Friedenswissenschaft und Kalter Krieg
Politische Impulse und wissenschaftliche Erträge
von Corinna Hauswedell
Welche Fragen stellen und welche »Lehren« ziehen FriedensforscherInnen und in der Friedensthematik engagierte WissenschaftlerInnen anderer Disziplinen nach dem Wegfall eines ihrer zentralen Gegenstände, und wie reflektieren sie rückblickend ihre Ansätze und Methoden in der Bearbeitung desselben? Die Antworten werden keine Aussagen über die Friedensforschung erlauben, erhellen aber mindestens Trends und Kontroversen in einer – nach 25 Jahren erneut – um ihre Existenz wie um ihr kritisches Potential besorgten Wissenschaftsrichtung.
Die Diskussion über eine Neubewertung des Kalten Krieges und seiner einzelnen Dimensionen, ist im Gange. Manche Fragen, besonders die, welche Rolle die konfrontativen bzw. die kooperativen Aspekte für die insgesamt unerwartete Transformation der bipolaren Weltkonstellation von 1949-1989 gespielt haben, können erst nach Öffnung der Archive tiefergehend beantwortet werden. Für den vorliegenden Beitrag wurde 1992 eine Befragung unter vierzig FriedenswissenschaftlerInnen durchgeführt, die sich meist seit vielen Jahren mit Aspekten des Themas befaßt haben1.
Friedensforschung zwischen »oben« und »unten«
„… Friedensforschung … ist erst im Atomzeitalter entstanden. Erst als die Möglichkeiten der Vernichtung so ungeheure Dimensionen angenommen hatten, daß keine Verblendung mehr über die Irrationalität von Krieg hinwegtäuschen konnte, begannen kleine Gruppen von Wissenschaftlern…“ 2. Vielleicht liegt bereits im zeitlichen Abstand zu der Gründungsursache, die Georg Picht in seiner bekannten Taufansprache „Was heißt Friedensforschung“ 1971 nannte, ein Problem für die Friedensforschung, das sie bis heute begleitet: Der Widerspruch zwischen als notwendig erkannter Fundamentalkritik an Militär und Krieg einerseits und pragmatischer Einflußnahme auf eine weiterhin konfliktträchtige Wirklichkeit andererseits. Als am Ende der sechziger Jahre in Deutschland Friedensforschung institutionalisiert wurde, war der Ost-West-Konflikt zur globalen atomaren Bedrohung eskaliert. In den USA hatten zwei Jahrzehnte Kalter Krieg neben einer militärkritischen auch eine starke den Status quo begleitende arms-control-Forschung hervorgebracht, an die es Anschluß zu gewinnen galt. Daß die deutsche Friedensforschung als „Kopfgeburt“ begann, bei der die „Regierung als Mäzen“ (E.-O. Czempiel) auftrat, und der „Übervater Heinemann“ (U. Albrecht) das Geleit übernahm, schwächte nach Meinung mancher FriedensforscherInnen von Beginn an den moralischen Impuls einer neuen auch auf Alternativen in der Politik gerichteten Wissenschaftsrichtung3. Gleichwohl bedeuteten frühe Beiträge wie die von Dieter Senghaas zum System der Abschreckung oder von Ekkehart Krippendorff zum Verhältnis von Militär und Staat eine kritische, auch Utopiebildung einschließende Grundlegung der Friedensforschung. Mit der Diskussion um das „System organisierter Friedlosigkeit“ 4 wurde in der Disziplin der Internationalen Beziehungen die Infragestellung der Rüstungsdynamik eingeleitet (E. Jahn)5. Zahlreiche Untersuchungen zum militär-industriellen Komplex, die Neugründung der Kriegsursachenforschung6, aber auch Johan Galtungs Einführung der Kategorie der »strukturellen Gewalt«7 wiesen über den Ost-West-Konflikt hinaus, indem innergesellschaftliche Herrschaftsstrukturen und Dominanzverhältnisse, aber auch der Nord-Süd-Konflikt thematisiert wurden.
Im Verlauf der siebziger Jahre etablierten sich, gefördert von der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK), die beiden Forschungsschwerpunkte Ost-West-Konflikt und Nord-Süd-Konflikt. Manche FriedensforscherInnen sehen mehr innovative Impulse in der Nord-Süd-Konflikt-Forschung, vor allem bedingt durch Galtungs Thesen und die Dependenzia-Theorien der Dritte-Welt-Forschung (z.B. L. Brock). Im Ost-West-Konflikt-Schwerpunkt bildeten sich mit der Kritik der Rüstungsdynamik (vor allem in der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, HSFK) und der Konzeptionierung der Entspannungspolitik in Europa (vor allem im Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, IFSH) zwei Themenfelder heraus, in denen zwar mit den Denkmustern und Strategien des Kalten Krieges gebrochen, aber die Ost-West-Blockkonstellation nicht prinzipiell in Frage gestellt wurde (C. Rix). Konfliktregulierung, nicht Konfliktlösung (W. Link), wurde unbewußt oder gewollt eine Maxime friedenswissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Kalten Krieg. Der Anspruch vieler Friedensforscher, „Veränderungswissenschaft“ (E. Jahn) zu betreiben, wurde so sehr bald pragmatisch verkürzt. Zahlreiche produktive Einzelstudien zu den verschiedenen Aspekten der waffentechnischen Entwicklung, des Rüstungswettlaufs und seiner Begrenzung entstanden ebenso wie eine umfangreiche Begleitforschung zur Entwicklung einer Sicherheits- und Friedensstruktur in Europa8.
