Frieden verhandeln
Voraussetzungen, Widersprüche, Ansätze
von Hans Joachim Gießmann und Paul Schäfer
»Friedensverhandlungen« – der Begriff weckt Assoziationen zu den Schauplätzen großer Friedensregelungen der Vergangenheit: Münster/Osnabrück, Wien, Versailles, Jalta, Potsdam, Paris. Die Verhandlungsergebnisse waren jeweils unterschiedlich, sie spiegelten den Verlauf der vorangegangenen kriegerischen Auseinandersetzungen wider, und nicht selten legten sie bereits die Saat für nachfolgende Kriege (Hankel 2011). Manchmal endeten Friedensverhandlungen mit der Demütigung der unterlegenen Partei (Versailles 1919), andernorts zementierten sie erstrittene Kriegsergebnisse (Wiener Kongress 1815, Potsdamer Abkommen 1945), gelegentlich boten sie einen gesichtswahrenden Ausweg aus Kriegen, die für keine Seite zu gewinnen waren (Paris 1975). Der Charakter vieler Kriege hat sich seit 1945 stark verändert, damit entstanden neue Herausforderungen für Friedensverhandlungen.
Friedensverhandlungen waren und sind bis heute ein Weg zur Beendigung von Kriegen mit anderen Mitteln, d.h. in ihnen geht es darum, eine Vereinbarung zu erzielen, die den beteiligten Parteien die Fortexistenz nach dem Kriegsende (zu mehr oder weniger günstigen Konditionen) erlaubt. Sie zielen im Kern auf ein kooperatives Regelwerk, zu dessen Einhaltung sich die Verhandlungsparteien verpflichten, um eine beständige gewaltfreie Interaktion zwischen ihnen zu gewährleisten.
Friedensverhandlungen sind ein Ausdruck des Charakters derjenigen Kriege, die sie beenden sollen. Die meisten großen Friedensschlüsse entsprangen der Interaktion von Staaten. Deren Beteiligung barg von vorneherein ein gewisses Maß an Symmetrie: Souveränität, territoriale Grenzen, stehende Heere, staatliche Institutionen. Seit 1945 sind allerdings andere Kriegsformen (wieder) stärker in den Vordergrund gerückt und haben die einstige Dominanz zwischenstaatlicher Kriege deutlich zurückgedrängt. Mit dieser Entwicklung veränderten sich nicht nur die Merkmale der Kriege, sondern auch die Herausforderungen für deren Beendigung.
Um unter diesen Bedingungen tragfähige Verhandlungskonzepte zu entwickeln, bedarf es einer sorgsamen Konfliktanalyse, die die Triebkräfte der Eskalation sowie die Interessen der beteiligten Akteure zutage bringt. Dabei geraten natürlich auch strukturelle Aspekte in das Blickfeld, die nicht zwingend als Ursache eines gewaltförmigen Konfliktaustrags zu erachten sind, diesen aber befeuern können und im Zusammenhang mit anderen Treibern deren Wirkung verstärken. Hierzu gehören Gewaltkulturen und –märkte (Elwert 1997), aber auch religiöse, ideologische oder ethnisch-nationale Aufladung/Mobilisierung (Ronen 1995). Hierzu gehört aber auch das Erbe früherer Fremdherrschaft oder kolonialer Bevormundung, durch die Prozesse demokratischer Staatsbildung verhindert bzw. klientelistische Herrschaftsstrukturen begünstigt wurden.
Neue Herausforderungen – alte Methoden?
Vorauszuschicken ist: Nicht alle Erfahrungen aus früheren Friedensverhandlungen sind unnütz, nicht alle Instrumente und Ansätze obsolet. Im Gegenteil. Zum einen bleiben Staaten in vielen Fällen nicht nur Teil des Problems, sondern unverzichtbar auch für deren Lösung. Zum anderen sind die aus früheren Verhandlungen hervorgegangenen Instrumente, Strukturen und Institutionen auch für die Beendigung asymmetrischer Gewaltkonflikte bzw. deren Prävention eine wichtige Ressource. Schließlich bieten Verlauf, Erfolg und Misserfolg früherer Friedensverhandlungen wichtige Lernerfahrungen. Der Rechtsrahmen der Vereinten Nationen, ihre Charta, vereinbarte Konventionen sowie Rüstungskontroll- und Abrüstungsvereinbarungen – all dies ist im weitesten Sinne das Produkt von Verhandlungen zwischen Staaten mit dem Ziel, Kriegshandlungen auf Dauer einzuhegen. Sie bieten heute eine unterstützende Struktur für laufende bzw. künftige Friedensverhandlungen. So ist der nukleare Nichtverbreitungsvertrag wichtige äußere Voraussetzung für einen noch auszuhandelnden Friedensvertrag auf der koreanischen Halbinsel sowie für die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Das Chemiewaffenübereinkommen wurde zur wichtigsten Bezugsgröße für die jüngsten Verhandlungen über die Vernichtung der Chemiewaffenbestände Syriens unter internationaler Kontrolle.
