Frieden nach dem Ersten Weltkrieg
Chancen und Grenzen
von Jost Dülffer
Am 11. November 1918 schwiegen die Waffen zwischen dem Deutschen Reich und den alliierten und assoziierten Nationen, allen voran Großbritannien, Frankreich und USA. Dieser Erste Weltkrieg hatte annähernd zehn Millionen Menschen das Leben gekostet, doppelt so viele waren verwundet und kehrten physisch, oft auch psychisch für ihr weiteres Leben gezeichnet in der Folgezeit zurück. Dieser 11. November hat sich seither als der entscheidende Tag des Kriegsendes ins historische Gedächtnis eingebrannt und wird zumal in den USA, Frankreich und Großbritannien bis heute jedes Jahr intensiv gefeiert. Es ist eine klassische, aber naive und daher falsche Vorstellung, dass nach dem Ende der Kampfhandlungen »nur« noch ein Frieden ausgehandelt werden musste, den man dann normativ bewerten kann.
Was sich seit 1945 verfestigte, traf schon 1918 zu: Die Rechtsakte formaler Verträge wurden zum Teil eines länger andauernden, komplexen und umfänglichen Friedensprozesses, der auch die mentale Versöhnung einschließen musste. Oder anders gesagt: Während für die eine oder die andere Region Friedensverträge geschlossen wurden, gingen an anderer Stelle Kämpfe, ja sogar langwierige Kriege weiter. Das dauerte mindestens bis 1923. Der Weltkrieg fand in sehr unterschiedlichen Gewalträumen statt, in denen jeweils unterschiedliche Strategien zur Befriedung verfolgt wurden.
Neue Dimensionen: Untergang einer Stadt und Aufbegehren gegen Rassismus
Zentral waren die Ereignisse um Waffenstillstände und das Aushandeln von Friedensverträgen, daneben es gab aber noch ganz andere wichtige und langfristig wirkende Faktoren. Zwei Beispiele erläutern dies.
- Smyrna (heute Izmir) war eine multiethnische Stadt an der Ägäis, u.a. von Türken, Griechen und Armeniern bewohnt. Sie wurde 1919 im Einvernehmen mit den Westmächten von griechischen Truppen besetzt, um einem befürchteten italienischen (!) Eingreifen zuvorzukommen. Im Zuge des türkischen revolutionären Krieges unter Mustafa Kemal rückten türkische Truppen im September 1922 in die Stadt ein. Der orthodoxe Bischof wurde brutal ermordet; die zusätzlich von griechischen Flüchtlingen überfüllte Stadt fiel Raub, Mord, Vergewaltigungen anheim und wurde gezielt in Brand gesetzt. Von britischen Schiffen vor der Stadt und damit von der Weltöffentlichkeit beobachtet ging die Stadt unter; man schätzt, dass 30.000 Menschen bei diesen Massakern ums Leben kamen (Gerwarth 2017; Immig 2008; Milton 2008).1 Es gab also intensive Kriege noch nach dem Ende des »eigentlichen« Weltkrieges.
- Im Februar 1919 stellte die japanische Delegation auf der Friedenskonferenz in Paris den Antrag, in die Satzung der neuen Weltorganisation, des Völkerbundes, einen Artikel aufzunehmen, der sich gegen rassische Diskriminierung wendet. Der Antrag griff auch Erfahrungen aus Afrika und anderen asiatischen Ländern auf, wurde in einer entsprechenden Kommission diskutiert und mit einer deutlichen Mehrheit von 17 zu 11 Stimmen angenommen. Allein Sitzungsleiter Woodrow Wilson, der US-Präsident, bürstete das Ganze mit Verfahrenstricks ab. Weltweite Empörung war die Folge, doch es blieb dabei: Die Ablehnung der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die aufgrund eigener Rassensegregation oder Kolonialherrschaft entsprechende Vereinbarungen gefährlich fanden, setzte sich durch.2 Hier wurde erstmals ein mögliches dauerhaftes Friedenselement formuliert, das damals nicht konsensfähig war.
Weil die Friedensregelung nach dem Ersten Weltkrieg so komplex war, werden im Folgenden exemplarisch zwei allgemeinere Aspekte herausgegriffen, die in der Gegenwart öffentliche Diskussion versprechen:3 die Rolle Deutschlands im Spiegel des Versailler Vertrags und globale Entwicklungen in der Folge des Weltkriegs.