Schwerpunktbildung und Themenwahl waren in starkem Maße bedingt durch die international einzigartige staatliche Anbindung der deutschen Friedensforschung und ihre Prägung durch die sozialliberale Regierungspolitik9. Das doppelte Dilemma dieser besonderen Politiknähe, angreifbar zu sein sowohl von nichtstaatlichen, auf größere Unabhängigkeit drängenden Kritikern als auch aus den Reihen der konservativen Opposition, wurde zu einem Merkmal deutscher Ost-West-Konfliktforschung. Ein wirkungsgeschichtlich interessanter Blick in die Pressearchive der Friedensforschungsinstitute zeigt, daß den Medien der seit 1973 vorwiegend zwischen SPD und CDU geführte Streit um die Inhalte und Förderungspraxis der DGFK häufig eine umfangreichere Berichterstattung wert war als die Themen der Friedensforschung.10
Zu einfach erscheint es m.E. jedoch, die Friedensforschung entweder nur noch als „Legitimationsdisziplin“ wahrzunehmen oder ihren zunehmenden „Alibicharakter“ zu beklagen11 greift m.E. zu kurz. Einerseits konnten, wie noch zu zeigen sein wird, gerade wegen ihrer Politiknähe manche Forschungsbeiträge zumindest mittelbaren Einfluß nehmen auf den friedenserhaltenden Aspekt der Status-Quo-Politik. Die DGFK-geförderten Institutsprofile, das IFSH explizit politikberatend (nicht erst seit der Übernahme durch den SPD-Politiker Egon Bahr 1985) und auf europäische Sicherheitspolitik konzentriert, die HSFK stärker auf den akademischen Backround der Frankfurter Universität und »Schule« bauend und thematisch breiter angelegt, halfen, eine kleine kenntnisreiche Gruppe von SpezialistInnen und ein entsprechendes Know-How zu entwickeln. So resümieren heute selbst Kritiker in der Friedensforschungsgemeinde: „In den 70er Jahren hat die Friedensforschung dazu beigetragen, die auf geradezu skandalöse Weise parlamentarisch nicht hinterfragte Monopolexpertise der professionellen Militärs zu durchbrechen.“ (P. Lock). Beiträge zu einer friedenswissenschaftlichen Professionalisierung leisteten in einer gewissen Abgrenzung zu den Ost-West-Mainstream-Themen auch andere Einrichtungen; so die kirchlich getragene Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), die schon früh den vor allem politikwissenschaftlichen Ansatz der DGFK als zu eng kritisierte (F. Solms, C. Eisenbart). Auch in dem von Carl Friedrich von Weizsäcker geleiteten Starnberger Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt entstanden zahlreiche Arbeiten, die über die aktuelle Politik hinauswiesen12. Von der Berghof-Stiftung gefördert wurden in den 70er Jahren bereits Untersuchungen zur grundlegenden Bewertung von Rüstung, Militär und Gesellschaft in Ost und West; zudem entstand hier (wie auch im Rahmen der HSFK) ein eigener Zweig „Friedenspädagogik und Konfliktbearbeitung“, der Friedenserziehung sowie die Vermittlung friedenswissenschaftlicher Ergebnisse für eine breitere Öffentlichkeit neu akzentuierte.
Bei aller Vielfalt der Ansätze und trotz der Leistung der Friedensforschung, „den Paradigmenwechsel vom Sieg im Ost-West-Konflikt zur friedlichen Konfliktbearbeitung“ (E.-O. Czempiel) mitvollzogen zu haben, war um 1980 der gesellschaftverändernde Anspruch der Frühzeit deutlich zurückgegangen. Utopieverlust, pragmatischer Forschungsalltag und institutionelle Segmentierung wurden zwar im Rahmen der Jahrestagungen der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) immer wieder kritisch reflektiert; aber es gelang beispielsweise nicht, jenseits der geförderten Institutsstrukturen in größerem Umfang an den Hochschulen in Forschung und Lehre Fuß zu fassen. Die wenigen Lehrstühle in Friedensforschung entstanden fast alle in der Politikwissenschaft im Bereich der Internationalen Beziehungen. Zwar mochten strukturelle Hemmnisse im Wissenschaftsbetrieb der Bundesrepublik interdisziplinäre Ansätze besonders benachteiligen – in den USA gab es eine andere Entwicklungstendenz13 –, aber auch die individuellen Möglichkeiten von WissenschaftlerInnen für eine Integration friedenswissenschaftlicher Themen im jeweiligen Fach wurden nicht immer genutzt.
Die 80er Jahre
Gegenüber den erkennbaren Anstößen in den 70er Jahren „spielte die Friedensforschung in 80er Jahren keine innovative Rolle, sie hechelte der Poltik hinterher“ (E. Jahn). Die frühen 80er Jahre waren durch eine Schwächung der institutionellen Friedensforschung bei gleichzeitiger politischer Zuspitzung der Ost-West-Konfrontation und einer immensen Belebung der öffentlichen friedenspolitischen Diskussion gekennzeichnet. Die damaligen Kontroversen über die Situationsbeurteilung (Abschied von der Entspannung, zweiter Kalter Krieg) widerspiegelten die (teilweise bis heute anhaltenden) Unsicherheiten der Friedensforschung über den Stellenwert von Konfrontation und Kooperation im Ost-West-Konflikt (C. Rix). Daß in der Opposition gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen erneut die Kritik der nuklearen Abschreckung Pate stand, und dies schließlich den sicherheitspolitischen Konsens in der Bundesrepublik so nachhaltig erschütterte, hielt die Friedensforschung gegenüber der vehement agierenden Friedensbewegung eher auf Distanz. Man wollte das Rad nicht noch einmal neu erfinden (B. Kubbig, G. Krell). Eine strikte Trennung zwischen akademischer Forschung und Bewegung hielt man auch der Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse wegen für unerläßlich (E.-O. Czempiel). Friedenswissenschaftliche Arbeiten wurden zwar zu einer „wichtigen Ressource für die Medien“ (U. Albrecht) und prägten so den „elaborierten öffentlichen Diskurs der 80er Jahre“ mit (F. Solms); und punktuell stellten Friedensforscher ihr Spezialwissen auch in Aktionen der Friedensbewegung zur Verfügung. Explizit war »Handlungsorientierung« die Leitlinie des 1982 von Alfred Mechtersheimer gegründeten Forschungsinstitut für Friedenspolitik in Starnberg. Die Krise der vor allem »nach oben« orientierten Friedensforschung wurde dagegen in der Schließung der DGFK (1983) durch die neue konservative Bundesregierung manifest: eine politische Gründung wurde – unter veränderten politischen Vorzeichen – wieder aufgehoben (K.-H. Koppe).
