W&F 1995/2

Hiroshima, Nagasaki und die Rolle der Naturwissenschaftler

Der gegenwärtige Forschungsstand im Spiegel neuerer Literatur

von Bernd W. Kubbig

Mit dem Bau der Atombombe und dem Abwurf der ersten beiden Exemplare »Little Boy« und »Fat Man« geriet plötzlich die Berufsgruppe der Naturwissenschaftler, vor allem die der Physiker, in das Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Ohne sie wäre diese Waffe, die die Möglichkeiten der Zerstörung revolutionierte, nicht zustande gekommen. Nur sie verfügten über die naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse, nur sie besaßen die technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, dieses Wissen anzuwenden. Physiker waren es, die das gewaltige Manhattan-Projekt durch Einsteins berühmten Brief vom 2. August 1939 an Präsident Roosevelt ins Rollen brachten.1

Roosevelt setzte Einsteins Forderung um, und fortan stand der Bau der Bombe unter dem Primat politisch-militärischer Imperative, denen sich die Naturwissenschaftler organisatorisch ein- und unterordneten, denen sie aber auch wieder neue Impulse und eine neue Dynamik verliehen. Denn Naturwissenschaftler waren an führender Stelle an der organisatorischen Durchführung des Manhattan-Projekts beteiligt, und sie saßen in den entscheidenden Zentren der Macht, die über den Abwurf der ersten beiden Bomben befanden.

Es ist nicht verwunderlich, daß die beispiellose Rolle und Bedeutung der Naturwissenschaftler bald zum Gegenstand der historiographischen, politikwissenschaftlichen und soziologischen Forschung wurde, die eine unübersehbare Literatur produziert hat. Die Flut von Büchern und Artikeln ist auch in den letzten fünf Jahren nicht zurückgegangen. Obwohl die frühere Forschung wichtige Fragen beantwortet hat, sind andere kontrovers geblieben und neue hinzugekommen. Viele Publikationen der letzten fünf Jahre wiederholen aber oftmals nur empirisch längst bekannte Sachverhalte.

Dieser Aufsatz konzentriert sich in den vorgestellten Publikationen zur Hiroshima/Nagasaki-Frage auf Aspekte, die die Rolle, das Selbstverständnis und die Aktivitäten der Naturwissenschaftler sowie ihren Umgang mit den Abwürfen betreffen. Die sowjetischen und deutschen Physiker berücksichtigt dieser Artikel mit. Diese Dimensionen werden zunächst in den breiteren Forschungszusammenhang eingebettet.

Wer sich einen Überblick über den – abnehmenden – Einfluß der US-Naturwissenschaftler bei »kardinalen Entscheidungen« im Bereich Sicherheit seit dem Bau der A-Bombe bis zu SDI verschaffen möchte, dem sei die Studie von Gregg Herken empfohlen (Herken 1992). Wie in seinen früheren Arbeiten erweist sich der US-Zeitgeschichtler in dieser nicht systematisch, sondern chronologisch angelegen Ansammlung von Fallstudien erneut als guter Sachkenner und Stilist. Den Gründen für den Einflußverlust der einst gefürchteten »scientific-technological elite« hätte der Autor allerdings mehr Aufmerksamkeit widmen können.

Seine untersuchten Entscheidungen lassen weitere systematische Schlußfolgerungen zu – beispielsweise, daß »trans-scientific decisions«, in denen nun einmal die politische Dimension die technischen Aspekte dominiert, unterschiedlichem Rat, divergierenden Deutungen und konträren Interessen Tür und Tor öffnen. Unverkennbar ist auch, daß viele Entscheidungssituationen und die angeforderte technische Expertise durch Ambivalenz und interpretationsbedürftige »Wenn-dann-Annahmen« gekennzeichnet sind. Das politische System in den USA – und anderswo – hat sich sehr bald gegen die heterogene »Wissenschaftlergemeinde« und ihre Pro- und Contra- Empfehlungen zu wehren gewußt. Politiker und Bürokraten verstanden es, Naturwissenschaftler für ihre Zwecke zu instrumentalisieren (»Pick-your-scientist-Syndrom«).

Der Forschungszusammenhang

Es hat auf das Jahr genau zwei Dekaden gedauert, bis die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki in den USA einen Historikerstreit auslösten. Dies geschah, als Alperovitz seine Studie »Atomic Diplomacy« veröffentlichte und mit einem Paukenschlag die »revisionistische Geschichtsschreibung« in der Hiroshima-Forschung einleitete. Kaum ein Werk über ein zeitgeschichtliches Thema hat ein so großes Echo gefunden, Forschungsaktivitäten in Gang gebracht und Widerspruch geerntet, vor allem in den eigenen Reihen der in sich heterogenen »revisionistischen Schule« der amerikanischen Geschichtsschreibung. 1985 brachte Alperovitz eine revidierte Fassung heraus2, und pünktlich zum 50. Jahrestag der atomaren Doppel-Katastrophe wird ein neuer umfangreicher Band erscheinen. Es bleibt abzuwarten, ob der Historiker sein Versprechen, mit neuen Dokumenten die alte These von 1965 zu untermauern, einlösen wird.3

Diese These lautet: Die Atombomben wurden in erster Linie aus politisch-diplomatischen Gründen abgeworfen, um die Sowjetunion zu beeindrucken und sie bei einer Aufteilung der Interessensphären zu Konzessionen zu bewegen. Deshalb habe die Truman-Administration andere Optionen nicht verfolgt: die japanischen Friedensgesten auszuloten; die Kapitulationsbedingungen für Tokio annehmbarer zu machen; auf den Kriegseintritt der Sowjetunion zu warten; die Macht der Atombombe über einem unbewohnten Gelände zu demonstrieren.

Die »orthodoxe Schule« der US-Geschichtswissenschaft hingegen vertrat bis dahin unisono die Auffassung, die Atombomben seien praktisch ausschließlich aus militärischen Gründen abgeworfen worden, um das Ende des Zweiten Weltkrieges in Asien zu beschleunigen, in jedem Falle aber herbeizuführen; dies habe den Vereinigten Staaten die geplante Invasion Japans erspart und damit vielen US-Soldaten das Leben gerettet.

Bis 1965 hatte sich die Forschung von dieser verengten Frage anleiten lassen. »Atomic Diplomacy« erweiterte die »Forschungslinse« beträchtlich und machte die Beantwortung anderer Fragen dringlich: Welche Faktoren bestimmten die schicksalsschwere Entscheidung Präsident Trumans und warum war der Einsatz der A-Bombe für die relevanten Politiker attraktiver als andere Alternativen? Die Öffnung neuer Archive zentraler Enscheidungsträger – unter ihnen die Tagebücher von Kriegsminister Stimson und Teile der Papiere von Roosevelt und Truman – eröffneten eine neue empirische Forschungslage.

Aus der Fülle der durch Alperovitz angeregten Publikationen, die sich konstruktiv an der »Atomic Diplomacy«-These abarbeiteten und neues Material mit verarbeiteten, ragen zwei 1975 erschienene, unterschiedlich angelegte Studien heraus. Martin Sherwins Monographie „A World Destroyed“ und Barton Bernsteins umfassender Literaturbericht.4 Sherwin erklärte in seinem Buch die Entscheidung damit, daß die wichtigen Politiker den Einsatz der A-Bombe als legitim ansahen und nicht grundsätzlich hinterfragten; Truman übernahm diese »Erbschaft« von seinem Vorgänger Roosevelt. Ansonsten bestätigte Sherwin die »orthodoxe Schule« insofern, als für die maßgebliche Elite das militärische Motiv der Kriegsbeendigung von vorrangiger Bedeutung gewesen sei.

Allerdings hätten politisch-diplomatische Interessen durchaus eine Rolle beim Abwurf der Bombe gespielt; Sherwin hielt sie jedoch für sekundär. Ohne der Truman-Administration »teuflische Motive« zu unterstellen, bedauerte der Historiker, daß die US-Regierung Alternativen nicht ernsthaft geprüft habe. Die Lockerung der »bedingungslosen Kapitulations«-Formel hätte möglicherweise die Bombardierung Hiroshimas nicht notwendig gemacht. In einem sechs Jahre später erschienenen Aufsatz bewertete Sherwin die Truman-Administration viel härter und bewegte sich stärker auf Alperovitz zu: Der Präsident habe sich gegenüber der Kapitulationsbedingung zum einen aus innenpolitischen Gründen nicht flexibel gezeigt; zum anderen zog Truman es vor, die neue Waffe zur Stärkung der US-Position gegenüber der UdSSR einzusetzen.5

Barton Bernstein, der differenzierteste und abwägendste Kenner der Materie, unterstreicht ebenfalls, daß a) die führenden Politiker und Bürokraten zu keinem Zeitpunkt auf den Einsatz der Bombe verzichten wollten; b) sie hauptsächlich die Absicht hatten, den Krieg zu beenden und Menschenleben zu retten; c) sich vor allem Truman, Außenminister Byrnes und Stimson einen »bonus« davon versprachen, die UdSSR mit der »atomaren Karte« einzuschüchtern – aber dieses Motiv sei von untergeordneter Bedeutung gewesen. Bernstein zufolge hätten die damaligen Entscheidungsträger – ungeachtet, ob das aus heutiger Sicht zu bedauern ist oder nicht – keinen Grund gesehen, Alternativen ernsthaft zu verfolgen.6

Alperovitz und Bernstein, die Protagonisten dieses permanenten amerikanischen Historikerstreits, haben seitdem ihr so abgestecktes Terrain verteidigt. Sie haben ihre Auffassungen in einer Vielzahl von Publikationen variiert und modifiziert, aber nicht korrigiert, sondern im Gegenteil zu erhärten versucht. Die Auseinandersetzungen haben in den letzten Jahren zum Teil bizarre Formen angenommen – etwa, wenn der Streitpunkt ein Komma ist.7 Dies spiegelt den Zustand der um sich selbst kreisenden amerikanischen Hiroshima-Forschung wider, in der die längst markierten großen Linien nur durch neue, revolutionäre Funde verschoben werden könnten, die die Forschung im Sinne der einen oder anderen Auffassung voranbringen und strittige Fragen klären. Bezeichnenderweise kommt die Rolle von Naturwissenschaftlern in diesen Kontroversen nicht vor.

Die Auseinandersetzungen zwischen beiden »Richtungen« konzentrieren sich derzeit auf methodische Fragen und Interpretationen – wie also Dokumente im Sinne der unterschiedlich gewichtenden »Lehrmeinungen« gedeutet werden können. Hierzu gehören beispielsweise die persönlichen Tagebücher Trumans oder Erklärungen führender Politiker und Militärs wie Eisenhower. Hier geht es aber nicht nur um akademische Eitelkeit und Rechthaberei. Die Tagebücher Trumans etwa lassen durchaus unterschiedliche Deutungen zu; nach Hiroshima und Nagasaki geäußerte Zweifel hoher Politiker an den Atombombenabwürfen beantworten nicht zwangsläufig die Frage, was sie vor dem 6. August 1945 dachten; die Einschätzung, wie wichtig die Bombe war, um das Kriegsende zu beschleunigen, enthält notwendigerweise spekulative Elemente, die sich teilweise auch in Zukunft allenfalls durch spektakuläre empirische Funde von großer Eindeutigkeit werden beantworten lassen.

In diesem Streit spricht mancher empirische Fund für die »Atomic Diplomacy«-These. Alperovitz muß sich jedoch zuweilen den Vorwurf des methodisch oft saubereren Bernstein gefallen lassen, daß er die prä- und post-Hiroshima-Perspektive undeutlich voneinander trennt. Bernstein hat auch kritisch angemerkt, daß Alperovitz' verständliches normatives Interesse ihn dazu verleitet, a) die Schicksals-Entscheidung vom Sommer 1945 aus ihrem historischen Kontext des Kriegszustandes und Japanhasses zu sehr zu lösen, und b) die beklagenswerten, aber dennoch politikmächtigen Traditionen vom legitimen Einsatz der Bombe zu unterschätzen. Der berechtigte Wunsch, es hätte anders kommen mögen und die Analyse der Gründe, die zur Bomben-Entscheidung führten, dürfen nicht vermischt werden.

Auch wenn unter den beiden Protagonisten Dissens darüber besteht, wie der gegenwärtige Konsens der US-Historikerzunft in der Hiroshima-Frage zu definieren sei (die Art, wie beide Seiten die Konsens-Beschreibung des als Autorität vielfach herbeigerufenen Samuel Walker unterschiedlich interpretieren, ist ebenfalls bizarr): Hier soll mit Walker8 der »consensus among scholars« festgehalten werden, wonach

  • „die Bombe nicht notwendig war, um eine Invasion in Japan zu vermeiden und den Krieg in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beenden“ (was immer Walkers unpräzise Zeitangabe hier meint, die von Alperovitz im übrigen nicht mitzitiert wird);9
  • „es klar (sei), daß es Alternativen zur Bombe gab und daß Truman und seine Berater dies wußten“;
  • „kein Wissenschaftler Alperovitz' These, daß politische Erwägungen die Bomben-Entscheidung diktierten, in unveränderter Form übernommen hat“;
  • „der Konsens von Mitte der siebziger Jahre weiterhin vorherrscht, demzufolge die Bombe primär aus militärischen und sekundär aus politischen Gründen eingesetzt wurde“;
  • „es innerhalb dieses breiten Konsenses genügend Raum für Uneinigkeit und unterschiedliche Gewichtungen gibt“.

Auch andere Historiker gehen in ihrer Darstellung vom Kriegsende im Pazifik und der Beurteilung des fatalen US-Beschlusses von diesen unterschiedlichen Prämissen aus. In seiner großangelegten Studie, die hier nicht gewürdigt werden kann, läßt sich Gerhard L. Weinberg von der Auffassung leiten, daß für die Truman-Administration das Ziel der Kriegsbeendigung „zum damaligen Zeitpunkt das wichtigste Anliegen“ (S. 923) war (Weinberg 1995). Den Gegenakzent setzt auf mindestens so plausible Weise Wieland Wagner, der in seinem prägnanten Aufsatz „Das nukleare Inferno: Hiroshima und Nagasaki“ in einem von Michael Salewski herausgegebenen Band ebenfalls die wichtigste Literatur berücksichtigt (Salewski 1995, S. 72-94).

Der skizzierte Streit unter einigen wenigen US-Historikern hat sich in den letzten Jahrzehnten jenseits der breiten Öffentlichkeit vollzogen. Das hat sich im Zuge der in den Medien seit 1994 bitter ausgetragenen Kontroversen um die offizielle »Enola-Gay-Ausstellung« im National Air and Space Museum in Washington, D.C., abrupt geändert. Hier findet der Historikerstreit sein popularisiertes wie hochpolitisiertes Pendant, allerdings bar aller Differenzierungen und Nuancierungen. Zum 50. Jahrestag der Abwürfe ist aus jenen rituellen Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten ein erbitterter Kampf zwischen der Air Force Association, der American Legion und ihren Verbündeten gegen engagierte Rüstungskontroll- und Abrüstungsbefürworter geworden. Die Vergangenheit holt im Jahr 1995, dem Jahr des Rückblicks und der Erinnerungen, auch die USA ein, die bisher als einziges Land A-Bomben abgeworfen haben, und rüttelt an den Grundfesten des Selbstverständnisses und der Moralität. Die »Enola-Gay-Ausstellung« ist inzwischen entpolitisiert worden und hat mit dem ursprünglichen Konzept nichts mehr gemein.

Der Streit unter den Historikern wird indes auch in der Öffentlichkeit verstärkt weitergehen. Dafür dürfte allein das auf Provokation angelegte Buch von Robert P. Newman „Truman and the Hiroshima Cult“ sorgen, das termingerecht im August erscheinen wird (Newman 1995). Es ist auf den Kontext der öffentlichen Debatte hin geschrieben und liest sich wie ein Skript der Bomben-Befürworter. Aus politischen Gründen muß dieses Buch deshalb ernst genommen werden.

Warum warf Truman die Bombe? War Japan bereit, zu kapitulieren? War die Politik der bedingungslosen Kapitulation gerechtfertigt? Warum gab es keine Warnung oder Demonstration? War die zweite Bombe notwendig, um den Krieg zu beenden? War der Abwurf dieser Bomben moralisch gerechtfertigt?

Das sind Newmans Fragen. Wer hätte nicht gern eine eindeutige Antwort darauf! Newman hat sie. Das Buch ist griffig geschrieben, setzt sich durchaus mit Gegenargumenten auseinander und kommt an jedem Kapitelende zu einer klaren Aussage. So einfach ist das in einem Manifest, das sich weniger als „archive centered effort“ (S.XV) versteht, sondern als Buch einseitiger Deutungen angesehen werden muß.<>

Newman, emeritierter Kommunikationswissenschaftler an der Universität von Pittsburgh, hat das Buch gegen einen Historiker – Gar Alperovitz – und seine Mitstreiter geschrieben, die scheinbar homogene Gruppe der »Hiroshima cultists«. Newman versucht das Rad des historiographischen Diskurses zurückzudrehen und fällt hinter den erreichten Konsens zurück. Denn die von ihm angegriffene »Atomic Diplomacy«-These versucht er zu ignorieren. Anstatt sich mit ihr auseinanderzusetzen, ist er bestrebt, Alperovitz' Auffassung auszuhebeln, indem er erklärt, wie es zu ihr kam: Es war das »American terror bombing« in Vietnam, das viele auf den »Hiroshima guilt trip« brachte (S.183). Eine solche Vorgehensweise ist unseriös, wenn nicht infam. Newmans Buch ist – auch wenn man mit Alperovitz in vielem nicht übereinstimmt – eine neue Variante jener Literatur, die früher bereits seine Studie als ein Werk »kreativen Schreibens« abtun wollte.10

Hier soll das Kapitel im Mittelpunkt stehen, in dem sich Newman mit den folgenden Fragen befaßt: Hätte die Demonstration einer Bombe die Japaner zur Kapitulation gezwungen oder das Ende des Krieges beschleunigt? Hätte sie innerhalb des Kriegskabinetts in Tokio die Fraktion der Kompromißbereiten gegenüber den »hardlinern« gestärkt? Hierauf läßt sich keine endgültige Antwort geben, weil die Geschichte nun einmal ihren alternativen Verlauf nicht enthüllt. Newman hat aber auch hier eine klare Antwort: „Die Alternative einer Demonstration war bankrott.“ (S. 96)

Führende Wissenschaftler wie Conant und Compton sprachen sich als Mitglieder des hochrangigen »Interim Committee« (siehe unten) damals gegen eine solche Option aus, ähnlich Hans Bethe. Ihre Gründe, die nicht leicht von der Hand zu weisen sind, macht sich Newman zu eigen. Wenn man die Japaner warnte, bevor die Bombe demonstriert wurde, könnten sie das Flugzeug mit der Waffe an Bord abschießen; ihr Mechanismus könnte versagen; sie könnte ein Blindgänger sein, für die es keinen schnellen Ersatz gab, da in Los Alamos nur zwei Waffen relativ rasch fertiggestellt werden konnten, während es mehrere Wochen gedauert hätte, bis eine dritte einsatzbereit gewesen wäre.

Keinem Geringeren als Oppenheimer sind im Nachhinein Zweifel an seinem damaligen klaren Ja zum Abwurf der Bombe und zu seiner Skepsis gegenüber einer technischen Demonstration gekommen. Newman tut die oft zitierten Worte Oppenheimers, die Physiker „didn't know beans about the military situation in Japan“ (S. 92) mit der zynischen und durch nichts belegten Behauptung ab: Die Naturwissenschaftler seien noch „nicht infiziert gewesen“ (S. 93) von der Hypothese des Strategic Bombing Survey von 1946, derzufolge Japan bereit zur Kapitulation gewesen sei. Des weiteren führt er Leo Szilard als Kronzeugen gegen eine Demonstration an, aber er bricht das Zitat ab (S. 93f.) und wird der Argumentation des damals engagiertesten Befürworters einer Demonstration nicht gerecht – bei allen Zweifeln, die Szilard im Nachhinein an dieser Option gekommen sein mögen.11

Eingehend untersucht der streitbare Kommunikationswissenschaftler in diesem sprunghaften Kapitel den „heiligen Text der Anti-Atombewegung“ (S. 87), den Franck-Report (siehe S. 46<0><|><>ff. in diesem Heft). Er arbeitet durchaus schwache Punkte dieses dennoch wichtigsten Versuchs von sieben in Chicago arbeitenden Naturwissenschaftlern heraus, die Entscheidungsträger in Washington von einem Abwurf möglichst abzubringen. Dabei fällt Newman jedoch hinter die Autoren zurück, die sich bereits kritisch mit dem unter der Leitung von Chemie-Nobelpreisträger James Franck zustande gekommenen Report auseinandergesetzt haben – sei es, daß Newman nicht systematisch vorgeht wie sie12, die Bandbreite der möglichen Alternativen nicht diskutiert und auch entscheidende Schwächen der »scientists« nicht benennt13, sei es, daß er nicht differenziert genug ist und die Leistungen des Berichts nicht anerkennt14.

Zu spät in ihren Initiativen, zu unpräzise in ihren Empfehlungen und zu unkoordiniert in ihrer Kontaktaufnahme mit Politikern – so läßt sich aus meiner Sicht die Kritik an den Verfassern des Franck-Reports zusammenfassen. Sie haben es den Befürwortern eines Abwurfs sehr leicht gemacht. Newman kritisiert zu Recht, daß es unter den Gremien, die die Wissenschaftler in Chicago einrichteten, um die »atomare Frage« zu erörtern, keinen Ausschuß gab, der sich mit den Abwürfen auf Japan intensiv befaßte. Der Franck-Report war und ist ein bedeutendes rüstungskontrollpolitisches Manifest, ein detaillierter technischer Bericht über die Durchführung und die Vorzüge einer Demonstration aber ist er nicht. Ein solche gründliche Evaluierung, mit der die »scientists« ihre vielbeschworene einzigartige Expertise hätten einbringen können, blieb aus (Edward Teller hat dieses Versäumnis in seinem Frankfurter Vortrag besonders kritisiert). Er hätte die Entscheidungsträger in Washington wohl am ehesten unter Druck setzen können, ihrerseits Alternativen zum Abwurf der Bombe intensiv zu untersuchen.

Den Autoren des in einigen Tagen zusammengezimmerten Berichts ging es in erster Linie darum, die langfristigen Negativ-Auswirkungen der A-Bombe in Form des Rüstungswettlaufs zu vermeiden. Gleichzeitig forderten die Verfasser internationale Kontrollregelungen. Die kurzfristig anstehende Frage der Abwürfe auf Japan war von untergeordneter Bedeutung. Beide Dimensionen werden im Report verknüpft – am Morgen nach einer Demonstration gehe das Wettrüsten los, wenn es nicht zu einer internationalen Abmachung komme. Der Bericht vermischt die lang- und kurzfristigen Aspekte aber auch und präsentiert den Entscheidungsträgern schwer zu vergleichendende Folgen, die Newman – und mehrere Autoren vor ihm – zu recht kontrastiert: der Abwurf, so der Bericht einerseits, könnte kurzfristig Menschenleben retten und den Krieg verkürzen; der Verzicht auf ein atomares Bombardement könnte andererseits einen Rüstungswettlauf hinauszögern und langfristig amerikanische Menschenleben schonen.

Es fällt nicht schwer, zu erraten, wie sich die Politiker und Bürokraten in der damaligen Situation entschlossen hätten. Newman führt den Ansatz und die unterschiedlichen Gewichtungen des Franck-Reports auf den »Eurozentrismus« unter den Autoren zurück. Dies überzeugt aus zwei Gründen nicht. Erstens waren nur zwei der sieben Verfasser – Franck und Szilard – europäische Emigranten; zweitens ist es Szilard gewesen, der den Japan-Aspekt überhaupt in den Report – und in die damalige Diskussion – hineingebracht hat.15 Im Rückblick hat der Physiker es jedoch als größtes Versäumnis angesehen, daß die Niederlage Japans nicht genug erörtert worden sei, wobei er hinzufügte, daß der Krieg mit politischen Mitteln hätte beendet werden können und daß die Abwürfe nicht notwendig gewesen seien.

Aus heutiger Perspektive ist es leicht, den kritischen Naturwissenschaftlern von damals Versäumnisse anzulasten. In der früheren Literatur ist die – müßige – Frage gestellt (und tentativ bejaht) worden, ob die Physiker den Einsatz der Atomwaffen hätten verhindern können – etwa wenn Franck vor dem »Interim Committee« erschienen wäre, um eine Demonstration ausführlich zu erörtern.16 Skepsis ist angebracht. Denn in den entscheidenden Sitzungen des Ausschusses wurde diese Option nur einmal – am 31. Mai 1945 – und auch damals nur eilig und nebenbei – beim Mittagessen besprochen.17 Newman erweckt im übrigen durch seine Art der Darstellung (S. 85f.) den gegenteiligen Eindruck. Die führenden Entscheidungsträger interessierte nicht, ob die Bombe, sondern wie sie eingesetzt werden sollte. Was der Kommunikationswissenschaftler im übrigen geflissentlich übersieht, ist, daß die vier Physiker – Oppenheimer, Fermi, Lawrence und Compton – die das »Interim Committe« berieten, dem Franck-Report nicht die Aufmerksamkeit schenkten, die ihm gebührte.18

Für Newman war die neue Waffe der entscheidende Faktor, der zur Kapitulation führte. Den eindeutigen Beweis bleibt er schuldig. Von den 1946 befragten japanischen Politikern meinten acht, daß die Bombe und die Sowjetunion in etwa gleich ausschlaggebend für die Kapitulation waren, während acht weitere die Bedeutung der neuen Waffe hervorhoben. Einer von denen, Marquis Kido Koichi, wird später (S. 110) so zitiert, daß er eigentlich in die erste Kategorie der Befragten hineingehört. Auch die Einschätzungen der von Newman zitierten japanischen Historiker sind nicht so eindeutig, wie von ihm behauptet und gewünscht (S. 102). Die bis heute maßgebliche Studie von Robert Butow, von Newman ausführlich zitiert, führt den »großen Schock« ebenfalls auf Hiroshima, Nagasaki und den sowjetischen Einmarsch in die Mandschurei zurück (S. 103). Der Faktor Sowjetunion holt den Autor gegen seinen Willen auffallend häufig ein.

Leo Szilard oder der verzweifelte Wettlauf gegen den Abwurf der Bombe

Der bereits mehrfach erwähnte ungarische Emigrant Leo Szilard war der Physiker, der Einstein mit dazu bewegt hatte, jenen Brief an Präsident Truman zu schreiben, der das Manhattan-Projekt ins Rollen gebracht hatte; zusammen mit Enrico Fermi hatte er im Dezember 1942 die erste Kettenreaktion in einem Reaktor erzeugt und damit einen wesentlichen Beitrag zum Bau der Atombombe geleistet. Leo Szilard war es auch, der ab Frühjahr 1945 die stärksten Aktivitäten unter den Physikern und gegenüber der US-Regierung entfaltete, um den Abwurf der Bombe auf Japan wenn nicht zu verhindern, so doch hinauszuzögern. William Lanouette stellt in der ersten umfassenden Szilard-Biographie die verzweifelten und erfolglosen Versuche des Physikers anschaulich dar (Lanouette 1992): sein Memorandum an Roosevelt, das diesen aber nicht mehr erreichte, weil der Präsident überraschend starb; sein Treffen in Spartanburg mit dem zukünftigen Außenminister der Truman-Administration, Byrnes, das unglücklich verlief, da sich beide nicht mochten und von völlig unterschiedlichen Prämissen ausgingen; seine Mitarbeit am Franck-Report; und schließlich die von ihm entworfene und Anfang Juli 1945 an seine Kollegen verteilte Petition an den Präsidenten.

Lanouette präsentiert kaum neue Fakten, was angesichts einer systematischen Auswertung der Szilard-Archive überrascht. Aber er stellt die von vielen Autoren sowie von Szilard selbst beschriebenen Versuche zusammenfassend in den biographischen Kontext des plastisch porträtierten Exzentrikers und brillianten Theoretikers. