Friedenswissenschaft in Nordrhein-Westfalen
von Hajo Schmidt • Christiane Lammers
Im Auftrag des Wissenschaftsministeriums NRW wurde an der Fernuniversität Hagen in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden e.V. (IWIF) eine Studie zum Stand der Friedenswissenschaften in NRW erarbeitet. Die Studie unterzieht sich der doppelten Aufgabenstellung einer genauen Bestandsaufnahme friedenswissenschaftlicher Forschung und Lehre an den nordrhein-westfälischen Hochschulen (Universitäten, Gesamthochschulen, Fachhochschulen) einerseits, der Entwicklung begründeter Konsequenzen und Empfehlungen andererseits.
Als (späte) Initialzündung für die nun vorliegende Studie kann das Bochumer Round Table-Gespräch »Friedenswissenschaft in Forschung und Lehre an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Erfahrungen und Perspektiven« gelten, zu dem das »Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht« der Ruhr-Universität-Bochum in Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn am 20. Februar 1989 eingeladen hatte. In gleich mehrfacher Hinsicht nämlich knüpft vorliegende Studie an Intentionen und Erfahrungen dieser Tagung an:
- Als bemerkenswert erschien den meisten TeilnehmerInnen der Veranstaltung die unerwartete Differenz zwischen den ihnen jeweils bekannten FriedenswissenschaftlerInnen und friedenswissenschaftlichen Lehr- und Forschungsangeboten und den sich auf Hochschulebene abzeichnenden tatsächlichen Zahlen/Quantitäten. Diese genauer zu bestimmen und nach Möglichkeit, aus Kooperations- wie Förderungsgründen, institutionell und namentlich zu erfassen, wurde mithin ein wesentliches Ziel dieser Studie;
- Die von Prof. R. Meyers (Münster) damals vorgelegte Erhebung über das einschlägige politikwissenschaftliche Angebot vermittelte einen bis dato unbekannten ersten Eindruck von friedenswissenschaftlicher Forschung und Lehre an den nordrhein-westfälischen Universitäten und Gesamthochschulen (incl. manifester Defizite), der das Bedürfnis nach einer disziplinär (über die Politikwissenschaft hinaus) und institutionell (die Fachhochschulen einbeziehenden) erweiterten Bestandsaufnahme stimulierte;
- Zahlreiche Einzeläußerungen wie die der anwesenden Wissenschaftsministerin vorgetragenen Planungen der Münsteraner Kollegen bezüglich eines »Zentrums für Friedenswissenschaft« als »Interdisziplinäre Wissenschaftliche Einrichtung für Konflikt- und Friedensforschung« bestätigten und bekräftigten das gewachsene Interesse an und die Erwartung einer stärkeren und innovatorischen Verankerung der Friedenswissenschaft – und nicht zuletzt auch einer stärker systematisch betriebenen Lehre – an den Hochschulen;
- Nicht zuletzt erhofften sich die TeilnehmerInnen für die Zukunft (und vom Münsteraner »Zentrum«) einen organisatorischen und inhaltlich stimulierenden Nukleus der nordrhein-westfälischen Forschung, zumindest aber eine Fortsetzung der Zusammenkünfte der friedenswissenschaftlich Interessierten. Beide Bedürfnisse, da bis heute unbefriedigt, sucht die Studie, durch Fragebogen und Empfehlungen, zu berücksichtigen.
Weltpolitische Veränderungen
Was die Bochumer Veranstaltung naturgemäß nicht thematisieren oder auch nur voraussehen konnte, war, wie sehr die weltpolitischen Veränderungen im Gefolge der Auflösung des bisherigen Ost-West-Konflikts die deutschsprachige Friedenswissenschaft/Friedensforschung ihrer bisherigen Schwerpunkte berauben und für neue (wenn auch nicht immer ganz neue) Herausforderungen sorgen sollte. Das Entfallen der traditionellen Rüstungsdynamik-Problematik sowie der im Rahmen der Blockkonfrontation verbleibenden Konzeptionierung von Entspannung und Sicherheitspartnerschaft erlaubten und verlangten tiefer ansetzende Reflexionen über die Möglichkeiten positiver Friedensgestaltung wie die friedenspolitische Nutzung unverhofft gewonnener Freiräume. Die 1989/1990 bei Politikern wie FriedenswissenschaftlerInnen zu beobachtende Euphorie über sich bietende Chancen der Konzeptionierung einer dauerhaften europäischen oder gar globalen Friedensordnung wurde allerdings recht bald und nicht allein durch den Zweiten Golfkrieg auf den Boden der Realität (sprich: Realpolitik) zurückgeholt und mit einer Fülle bewaffnet ausgetragener Streitigkeiten oder struktureller Konflikte konfrontiert.