Fast zur gleichen Zeit entstanden aus der Friedensbewegung heraus an akademischen Disziplinen orientierte Wissenschaftler-Initiativen, vorwiegend aus den nicht sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen: die Internationalen Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW), die Naturwissenschaftler-Initiative Verantwortung für den Frieden, das Forum InformatikerInnen für gesellschaftliche Verantwortung (FIFF), die Initiativen der PsychologInnen, PädagogInnen und KuturwissenschaftlerInnen. Sie verstanden sich zwar meist (zumindest zunächst) nicht als Teil der Friedensforschung (E. Richter, H.-P. Dürr, A. Schaper, P. Starlinger), entwickelten aber neben ihrem unmittelbaren friedenspolitischen Engagement eine umfangreiche friedenswissenschaftliche Tätigkeit mit spezifischen Merkmalen. Dazu zählten die Einrichtung multidisziplinärer Ringvorlesungen an den Hochschulen, die Entwürfe von Seminarprogrammen für den Lehrbetrieb der jeweiligen Fächer, die Implementierung fachübergreifender Forschungsprojekte. Während zum Zeitpunkt der Gründung dieser Initiativen in der etablierten Friedensforschung die gleichen Berührungsvorbehalte wie gegenüber der Friedensbewegung vorherrschten, überwiegt in Rückblicken eine positive Würdigung dieser Initiativen (z.B. E. Bahr, D. Lutz). Anerkannt werden vor allem ihre aufklärerische Wirkung in der Öffentlichkeit, aber auch fachliche Innovationen u.a. in der Kriegsfolgenanalyse, Feindbildperzeption, Rüstungstechnikkritik und Konversion. Neben den aktuellen politischen Gründen und moralischen Motiven, die zahlreiche Wissenschaftler zu dieser neuen kritischen Befassung mit Rüstung und Krieg veranlaßten, waren es m.E zu Beginn der 80er Jahre Themenkomplexe wie die ökologischen und technologischen Implikationen (nicht nur) der Rüstungsdynamik, die einen disziplinären Zuwachs über das vorwiegend sozialwissenschaftliche Know-How der Friedensforschung hinaus auf den Plan riefen.
Die Ausarbeitung der Gemeinsamen Sicherheit, ein Auftrag aus der Politik an die Friedensforschung (E. Bahr), aber auch Arbeiten an einzelnen Sicherheitskonzepten wie der Strukturellen Nichtangriffsfähigkeit (H.-P. Dürr) wiesen auf Alternativen zur Raketenstationierung hin, ohne freilich – insofern eine Parallele zu den 70er Jahren – die Auflösung der Blöcke zu antizipieren. Während dies Teile der Friedensbewegung nach 1983 forderten, sahen manche FriedensforscherInnen darin eine „Gefährdung des Status quo“ der relativen Sicherheit (C. Rix). Andere Anstöße aus der Friedensbewegung werden allerdings von vielen FriedenswissenschaftlerInnen, vor allem der jüngeren Generation, nicht bestritten: Die verstärkte Aufnahme sozialpsychologischer Fragen (H.-M. Birckenbach), Feindbildforschung, die zivillogische Kritik am Militär (W. Vogt), die Betonung der Analyse der gesellschaftlichen neben den zwischenstaatlichen Konflikten (C. Rix). Hierzu gehört auch die Begründung feministischer Forschungsansätze in der Friedensforschung (E. Senghaas-Knobloch, H.-M. Birckenbach)14. Eine Auffächerung der Fragestellungen, eine beginnende Kooperation zwischen institutioneller Friedensforschung und den WissenschaftlerInnen-Initiativen15 begleiteten einen Selbstverständigungsprozeß in der Friedensforschung am Ende der 80er Jahre16. Rückblickend stellen manche FriedensforscherInnen die Frage, ob nicht eine stärkere Zusammenarbeit mit den nichtstaatlichen Akteuren der sozialen und Bürgerbewegungen in West und Ost den FriedensforscherInnen eine größere Nähe zu den politischen Umbrüchen am Ende des Kalten Krieges ermöglicht hätte (u.a. E. Krippendorff, U. Albrecht).
Politische Denkansätze, Alternativkonzepte, Bewußtseinswandel
In keinem Punkt stimmten die GesprächspartnerInnen der Befragung so weitgehend überein wie in der Skepsis gegenüber dem generellen politischen Einfluß der Friedensforschung auf die Politik. Mittelbare Einflüsse, Beiträge zu einer politischen Klimaveränderung mit Rückwirkungen sowohl im Handeln der Entscheidungsträger als auch im öffentlichen Bewußtsein sind unumstritten. Aber selbst da, wo FriedensforscherInnen mit der erklärten Absicht der Einflußnahme den Weg der Politikberatung erfolgreich beschritten – im internationalen Rahmen ist hier z.B. die Gutachtertätigkeit von WissenschaftlerInnen des Stockholm International Peace Research Institutes (SIPRI) für Studien der UNO zu nennen (L. Brock, H. Wulf) –, sind der Wirkungsanalyse unter anderem aus Opportunitätsgründen der Verschwiegenheit Grenzen gesetzt.
Selbstkritisch wurde von manchen Friedensforschern ein zu geringes Engagement für die öffentliche Propagierung der eigenen Ergebnisse anläßlich konkreter politischer Ereignisse bilanziert; so stellte Karlheinz Koppe im Interview die Zurückhaltung der AFK in der Arbeit mit öffentlichen Erklärungen, Memoranden etc. den umfangreichen Kampagnen der Initiativen der NaturwissenschaftlerInnen und der IPPNW gegenüber17. Die politische Wirkung des seit 1987 einmal im Jahr gemeinsam von den drei Instituten HSFK, FEST, IFSH herausgegebenen Friedensgutachtens liegt weniger in seiner politikberatenden als vor allem in seiner Funktion als Medienressource.
Die folgenden Skizzen politischer Impulse der Friedensforschung im Kalten Krieg spiegeln die hier aufgeführten Probleme der Wirkungsanalyse. Die Beispiele sind zu einem Teil der institutionellen Friedensforschung, zu einem anderen den Wissenschaftler-Initiativen zuzurechnen.
Die Konzeption der »Gemeinsamen Sicherheit«
Das Konzept der Gemeinsamen Sicherheit, das seinen ersten politischen Ausdruck im Palme-Bericht 1982 fand, ist vielleicht das in seiner Entstehungsgeschichte typischste Produkt einer »von oben« induzierten Friedensforschung. Egon Bahr, verwies auf den politischen Impuls von Olof Palme 1980, der ihn, Bahr, als Politiker und Noch-Nicht-Friedensforscher aufforderte, „über die Gesetze der Sicherheit im Atomzeitalter neu nachzudenken“. Das IFSH orientierte seinen Forschungsschwerpunkt in den 80er Jahren vorrangig an diesem Thema. Viele KollegInnen würdigen zwar den Beitrag zur »Klimaveränderung« und die „Umdefinition von Sicherheit auf Frieden“ (E. Jahn), die Kritik richtet sich aber zugleich auf das Befangenbleiben in der militärischen Dimension des Konflikts, bemängelte, daß die Gemeinsame Sicherheit keine über die Blockkonstellation hinausweisende friedenspolitische Strategie aufwies18. Das erste politische Produkt, die Arbeit der Palme-Kommission, bezeichnet Olof Palme im Vorwort nichtsdestoweniger als „einzigartig“, weil erstmals Vertreter aus Ost, West, Nord und Süd zu einer Gefahrenanalyse zusammenkamen.