Der Frieden von Versailles mit dem Deutschen Reich
Die Verteufelung des Versailler Vertrages gehört seit den Tagen der Unterzeichnung im Juni 1919 zu den zentralen Geschichtsaussagen in Deutschland. Man kann argumentieren, dass sich erst im fast nationsweiten Protest gegen das »Schanddiktat« die Gesellschaft der entstehenden Weimarer Demokratie konstituierte – nur die Unabhängigen Sozialdemokraten fanden an diesem kapitalistischen Frieden nicht viel Schlimmes (Dülffer 2002). Der Protest setzte sich in den 1920er Jahren fort und bot Stoff für die zugkräftigsten nationalsozialistischen Kampfparolen. Erst einige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte sich der Blick um: Wenn – so die Argumentation im Zuge der vom Historiker Fritz Fischer (1961) ausgelösten Kontroverse – Deutschland den Krieg angezettelt hatte, dann hatte es den harten Frieden auch verdient. Rückhalt fand diese Sicht in dem »Kriegsschuldartikel« 231 des Vertrages, in dem Deutschland zu Reparationen in noch festzulegender Höhe verpflichtet wurde (Dülffer 2017). In jüngerer Zeit machte die US-Historikerin Isabel Hull (2014) mit dem Verweis auf angeblich singuläre deutsche Völkerrechtsverletzungen Furore und heizte die Schulddebatte erneut an.
Mit 100-jährigem Abstand vom Friedensvertrag sollte man jedoch jenseits aller juristischen oder moralischen Empörung die schwierige Lage der Friedensmacher und die objektiv keineswegs unerträglich demütigende Situation des Deutschen Reiches angemessen einzuordnen suchen. Historisch gesehen ging es nie allein darum, einen Frieden der Gerechtigkeit und des Ausgleichs nach den Vorstellungen des bereits genannten US-Präsidenten Wilson zu schaffen, etwa auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Letzteres war zwar eine regulative Größe, aber niemand konnte damals sagen, welche Bevölkerungsgruppe jeweils welche Selbstbestimmung ausüben soll oder darf (Fisch 2010; Dülffer 2011) – US-Außenminister Robert Lansing war denn auch auch einer der klarsten Gegner dieses Prinzips. Es gab in der Folge Gebietsverschiebungen allein aus politischen Gründen; lagen diese nicht vor, fanden in Mitteleuropa auch Volksabstimmungen zur Neuordnung statt.
Wichtiger aber war: Alle beteiligten Mächte wollten nicht mit einem »Unentschieden« aus dem Krieg ausscheiden, sondern suchten – auch aus innenpolitischen Gründen –, sich für die eigene Rolle in der Zukunft schadlos zu halten. Am markantesten für diese Einstellung war der mit Kriegsende obsolet gewordene deutsche Frieden von Brest-Litowsk, im Frühjahr 1918 separat mit der Ukraine und Sowjetrussland geschlossen: Er legte den Grundstein für geplante Vasallenstaaten, aus denen dann die Lebensraumidee Hitlers u.a. erwuchs. Auch die europäischen Alliierten hatten zuvor ihre Bevölkerung und ihre materiellen Ressourcen mit der Maßgabe mobilisiert, dass der Sieg sie sowohl entschädigen als auch auf Dauer gegen einen neuen Krieg schützen sollte. Daraus resultierten die moralischen Elemente im Vertrag, vor allem aber die materiellen Verpflichtung aller Verliererstaaten zu Reparationen, deren Umfang erst nach mehreren Jahren festgelegt und im Laufe der Jahre modifiziert wurde. Das war ein zwischen den USA und den Alliierten mühsam ausgehandelter Kompromiss.
