Globales Unrecht, lokal ahnden?
Analyse und Kritik der Verfahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch
von Alexander Benz
Gegen Ende des letzten Jahrtausends erreichte die Staatengemeinschaft mit der Einrichtung der Sondergerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda wichtige Meilensteine auf dem Weg zur weltweiten Ahndung von Völkerrechtsverbrechen. Dieser Weg gipfelte im Römischen Statut (Rom-Statut) und der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Seitdem hat sich das Stimmungsbild in der Staatengemeinschaft merklich geändert. Vielen scheint die Errichtung eines solchen Gerichtshofes heute nicht mehr möglich. Im Folgenden soll daher anhand der Analyse deutscher Verfahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) der Frage nachgegangen werden, ob nationale Strafverfahren in Zukunft internationale Tribunale entlasten können.
Die grundlegende Idee einer Völkerstrafrechtsordnung ist, schwerste Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben zu lassen. Damit auch Verbrechen mächtiger Regimemitglieder geahndet werden, die sich häufig mit politischen Mitteln der Strafverfolgung entziehen können, bedarf es eines Systems trans- und internationaler Strafrechtspflege (vgl. ECCHR 2016, S. 9f.). Dabei ist die Grundannahme, dass die juristische Aufarbeitung in den Staaten der Tatbegehung prinzipiell am besten dazu beitragen kann, dieses Ziel zu erreichen. Daran hat sich auch mit Schaffung des IStGH in Den Haag nichts geändert (vgl. ECCHR 2016, S. 17f.). Zwar hat er Gerichtsbarkeit über die „schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren“ (vgl. Abs. 4 Präambel Rom-Statut). Diese sind: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. Dabei wird aber der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich der Vorrang eingeräumt (Art. 17 Rom-Statut). Dem Grundsatz der Komplementarität folgend dient Strafverfolgung durch den IStGH lediglich ihrer Ergänzung, wenn nationale Rechtssysteme nicht fähig oder willens sind, ein faires Strafverfahren durchzuführen. Neben internationalen Tribunalen sind also zunächst die Nationalstaaten dazu angehalten, die oben genannten Verbrechen zu ahnden, sofern ihnen dies möglich ist.
Die deutsche Strafgerichtsbarkeit ist eines der nationalen Gerichtssysteme weltweit, welches nicht nur willens, sondern auch tatsächlich dazu in der Lage ist, solche Prozesse zu führen. Es ist somit ein wichtiger Bestandteil des eben beschriebenen Systems. Flankierend zum Rom-Statut wurde 2002 das deutsche VStGB geschaffen. Diesem kommt dabei eine Bedeutung zu, die weit über die Bundesrepublik hinausreicht: Auf seiner Basis können besonders schwere Menschenrechtsverletzungen weltweit, welche die Schwelle zu Völkerrechtsverbrechen überschreiten, von deutschen Behörden verfolgt werden (vgl. § 1 VStGB) und in Deutschland zur Anklage kommen.