Im deutsch-deutschen Dialog inspirierte das Konzept der Gemeinsamen Sicherheit ab etwa 1986 die Einrichtung einer staatlich geförderten Friedensforschung in der DDR, die sich weitgehend auf dieses Thema konzentrierte19. Aber auch im politischen Bereich bei der Erarbeitung des Papiers von SPD und SED für eine gemeinsame Streitkultur von 1986/87 ist die gedankliche Patenschaft der Gemeinsamen Sicherheit – bis hin zur Namensgebung – unverkennbar. Daß der letzte Außenminister der DDR, Markus Meckel, 1990 den Friedensforscher Ulrich Albrecht zum Leiter seines Planungsstabes machte, sagt indirekt auch etwas über das Wirken dieser Konzeption.
Egon Bahr berichtete, eine Begegnung mit Michail Gorbatschow im Frühjahr 1986 habe ihn den Eindruck gewinnen lassen, daß wohl auf dem Wege über das Mitglied der Palme-Kommission Georgij Arbatov der Kreml-Chef näher mit der Gemeinsamen Sicherheit bekannt wurde und dies dann zu seiner eigenen Sache gemacht habe.
Das »Neue Denken«
Dem Einfluß der Friedenswissenschaft auf das »Neue Denken« in der Sowjetunion nachzugehen, erscheint besonders interessant, da hier die Weichen für die schließliche Beendigung der Ost-West-Konfrontation gestellt wurden. Sowohl aus den Reihen der etablierten Friedensforschung (u.a. E. Bahr, U. Albrecht) als auch seitens einzelner Wissenschaftler aus den Initiativen (H.-P. Dürr, E. Richter) wurden in den Interviews Anstöße und Ebenen der Begegnung identifiziert, die auch von sowjetischen Zeitzeugen in ähnlicher Weise interpretiert werden. Hans-Peter Dürr berichtete über seine Mitarbeit in einer sowjetischen Physikergruppe unter Leitung von Jewgenij Welichow, dem Vizepräsidenten der Akademie der Wissenschaften in Moskau, in der seit 1985, auch gestützt durch amerikanische Wissenschaftler, das SDI-Konzept kritisiert und die Problematik Gorbatschow nahegebracht wurde. Ein wichtiger Impuls für die Verlängerung des atomaren Teststops durch Gorbatschow sei vom 6.Weltkongreß der IPPNW im Juni 1986 ausgegangen20. Valentin Falin sagte für die Zeit ab etwa 1982, „in der Sowjetunion waren die Steine weicher“, und meint den Einfluß von Friedensbewegung und Friedenswissenschaft21. Gorbatschow führt selbst als eine für diese Erfahrung wichtige Quelle das internationale Moskauer Forum mit dem Titel „Für eine Welt ohne Kernwaffen – Für das Überleben der Menschheit“ im Februar 1987 an: „..(dort)…hatte ich Gelegenheit, Stimmung, Gedanken und Ideen einer internationalen intellektuellen Elite kennenzulernen… Ich habe über die Ergebnisse des Kongresses mit meinen Kollegen vom Politbüro gesprochen, und wir haben beschlossen, einen wichtigen Kompromiß zu machen: Das Paket von Reykjavik aufzuschnüren und das Problem der Mittelstreckenraketen in Europa von anderen Problemen zu trennen“ 22. Welche Rolle diese in der internationalen Politik ungewöhnliche Bereitschaft Gorbatschows, Stimmen »von unten«, und zwar Antworten, nicht nur Fragen, wahrzunehmen (E. Richter), für die Beendigung der Konfrontation gespielt hat, wäre im einzelnen, auch nach Öffnung der Archive zu klären.
Alternative sicherheitspolitische Konzepte
Auf einer anderen Ebene liegen friedenswissenschaftliche Impulse für einzelne alternative politische Konzepte, vor allem im Bereich der Abrüstung bzw. Rüstungskontrolle, deren positive Bewertung eben wegen des damit verbundenen Pragmatismus auch umstritten ist.
Immer wieder genannt wurde in der Befragung die Internationale Pugwash-Bewegung, der es u.a. wegen der Beteiligung amerikanischer und sowjetischer Naturwissenschaftler gelang, im Klima des Kalten Krieges auf informellen Wegen Einfluß auf einige der Rüstungskontrollabkommen der 60er und 70er Jahre zu nehmen. Gedankliche Vorarbeiten zum Atomwaffensperrvertrag kamen z.B. schon in den späten 50er Jahren aus den Reihen von Pugwash (K.-H. Koppe). Die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, bei der es traditionell eine tendenzielle Kooperation der Regierungen der „Großen“ gab (C. Eisenbart), ist schon früh von friedenswissenschaftlichen ExpertInnen begleitet worden23. Und so sehr die Erörterung dieses Themas immer durch die Hegemoniepolitik der beiden Hauptkontrahenten im Ost-West-Konflikt geprägt war, wies sie durch die Nord-Süd-Dimension sowie die technologischen und die ökologischen Aspekte immer darüber hinaus (C. Eisenbart).
