W&F 2012/3

Führt Klimawandel zu Gewaltkonflikten?

von Tobias Ide, Jürgen Scheffran und Janpeter Schilling

Entgegen aller Versuche der internationalen Gemeinschaft, die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern, steigen diese weltweit stark an. Damit wird es zunehmend schwieriger, das in Kopenhagen 2009 vereinbarte Ziel, den globalen Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen, noch zu erreichen. Je nach Szenario sind auch drei bis sechs Grad Celsius möglich, das wäre eine in der Menschheitsgeschichte einmalige globale Erwärmung. Der Bericht des Weltklimarats von 2007 hat die Gefahren des Klimawandels für natürliche und soziale Systeme aufgezeigt: Hitzewellen, Dürren, Stürme und Überflutungen, Gletscherschmelzen und Meeresspiegelanstieg können großen Bevölkerungsgruppen die Lebensgrundlage entziehen. In diesem Zusammenhang wachsen Befürchtungen, dass der Klimawandel soziale Instabilität und gewalttätige Konflikte verstärken könnte, bis hin zu »Klimakriegen«. In der Wissenschaft gibt es bislang keine Übereinstimmung darüber, ob und über welche Mechanismen sich der Klimawandel auf menschliche Sicherheit, soziale Stabilität und Gewaltkonflikte auswirkt. Die Autoren geben einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Forschung.

Seit den 1990er Jahren wurden zahlreiche Fallstudien durchgeführt, die das Konfliktpotential von Ressourcenknappheit und Umweltveränderungen untersuchten. In den letzten Jahren haben quantitative empirische Studien an Bedeutung gewonnen, die das Wechselspiel zwischen klimatischen Bedingungen und Gewaltkonflikten anhand von größeren Fallzahlen und statistischen Methoden in den Blick nehmen. Schon seit geraumer Zeit werden Aufstieg und Fall von Hochkulturen und die Wanderungsbewegungen von Völkern mit Klimaänderungen in Verbindung gebracht. Historische Studien, die einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten betrachten, konstatieren einen signifikanten Zusammenhang zwischen kühleren klimatischen Perioden, reduzierter Ressourcenverfügbarkeit und dem Auftreten von bewaffneten Konflikten in Europa und in China (z.B. Tol und Wagner 2010). Eine der möglichen Ursachen waren Ernteverluste in nasskalten Sommern mit einer verkürzten Vegetationsperiode.

Für die jüngere Vergangenheit sind die Ergebnisse weniger eindeutig. Buhaug et al. (2010) weisen darauf hin, dass die Zahl bewaffneter Konflikte nach einem Maximum in den frühen 1990er Jahren deutlich abgenommen hat, obwohl in der gleichen Zeit die globale Mitteltemperatur weiter anstieg. Ereignisse wie das Ende des Ost-West-Konflikts haben hier eine größere Rolle gespielt. Demgegenüber untersuchten Hsiang et al. (2011) die Auswirkungen des periodisch wiederkehrenden El-Niño-Phänomens auf die Zahl bewaffneter Konflikte in der südlichen Hemisphäre. Sie fanden heraus, dass das Konfliktrisiko in trockeneren Jahren signifikant höher ist als in feuchteren. Offen bleibt, ob El Niño ein geeigneter Indikator für den Klimawandel ist und auf welche Weise es Konflikte beeinflusst.

Einige quantitative Untersuchungen konzentrierten sich auf Teilregionen der Welt. So finden Burke et al. (2009) für den Zeitraum 1981 bis 2002, dass in Afrika südlich der Sahara in wärmeren Jahren mehr Bürgerkriege zu verzeichnen sind. In die Zukunft extrapoliert würde dies eine Zunahme des Konfliktrisikos um etwa 50% bedeuten. Dieses Ergebnis konnte von Buhaug (2010) unter Verwendung anderer Daten und Modellspezifikationen jedoch nicht bestätigt werden.

