W&F 2018/3

Frieden – Konflikt – Wissenschaft

50. Kolloquium der AFK, 12.-14. April 2018, Villigst

von Hartwig Hummel

50 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1968 stand das Jubiläumskolloquium der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK) unter dem Motto »Frieden – Konflikt – Wissenschaft. Reflexionen zu Forschung und Praxis«. Die Tagung fand statt vom 12.-14 April 2018 im Tagungshaus der Katholischen Bischofskonferenz in Berlin und in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Villigst.

Prof. Dr. Conrad Schetter, Vorsitzender der AFK, stellte die Konzeption der Veranstaltung vor. Es gehe bei diesem Jubiläumskolloquium nicht nur darum, selbstbewusst Bilanz zu ziehen, sondern auch darum, das eigene wissenschaftliche Arbeiten kritisch zu reflektieren. Der AFK-Vorstand hatte als Leitfaden für die dreitägige Tagung folgende Fragen vorgegeben:

  • Wie kann Friedens- und Konfliktforschung den eigenen Ansprüchen und Herausforderungen entsprechen, wissenschaftliche Beiträge zum Frieden zu leisten?
  • Wie geht sie mit dem selbstgestellten Anspruch um, methodisch und theoretisch inter- und transdisziplinär vorzugehen?
  • Wie bleibt die Friedens- und Konfliktforschung praxisrelevant bei der beständigen Gefahr, sich politisch instrumentalisieren zu lassen?

Reflexion über Vergangenheit und Zukunft der Friedens- und Konfliktforschung

Prof. Dr. Herbert Wulf, der die Friedens- und Konfliktforschung von Anfang an in Hamburg, Duisburg und bis zu seiner Pensionierung dann als Direktor des Bonn International Center for Conversion (BICC) miterlebt und mitgeprägt hatte, unternahm einen persönlichen geschichtlichen Rückblick. Die in der AFK organisierte kritische deutsche Friedens- und Konfliktforschung war ein Kind des sozialliberalen Aufbruchs in Westdeutschland nach 1968, wurde aber während der Kohl-Ära an den politischen und wissenschaftlichen Rand gedrängt. Die AFK verlor an Bedeutung, überlebte aber als kritisches Netzwerk von Friedenswissenschaftler*innen nicht zuletzt dank der Unterstützung durch einige Bundesländer und Evangelische Akademien. Eine neue Phase begann mit der rot-grünen Koalitionsregierung. Seitdem erlebt die Friedens- und Konfliktforschung einen anhaltenden Aufschwung in der Lehre, u.a. durch die Einrichtung mehrerer Masterstudiengänge, in der Forschung, u.a. durch die Gründung der »Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung« (ZeFKo) und in der Politikberatung, vor allem im Bereich der zivilen Friedensdienste. Die politische Anerkennung der AFK als Repräsentantin der Friedens- und Konfliktforschung brachte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnisgrüne) in ihrem Grußwort zum Ausdruck. Sie ermahnte die Kolloquiumsteilnehmer*innen, ihren kritischen Ansatz zu behalten und bei aller durchaus wünschenswerten Praxisorientierung »unbequem« zu bleiben.

In den Plenumsdiskussionen zu Beginn und am Ende des Kolloquiums waren sich nicht nur Friedens- und Konfliktforscher*innen über die politische Relevanz der Friedens- und Konfliktforschung einig, sondern auch Repräsentant*innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Diplomatie, wie die frühere Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Selmin Çaliskan, der ehemalige ARD-Nahostkorrespondent Jörg Armbruster und Botschafter a.D. Peter Gottwald. Stellenweise drohte sich die Diskussion auf ein Lobbying für eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung und für bessere Berufsperspektiven für die Friedens- und Konfliktforschung zu verengen. Doch kritische Diskussionsbeiträge erinnerten die Versammlung immer wieder an die wissenschaftlichen und politischen Herausforderungen der AFK.

Panels und Arbeitskreise

Wie vital die AFK gegenwärtig ist, wird durch die große Zahl an Panels belegt, die sowohl von jungen als auch von altgedienten AFK-Mitgliedern durchgeführt wurden. Abgedeckt wurde ein breites Themenspektrum. Es umfasste inhaltliche Forschungsthemen, wie die Krise des Peacebuilding-Ansatzes, die (De-) Konstruktion der Opfer-Kategorie in der Transitional Justice, die Mikrodynamik von Bürgerkriegen, historische Friedens- und Konfliktforschung (FKF) sowie Terrorismus und Radikalisierung. In den Panels ging es aber auch um eine kritische Selbstreflektion anhand folgender Themen: Forschungsethik und Forschungsmethodologie der FKF, das Konzept der Friedenslogik, kritische Reflexionen zum Oxfam-Skandal um sexuellen Missbrauch, transrationale Friedensphilosophie, Wissenstransfer und Transferwissen in den Studiengängen der FKF, Herrschaftskritik, die deutschsprachigen FKF-Zeitschriften und schließlich Rassismus in der FKF. Als sehr erfrischend erwies sich die Aufforderung des AFK-Vorstands, auch alternative Präsentationsformate zu wählen. Neben klassischen Panelvorträgen gab es nämlich auch Fishbowl-Gesprächsrunden, moderierte Podiumsdiskussionen und interaktive Vorträge.

Eine besondere Dynamik erleben derzeit die Arbeitskreise der AFK. Eigene Panels und Netzwerktreffen auf dem Kolloquium organisierten die Arbeitskreise »Natur, Ressourcen, Konflikte«, »Herrschaftskritische Friedensforschung«, »Wissenschaft und Praxis«, »Curriculum und Didaktik«, »Theorie« und »Methoden« sowie das »Netzwerk Friedenswissenschaftlerinnen«. Weitere Arbeitskreise befassen sich mit »Historische Friedensforschung«, »Friedenspädagogik« sowie »Kultur und Religion«. Die Arbeitskreise veranstalten zunehmend auch eigene Workshops jenseits des AFK-Kolloquiums. Insgesamt bieten die Arbeitskreise gerade den vielen Nachwuchswissenschaftler*innen gute Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Vernetzung. Die Nachfrage seitens der Nachwuchswissenschaftler*innen ist sogar so groß, dass die »Junge AFK« seit einigen Jahren regelmäßig ein eigenes Vorkolloquium veranstaltet.

Nachwuchspreis und Mitgliederversammlung

Die AFK vergibt jährlich in einem festlichen Rahmen den Nachwuchspreis an junge Wissenschaftler*innen oder Initiativen, die einen herausragenden Beitrag zur Friedens- und Konfliktforschung geleistet haben. Der Preis ist dem Andenken an die Friedensforscherin Prof. Christiane Rajewsky gewidmet. Den diesjährigen Nachwuchspreis vergab die AFK-Jury unter Vorsitz von Simone Wisotzki an Philipp Lottholz (Universität Birmingham) für seine Doktorarbeit zum Thema »Post-Liberal Statebuilding in Central Asia – A Decolonial Perspective on Imaginaries of Social Order and Community Security Practices in Kyrgyzstan« und an David Scheuing (Universität Marburg) für seine Masterarbeit zum Thema »Using Collaborative Cartography on the Balkan Route to Navigate Oppressive Spaces«.

Die diesjährige AFK-Mitgliederversammlung in Berlin wählte auch einen neuen AFK-Vorstand. Zur ersten Vorsitzenden und Nachfolgerin von Prof. Dr. Conrad Schetter, der nicht mehr kandidierte, wurde Prof. Dr. Bettina Engels (FU Berlin) gewählt. Zweite Vorsitzende wurde Dr. Simone Wisotzki (HSFK). In den Vorstand wurden außerdem als Beisitzer*innen gewählt: Prof. Dr. Eva-Maria Hinterhuber (Hochschule Rhein-Waal), Dr. Claudia Kemper (Universität Gießen), Prof. Dr. Alex Spencer (Universität Magdeburg), Prof. Dr. Nils Weidmann (Universität Konstanz) sowie als Frauenbeauftragte Christine Buchwald (Universität Koblenz-Landau) und ihre Stellvertreterin Lena Merkle (Universität Magdeburg). Nachwuchssprecher*innen sind Tim ­Bausch, Daniel Beck, Alexandra Engelsdorfer und Julia Renner.

Fazit

Mit ihrem Kolloquium in Berlin zeigte sich die AFK als lebendiges und kreatives Netzwerk aus alten und jungen Friedenswissenschaftler*innen. Die Beteiligung prominenter Gäste belegt eine hohe gesellschaftliche und politische Anerkennung der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland. Während das AFK-Kolloquium für die in der FKF aktiven Professor*innen zu einem Pflichttermin geworden zu sein scheint, tritt dies nicht in gleicher Weise auf die Friedensforschungsinstitute zu, die kaum (prominent) vertreten waren. Das Drängen nach einem kritischen Selbstverständnis ist unter den AFK-Mitgliedern stärker geworden. Gleichzeitig spürt die AFK aber auch die materiellen und politischen Grenzen, die einer (kritischen) FKF gesetzt sind.

Hartwig Hummel

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2018/3 Gender im Visier, Seite 57–58