Ein Beispiel für das Zusammenwirken von Friedensforschern und friedensbewegten Naturwissenschaftlern ist die Arbeit an Konzepten der defensiven Verteidigung, die dann zu der politikfähigen Ausformung der sogenannten Strukturellen Nichtangriffsfähigkeit (STRUNA) führte24. Dürr erinnerte an die Zusammenarbeit an diesem Thema mit Albrecht von Müller und Horst Afheldt am Weizsäcker-Institut in Starnberg im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) seit 1982Fn25. Früh und „mit großer Resonanz“ seien Ergebnisse an ausgewählte Politiker herangetragen worden; der Versuch, das Thema im Rahmen des ersten Naturwissenschaftler-Kongresses 1983 im Mainz zu plazieren, habe dort eine ähnliche Abwehr provoziert – „Keine Umwege über Umrüstung“ – wie bei manchen FriedensforscherInnen. Hans-Peter Dürr erläuterte sein Verständnis dieser Arbeit wie folgt: Die damalige Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Militärs der westlichen und östlichen Seite über Streitkräftestärken habe überraschend weitreichend die gegenseitigen Bedrohungswahrnehmungen und ihre Hintergründe offengelegt. Vieles spräche dafür, wenn man der Rüstungsdynamik und möglichen Gegenstrategien auf die Spur kommen wolle, die beiden Ebenen, das »Erbsenzählen« einer schrittweisen Reduktion von Waffenpotentialen mit einer weitergehenden Bewußtseinsveränderung in Richtung vollständiger Abrüstung nicht für unvereinbar zu halten.
Einige Grundgedanken der STRUNA haben in Form der Vorsorge vor Überraschungsangriffen Eingang gefunden in das Mandat und die Verträge der Wiener VKSE-Verhandlungen. Dies gilt auch für Ergebnisse der seit Mitte der 80er Jahre an der Bochumer und Hamburger Universität vor allem von Physikern und Völkerrechtlern betriebenen interdisziplinären Verifikationsforschung26.
Mit Sicherheit gibt es mehr Beispiele dafür, daß Friedenswissenschaft besonders auch in Abrüstungsverhandlungen nicht wirksam wurde. Forderungen nach qualitativer Rüstungskontrolle oder darüberhinausgehende Entmilitarisierungskonzepte27 hatten auch am Ende des Kalten Krieges kaum eine Chance politischer Umsetzung. Daß man aber seit 1989 auch in der Politik auf ein friedenswissenschaftliches Potential neben den genannten Gebieten z.B. in der Konversionsforschung zurückgreifen kann, ist ein Ergebnis der jüngeren Kooperation gesellschaftswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Ansätze, die bewußt versuchen, konkrete Lösungsansätze mit längerfristigen Strategien zu verbinden28.
Wissenschaftliche Erträge – Exemplarisch
Die Grenzen zwischen politischen Impulsen und im engeren Sinne wissenschaftlichen Erträgen der Friedensforschung sind, wie angedeutet, fließend.
Auf die Impulse, die die Friedensforschung zum Ost-West-Konflikt für die Theoriebildung in den Internationalen Beziehungen gegeben hat kann hier nur pauschal verwiesen werden29.
Die folgenden Ausführungen sollen sich auf die theoretische Befassung mit dem Ost-West-Konflikt innerhalb der Friedensforschung beschränken, sowie eine knappe Übersicht neuerer multi- und interdiziplinärer friedenswissenschaftlicher Ansätze in den 80er Jahren geben.
Die Reflexionen über theoretische Modelle des Ost-West-Konflikts an dessen Ende haben zu einer Annäherung einiger früher deutlicher unterschiedener Positionen geführt30. Bereits in den 80er Jahren hat sich ein Nebeneinander verschiedener Erklärungsansätze zumindest bezüglich der „Schichten“ (E.-O. Czempiel) des Konfliktes als Sicherheits-, Hegemonial-, Macht- und Ideologiekonflikt angebahnt. Die AFK-Tagung von 1986 „Ost-West-Konflikt – Wissen wir wovon wir sprechen?“ hatte mit den beiden Hauptreferenten Imanuel Geiss und Renate Damus bewußt zwei WissenschaftlerInnen eingeladen, die nicht aus dem engeren Umfeld der Friedensforschung kamen. Die unkonventionellen Thesen, insbesondere die Widerlegung der „Legende von der Systemkonkurrenz“ durch den industriegesellschaftskritischen Ansatz von Renate Damus, brachten also eine gewisse Innovation31.
Eine Fortsetzung der Diskussion über das Autismus-Modell, das noch heute die meisten FriedensforscherInnen für den zentralen Theoriebeitrag halten, fand jedoch immer weniger statt.
So ist an die Friedensforschung selbst die Frage zu stellen: War nicht der Übergang zu einer vor allem die Konfliktregulierung, nicht die Konfliktüberwindung beinhaltende Theoriebildung schon in der Autismustheorie angelegt? „Die Interpretation des Abschreckungssystems als Produzent und Exponent autistischer Feindschaft bleibt im wesentlichen zunächst auf einer deskriptiven Ebene“ 32. Solche Formulierungen von Dieter Senghaas riefen eine Kritik hervor, die heute, wo es wieder um die Zukunft der Abschreckung geht, wieder Berechtigung hat: „Senghaas hinterfragt an keiner Stelle ernsthaft die gesellschaftlichen Bedingungen der Abschreckungspraxis“ 33, schrieb Erhard Forndran schon vor über zwanzig Jahren und plädierte dann allerdings für eine konsequent-pragmatische Abrüstungspolitik. Auch in der jüngeren Friedensforschungsgeneration wird heute vielfach die Meinung vertreten, die gesellschaftliche Analyse des Ost-West-Konflikts, einschließlich einer Herrschaftskritik auf beiden Seiten, sei völlig unterbelichtet gewesen (u.a. U. Wasmuht, P. Lock, aber auch E.-O. Czempiel). Mit den inneren Verhältnissen der Sowjetunion hat sich lange Zeit nur die Gruppe um Egbert Jahn befaßt. Die eigentlich in der Abschreckungskritik angelegten Fragen nach dem subjektiven Faktor, nach der Sozialpsychologie des Konflikts fanden nur vereinzelt Platz in der Forschung: „Da internationale Politik, insbesondere der Ost-West-Konflikt, eine sehr viel geringere Erfahrungshaltigkeit zuläßt als innergesellschaftliche Beziehungen, förderte gerade die spezifische politische Struktur des Ost-West-Konfliktes mit ihrer Dynamik des »Entweder-Oder« eine sozialpsychologische Konfliktbewältigungsstrategie, die als »Externalisierung« bezeichnet werden kann.“(E. Senghaas-Knobloch)34
Kontrovers in den Positionen und zugleich ein uneingelöstes Forschungsdesiderat35 ist nach wie vor die militärische Seite des Ost-West-Konflikts: Die Einschätzungen schwanken zwischen einer Bewertung als „Epiphänomen“ (W. Link), „abgeleitetem Konflikt“ (E.-O. Czempiel) und „Eigendynamik“ (D. Lutz u.a.).