Dennoch: Stoßen wir zum harten Kern von Friedensverhandlungen in asymmetrischen Konflikten vor, stellen sich viele Fragen neu. Sind die zu befriedenden Konflikte gesellschaftspolitischen und sozialökonomischen Ursprungs, können Verhandlungen nur einen Rahmen setzen, einen Anstoß bieten, um durch die Anerkennung von Regeln in der Folge eine strukturell nachhaltige Transformation der gesamten Gesellschaft zu befördern. Hierzu sind neue bzw. ergänzende Instrumente gefragt. Mediation ist ein solches Instrument, inklusive Dialogforen ein anderes. Die herkömmliche Diplomatie versucht sich der Unterstützung anderer gesellschaftlicher Akteure zu bedienen: Neue Begriffe wie »public diplomacy« oder »multi-track diplomacy« drücken aus, dass in systemischen Friedensprozessen Akteure auf unterschiedlichen Handlungsebenen zusammenarbeiten müssen und die politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft nicht ausgegrenzt werden dürfen (Loccumer Protokolle 2008).
Friedensmediation hat sich in vielen Fällen als ein taugliches Instrument der Beilegung lang anhaltender Gewaltkonflikte erwiesen (z.B. Burundi, Nepal, Philippinen). In jedem der genannten Fälle spielten auch Verhandlungen immer wieder eine wichtige Rolle, langwierige Mediation schuf Voraussetzungen für die Durchführung letztlich zügiger und Ergebnis bringender Verhandlungen. Jedoch: Mediation ist keine Garantie für dauerhaften Erfolg, insofern gibt es eine Parallele zu Verhandlungen. Friedensprozesse können rasch entgleisen, halten sich eine oder alle Parteien nicht an die getroffenen Vereinbarungen.
Mediation muss übrigens nicht nur Vorläufer von Verhandlungen sein, sie kann auch deren Ergebnis sein. Vor allem bei durch formale Vereinbarung eingefrorenen Konflikten bleibt der Friedensschluss fragil, wenn grundlegende Verhaltensmuster sich nicht ändern. Hier kann Friedensmediation Ergänzendes leisten.
Gemischte Bilanz: Ein Erklärungsversuch
Insgesamt fällt die Bilanz der dauerhaften Beilegung asymmetrischer Gewaltkonflikte durch Verhandlungen gemischt aus. Dies führen wir auf die besonderen Herausforderungen der heutigen Konflikte zurück.
Legitimationsfragen zentral
An Kriegen der Gegenwart sind zumeist nicht-staatliche und staatliche Akteure beteiligt. Oft erweisen sich die Austragsformen der Konflikte als »hybrid«. Beide Seiten des Konflikts bestreiten grundsätzlich die Legitimation des jeweiligen Gegenübers. Die Inhaber der Regierungsgewalt sehen sich als die einzig legitimen Repräsentanten des jeweiligen Staates. Umgekehrt bestreiten die nichtstaatlichen Widerständler in asymmetrischen Gewaltkonflikten eben diesen Anspruch. Sie halten ihre Anwendung von Gewalt für legitim, weil sie die bestehenden Machtverhältnisse als illegitim erachten. Sie vertreten oft gesellschaftliche Gruppen – unterdrückte Klassen, Ethnien, Religionsgemeinschaften, Minderheiten – und ziehen aus deren Schutzbedürfnissen das Mandat für ihren bewaffneten Kampf. Dies betrifft FARC und ELN in Kolumbien (siehe dazu »Den Frieden verhandeln im Krieg – Der Fall Kolumbien« von José Armando Cárdenas Sarrias in diesem Heft), die Rebellen gegen das syrische Assad-Regime oder auch die Maoisten in Indien. Die umstrittene Legitimation ist eine hohe Hürde für die Aufnahme von Verhandlungen. In der Regel kommen sie unter solchen Voraussetzungen nur zustande, wenn alle beteiligten Seiten nicht mehr damit rechnen, durch Fortsetzung der Kampfhandlungen Vorteile für sich zu erzielen. Der „wechselseitig schmerzhafte Stillstand“ (mutually hurting stalemate), wie es William Zartman beschrieb, bildet insoweit nicht selten den Beginn der Besinnung auf potenzielle Alternativen zum bewaffneten Kampf (Zartman 2001).