2011: Der »FDLR-Prozess«
Das erste Verfahren auf Basis des VStGB fand ab dem 11. Mai 2011 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart statt. Hier erging am 28. September 2015 das erstinstanzliche Urteil. Der Prozess gegen zwei ruandische Anführer der im Osten der Demokratischen Republik Kongo aktiven Rebellengruppe »Forces démocratiques de libération du Rwanda« (FDLR) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung war mit 320 Verhandlungstagen der längste Prozess, der bis dahin jemals vor dem OLG Stuttgart stattgefunden hatte (vgl. ECCHR 2016, S. 9). Im Urteilsspruch wurde der Angeklagte Ignace Murwanashyaka unter anderem wegen Beihilfe zu fünf Kriegsverbrechen gemäß § 8 VStGB i.V.m. § 27 StGB in Tateinheit mit Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b Abs. 1 StGB i.V.m. § 129a Abs. 1, 4 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Der zweite Angeklagte Straton Musoni wurde am Ende nur wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Probleme des Verfahrens
Die Durchführung dieses Prozesses bereitete dem OLG Stuttgart durchaus Probleme: So wurde dem Gericht vorgeworfen, die Öffentlichkeit nur unzureichend informiert zu haben, insbesondere da keine Informationen in den für das Verfahren relevanten Sprachen zur Verfügung gestellt wurden (vgl. ECCHR 2016, S. 129f.). Kritisiert wurden daneben der teilweise unzureichende Zeug*innenschutz im Verfahren (ECCHR 2016, S. 135) sowie die fehlende bzw. erschwerte Opferbeteiligung (ECCHR 2016, S. 134ff.). In den nachfolgenden Jahren kam es aufgrund dieser Erfahrungen immer wieder zu Reformforderungen im Hinblick auf Völkerstrafprozesse in Deutschland.1
2020: Das »Al-Khatib-Verfahren«
Auf diesen Prozess folgten mehrere Verfahren nach dem VStGB in Deutschland (bspw. Aria Ladjedvardi, § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB, OLG Frankfurt, Urteil vom 12.07.2016 und aktuell Jennifer W., § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB u.a., OLG München seit dem 09.04.2019). Ob bei deren Durchführung Lösungsansätze zu den in Stuttgart aufgetretenen Problemen entwickelt werden konnten, ist fraglich. Beispielhaft kann dies ein aktuelles Verfahren zeigen: Jüngst sorgte das sogenannte »Al-Khatib-Verfahren« vor dem OLG Koblenz für grenzüberschreitendes Interesse. Dieser Prozess begann am 23. April 2020 und ist weltweit der erste Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter*innen des syrischen Geheimdienstes (vgl. OLG Koblenz 2020). Im Laufe des vergangenen Jahres gewährte er Einblicke in die staatlich organisierte Folter Syriens. Die Anklage gegen die zwei Geheimdienstmitarbeiter lautet im Fall von Anwar R. auf Kriegsverbrechen nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 9 VStGB, 25 StGB, bzw. im Fall von Eyad A. auf Teilnahme an diesen Verbrechen (§§ 7 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 9 VStGB, 27 StGB). Daneben stehen für Anwar R. Vorwürfe von Mord, Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung im Raum.
Der Fall »Branch 251«
Die Verbrechen sollen hauptsächlich in und um »Branch 251« begangen worden sein, ein Gefängnis unter direkter Kontrolle des syrischen Geheimdienstes. Hierin liegt ein großer Unterschied zu anderen Verfahren nach dem VStGB: Statt Angehörigen nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen den Prozess zu machen, stehen nun ehemalige Angestellte der syrischen Regierung vor Gericht. Eine Vorlage syrischer Fälle von Völkerrechtsverbrechen beim IStGH auf Basis einer Überweisung durch den UN-Sicherheitsrat ist aufgrund der Blockade durch die Vetostimmen von Russland und China nicht möglich.2 Ein internationales Sondertribunal für Syrien existiert daneben (noch) nicht.
Vor diesem Hintergrund kommt dem Verfahren in Koblenz eine wichtige Bedeutung zu: Ein solcher Prozess bietet die Möglichkeit, schon in einem sehr frühen Stadium Beweise zu sichern und so als Teil von »Transitional Justice« das Geschehen vor Ort noch während der Fortsetzung des zugrundeliegenden Gewaltkonfliktes einer ersten Aufarbeitung zu unterziehen – wenngleich diese zwangsläufig auf den Verfahrensgegenstand beschränkt bleibt. Darüber hinaus sendet das Verfahren bereits in der Gegenwart eine wichtige Botschaft an alle noch aktiv am Konflikt beteiligten Parteien: Die Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts sind weder reine Symbolik noch bloße Empfehlungen; ihre Verletzung wird tatsächlich geahndet (vgl. Bock und Wagner 2020, S. 3148). Das »Al-Khatib-Verfahren« bietet dabei neben dem individuellen Nachweis einzelner Taten der Angeklagten zudem die Chance, erstmals die systematische staatliche Folter in einer Gefängniseinrichtung wie »Branch 251« und die dahinterstehenden organisatorischen Strukturen aufzuzeigen. Wichtiges Beweismittel sind in diesem Kontext die sogenannten »Caesar Files«. Diese Dateien beinhalten Fotos von Toten, die in Krankenhäusern in Damaskus aufgenommen wurden. Ohne sie wäre es in Koblenz wohl nicht zu einer Anklage gekommen (vgl. Ritscher 2018, S. 543f.). Begleitet von detaillierten forensischen und technischen Analysen, beleuchten sie das Ausmaß der staatlich koordinierten Folter und systematischer Tötung in Syrien (vgl. Ritscher 2019, S. 600). Der Umgang mit dem Material kann dabei zugleich aufzeigen, wie solche digitalen Beweise in zukünftigen Prozessen um internationale Verbrechen eingesetzt werden können.
Wiederkehrende Probleme
Trotz des oben beschriebenen Unterschieds, vor allem im Hinblick auf die Angeklagten, ergeben sich im Prozess vor dem OLG Koblenz ähnliche Schwierigkeiten wie im Prozess vor dem OLG Stuttgart und anderen Prozessen nach dem VStGB in Deutschland. Immer wieder ist die Distanz zum Tatort ein zentrales Problem, welches sich auf die Möglichkeiten der Beweiserhebung auswirkt. Die »Caesar Files« können hier keine vollständige Abhilfe schaffen. Ähnlich wie im Stuttgarter Verfahren treffen in Koblenz erneut ein zuvor mit solchen Verfahren nicht befasster Senat und die Vertreter*innen des mittlerweile deutlich besser ausgestatteten Generalbundesanwalts aufeinander. Letzterer wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren personell und finanziell verstärkt (vgl. Ritscher 2018, S. 543). Zusammen mit weniger erprobten Anwält*innen kann dies zu einem deutlichen Ungleichgewicht zwischen den Prozessparteien führen. Daneben entstehen aufgrund kultureller und sprachlicher Unterschiede weitere Spannungsfelder. So gibt es im Verfahren vor dem OLG Koblenz immer wieder Probleme mit der Übersetzung, welche sich nachteilig auf den Verlauf des Prozesses auswirken und Verständnisprobleme festigen können (vgl. SJAC und ICWC 2021, Abschnitt 6 »Evidentiary Challenges«).
Immer wieder äußern Zeug*innen zudem erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit und der ihrer Angehörigen. Letztere leben oftmals noch in Syrien, für ihre Sicherheit kann vonseiten der deutschen Behörden keinerlei Garantie übernommen werden. Da (ehemalige) Unterstützer*innen der beiden Angeklagten nach wie vor in Machtpositionen sind, wird hier eine besondere Gefährdungslage deutlich. Der Senat des OLG Koblenz nutzt die beschränkten Mittel des Zeug*innenschutzes soweit möglich aus. Nichtsdestotrotz kann den Zeug*innen kein vollständiges Gefühl von Sicherheit vermittelt werden, was im Prozess immer wieder deutlich wird. Zeug*innen berichteten während ihrer Vernehmungen mehrfach davon, dass sie sich trotz einer Anonymisierung und weiterer Maßnahmen nicht sicher fühlten (vgl. SJAC 2020a). Teilweise werden Aussagen, die sie vor dem Prozess bei den Ermittlungsbehörden getroffen haben, nicht mehr bestätigt oder widerrufen (vgl. SJAC 2020a). In einigen Fällen kam es (versehentlich) zur Offenlegung ihrer Identität (vgl. SJAC 2020b). Diese Probleme sind dabei in Prozessen nach dem VStGB keine neue Entwicklung (s.o.).
Bedingt durch die Covid-19 Pandemie stand der Senat daneben vor ganz neuen Herausforderungen: Das bereits eröffnete Hauptverfahren, welches von Anfang an große mediale Aufmerksamkeit erregte, musste kurzfristig so ausgestaltet werden, dass alle Beteiligten und auch die Zuschauer*innen vor einer Infektion mit Covid-19 geschützt wurden. Das Gericht wechselte zur Wahrung des Mindestabstandes die Räumlichkeiten und beschränkte die Zahl der zugelassenen Zuschauer*innen. Diese und weitere Hygienemaßnahmen waren notwendig und sinnvoll, führten auf der anderen Seite aber zu einer Zugangserschwernis für die allgemeine Öffentlichkeit und insbesondere für die syrische Gemeinschaft.