Die NaturwissenschaftlerInnen, und auch InformatikerInnen, die sich seit Beginn der 80er Jahre mit ihrer Kenntnis der waffen- und informationstechnologischen Entwicklung in den friedenspolitischen und -wissenschaftlichen Diskurs einschalteten, haben diese Dimension eher erkannt. Sowohl in der kritischen Atomwaffenforschung (z.B. über die zivil-militärische Ambivalenz der Plutoniumgewinnung), als auch in der Lasertechnikentwicklung (z.B. das SDI-Programm) und bei den modernen elektronischen Waffen wurden Zusammenhänge zwischen den die Technologieentwicklung und die Rüstungsdynamik antreibenden anderen gesellschaftlichen Faktoren neu analysiert36. Eine weitere Rolle spielten naturwissenschaftliche Untersuchungen zu den Atomkriegsfolgen unter dem Stichwort „Nuklearer Winter“. Die gutbesuchten Kongresse der Medizinerorganisation IPPNW popularisierten dieses Thema und verwiesen auf die globalen Implikationen des modernen Krieges, z.B. die Zusammenhänge von Militär und Ökologie. Viele dieser gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mündeten in einer gemeinsamen Analyse und These von der Verwundbarkeit der modernen Industriegesellschaft (W. Vogt, B. Stepanek) und der Inkompatibilität von Risikogesellschaft und Militär37. Es gab hierzu zwar wichtige inhaltliche Vorläufer wie die bereits erwähnte Weizsäcker-Studie von 1971 und Arbeiten zur Ökologischen Sicherheit am Ende der 70er Jahre38, aber erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre kam es zwischen den in der Ökologie- und Friedensbewegung arbeitenden WissenschaftlerInnen zu einer engeren Kooperation, wurde der „Frieden mit der Natur“ zunehmend als eine notwendige Erweiterung des gesellschaftlichen Friedensengaments verstanden.
Die Frage nach der ethischen Begründung für Wissenschaft sowie nach dem Verhältnis von Wissenschaft und politischer Moral hat durch die Friedensdiskussion in den 80er Jahren neue Impulse erhalten. Unterschiedliche Akzente und Positionen wurden diesbezüglich aus den Reihen der etablierten Friedensforschung und den Mitgliedern der Wissenschaftler-Initiativen vertreten; während in der Friedensforschung häufig die strikte Trennung von Moral (und friedenspolitischem Engagement) und Wissenschaft betont wurde (B. Moltmann), ging es den NaturwissenschaftlerInnen meist gerade um das Hereinholen ethischer Kriterien in die eigene Disziplin (Schaper).
In Ergänzung zu den Ergebnissen der Befragung erbringt eine Auswertung der friedenswissenschaftlichen Tätigkeit und Literatur in der zweiten Hälfte der 80er bei größerer (in mancher Hinsicht an die Frühzeit der Friedensforschung erinnernder) Auffächerung auch eine zunehmende Kooperationsbereitschaft in den Themen und Fragestellungen der etablierten Friedensforschung und der Wissenschaftler-Initiativen. In diesem Zeitraum ist allgemein eine Intensivierung friedenswissenschaftlicher Arbeit in den einzelnen Disziplinen zu registrieren – über die bereits genannten hinaus in der (Rüstungs-)Ökonomie, im Völkerrecht, in der Geschichtswissenschaft, der politischen Psychologie und Friedenspädagogik – sowie ein Hinzukommen anderer theoretischer Ansätze wie des Feminismus' sowie stärkere Bemühungen zu multi- und interdisziplinärer Zusammenarbeit39. Eine wesentliche Voraussetzung für die bis in die frühen 90er Jahre reichende Kontinuität der neueren, nicht etablierten friedenswissenschaftlichen Ansätze lag m.E. in den entwickelten Strukturen der Wissenschaftler-Initiativen: Regelmäßige Kongresse, eine Verankerung von Forschungsprojekten an einzelnen Hochschulen, und nicht zuletzt eine selbstständige Publizistik.
Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Weise der etablierten Friedensforschung, deren staatliche Förderung heute grundsätzlich zur Disposition steht, sowie den friedenswissenschaftlichen Impulsen aus den 80er Jahren, die durch die Friedensbewegung inspiriert waren, der »Paradigmenwechsel« in die 90er Jahre gelingen wird. Die Prägungen durch die Denkmuster und Rahmenbedingungen des Ost-West-Konfliktes sind nachhaltig; ihre (selbst)kritische Aufarbeitung stellt jedenfalls eine Voraussetzung für eine an den neuen Konfliktfeldern orientierte Friedenswissenschaft dar.
Der vorliegende Beitrag erscheint in erweiterterter Fassung in: Arnolt Sywottek (Hrg.): Der Kalte Krieg – Vorspiel zum Frieden?, Jahrbuch für Historische Friedensforschung, 2. Jg., Münster i.E.