Der Großteil der angeführten Studien nutzt die Konfliktdaten der vom Uppsala Conflict Data Program und dem Peace Research Institute Oslo entwickelten »Armed Conflict«-Datenbank. Diese Daten sind jedoch beschränkt auf bewaffnete Konflikte, in denen es pro Jahr zu mindestens 25 kampfbezogenen Toten kommt und zumindest einer der Konfliktakteure ein Staat ist. Damit werden Konflikte mit geringer Intensität sowie nichtstaatliche Konflikte nicht erfasst, die von klimatischen Auswirkungen am ehesten beeinflusst werden. Einige neuere Studien verwenden daher Konfliktdatensätze, die diese Lücke schließen sollen. Beispiele hierfür sind das »Social Conflict in Africa Dataset«, das »Armed Conflict Location and Event Dataset« und die »Social, Political, and Economic Event Database«. Allerdings gehen diese Versuche, auch sehr kleinskalige Konfliktereignisse zu erfassen, meist zu Lasten der Vollständigkeit der Datensätze. Insbesondere Gewaltkonflikte, die außerhalb urbaner Zentren stattfinden und wenig Beachtung von Regierungen, Medien und Nichtregierungsorganisationen erfahren, werden nur begrenzt erfasst. Bei der Auswertung der Klimadaten besteht die Herausforderung insbesondere darin, die Beziehung zwischen Veränderungen im Untersuchungszeitraum und dem allgemeinen Klimawandel zu verstehen.

Klimarelevante Konfliktkonstellationen

Verschiedene Studien untersuchen die konkreten Pfade zwischen Klimawandel und Konflikten. Dabei sind vier wesentliche Konfliktkonstellationen zu unterscheiden (WBGU 2007; Scheffran et al. 2012a).

1. Der Klimawandel kann durch Schmelzen von Gletschern, veränderte Niederschlagsmuster, erhöhte Verdunstung und Dürren zur regionalen Verknappung von Süßwasser führen. Dies kann lokale Gewaltkonflikte um knappe Wasserressourcen begünstigen. Besonders anfällig sind landwirtschaftliche Regionen in weniger entwickelten Ländern. Im Nordwesten Kenias beispielsweise gibt es einen Zusammenhang zwischen bewaffneten Konflikten unter Viehhirten und knapper werdenden Wasserressourcen und Weideflächen (Opiyo et al. 2012). Konflikte zwischen Staaten um Wasserressourcen von Flüssen und Seen haben große Aufmerksamkeit in der Literatur erfahren, führten bislang jedoch nur selten zu bewaffneten Auseinandersetzungen, während die Zahl von Wassernutzungsabkommen an Flussläufen zugenommen hat (Wolf 2007).

2. Wenn der Klimawandel durch Temperaturerhöhung und veränderte Niederschlagsmuster die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigt, kann dies die Nahrungsmittelsicherheit gefährden und zu Gewaltausbrüchen beitragen. Bei verschiedenen Unruhen der letzten Jahre spielten hohe Lebensmittelpreise eine Rolle, z.B. bei den »Tortilla-Aufständen« in Mexiko 2007 oder beim »Arabischen Frühling« 2011. Insgesamt ist der empirische Zusammenhang zwischen höheren Lebensmittelpreisen und Gewaltkonflikten robust (Brinkmann und Hendrix 2011). Bislang haben jedoch andere Faktoren einen größeren Einfluss auf Konflikte um Nahrungsmittel als der Klimawandel, etwa Landnutzungskonkurrenzen, Börsenspekulationen, der Ölpreis und politische Unzufriedenheit.

3. Bei einer Zunahme von Sturm- und Flutereignissen als Folge des Klimawandels entstehen verschiedene Konfliktpotentiale. Beispiele sind die geringere Versorgung mit Wasser und Nahrung, Streitigkeiten um die Verteilung von Hilfs- und Wiederaufbaumitteln, die Zerstörung der Infrastruktur, die Entwurzelung von Menschen und die Schwächung des staatlichen Gewaltmonopols, die zu einer Destabilisierung betroffener Gesellschaften führen können. Während einige Studien einen Zusammenhang zwischen Extremwetterereignissen und innerstaatlichen Konflikten bestätigen (zum Beispiel Nel und Righarts 2008), weisen andere darauf hin, dass solche Krisensituationen meist kooperativ bewältigt werden (Slettebak 2012).

4. Da der Klimawandel das Potential hat, natürliche Ressourcen und menschliche Sicherheit auf vielfache Weise zu beeinträchtigen, steigt in besonders betroffenen Regionen der Druck auf die Menschen, ihre Heimat zu verlassen. In den Zielgebieten der Auswanderer kann es dann zu Konflikten entlang von ethnischen, religiösen und politischen Differenzen zwischen der ansässigen Bevölkerung und den Neuankömmlingen kommen. Da klimabedingte Migration von vielen Faktoren bestimmt wird, sind Schätzungen über Hunderte von Millionen von »Klimaflüchtlingen« mit Vorsicht zu betrachten (Jakobeit und Methmann 2012). Statt Migrantinnen und Migranten als Bedrohung anzusehen, ist es konstruktiver, Migration als legitime Anpassung an den Klimawandel anzuerkennen und mit Migrationsnetzwerken international zusammen zu arbeiten, um betroffene Gemeinschaften in ihren Heimatländern zu unterstützen, etwa durch Transfer von Zahlungen, Wissen und Technologie (Scheffran und Vollmer 2012).