So bildeten sich täglich Warteschlangen vor dem Gericht und teilweise war es etwa für Betroffene bzw. Angehörige von Opfern unmöglich, dem Verfahren beizuwohnen. Daneben führten die Regelungen im Zuschauerraum dazu, dass Vertreter*innen arabischer Medien zunächst keine (sonst übliche) Flüsterdolmetscher*in hinzuziehen konnten. Ohne Zugriff auf die offizielle Übersetzungstonspur des Verfahrens verwehrte ihnen dies de facto die Möglichkeit, dem Verfahren effektiv folgen zu können. Um dem entgegenzuwirken beantragten die Betroffenen Zugang zum Signal der Übersetzungsanlage. Dieser Antrag wurde durch die Vorsitzende Richterin abgelehnt. Sie verwies dabei auf die fehlende technische Ausstattung, den erhöhten Aufwand der dann täglich notwendigen Desinfektion sowie die fehlende Möglichkeit, unerlaubte Aufnahmen bei einem solchen System gänzlich auszuschließen (BVerfG 2020, S. 3166). Hiergegen erhoben die Betroffenen eine Verfassungsbeschwerde.
Über diese ist zwar zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch nicht entschieden, in einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Senat aber schon vorab aufgegeben, „geeignete Regelungen zu treffen, die es akkreditierten Medienvertretern mit besonderem Bezug zum syrischen Konflikt ermöglicht, das deutschsprachige Prozessgeschehen mithilfe eigener Vorkehrungen oder unter kostenpflichtiger Nutzung des gerichtlich für die Verfahrensbeteiligten bereitgestellten Übersetzungssystems oder auf andere Weise in arabischer Sprache zu verfolgen“ (BVerfG 2020, S. 3166). Das Bundesverfassungsgericht bejahte zur Begründung dieser Sichtweise das hohe grenzüberschreitende Interesse am Verfahren und berief sich explizit auf das »Universalitätsprinzip«, welches dem „besonderen, die internationale Gemeinschaft als Ganze berührenden Charakter der infrage stehenden Straftaten“ geschuldet sei (BVerfG 2020, S. 3166). Diese vorläufige Entscheidung ist zu begrüßen, lässt aber außer Acht, dass auch weitere Gruppen Interesse am Zugang zur Übersetzung haben (NGOs, Betroffene, u.a.) (Bock und Wagner 2020, S. 3148).
Zudem wird den Medienvertreter*innen hiermit eine Kostenpflicht auferlegt, welche diese zusätzlich zu den Kosten ihrer Anreise und ihres Aufenthaltes in Deutschland zu tragen haben. Wenn einerseits das Universalitätsprinzip betont wird, sollte gleichzeitig auch anerkannt werden, dass die internationale Kommunikation über das Verfahren von entscheidender Bedeutung ist. Jede Erschwernis dieser Kommunikation kann die internationale Signalwirkung eines solchen Verfahrens herabsetzen. Die oben genannte Rolle als Element des »Transitional Justice«-Prozesses wird ein solches Verfahren nur erfüllen können, wenn es der betroffenen Gesellschaft möglichst umfassend zugänglich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn es keine offizielle Gerichtsberichterstattung oder etwa Livestreams gibt, wie es bei internationalen Tribunalen der Fall ist. Weder das Gericht in Koblenz noch der Generalbundesanwalt haben während der Verhandlung Informationen in englischer oder arabischer Sprache zur Verfügung gestellt. Hier scheint die oben ausgeführte Kritik am »FDLR-Prozess« kaum für ein Umdenken gesorgt zu haben.
Nach etwas weniger als einem Jahr der Hauptverhandlung erging im Verfahren vor dem OLG Koblenz im Februar 2021 das erstinstanzliche Urteil gegen einen der beiden Angeklagten, nachdem sein Verfahren zuvor abgetrennt worden war. Das Gericht bestätigte die Vorwürfe gegen Eyad A. und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten (OLG Koblenz 2021). Ob die Anklage gegen den weiter vor Gericht stehenden Anwar R. Bestand hat, wird sich zeigen müssen.
