Globale Polarisierung?
Zum Amtsantritt von US-Präsident Trump
von Rainer Rilling
Schon einen Tag danach beschrieb der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, die Bedeutung der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten mit den Worten: „Der Sieg Trumps stellt die liberale Weltordnung infrage […] Das ist die größte Zäsur der Nachkriegszeit.“ Das politische Modell der liberalen Weltordnung oder des »liberalen Internationalismus« wurde jahrzehntelang durch die expansive Politik der Imperialmacht USA weltweit verankert. Dieses außenpolitische Ordnungsmodell ist offenbar weitweit in eine tiefe Krise geraten – konfrontiert mit der Etablierung einer globalen, autoritären, illiberalen und politisch immer stärker rechts positionierten Gegenbewegung.
Letztere spielt nicht zuletzt auf den Registern des Rassismus, der abwertenden Fremden- und Frauenfeindlichkeit, der Furcht und Angst, der Gewalt und des Ressentiments. Ihre Figuren sind etwa al-Sisi in Ägypten, Modi in Indien, Erdo?an in der Türkei, Orbán in Ungarn, Duterte in den Philippinen, Putin in Russland, Temer in Brasilien, May in England, Macri in Argentinien, Kaczy?ski in Polen, Berlusconi und Grillo in Italien, Wilders in Holland, Hofer und Stronach in Österreich, Blocher in der Schweiz, Le Pen in Frankreich. Und nun Trump.
Zwar unterscheiden sich die hier aufgezählten Personen und Konstellationen offensichtlich in vielen Punkten. Sie alle aber eint dreierlei:
- erstens und ausnahmslos die großen homogenisierenden und oft religiös fundierten Erzählungen des Nationalismus und/oder Völkischen,
- zweitens die Verortung in marktradikalen oder etatistisch-autoritären, staatskapitalistischen Grundvarianten des Neoliberalismus, wobei der Trend zum starken, intervenierenden, organisierenden und besitzenden Staat unverkennbar ist – zunehmend mit Mikromanagement und Marketing à la Trump,
- drittens eine undemokratische, bonapartistische, oft populistisch-autoritäre, zumeist auch charismatische Selbstinszenierung als unmittelbare Stimme des Volkes, ohne parlamentarische oder rechtsförmige Vermittlung.
Gemeinsam ist ihnen damit die Maxime des offensiven Roll-backs der verschiedensten politischen (nicht aber der wirtschaftlichen!) Elemente des Liberalismus und jeglicher linker Strömungen. Stabilisiert sich diese Entwicklung, dann kommt es zum Durchbruch eines globalen Trends, zur Entstehung einer konkurrierenden illiberalen, rechtspopulistisch und rechtsnationalistisch dominierten neuen politischen Weltordnung.
„Who are those guys?“ fragte Paul Newman schon 1969 in dem unübertrefflichen Streifen »Butch Cassidy and the Sundance Kid« Robert Redford. In den USA geht es jetzt um die strategische Konstruktion des Kerns eines neuen Machtblocks, der eine globale Reichweite hat und nicht so leicht wieder loszuwerden sein wird. Getragen wird er von
- einer Gruppe »politischer Krieger« aus dem kriegserprobten militärischen Führungspersonal,
- einer Kerngruppe des Trump’schen Familienbestands und wenigen absolut loyalen Freunden und Anhängern,
- einer qua Vermögen (insgesamt mehr als elf Milliarden US$) souveränen Gruppe Superreicher (ab 500-600 Mio. US$), die unmittelbar in das politische Spitzenbusiness der US-Administration eingestiegen ist; herausragend ist hier die Rolle des Vermögensverwalters Black Rock, der Private-equity-Investoren und endlich der klassischen Banken, insbesondere von Goldman Sachs – „Nach alledem, scheint es nicht vernünftig, nach einer 1 %-Ökonomie, einer 1 %-Gesellschaft und einer 1 %-Politik auch eine 1 %-Regierung zu bilden?“ (Tom Engelhardt),
- den politischen Schattennetzwerken des politisierten, rechtslibertär und marktradikal ausgerichteten und tief in den Kulturen des Neoliberalismus und Fossilismus verankerten Kapitals, etwa der 92 Mrd. US$ schweren Gebrüder Koch; ihr langfristiges zentrales marktradikales Ziel ist einfach: die Abschaffung des New Deal und jeglicher Sozialstaatlichkeit,
- dem mit Erfahrung, Traditionsbestand, Staatskunst sowie Justiz- und Apparatemacht ausgestatteten Personal der primär in der republikanischen Partei verankerten rechten, weißen, christlichen und deutlich sozialreaktionären politischen Richtung.
Bislang zeichnen sich als außenpolitische Fokusse ab die Schwächung des Iran, die offene Wendung zur Konfrontation mit China, eine Veränderung der Russlandpolitik und die selektive Ausweitung der Beziehungen „with other tough guys“ (Richard Haass, Präsident des Council on Foreign Relations). Die Vereinigten Staaten, so heißt es in »Foreign Policy« (1/2017), „werden wahrscheinlich ihren globalen militärischen Fußabdruck in den kommenden Jahren eher ausweiten als verkleinern müssen“.
Rainer Rilling, Soziologe, ist Fellow des Instituts für Gesellschaftsanalyse (Berlin ) und gehört dem Vorstand der Rosa Luxemburg Stiftung an.