Emotionale und ideologische Aufladungen
Ein weiteres Moment kommt vor allem bei ethnopolitisch und religiös mobilisierten Gesellschaften hinzu. Aus den Kriegen in Bosnien und Kosovo wissen wir, dass in Gewaltkonflikten, in denen sich nicht »anonyme« uniformierte Streitkräfte begegnen, sondern Täter und Opfer einander kennen, es sich um frühere Nachbarn aus Betrieben oder Wohngemeinschaften handelt, ein Friedensschluss viel schwerer zu bewerkstelligen ist. Rachegefühle und Misstrauen pflanzen sich oft über Generationen fort. Vergangenheitsarbeit und Aussöhnung sind für die Beilegung dieser Konflikte um vieles wichtiger, zugleich aber um vieles komplizierter. In Südafrika hat man Mittel und Wege gefunden, um aus dieser Schwierigkeit herauszufinden, anderswo dauerte es Jahrzehnte (Kambodscha), oft ist es auch gar nicht gelungen (Bosnien, Kroatien).Verhandlungen erscheinen dort besonders schwierig, wo in den Auseinandersetzungen gezielt ethnopolitische oder religiöse Identitäten gegeneinander konstruiert werden und die Existenzberechtigung anderer Ethnien oder Religionsgemeinschaften bestritten wird. Von Gruppen wie Boko Haram, Al Shabaab, aktuell v.a. Islamischer Staat werden öffentlich nicht verhandelbare Werte als Konfliktursache so porträtiert, dass sie die Bereitschaft zum Kompromisse ausschließen.
Konflikttransformation – Gesellschaftsumbau
In den Gewaltkonflikten der Gegenwart geht es um mehr als um Waffenstillstand und friedliche Koexistenz. Die Ursachen dieser Kriege sind in tiefer liegenden gesellschaftlichen und ökonomischen Verwerfungen, der Unterdrückung politischer Gegner oder Minderheiten, der Missachtung elementarer Menschen- oder Minderheitenrechte begründet. Verhandlungslösungen sind nur dann realistisch, wenn sie diese tiefer liegenden Ursachen adressieren und gesellschaftlichen Reformprozessen den Weg bahnen. Die Palette der Forderungen reicht von der Teilhabe an der Macht und weitreichender Autonomie bis hin zur Sezession. Und selbst die Durchsetzung dieser Forderungen ist keine Garantie für Frieden, wenn nicht zugleich gesellschaftliche Strukturreformen eingeleitet werden, die einen gewaltfreien Umgang mit schwierigen Streitfragen, wie den gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen, Bildung oder staatlicher Verwaltung, ermöglichen. Süd-Sudan ist ein trauriges Beispiel dafür, wie selbst ein neuer Staat zerrüttet wird, wenn sich die Unterhändler der Vergangenheit den Staat der Zukunft aneignen.
Innere Widersprüche und zwischenstaatliche Konflikte
Nicht selten werden benachbarte oder dritte Staaten hineingezogen, die eigene, konkurrierende Interessen hegen. Insofern ergibt sich eine Überlagerung von innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Konflikten, die die Dinge verkompliziert (z.B. Georgien/Abchasien – Russland; Kongo/Ruanda – Uganda).
Schwäche internationaler Regelungsmacht
Viele Kriege der Gegenwart sind, da sie innerhalb von Staaten ausgetragen werden, der Regelungsmacht des internationalen humanitären Völkerrechts entzogen. Oft sind es die Regierungen selbst, die sich gegen völkerrechtliche Bezüge innerstaatlicher Konflikte wehren, weil sie eine Aufwertung der nichtstaatlichen Opposition oder die Einmischung dritter Staaten bzw. der Vereinten Nationen befürchten. Dies erschwert die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen, da gerade diese ein bestimmtes Maß von Einverständnis für den geregelten Umgang der Parteien miteinander voraussetzen. Werden zudem diese Regeln während oder nach Abschluss der Verhandlungen einseitig verletzt, sind die Friedensschlüsse kaum von Dauer (z.B. syrische Regierung/Genfer Verhandlungen, Türkei/PKK).