Die entscheidende Aussage zum Versailler Vertrag muss allerdings lauten: Die mentale Empörung beruhte auf einer kollektiven Realitätsverweigerung der meisten Deutschen, erklärlich durch den scheinbar bis zum Schluss noch günstigen Kriegsverlauf, verstärkt durch eine gezielte Propaganda der Reichsregierung, allen voran des Außenministers Graf Brockdorff-Rantzau. Die Bestimmungen von »Versailles« waren hart, boten aber bei besonnener Deutung Chancen für einen Wiederaufstieg des Deutschen Reiches zu einer europäischen Großmacht im Rahmen einer europäischen Friedensordnung. Der gegen viele innenpolitische Widerstände begonnene Weg der Vertragserfüllung und -revision setzte auf die Wirtschaftskraft des Reiches und zeitigte bis Mitte der 1920er Jahre unter Außenminister Gustav Stresemann gute Erfolge, bekam aber in der aufkommenden Weltwirtschaftskrise nicht genügend Zeit, um in einer europäischen Friedensordnung volle Wirkung zu entfalten (Niedhart 1989, 2006).
Im Gegensatz zu diesem zentralen geschichtlichen Befund zeigen sich in der Gegenwart erneut Ansätze zur Revision. Revision ist an sich ein legitimer wissenschaftlicher Prozess der Überprüfung liebgewonnener Urteile, sie hat aber in der Absicht und in der Funktion auch eine Rolle in der politischen Gegenwartsdiagnose. Da ist zum einen die ausführliche Darlegung, dass die Alliierten ab 1916 alle deutschen Friedensbemühungen abwiesen. Zum anderen wird der Gedanke entfaltet, militärisch hätten die Deutschen noch mindestens ein halbes Jahr durchhalten können, dann wäre der Frieden ganz anders ausgefallen. Sodann wird die Versailler Inszenierung der Alliierten bei der Übergabe der Friedensbedingungen gelegentlich als ein nie dagewesener Akt der Demütigung aufgefasst (Afflerbach 2018, Krumeich 2017; Platthaus 2018a und 2018b). Und schließlich finden die zeitgenössischen Grafiken der Reichskarte mit – inhaltlich zutreffender – Abtretung von Gebieten, inklusive Angabe der Prozente an verloren gegangener Bevölkerung, Industrie- oder Rohstoffproduktion sowie der weitgehenden Entmilitarisierung (bei Veranschaulichung der Truppenstärken der Nachbarn) bis in die Gegenwart hinein Anwendung, so etwa in der großen Ausstellung »Frieden. Von der Antike bis heute«4 im Westfälischen Landesmuseum Münster): An die Stelle der heutigen analytischen Deutung wurde auch hier die propagandistische Inszenierung der 1920er Jahre gesetzt.
Globale Friedenskonferenz in Paris5
Auch wenn die oben erwähnten japanischen Bemühungen zur Ächtung von Rassismus auf der Pariser Friedenskonferenz keinen unmittelbaren Erfolg hatten, so fanden sie doch in vielen Teilen der Welt direkten Widerhall, u.a. in den USA bei den Vertretern der Schwarzen, darunter W.E.B. Du Bois. Er hatte das »negro problem« schon 1906 als zentrale Frage der Zukunft bezeichnet und damit einen Auftakt zur Emanzipationsbewegung der Schwarzen in den USA markiert (Berg 2005). Gewiss, China unterstützte Japan in Paris bei seinem Antrag, doch andere Vertreter von »nations of color«, wie man früher sagte, hatten keinen Staat, für den sie sprechen konnten, und suchten daher ihre Anliegen am Rande der Konferenz als Lobbyist*innen zur Geltung zu bringen.
Komplementär zur Friedenskonferenz fand in der französischen Hauptstadt daher der erste »Pan African Congress« statt. Neben Afrikaner*innen nahmen auch bürgerschaftlich engagierte Politiker aus Großbritannien und den USA teil, darunter auch Du Bois. Zwar erreichten sie mit ihrem Anliegen eines zentralafrikanischen Staats nichts, aber das Thema war formuliert. Personen wie ein junger Exil-Vietnamese, der später unter dem Namen Ho Chi Minh bekannt wurde, und Delegierte des Jüdischen Weltkongresses oder des arabischen Fürstentums der Hedschas signalisierten weitere Ansprüche und Aufbrüche aus der außereuropäischen Welt.