Anmerkungen
1) Die in Klammern aufgeführten Namen geben die InterviewpartnerInnen wieder. Zurück
2) Georg Picht, Was heißt Friedensforschung? München 1971, S.13. Zurück
3) Vergl. auch Arnold Sywottek, Die Bundesrepublikanische Ost- und Deutschlandpolitik der sechziger Jahre, in: Peter Lock (Hg.), Frieden als Gegenstand von Wissenschaft, Frankfurt/M. 1982, S.88. Zurück
4) Dieter Senghaas, Abschreckung und Frieden, Studien zur Kritik organisierter Friedlosigkeit, Frankfurt/M. 1969. Zurück
5) Übereinstimmend wird von allen Interviewpartnern Senghaas' Kritik an der atomaren Abschreckung als zentraler Theoriebeitrag der Friedensforschung zum Ost-West-Konflikt gewertet. Zurück
6) Vergl. u.a. Ulrich Albrecht, Theoreme vom Militär-Industriellen-Komplex – eine kritische Bestandsaufnahme, in: Wilfried von Bredow/Gerd Kade (Hg.), Abrüstung. Politische Voraussetzungen, sozio-ökonomische Folgen. Aufgaben der Wissenschaftler, Köln 1978; ders., Rüstungskonversionsforschung, Baden-Baden 1979; Carola Bielfeldt, Rüstungsausgaben und Staatsinterventionismus. Das Beispiel Bundesrepublik Deutschland 1950-1971, Frankfurt/M. 1977; Klaus Jürgen Gantzel, System und Akteur. Beiträge zur vergleichenden Kriegsursachenforschung, Düsseldorf 1972. Zurück
7) Johan Galtung, Strukturelle Gewalt, Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek 1975. Zurück
8) Programmatisch hierfür besonders die von der DGFK angestoßene Studie: Gerda Zellentin (Hg.), Annäherung, Abgrenzung und friedlicher Wandel in Europa, Boppard/Rh. 1976. Zurück
9) Vergl. auch Ingo Arend, Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK), Genesis-Programmatik-Scheitern. Mag.Arbeit, Bonn 1986. Einige Aktualisierungen bei: Ders., Die politische Geschichte der Friedensforschung in der Bundesrepublik. Eine kommentierte Dokumentation, in: Leviathan 2/1990, S.280-292. Zurück
10) Vergl. Arend, Pol. Geschichte (Anm.9), S.287. Zurück
11) Wolf Graf von Baudissin, Probleme der Friedens- und Konfliktforschung. in: Lock (Hg.) (Anm.3), S.6.. Zurück
12) Exemplarisch sei hier genannt die vielbeachtete Studie Carl Friedrich von Weizsäcker (Hg.), Kriegsfolgen und Kriegsverhütung, München 1971. Er selbst habe für seine Arbeit „das Wort Friedensforschung nie aktiv benützt“, schrieb er im Zusammenhang mit der Befragung. Zurück
13) Vergl. u.a. Ulrich Albrecht, Friedensforschung an technischen Hochschulen in Amerika, Arbeitspapier aus dem Berliner Projektverbund der Berghof-Stiftung, Berlin 1987 Zurück
14) Vergl. Tordis Batscheider, Friedensforschung und Geschlechterverhältnis – Zur Begründung feministischer Fragestellungen in der kritischen Friedensforschung, Marburg 1993. Zurück
15) Diese Kooperation erstreckte sich auf gemeinsame Vorlesungsreihen, Kongreßbeteiligung und zunehmend auch Forschungsprojekte. Vergl. dazu Corinna Hauswedell, Friedensforschung und Friedenswissenschaft an den Hochschulen, Neue Entwicklungstendenzen und Perspektiven, in: Ulrike Wasmuht (Hg.), Friedensforschung – Eine Handlungsorientierung zwischen Politik und Wissenschaft, Darmstadt 1991. Zurück
16) Vergl. u.a. W.Graf/I.Horn/Th.H.Macho (Hg.), Zum Wissenschaftsbegriff der Friedensforschung, Ergebnisse einer Umfrage, Wien 1989; Karlheinz Koppe/Dieter Senghaas (Hg.), Friedensforschung in Deutschland, Lagebeurteilung und Perspektiven für die 90er Jahre, Bonn 1990. Zurück
17) Das erste gemeinsame Memorandum aus dem Kreise von 30 SozialwissenschaftlerInnen und NaturwissenschaftlerInnen, das die Darstellung neuer friedenswissenschaftlicher Fragestellungen mit forschungspolitischen Konsequenzen verbindet, erschien bei Informationsstelle Wissenschaft und Frieden (Hg.), Friedenssicherung in 90er Jahren – Neue Herausforderungen für die Wissenschaft, Bonn 1992. Zurück
18) Vergl. z.B. Gerda Zellentin, Gemeinsame Sicherheit – Widersprüche zwischen Idee und Rahmenbedingungen, Ziel und Mitteln, in: Christiane Rix (Hg.), Ost-West-Konflikt – Wissen wir, wovon wir sprechen?, Baden-Baden 1987, S.236-260. Zurück
19) Erste Anstöße vergl. Max Schmidt/Wolfgang Schwarz, Frieden und Sicherheit im nuklearkosmischen Zeitalter. in: IPW-Berichte 9/86, S.1-12. Der Wissenschaftliche Rat für Friedensforschung der DDR bildete in engerer Kooperation mit dem Institut für Wissenschaft und Politik (IPW), Berlin (Ost), den institutionellen Rahmen der DDR-Friedensforschung. Eine Bilanzierung aus der Sicht von 1990 nehmen vor Klaus Benjowski/Max Schmidt, DDR-Friedensforschung im Wandel, in: Wasmuht (Hg.) (Anm.15), S.211-222. Zurück
20) Vergl. Hans-Peter Dürr, Das Netz des Physikers, München 1988, S.466 ff. Zurück
21) Im einzelnen erwähnte Falin aus Politik und Wissenschaft gemischte Einflüsse: Pugwash, den Bergedorfer Gesprächskreis, die Gremien der Sozialistischen Internationale, Einzelpersonen wie Bahr, Brandt, McNamara. Zurück
22) Michail Gorbatschow, Perestroika, Die zweite russische Revolution, München 1987, S.196. Zurück
23) Vergl. hierzu die Geschichte des entsprechenden Projektes bei der FEST sowie den Non-Proliferationsschwerpunkt bei IANUS (Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft und Sicherheitspolitik) an der TH Darmstadt. Zurück
24) Einen auch öffentlich kontroversen politischen Niederschlag fand dies in der Veröffentlichung des SPD-Politkers Andreas von Bülow, Das Bülow-Papier, Strategie vertrauenschaffender Sicherheit-Strukturen in Europa – Wege zur Sicherheitspartnerschaft, Frankfurt 1985. Zurück
25) Es schloß sich die Gründung einer „Pugwash Study Group on Conventional Forces in Europe“ an, die eine Internationalisierung der Debatte beförderte. Zurück