Internationale Beteiligung
Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, wie »von außen« überhaupt mittels Verhandlungen auf diese Konflikte eingewirkt werden kann. Studien haben gezeigt, dass Friedensverhandlungen mit Aussicht auf Erfolg durch externe Akteure weder aufgezwungen werden können noch der nachhaltige Bestand ihrer Ergebnisse gesichert werden kann, wenn die Konfliktparteien selber nicht bereit sind, den vereinbarten Regeln zu folgen (Giersch 2009).
Aber es trifft auch dies zu: Ohne internationale Mitwirkung geht es oft nicht. Internationale Akteure können erst den nötigen politischen Druck aufbauen, der die Konfliktparteien dazu bringt, sich auf Verhandlungen überhaupt einzulassen. Internationale Akteure können auch als Garanten für die beteiligten Parteien auftreten (z.B. Norwegen für die kolumbianische Regierung; Venezuela für FARC), während wiederum andere Staaten sich als Verhandlungsplatz zur Verfügung stellen (Kuba für Kolumbien/FARC, Frankreich für USA/Vietnam, Finnland für Indonesien/GAM [Aceh]). Externe Akteure können finanzielle Mittel und Anreize bereitstellen, sie können »capacity building« betreiben sowie sich an der Überwachung erzielter Übereinkünfte beteiligen (Berghof 2011, D. and W. Spencer 1995). All dies funktioniert allerdings nur, wenn die Drittparteien ihre Funktionen nicht für eigene Zwecke missbrauchen. Der Nahostkonflikt ist das Paradebeispiel für eine überfällige kritische Bestandsaufnahme bisheriger westlicher Einwirkstrategien (Lüders 2015).
Gelegentlich können konkurrierende Angebote dritter Parteien die Lage noch komplizierter machen, etwa wenn Regierungen oder nichtstaatliche Akteure den Beteiligungswettbewerb zwischen dritten Parteien anheizen, um für sich selbst einen größeren Vorteil herauszuschlagen. Im Falle des Nahostkonflikts oder auch in Afghanistan entstand in den zurückliegenden Jahren der Eindruck, dass zu viele Akteure unkoordiniert zu Werke gingen und damit eine klare Verhandlungsperspektive nicht zu erreichen war.
Besonders heikel bleibt die Frage nach militärischen Beiträgen zur Beilegung von Konflikten. Nach 1990 wurden bewaffnete Interventionen vielerorts als Mittel der Wahl zur Eindämmung von Gewaltkonflikten angesehen. Die Bilanz ist überwiegend ernüchternd. Manuela Nilsson ist beizupflichten: „Gewaltsame Interventionen brachten […] nur in den allerwenigsten Fällen eine nachhaltige Verbesserung der Situation […]“ (siehe ihren Beitrag in diesem Heft). Genauer: Sie haben die Situation, wie nicht zuletzt die Beispiele Irak und Libyen zeigen, oft dramatisch verschlechtert. In Afghanistan sind die Aussichten auf dauerhaften Frieden kaum besser als vor 15 Jahren.
Voraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen
In einem gewaltförmigen Konflikt sind Verhandlungen ein Weg, die gestörten Beziehungen zwischen den Konfliktparteien neu zu regeln und Rahmenbedingungen für ein gewaltfreies Miteinander zu schaffen. Im Idealfall steht ein gemeinsam vereinbartes Ergebnis, oft ein Kompromiss, am Ende des Prozesses. Dabei steht für die Konfliktparteien aber im Vordergrund der Verhandlungen, dass sie ihre Interessen maximal durchsetzen wollen. Sie wollen ein Resultat erzielen, dass ihren Zielen am nächsten kommt. Diesen Zusammenhang zu erkennen, ist für das Zustandekommen und den erfolgreichen Verlauf von Verhandlungen essentiell: Glauben die Verhandlungsparteien nicht daran, dass sie mit Verhandlungen mehr erreichen können als mit anderen Mitteln, werden sie diese nicht ernsthaft verfolgen und sie gegebenenfalls platzen lassen.