Formal galt, dass nur die offiziell am Krieg beteiligten Staaten an der Friedenskonferenz teilnahmen, dennoch waren etliche außereuropäische Staaten vertreten, darunter vor allem die wichtigsten Staaten des British Commonwealth, wie Australien, Neuseeland, Canada und Südafrika. Dies verdankten sie nicht zuletzt der Tatsache, dass Kontingente ihrer Truppen an zentralen Kriegsschauplätzen gekämpft hatten, sowohl an der Westfront in Europa als auch im Nahen Osten. Beim Kampf um die Dardanellen 1915 waren australische Truppen zentral, sodass man geradezu von einer Konstituierung der australischen Nation durch den Ersten Weltkrieg sprechen kann. In Mesopotamien hatten 700.000 z.T. gut ausgebildete indische Truppen von Bagdad aus gekämpft; Inder waren darüber hinaus u.a. an der Somme in Frankreich, an den Dardanellen und in Ostafrika eingesetzt. Indien wurde in Paris bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages durch den britischen Indienminister und den kurz zuvor zum Lord Ganga Singh ernannten Maharadscha von Bikaner repräsentiert – während gleichzeitig britische Truppen in Amritsar ein Massaker an Hunderten protestierenden Indern anrichteten (Kulke/Rothermund 2018). Dies alles stellte die Vorherrschaft des »Weißen Mannes« ersichtlich in Frage.
Mandatssystem des Völkerbunds
Institutionalisiert wurde dieses Gefüge durch das Mandatssystem des Völkerbundes, mit dem ehemalige Kolonien unter die abgestufte Oberhoheit anderer Kolonialmächte gestellt wurden, vordergründig aufgrund der Unfähigkeit Deutschlands zu deren Verwaltung. Daraus wurde in der Folge eine »Kolonialschuldlüge« gestrickt.
Auch wenn dies – insbesondere bei der Übernahme pazifischer Gebiete durch Japan oder von »Deutsch-Südwest« durch Südafrika – auf Annexion hinauslief, war hier das Prinzip der Vorbereitung auf Eigenverantwortung wichtig, zwar kolonialistisch formuliert, aber dennoch zukunftsweisend (Pedersen 2014). Dieses Prinzip griff, wie gleich zu zeigen ist, auch im Nahen Osten.
Auflösung von Großreichen
Nach dem 11. November 1918 und während der gesamten Pariser Friedenskonferenz gingen in mehreren Gewaltzonen die Kämpfe weiter. Die Auflösung dreier Großreiche – des Osmanischen, des Habsburgischen, des Russischen –, zum Teil auch des Deutschen Reiches (Polen!), schuf Probleme, die mit der regulativen Idee neuer Nationalstaaten nur bedingt und oft erst Jahre später gelöst werden konnten.
Sowjetrussland war an den Friedensverhandlungen in Paris nicht beteiligt. Der russische Bürgerkrieg, der zugleich eine breite Intervention bedeutete, ließ vorläufig keinen Frieden zu. Der polnisch-sowjetische Krieg um Grenzen und Einflussbereiche endete im März 1921 mit dem bilateralen Frieden von Riga; Sowjetrussland benannte sich Ende 1922 in Sowjetunion um.
Die zweite große fortdauernde Kampfzone bildete der Vordere Orient. Anders als die Friedensverträge der Alliierten mit dem Deutschen Reich, Österreich, Ungarn und Bulgarien trat der im August 1920 geschlossene Vertrag mit dem Osmanischen Reich nie in Kraft. In fortdauernden Kämpfen – von Smyrna war bereits die Rede – emanzipierte sich vor allem die von nun an nationalstaatliche Türkei. Die arabischen Territorien südlich der Türkei hingegen gerieten in prekäre Mandatsverhältnisse zu Frankreich und Großbritannien, die auf eine neue Kolonisierung hinausliefen. Immerhin schuf der Vertrag von Lausanne, der die Grenzen der Türkei insbesondere gegenüber Griechenland festgelegte, im Juli 1923 auch eine vorübergehende völkerrechtliche Grundlage zur externen Lösung der Palästinafrage (Roshwald 2000).