Verwundbarkeit und Gewalt

Während die genannten Konfliktkonstellationen noch unzureichend verstanden sind, lässt sich aufgrund des empirischen Forschungsstandes sagen, dass innerstaatliche und kleinskalige Gewaltkonflikte als Folge des Klimawandels deutlich wahrscheinlicher sind als zwischenstaatliche Kriege. Dabei spielt die generelle Anfälligkeit einer Region für Gewaltkonflikte und ihre Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel eine entscheidende Rolle. Gewaltkonflikte gibt es vornehmlich in Regionen, die eine große Bevölkerungszunahme, einen geringen Entwicklungsstand, ein niedriges Wirtschaftswachstum, kurz zurückliegende politische Instabilität und Gewalt, Kriege in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sowie ein mittleres Niveau an Demokratie aufweisen (Dixon 2009, Hegre und Sambanis 2006). Die Verwundbarkeit einer Region gegenüber dem Klimawandel wird laut Weltklimarat bestimmt durch die Art und Stärke der klimatischen Veränderungen (Temperaturerhöhung, Niederschlagsveränderungen) in einer betroffenen Region, durch ihre Sensitivität gegenüber diesen klimatischen Veränderungen und die Fähigkeit, sich daran anzupassen. So haben Staaten, deren Wirtschaftsleistung von regenbasierter Landwirtschaft abhängt, eine höhere Sensitivität als Staaten, in denen natürliche Ressourcen eine untergeordnete Rolle spielen. Staaten mit höherem Pro-Kopf-Einkommen verfügen zudem über mehr Mittel, sich an klimatische Veränderungen anzupassen, beispielsweise durch höhere Deiche, widerstandsfähigere Infrastruktur oder alternative landwirtschaftliche Anbaumethoden. So verschärft der Klimawandel die bestehenden Gefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

Die Art und Weise, wie sich der Klimawandel in Konfliktkontexten artikuliert, ist von Region zu Region sehr unterschiedlich. Daher ist es wichtig, den Blick auf konkrete regionale Fallbeispiele zu richten, in denen die spezifischen Bedingungen und Faktoren des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und Konflikten ebenso herausgearbeitet werden wie verallgemeinerbare Erkenntnisse, die für vergleichbare Situationen gelten. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU 2007) untersuchte in regionalen Brennpunkten (hot spots), wie hier die Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel und Konfliktkonstellationen zusammenwirken. Wahrscheinlicher sind umweltbeeinflusste Gewaltkonflikte in armen Entwicklungsländern mit schwachen Regierungen und starker Betroffenheit durch Umweltprobleme. Als besonders kritisch gilt die Lage in großen Teilen Afrikas, da es hier eine große Zahl bewaffneter Konflikte gibt und der Klimawandel besonders schwerwiegende Folgen erwarten lässt.

Mehr Konflikte oder mehr Kooperation?

Ob es durch Klimawandel zu mehr Konflikten kommt oder zu mehr Kooperation, hängt maßgeblich davon ab, wie Menschen und Gesellschaften auf den Klimawandel reagieren. Angesichts möglicher Temperaturänderungen von mehreren Grad Celsius lässt sich dies aus der Vergangenheit nur begrenzt ableiten. Um der Komplexität der Thematik gerecht zu werden, sind neue methodische Ansätze erforderlich, die kleinskalige Konfliktdaten mit Feldforschung verbinden und in einen theoretischen Rahmen einbetten, der die relevanten Wirkungspfade zwischen Klimasystem, natürlichen Ressourcen, menschlicher Sicherheit und gesellschaftlicher Stabilität integriert.

Die Kopplungen zwischen natürlichen und sozialen Systemen bestimmen, ob klimatische Ereignisse die gesellschaftliche Stabilität untergraben können. In besonders verwundbaren und fragilen Regionen könnte der Klimawandel zur Erosion der sozialen und politischen Ordnung beitragen und ein »Klima der Gewalt« befördern. Industriestaaten werden vom Klimawandel nicht verschont, obgleich die ökonomischen und institutionellen Voraussetzungen für Problembewältigung und Konfliktmanagement deutlich ausgeprägter sind. Doch auch hier könnten die Anpassungsfähigkeiten nicht ausreichen, wenn im Falle eines abrupten Klimawandels sich selbst verstärkende, destabilisierende »Umkipp-Effekte« im Klimasystem ausgelöst werden.

