft in Politik und öffentlichem Leben. Es reicht nicht aus, die Gewalttäter oder die Gesellschaft insgesamt moralisch zu verurteilen (z.B. „Schande über Deutschland“). Eine eindeutige Verurteilung ist zwar äußerst wichtig, noch wichtiger ist jedoch die Hervorhebung der positiv bereichernden Merkmale der hier lebenden Ausländer sowie die Demonstration aufrichtigen Interesses an ihren Problemen und kulturellen Besonderheiten. Die Aufnahme von individuellen, freundschaftlichen Kontakten zu Ausländern oder gar Patenschaften können wechselseitiges Verständnis und Toleranz positiv beeinflussen. Die gängige Praxis vieler Gemeinden, Ausländer zu ghettoisieren, steht diesen Bemühungen eindeutig entgegen.

Neben einer positiveren Bewertung der Kategorie »Ausländer« muß es zu einer Akzentverschiebung im gängigen Stereotyp der Deutschen über sich selbst kommen. „Ich bin ein Deutscher“ muß stärker als bisher mit den demokratischen Werten wie Weltoffenheit, Liberalität, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und Großzügigkeit verknüpft werden statt immer noch die klassischen Attribute wie fleißig, ordentlich, treu und sauber hervorzurufen. Die jüngsten Vorkommnisse zeigen deutlich, daß genau diese klassischen und schon häufig mißbrauchten Charakterisierungen des »Deutschen« noch immer als Vorwand dazu dienen, Diskriminierungen und Anfeindungen gegenüber anderen Gruppen zu rechtfertigen.

2. Die sozialen Lebensverhältnisse der Angehörigen niedriger Schichten, dies gilt insbesondere für Jugendliche, müssen dringend verbessert werden. Die Toleranz dieser Gruppen gegenüber Ausländern mag in dem Maße anwachsen, in dem sie in die Gesellschaft eingegliedert werden und soziale Anerkennung erfahren. Hierin sollte das vordringliche Anliegen von Politik liegen. Wenn die Aufmerksamkeit unserer Medien und Politiker gegenwärtig zentral auf die Asylantenfrage gerichtet ist, statt das Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu thematisieren, so spiegelt diese verzerrende Umlenkung der Aufmerksamkeit auf einer höheren Ebene exakt das vorurteilsbehaftete Vorgehen der ausländerfeindlichen Gruppen wider: Probleme innerhalb der Gesellschaft werden auf dem Rücken fremder Gruppen ausgetragen.

3. Es gilt, den einzelnen an der Ausführung von Gewalt zu hemmen. Dies kann nur gelingen, wenn seine Einschätzungen über die Wirksamkeit seiner Handlung hinsichtlich des von ihm angestrebten Ziels und über die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen seiner Tat für ihn selbst und seine Gruppe beeinflußt werden. Es muß jedem Täter klar sein, daß Feindseligkeit und Gewalttätigkeit in keinem Fall dazu beitragen werden, Ausländer aus Städten und Gemeinden zu vertreiben. Zugleich muß darauf geachtet werden, daß die Aufklärung ausländerfeindlicher Straftaten energisch betrieben wird und gefaßte Täter angemessen bestraft werden. Bürgerwehren und Selbstschutzorganisationen, die letztlich als Zeichen staatlicher Ohnmacht zu begreifen sind, dürfen keinesfalls hingenommen oder gar legalisiert werden. Die zuständigen staatlichen Stellen dürfen nicht länger den Verdacht aufkommen lassen, Straftaten gegen Ausländer würden nur halbherzig verfolgt und geahndet.

„Forschungsgruppe: Konflikte zwischen Gruppen“ am Psychologischen Institut IV der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und an der Arbeitseinheit Sozialpsychologie der Ruhr-c/o Prof. Dr. A. Mummendey

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1992/2 Nord-Süd Dialog?, Seite