Wie bereits angedeutet, nahm neben den konkreten Friedensverträgen mit territorialen und materiellen Verpflichtungen die Frage nach der künftigen Weltordnung und der neuen Institution des Völkerbundes eine zentrale Rolle ein. In den meisten kriegführenden Staaten hatte es vielfältige Überlegungen für die Ordnung nach dem „Krieg, der alle Kriege beenden wird“ (Wells 1914), gegeben, die nun alle zusammengebracht werden mussten. Deshalb wurde es keineswegs ein reiner »Wilson-Frieden«, den man sich im Deutschen Reich in unterschiedlichen Versionen zusammenfantasierte, sondern ein Kompromiss. In diesen gingen viel mehr Komponenten der alten Großmacht- und Kolonialordnung ein, als sich die progressive Geschichtsdeutung des völkerrechtlichen Fortschritts gern zugesteht. Vielmehr ließen die Interessen der Großmächte, allen voran das Interesse am Zusammenhalt des britischen Empires, das der Südafrikaner Jan Smuts wirkmächtig einzubringen verstand, einen recht hybriden Völkerbund entstehen (Mazower 2009).
Bilanz
Da sich die USA aus innenpolitischen Gründen aus der Unterzeichnung wie der Umsetzung des Völkerbundes zurückzogen (mit ihrem Beobachterstatus aber dennoch die Gestaltungsmöglichkeiten der stärksten kapitalistischen Weltmacht weiter nutzten) und weitere zentrale Akteure, wie die Sowjetunion oder Deutschland, zunächst fehlten, blieb die Wirkung der Pariser Friedensverhandlungen deutlich begrenzt. Eine entscheidende Weltmachtfrage, die Verhinderung eines künftigen Wettrüstens zur See, wurden 1921/22 auf der Washingtoner Seemächtekonferenz vorläufig geregelt (Ziebura 1984).6 Überdies waren die Verhandlungen von»„weißen« Vorstellungen geprägt, wie ein dauerhafter Frieden aussehen sollte. Aus dem Krieg, der, wie oben zitiert, alle Kriege beenden sollte, war für viele ein Friedensschluss geworden, der wahren Frieden gerade unmöglich machte.7
Im Rückblick kam es bei der Pariser Friedenskonferenz nur zu einem Kompromiss – einem Kompromiss „zwischen enttäuschten Siegern und nicht zwischen Siegern und Besiegten“ (Leonhard 2014, S. 967). Die Ordnung selbst war damit kaum konsolidiert, die Verantwortung für eine permanente Fortsetzung von Friedensprozessen blieb. Unter den Bedingungen fortgesetzter Großmachtpolitik, weltwirtschaftlicher Rivalitäten und sich voll entfaltender Globalisierung sowie stärker denn je ideologisch aufgeladener Gegensätze wurden die Staaten dieser Verantwortung nur ansatzweise gerecht. Es ist gleichwohl erstaunlich, wieviele Regelungen, ob temporär pazifizierend oder neue Konflikte schaffend, die Friedensmacher damals zustande brachten.
Anmerkungen
1) Eine gute Auflistung der unterschiedlichen Deutungen findet sich unter en.wikipedia.org/wiki/Great_fire_of_Smyrna (10.10.2018).
2) Der Antrag forderte „allen fremden Staatsbürgern von Mitgliedschaften des Völkerbundes in jeder Hinsicht gleiche und gerechte Behandlung zukommen zu lassen, keine Unterscheidung, sei es durch Gesetze oder in der Realität, zu machen, was ihre Rasse oder Nationalität betrifft“; siehe dazu Shimazu 2002; Lissner 2014; Lauren 2003.
3) Die für den Herbst 2018 in Deutschland erschienenen umfängliche Monographien von Eckart Conze, Gerd Krumeich, Jörn Leonhard und Klaus Schwabe sind nach Abfassung dieses Beitrags erschienen. Bereits im Sommer 2018 erschien Payk 2018.
4) Siehe ausstellung-frieden.de; zur Ausstellung wurde ein mehrbändiger Katalog vorgelegt.
5) Auch vor den Neuerscheinungen Herbst 2018 zum Rahmen: Leonhard, J. (2014): Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkrieges, München: C. H. Beck, S. 894-938; Krumeich, G. (2001): Versailles. Ziele – Wirkung – Wahrnehmung. Essen: Klartext.
6) Ziebura (1984) unterschied demgemäß nur leicht überspitzt ein Versailler und ein Washingtoner System.
7) In Anlehnung an den auf den Nahen Osten gemünzten Titel »A Peace to End all Peace« von Fromkin (2009).
Literatur
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Professor Dr. Jost Dülffer lehrt Mittlere und Neuere Geschichte am Historischen Institut der Unversität zu Köln.