„So sind im Schatten der Auflösung der Ost-West-Konfrontation und des globalen ideologischen Blockdenkens auf allen Ebenen Konflikte aufgebrochen, deren Austragungsformen dem eingeleiteten Entmilitarisierungs- und Abrüstungsprozeß zuwiderlaufen. Zugleich behindern sie die dringend gebotene Abwendung der sichtbarer werdenden ökonomischen und ökologischen Gefahren, die die Existenz der menschlichen Zivilisation, der Weltgesellschaft insgesamt bedrohen. Entscheidende Faktoren sind in diesem Zusammenhang: Die sich abzeichnende Verdoppelung der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2035, die Vervielfachung der ökologischen Belastungen (vor allem die sich abzeichnende Klimaveränderung), die zu erwartenden Auseinandersetzungen um Ressourcen (insbesondere Trinkwasser und Nahrung) und Energiequellen, die anhaltende Akkumulation von Reichtum in den Händen einer Minderheit der Weltbevölkerung, während eine große Mehrheit durch Not, Hunger und Krankheiten bereits täglich in ihrer Existenz bedroht ist. Das immense Wirtschafts- und Machtgefälle zwischen Nord und Süd, zwischen Osteuropa und Westeuropa, aber auch innerhalb der Wohlstands- wie auch der Armutsregionen selbst, verstärkt die gegenwärtigen ethno-nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Widersprüche; dies führt zu einem Aufschaukeln der vorhandenen Konfliktkonstellationen. Millionen Menschen haben sich in den vergangenen Jahren auf die Wanderung begeben, um der Armut und dem Hunger, der Zerstörung ihrer Umwelt und den Folgen von Krieg, Bürgerkrieg und Unterdrückung zu entfliehen. Millionen werden folgen. Solange nicht die globalen Ursachen und Zusammenhänge dieser Entwicklungen ins Visier neuer Lösungsansätze genommen werden, werden die Zuwanderungswilligen vor allem als Belastung der Ökonomie der Gastländer wahrgenommen und als Feindbilder mißbraucht. Die neue Woge von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus hat hier eine Wurzel.“ (Memorandum 1992: III)
Läßt sich schlagworthaft, im Rückgriff etwa auf die Feststellungen G. Krells (»Die klassische Friedens- und Sicherheitspolitik muß von der Ökologie- und Entwicklungsproblematik her neu definiert werden«, 1990: 24), V. Rittbergers (»… bedrohen die bisher unzureichend bearbeiteten Probleme der weltweiten Armut und Umweltzerstörung den internationalen Frieden«, 1994: 14), E. Bulmahns (»Die globalen Herausforderungen und die neuen Gefährdungen des Friedens erfordern eine grundlegende Neudefinition der Sicherheits- und Friedenspolitik«, 1992: 17) und vieler anderer von einem erforderlichen »Paradigmenwechsel« (Hauswedell) der Friedenswissenschaft der neunziger Jahre sprechen, dann stellt sich die Frage, ob die Friedenswissenschaft dies leisten kann. Zwei Befunde müssen hier pessimistisch stimmen.