Um solche Risiken zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig politische Eingriffsmöglichkeiten zu schaffen, die einen gefährlichen Klimawandel vermeiden und zu einer nachhaltigen Friedenssicherung beitragen. Hier kommen verschiedene Politikfelder zusammen, von der Energie- und Klimapolitik über die Bevölkerungs- und Migrationspolitik bis hin zur Friedens- und Sicherheitspolitik (WBGU 2007, Webersik 2010).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Klimawandel in Kombination mit anderen Faktoren als Konfliktverstärker wirken kann. Aufgabe zukünftiger Forschung ist es, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen dies der Fall ist, und Maßnahmen vorzuschlagen, wie dem entgegengewirkt werden kann.

Literatur

Brinkman, H.-J., Hendrix, C. (2011): Food Insecurity and Violent Conflict. Causes, Consequences, and Addressing the Challenges. Rom: UN World Food Program, WFP Occasional Paper 24.

Brochmann, M., Gleditsch, N. P. (2006): Shared Rivers and International Cooperation, Polarization and Conflict. Presentation at workshop »Polarization and Conflict«, Nicosia/Cyprus, 26–29 April 2006.

Buhaug, H., Gleditsch, N. P., Theisen, O. M. (2010): Implications of Climate Change for Armed Conflict. In: R. Mearns, A. Norton (eds.): Social Dimension of Climate Change. Washington, DC: World Bank, 75-101.

Buhaug, H. (2010): Climate not to blame for African civil wars. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(38), 16477–16482.

Burke, M. B., Miguel, E., Satyanath, S., Dykema, J. A., Lobell, D. B. (2009): Warming increases the risk of civil war in Africa. Proceedings of the National Academy of Sciences, 106(49), 20670–20674.

Dixon, J. (2009): What Causes Civil War? Integrating Quantitative Research Findings. International Studies Review, 11(4), 707-735.

Hegre, H., Sambanis, N. (2006): Sensitivity Analysis of Empirical Results on Civil War Onset. Journal of Conflict Resolution, 50(4), 508-535.

Hsiang, S.M., Meng, K.C., Cane, M.A. (2011): Civil conflicts are associated with the global climate. Nature, 476, 438-441.

Jakobeit, C., Methmann, C. (2012): »Climate Refugees« as Dawning Catastrophe? A Critique of the Dominant Quest for Numbers. In: Scheffran et al. (2012b), 301-314.

Nel, P., Righarts, M. (2008): Natural disasters and the risk of violent civil conflict. International Studies Quarterly, 52(1), 159-185.

Opiyo, F. E. O., Wasonga, O. V., Schilling, J., Mureithi, S. (2012): Resource-based Conflicts in Drought-prone Northwestern Kenya. African Journal of Environmental Science and Technology (accepted).

Scheffran, J., Vollmer, R. (2012): Migration und Klimawandel: globale Verantwortung der EU statt Angstdebatte. In: Bruno Schoch, Corinna Hauswedell, Janet Kursawe, Margret Johannsen (Hrsg.) (2012): Friedensgutachten 2012. Münster: LIT Verlag, 177-189.

Scheffran, J., Brzoska, M., Kominek, J., Link, P. M., Schilling, J. (2012a): Climate Change and Violent Conflict. Science, 336(6083), 869-871.

Scheffran, J., Brzoska, M., Brauch, H. G. (Eds.) (2012b): Climate Change, Human Security and Violent Conflict. Challenges for Societal Stability. Berlin, Springer.

Slettebak, R. T. (2012): Don’t blame the weather! Climate-related natural disasters and civil conflict. Journal of Peace Research, 49(1): 163-176.

Tol, R., Wagner, S. (2010): Climate change and violent conflict in Europe over the last millennium. Climatic Change, 99(1): 65-79.

Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (2007): Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin, Heidelberg: Springer.

Webersik, C. (2010): Climate change and security: a gathering storm of global challenges. Santa Barbara, Calif.: Praeger.

Wolf, A. T. (2007): Shared Waters – Conflict and Cooperation. Annual Review of Environment and Resources, 32: 241-269.

Dr. Jürgen Scheffran ist Leiter der KlimaCampus Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit (CLISEC) und Professor am Institut für Geographie der Universität Hamburg. Er ist Mitglied der Redaktion von Wissenschaft und Frieden. Tobias Ide und Janpeter Schilling sind Doktoranden in CLISEC.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/3 Klimawandel und Sicherheit, Seite 7–9