Oft – und dies gilt gerade für asymmetrische Konflikte – ist auch die Verteilung der Interessen der Konflikt- und Verhandlungsparteien asymmetrisch, und die jeweils prioritär verfolgten Ziele sind nicht identisch. Daher gilt es Ergebnisse anzustreben, die in der Summe die unterschiedlichen Interessen bzw. Prioritäten ausgewogen bedienen. Aus der europäischen Vergangenheit ist uns in diesem Zusammenhang die miteinander verbundene »Korb«-Struktur des KSZE-Prozesses in Erinnerung, bei der westliche Interessen an der Durchsetzung von Menschenrechten, östliche Interessen an der Anerkennung des politischen Status quo sowie gemeinsame Interessen an engerer wirtschaftlicher Zusammenarbeit zu einem Verhandlungspaket gebündelt wurden, in dem die unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden konnten.
In gesellschaftspolitischen Konflikten kommt es überdies nicht nur auf die unmittelbar verhandelnden Akteure an. Jeder Kompromiss bedarf der Akzeptanz im Lager der jeweiligen Parteien. Schließlich geht es auch um die nicht am Verhandlungsprozess direkt Beteiligten, die aber von dessen Ergebnissen betroffen sind. Werden deren Belange nicht angemessen einbezogen, verlieren die Verhandlungsergebnisse schnell an Bedeutung.
Vielfältige Erfahrungen belegen: Internationale Akteure können eine wichtige Erfolgsbedingung für Verhandlungen sein. Von besonderer Bedeutung ist eine rahmensetzende explizite oder implizite Mandatierung zur Verhandlungsunterstützung durch die Vereinten Nationen – z.B. den Sicherheitsrat – oder die Mitwirkung regionaler und subregionaler Organisationen, wie der Afrikanischen Union oder ECOWAS (z.B. in Burundi). Problematisch war hingegen die Parteinahme Äthiopiens und Kenias im Somaliakonflikt.
Für Konfliktparteien, die sich über lange Zeit ineinander verhakt haben, ist das Vertrauen in einen unabhängigen dritten Vermittler von großer Bedeutung, um Zuversicht in die Aufnahme von Verhandlungen zu entwickeln. Die Glaubwürdigkeit dieser Vermittler entsteht über kontinuierliches, unparteiliches Engagement. In der internationalen Gemeinschaft verfügen diesbezüglich Länder wie die Schweiz oder Norwegen über einen guten Ruf. Die Möglichkeiten der Vereinten Nationen, in eigener Verantwortung tätig zu werden, sind hingegen häufig begrenzt. Sie sind auf »Geberkonferenzen« angewiesen, in denen Einrichtungen wie Weltbank und IWF, aber auch die EU oder Einzelstaaten über Umfang und Richtung der Mittelvergabe gebieten. Um die Möglichkeiten der Vereinten Nationen zu stärken, sollte daher die Idee eines globalen Fonds weiter verfolgt werden, mit denen jederzeit abrufbare Finanzmittel bereitgestellt werden könnten (Gebauer 2014).
Von Verhandlungen zur Transformation von Konflikten
In den innergesellschaftlichen, politisch-ökonomischen Konfliktformationen geht es immer auch um Verteilungsfragen: die Beteiligung an Entscheidungsprozessen, die Teilhabe an der Macht, der Zugang zu Ressourcen (Wennmann 2009). So genannte Powersharing-Ansätze können helfen, das Spannungspotenzial ethnopolitisch oder religiös aufgeladener Projekte zu verringern und Dialogräume zu erweitern (Mehler 2009). Inwieweit dabei eine sukzessive Föderalisierung des Staates ein probater Fokus des Verhandlungsprozesses – präziser: des Aushandlungsprozesses – ist, mag umstritten sein. In Ländern mit starker sozialer Fragmentierung, wie z.B. Somalia oder Afghanistan, kann Föderalisierung ein starker Anreiz sein, sich auf einen nationalen Verhandlungsprozess einzulassen. Ebenso wichtig sind identitätsstiftende kollektive Werte, auf die sich die Konfliktparteien grundsätzlich verständigen könnten: soziale Gerechtigkeit, ein verlässliches Rechtssystem oder eine »Kultur des Friedens«.
Hierbei gewinnen die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure und die Herausbildung einer intakten Zivilgesellschaft zunehmend an Bedeutung. Gerade Vertreter der Zivilgesellschaft engagieren sich in wachsendem Maße für eine Beendigung der »Bürgerkriege«, und sie entwickeln eigene Vorstellungen zur Entwicklung der Nachkriegsgesellschaften. Ihre Konzepte werden zum wichtigen Prüfstein, an dem sich alle Verhandlungsergebnisse messen lassen müssen. Oft handeln sie im Verbund mit internationalen Nichtregierungsorganisationen, die ihnen Hilfe zukommen lassen und den Rücken stärken. Zugleich verschafft ihnen diese Kooperation den unmittelbaren Zugang zur Weltöffentlichkeit, z.B. mithilfe sozialer Netzwerke.
Die Frage, ob Friedensverhandlungen exklusiv oder inklusiv zu führen seien, wird strittig diskutiert (siehe den » Friedensverhandlungen – Ein hoffnungsvoller Trend« von Manuela Nilsson in diesem Heft). Für uns bleibt als Faustregel, die größtmögliche Einbeziehung aller beteiligten und wichtigen Akteure in den Friedensprozess anzustreben. In welcher Form, ist nur fallweise zu beantworten. Die Friedensprozesse u.a. in Westafrika und Nordirland haben gezeigt, dass der Anstoß zum Frieden aus der Zivilgesellschaft kommen kann und die Umsetzung des Friedensschlusses in hohem Maße davon abhängt, ob Friedens- und Versöhnungsprozesse in die Gesellschaft hineinwirken. Gerade der inklusive Ansatz zieht eine weitere Erkenntnis nach sich: Um Friedensprozesse in Gang zu bringen und, fast mehr noch, um sie nach einem Friedensschluss auch innergesellschaftlich zu implementieren, muss Raum für zivilgesellschaftliche Initiativen und deren aktive Einmischung in Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse geschaffen werden (Lederach 1995, Rupesinghe 1995).
Literatur
Beatrix Austin, Martina Fischer, Hans J. Gießmann (eds.) (2011): Advancing Conflict Transformation. The Berghof Handbook II. Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich.
Georg Elwert (1997): Gewaltmärkte. In: Trutz von Trotha (Hrsg.): Soziologie der Gewalt. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 37.
Manuel Fröhlich: Vertreter, Vermittler und mehr als Verwalter. Die Arbeit der Sondergesandten des UN-Generalsekretärs. Vereinte Nationen, Heft 3/13.
Thomas Gebauer (2014): Soziale Gerechtigkeit global. In: Paul Schäfer (Hrsg.): In einer aus den Fugen geratenden Welt. Hamburg: VSA.
Gerd Hankel (2011): Friedenskonferenzen/Friedensverträge. In: Hans Joachim Gießmann und Bernhard Rinke (Hrsg.): Handbuch Frieden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.171-179.
Carsten Giersch (2009): Risikoeinstellungen in internationalen Konflikten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
John Paul Lederach (1995): Preparing for Peace. New York: Syracuse University Press.
Corinna Hauswedell, Ulrich Frey, Wiebke Zorn (Hrsg.) (2010): Diplomatie und Zivilgesellschaft. Konfliktbearbeitung auf Augenhöhe? Loccumer Protokolle 32/09.
Michael Lüders (2015): Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet. München: C.H. Beck.
Philipp Lustenberger: A Time to Fight, and a Time to Talk? Negotiability of Armed Groups. Bern: Swiss Peace, Working Paper 1/2012.
Andreas Mehler (2009): Peace and Power Sharing in Africa – A Not So Obvious Relationship. African Affairs 108.
Dov Ronen (1995: Ethnic Conflict and Self-Rule: On a New Approach to the Study of Conflict Transformation. In: Rupesinghe 1995.
Kumar Rupesinghe (1995) (ed.): Conflict Transformation. New York: St Martins’s Press.
Dayle Spencer and William Spencer (1995): Third-Party Mediation and Conflict Transformation: Experiences in Ethiopia, Sudan, and Liberia. In: Rupeshinge 1995.
Achim Wennmann (2009): Getting Armed Groups to the Table: peace processes, the political economy of conflict and the mediated state. Third World Quarterly, Vol. 30, No. 6, S.1123-1138.
I. William Zartman: The Timing of Peace Initiatives – Hurting Stalemate and Ripe Moments. The Global Review of Ethnopolitics, Vol. 1, No. 1, Sept. 2001.
Prof. Dr. Hans Joachim Gießmann ist Executive Director der Berghof Foundation in Berlin.
Paul Schäfer ist Publizist und Mitglied der Redaktion von »Wissenschaft und Frieden«.