Da ist zum einen die unbestrittene Tendenz, daß das friedenswissenschaftliche Forschungspotential weitgehend in außeruniversitäre Einrichtungen, zumal in die beiden Stiftungen des Öffentlichen Rechts, die »Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung« (HSFK) sowie das »Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg« (IFSH), abgewandert ist. Generell läßt sich sagen, daß „im Vergleich insbesondere mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien, den Niederlanden und den Skandinavischen Ländern Friedens- und Konfliktforschung in Forschung und Lehre an deutschen Universitäten nur sehr schwach repräsentiert sind …“ (Rittberger 1994: 14), was nicht zuletzt zu einem Mangel an qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchskräften führt. Es dürfte die Feststellung keine Vereinfachung sein, daß es institutionalisierte Friedensforschung an deutschen Hochschulen fast nur als Bereich bzw. Teilgebiet der Politikwissenschaft (Internationale Beziehungen) gibt. Schlimmer noch: Friedenswissenschaft als Friedenslehre gibt es gegenwärtig, deutschlandweit, weder als einen vollen Studiengang noch als einen festen Anteil in den Studien- und Prüfungsordnungen der Disziplinen und Ausbildungsgänge der Hochschulen (so auch das Ergebnis einer im Rahmen dieser Studie durchgeführten Recherche von Dr. D. Kinkelbur).
Ein zweiter negativer Trend ist darin zu sehen, daß möglicherweise die kurzzeitige Hoffnung nicht nur in der Politik, zu glauben, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts seien die entscheidenden Probleme von Krieg und Frieden zumindest in der Ersten und Zweiten Welt gelöst, sich auf Bundesebene dahingehend durchgehalten und konkretisiert hat, daß die Förderung der Friedenswissenschaft und Friedensforschung durch den Bund bis Mitte der neunziger Jahre fortlaufend ausgedünnt und dann ganz eingestellt werden soll. Da hiervon nicht zuletzt die Sondermittel für Friedens- und Konfliktforschung der DFG betroffen sind, liegt hier eine manifeste Behinderung einschlägiger Forschung wie der Herausbildung eines kompetenten Wissenschaftlernachwuchses vor, von der nicht abzusehen ist, ob und inwieweit sie durch Maßnahmen einzelner Ländern kompensiert werden könnte.
<>Zur Lage in Nordrhein-Westfalen<>
Gewiß unternahm und unternimmt das Land NRW nicht unbeträchtliche Anstrengungen auf diesem Gebiet. Hierzu zählen vor allem, was Hochschulzugehörigkeit oder -nähe betrifft, die Errichtung, Etatisierung und/oder Förderung der Stiftung Entwicklung und Frieden e.V. (Bonn), des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität-Gesamthochschule Duisburg, der Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn, des Instituts für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum, des Instituts für Entwicklungforschung und Entwicklungspolitik eben dort sowie des Bonn International Center for Conversion (vgl. MWF NRW 1993: 101ff). Außerdem hatte ja der Runderlaß der Ministerin »Betr.: Militärische Forschung« vom März 1991 dezidiert erinnert, daß die Gestaltung einer friedlichen Zukunft zentrale Leitperspektive von Forschung und Lehre der Hochschulen zu sein habe.
Unbekannt bzw. fraglich aber erschien uns, ob und inwiefern die angesprochene institutionelle und politische Unterstützung die Lage der Friedenswissenschaft an den Hochschulen – sowohl als anerkannter thematischer Bestandteil der Politik- und einiger anderer Wissenschaften wie als eines auf die inner- und zwischengesellschaftliche Pazifierung und Gewaltminderung bezogenen, disziplinenübergreifenden Wissenschaftsverständnisses – betrifft und beeinflußt. Über die generelle Frage: Wer lehrt und forscht friedenswissenschaftlich an den NRW-Hochschulen was und wie? hinaus wollten wir aus den dargestellten Gründen und auf NRW bezogen Genaueres wissen: Wie steht es hier mit der friedenswissenschaftlichen Agenda? Wie steht es hier um die (Möglichkeit der) Einheit von Forschung und Lehre, die faktische Realisierung der proklamierten friedenswissenschaftlichen Interdisziplinarität, um Versuche curricularer Einbindung bzw. grundständiger Entwicklung friedenswissenschaftlicher Angebote, kurz: um Rolle, Bedeutung, Selbstverständnis und Entwicklungsmöglichkeiten der Friedenswissenschaft an den Hochschulen dieses Landes?
Aufgaben, Anlage und Durchführung der Studie
Der im Februar 1994 an das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen gestellte Antrag auf Förderung einer Studie »Zum Stand der Friedenswissenschaft, -forschung und -lehre an den Universitäten und Fachhochschulen Nordrhein-Westfalens« situiert sich im Kontext der vorgenannten realgeschichtlichen, wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Probleme und Herausforderungen.