26) Vergl. div. Publikationen aus dem Projekt der Ruhr-Universität Bochum „Integrierte Forschung und Lehre zu Fragen der Friedenssicherung, Abrüstung und Rüstungskontrolle“, u.a. Jürgen Altmann/Bernhard Gonsior, Nahsensoren für die kooperative Verifikation der Abrüstung konventioneller Waffen, in: Sicherheit und Frieden 2/1989, S.77-82; sowie aus der Arbeitsgruppe Naturwissenschaft und Internationale Sicherheit in der Universität Hamburg, u.a. Christian Drewniok, Der Einsatz von Satelliten zur Erdbeobachtung, CENSIS-REPORT-3-91, Hamburg 1991. Zurück
27) Z.B. umfassendere Konversionskonzepte wie bei Ulrich Albrecht, Zur Konversion der Rüstungsdymnamik, Projektskizze Berghof-Stiftung Berlin 1990. Zurück
28) Siehe Christiane Lammers/Kathleen Battke/Corinna Hauswedell (Hg.), Handbuch Friedenswissenschaft. ExpertInnen, Institutionen, Hochschulangebote, Literatur, Bonn/Marburg 1993. Zurück
29) Vergl. die Überblicksdarstellung von Dieter Ruloff, Theorien der Ost-West-Beziehungen, in: Volker Rittberger (Hg.), Theorien der internationalen Beziehungen, Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven, Opladen 1990; vergl. auch den Bericht von der Fachtagung der Sektion Internationale Politik der DVPW, 13.-15.3.1991: Christoph Hüttig, Das Ende des Ost-West-Konflikts als Problem der Theorie internationaler Beziehungen, in: PVS, 32.Jg., H.4/1991, S.663-667. Die Theorieentwicklung kritisch beurteilt in einer Übersicht bis zur Mitte der 80er Jahre Ernst-Otto Czempiel, Der Stand der Wissenschaften von den Internationalen Beziehungen und der Friedensforschung in der BRD, in: PVS-Sonderheft 17/1986, S.250-263. Zurück
30) Werner Link, Der Ost-West-Konflikt, 2.Aufl. Stuttgart 1988; Dieter Senghaas, Friedensprojekt Europa, Frankfurt/M. 1992, S.83ff.; Ernst-Otto Czempiel, Weltpolitik im Umbruch, München 1991. Zurück
31) Renate Damus, Die Legende von der Systemkonkurrenz, in: Rix (Hg.), Ost-West-Konflikt (Anm.18), S.75-98. Zurück
32) Senghaas, Abschreckung und Frieden (Anm. 4), S.193. Zurück
33) Erhard Forndran, Abrüstung und Friedensforschung. Kritik an E.Krippendorff, D.Senghaas, T.Ebert, Düsseldorf 1971, S.48. Zurück
34) Eva Senghaas-Knobloch, Zur Bedeutung des subjektiven Faktors in der europäischen Umbruchsituation, in: Francisca Vidal (Hg.), Wider die Regel, Erörterungen anl. des 50.Geburtstages von Wolfgang Burisch, Mössingen-Talheim 1991, S.36. Zurück
35) Schon 1987 kam Gert Krell in einer Bilanzierung der wissenschaftlichen Diskussion über Rüstungsdynamik an der HSFK zu der Aussage: „Was fehlt ist ein neues Gesamtbild zur Theorie der Rüstungsdynamik, das einmal die Geschichte des Rüstungswettlaufs im Ost-West-Konflikt differenziert politologisch aufarbeitet und zum zweiten Forschungen über andere Rüstungswettläufe einschließlich der Zeit vor 1945 integriert.“ In: Gert Krell, Friedensforschung in Hessen, Zur Geschichte und Entwicklung der HSFK, Frankfurt/M. 1987, S.32. Zurück
36) Vergl. die Forschungsergebnisse der IANUS-Gruppe an der TH Darmstadt; eine Übersicht in: Zwei Jahre IANUS, Struktur, Ergebnisse und Perspektiven, IANUS-Arbeitsbericht, Darmstadt 1990; sowie vor allem folgende Publikationen aus dem FIFF: Joachim Bickenbach/Reinhard Keil-Slawik/Michael Löwe/Rudolf Wilhelm (Hg.), Militarisierte Informatik, Marburg 1985; Ute Bernhardt/Ingo Ruhmann (Hg.), Ein sauberer Tod, Informatik und Krieg, Marburg 1991. Zurück
37) Im Juni 1990 fand zu diesem Thema unter Federführung der Hamburger Gruppe der Naturwissenschaftler-Initiative ein Kongreß statt, dessen Ergebnisse dokumentiert sind bei Gerd Knies/Bernhard Gonnermann/Erich Schmidt-Eenbohm, Betriebsbedingung Frieden, Herausforderungen der Hochtechnologie-Zivilisation für eine nachmilitärische Ära, Berlin 1990.; vergl. auch den erstmalig von ost- und westdeutschen FriedenswissenschaftlerInnen gemeinsam veröffentlichten Reader: Bernhard Gonnermann/Alfred Mechtersheimer (Hg.), Verwundbarer Frieden, Zwang zu gemeinsamer Sicherheit für die Industriegesellschaften Europas, Berlin 1990; zum Theorem der Inkompatibilität vergl. auch Wolfgang Vogt (Hg.), Sicherheitspolitik und Streitkräfte in der Legitimitätskrise, Baden-Baden 1987, S.21-57. Zurück
38) Vergl. u.a. Friedensforschung und Ökologie. Kolloquium des Konzils der Friedensforscher, Bonn 13.11.1980, DGFK-Hefte Nr.14, Bonn 1981. Zurück
39) Aus der Fülle von Forschungergebnissen und Publikationen sollen hier exemplarisch genannt werden: Klaus Schomacker/Peter Wilke/Herbert Wulf, Alternative Produktion statt Rüstung, Gewerkschaftliche Initiativen für sinnvolle Arbeit und sozial nützliche Produkte, Köln 1987; Lutz Köllner/Burckhardt J.Huck (Hg.), Abrüstung und Konversion, Politische Voraussetzungen und wirtschaftlichen Folgen in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1990; Dieter S.Lutz (Hg.), Völkerrecht und Friedensordnung, Diskussionsbeiträge, Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik Heft 59, Hamburg 1991; Jörg Calließ (Hg.), Gewalt in der Geschichte, Düsseldorf 1983; Reiner Steinweg (Red.) Lehren aus der Geschichte? Historische Friedensforschung, Friedensanalysen 23, Frankfurt/M. 1990; Reiner Steinweg/Christian Wellmann (Red.), Die vergessene Dimension internationaler Konflikte: Subjektivität, (Friedensanalysen 24), Frankfurt/M. 1990; Christoph Schulte (Hg.), Friedensinitiative Philosophie: Um Kopf und Krieg, Widersprüche, Darmstadt/Neuwied 1987; Hans-Jürgen Häßler/Heiko Kauffmann (Hg.), Kultur gegen Krieg, Hrg. von der Initiative Kulturwissenschaftler für Frieden und Abrüstung in Ost- und West, Köln 1986; Hanne-Margret Birckenbach, Friedensforschung und ihre feministischen Ansätze: Möglichkeiten der Integration, AFB-Texte, Bonn 1990. Zurück
Corinna Hauswedell ist Historikerin und Vorsitzende der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden, Bonn.