Ergebnis
Die vorrangig nationalstaatliche Durchführung von Verfahren wegen Völkerrechtsverbrechen ist seitens der Staatengemeinschaft zunächst vorgesehen (vgl. Art. 17 Rom-Statut). Finden sich Staaten, die dies übernehmen, so gibt deren nationales Recht den Verfahrensablauf vor. Die in Deutschland gegebenen Rahmenbedingungen scheinen hier grundsätzlich dazu geeignet zu sein, Täter*innen auf Basis des Weltrechtsprinzips einer ihrer Taten entsprechenden Bestrafung zuzuführen.
Allerdings kommt es zu wiederkehrenden Problemen innerhalb der Verfahren: nicht gewährter Zugang, fehlende Übersetzung und Mehrsprachigkeit, unzureichender Zeug*innenschutz, problematische Zeug*innenvernehmungen und Beweiserhebung auf Distanz. Diese scheinen zu großen Teilen im nationalen Recht bzw. dessen Umsetzung angelegt zu sein. Die nationale Durchführung von Strafprozessen mit internationalen Bezügen ist vor diesem Hintergrund weiterhin nur eine Ergänzung internationaler Strafgerichte (etwa des IStGH). Diese Prozesse müssen sich dabei an internationalen Maßstäben messen lassen können. Sie können – wie im Fall von Syrien – gerade dann gewinnbringend sein, wenn internationale Prozesse nicht möglich sind.
Anmerkungen
1) Siehe etwa den Antrag der Bundestagsfraktion der Bündnis 90 / Die Grünen: „Keine Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen – Völkerstrafprozesse in Deutschland voranbringen“, BT-Drucksache 18/6341 vom 14.10.2015.
2) Eine entsprechende Resolution (Security Council Draft Resolution S/2014/348) scheiterte am 22.05.2014 vor dem UN-Sicherheitsrat.
Literatur
Bock, S.; Wagner, M. (2020): Nationale Strafverfolgung von Völkerrechtsverbrechen – in kleinen Schritten weitergedacht. Neue Juristische Wochenschrift, 2020, S. 3146-3148.
Bundesverfassungsgericht (2020): Beschluss vom 18.8.2020 – 1 BvR 1918/20, Eilantrag auf Zulassung von Übersetzungshilfsmitteln im „Syrien-Folterprozess“. Neue Juristische Wochenschrift, 2020, S. 3166-3168.
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR, 2016): Weltrecht in Deutschland? Der Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Erstes Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
Oberlandesgericht Koblenz (2020): Anklage gegen zwei mutmaßliche Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. zugelassen. Pressemitteilung, 10.03.2020.
Oberlandesgericht Koblenz (2021): Urteil gegen einen mutmaßlichen Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Pressemitteilung, 24.02.2021.
Ritscher, C. (2018): Aktuelle Entwicklungen in der Strafverfolgung des Generalbundesanwalts auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts. Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, 2018, 12, S. 543-545.
Ritscher C. (2019): Aktuelle Entwicklungen in der Strafverfolgung des Generalbundesanwalts auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts. Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, 2019, 12, S. 599-601.
Syria Justice and Accountability Center (SJAC, 2020a): Trial of Anwar Raslan and Eyad Al Gharib – Trial Monitoring Report 5, June 24 & 25, 2020.
Syria Justice and Accountability Center (SJAC, 2020b): Trial of Anwar Raslan and Eyad Al Gharib – Trial Monitoring Report 15, October 6, 7 & 8, 2020.
Syria Justice and Accountability Center; International Research and Documentation Centre for War Crimes Trials (SJAC und ICWC, 2021): Scratching the Surface: One Year into the Koblenz Trial, 22.04.2021.
Dipl. jur. Alexander Benz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Forschungs– und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) in Marburg. Aktuell promoviert er zur Frage der Reformbedürftigkeit der deutschen Strafprozessordnung im Hinblick auf völkerstrafrechtliche Verfahren. Das ICWC kooperiert mit dem Syria Justice and Accountability Center (SJAC) bei der Verfahrensbeobachtung vor dem OLG Koblenz.