„Die Studie soll Aufschluß darüber geben,“ heißt es im Antrag, „wie Friedensforschung und -lehre an den nordrhein-westfälischen Hochschulen – quantitativ wie qualitativ – integriert sind. Forschung und Lehre sollen hierbei getrennt untersucht werden. Die verschiedenen Profile der Hochschulen sollen berücksichtigt werden. Die unmittelbaren Untersuchungsergebnisse sollen als Grundlage für Überlegungen zur weiteren Förderung der Friedenswissenschaft in Nordrhein-Westfalen dienen. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Friedenswissenschaft lassen es als notwendig erscheinen, daß sich die Studie sowohl auf die Entwicklung der Inhalte/Gegenstände des 'Fachs' bezieht als auch auf die Struktur der Hochschulforschung. Neben der Forschungsförderung ist die Frage der Curricula-Entwicklung, d.h. letztendlich also der Ausbildung personeller Ressourcen in den Friedenswissenschaften, ein wichtiger Gesichtspunkt der Studie.“
Entsprechend dieser Zielsetzung enthält die Studie einen analytisch-deskriptiven und einen empfehlend-präskriptiven Teil. Ersterer resümiert und dokumentiert, basierend auf der Auswertung von 69 Fragebögen von NRW-FriedenswissenschaftlerInnen sowie von 13 ergänzend durchgeführten Interviews mit derselben Klientel und getrennt nach Forschung und Lehre den Stand der Friedenswissenschaft an den Hochschulen des Landes zum Jahreswechsel 1994/95. Der Empfehlungsteil der Studie beruht auf demselben Daten- und Gesprächsmaterial sowie den Diskussionen und Schlußfolgerungen von Beirat und Verfasser/-in.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Was zunächst die Friedenslehre betrifft, so konzentriert sich diese stark auf die Universitäten Bochum, Bielefeld, Hagen, Köln, Wuppertal und Münster. Während an den Fachhochschulen friedenswissenschaftliche Lehrangebote fast ausnahmslos für angehende SozialpädagogInnen und -arbeiterInnen vorliegen, beteiligt sich an den Universitäten und Gesamthochschulen des Landes eine wachsende Zahl von Disziplinen an friedenswissenschaftlicher Lehre – in besonderem Maße allerdings die Politikwissenschaft und, mit Abstrichen, die Pädagogik. Inhaltliche Schwerpunkte liegen deutlich auf der Konfliktanalyse und Konfliktregulierung im Generellen und in internationalen Zusammenhängen sowie auf den innergesellschaftlichen Konfliktphänomenen insbesondere des Rechtsradikalismus. Aufgrund einer fast vollständigen curricularen Nichtberücksichtigung der Friedenswissenschaft erscheinen Rythmus und Häufigkeit der Lehrangebote als sehr beliebig und durch subjektives Engagement gesichert; lediglich an der Fernuniversität-Gesamthochschule Hagen gibt es in verschiedenen Fächern ein friedenswissenschaftliches Regelangebot.
Auch in NRW findet ein Großteil der Forschung außerhalb der Hochschulen statt; Forschungsschwerpunkte liegen örtlich gesehen, bei weitgehendem Ausfall der Fachhochschulen, in Bochum, Bielefeld, Köln, Duisburg und Wuppertal. Bei knappen Drittmitteln und der zunehmenden Beanspruchung der WissenschaftlerInnen durch Lehrverpflichtungen ist Friedensforschung eher noch abhängiger von der Eigeninitiative der Beteiligten als die Friedenslehre. Ist die Grundlagenforschung insgesamt schwach in der Friedenswissenschaft ausgebildet, so stammt der Löwenanteil friedenswissenschaftlicher Forschung wiederum aus der Politikwissenschaft, gefolgt von Pädagogik, Physik, Geschichte, Soziologie und Philosophie. Ausgenommen sind aus dieser Bewertung die Arbeiten innerhalb der ausgewiesenen universitären Forschungsinstitute. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung verhält sich analog zu denen in der Lehre: Auch in der Friedensforschung steht die Bearbeitung der Bedrohungen und Konflikte auf globaler Ebene sowie die innergesellschaftlichen Konfliktfelder und Gewaltstrukturen deutlich im Vordergrund.
Generell schwach ausgebildet ist in der Friedenswissenschaft der Zusammenhang bzw. die Einheit von Forschung und Lehre. Interdisziplinarität ist weder in der Lehre noch in der Forschung nennenswert entwickelt und muß, abgesehen von einigen Ausnahmen, vorerst eher als Wunsch und Postulat denn als erlebbare Realität gelten.
Nicht zuletzt um diesen Mißständen abzuhelfen, empfiehlt die Studie zusätzlich zu der gezielten Förderung der fachübergreifenden, an Friedens-, Gewaltminderungs- und Gerechtigkeitsimperativen orientierten Forschung und Lehre die zumindest exemplarische universitäre Etablierung der Friedenswissenschaft als eigenständigen Studiengang sowie als transdisziplinäre, universitäre und fachhochschulische Orientierung, die ihre Lehrangebote in mehreren Studiengängen einbringen könnte.
Im ersten Falle dürfte eine gezielte Mittelzuweisung zu einer Konzentration friedenswissenschaftlicher Ressourcen, zur Verbesserung der Möglichkeiten interdisziplinären Arbeitens sowie zur Aufarbeitung inhaltlicher Desiderate und damit insgesamt zur nachhaltigen Integration einer multidisziplinären Friedenswissenschaft führen. Gezielte Mittel- und Stellenzuweisung würde im zweiten Falle die Grundlagen schaffen sowohl für die Herausbildung einer spezifischen Fachidentität wie für den Auf- und Ausbau einer solchen Friedenswissenschaft als attraktiver Friedenslehre: als disziplinärer Schwerpunkt etwa politik- oder sozialwissenschaftlicher Studien, als zertifizierbares Weiterbildungsangebot, als den Handlungs- und Praxisbezug akzentuierendes Zusatzstudium, als Nebenfach, schließlich als Hauptfach im Magister- und/oder Diplomstudium.
Zur Erreichung beider Zwecke verweist die Studie auf die Notwendigkeit und die institutionellen Möglichkeiten der Förderung von NachwuchswissenschaftlerInnen einerseits, der phantasievollen und unbürokratischen Nutzung landesweit vorhandener Potentiale andererseits: zeitweilige Abordnung von Lehrenden oder Austausch mit Deputatverrechnung, Lehraufträge, Lehr- und Forschungsnetze, das Einbringen von Teilen der Arbeitskapazität in bzw. das Umwidmen von Teilen des Lehrdeputats für friedenswissenschaftliche Arbeitszusammenhänge usw. In diesem Zusammenhang nennt der Empfehlungsteil eine Reihe sinnvoller und z.T. erprobter Handlungsmöglichkeiten und Tätigkeitsfelder für engagierte WissenschaftlerInnen und Hochschulen und verweist auf die Förderungsmöglichkeiten der Friedenswissenschaft – mittels Stiftungen, Fonds, Stipendien, Vereinsgründungen – durch gesellschaftliche Kräfte und Organisationen: Industrie und Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen, Friedens- und andere politische Bewegungen.
Literatur
Bulmahn, Edelgard: Die Gesellschaft wird ihrer Zukunft beraubt. Die Bundesregierung dreht der Friedens- und Konfliktforschung endgültig 1995 den Hahn zu. In: Frankfurter Rundschau 204/2. September 1992, S. 17.
Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW (Hg.): Friedens- und Entwicklungsländerforschung. In: Forschung in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1993, S. 101-106.
Informationsstelle Wissenschaft und Frieden (Hg.): Friedenssicherung in den 90er Jahren. Neue Herausforderungen an die Wissenschaft (Memorandum 1992). Bonn 1992.
Rittberger, Volker: Exposé betr. Gründung einer Deutschen Stiftung für Internationalen Frieden. In: AFK-Rundbrief Nr. 2/94, S. 14f.
Prof. Dr. Hajo Schmidt ist Professor an der Fernuniversität Hagen (Arbeitsstelle Philosophie und Friedensforschung), Christiane Lammers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden, Bonn und in der Redaktion von W&F.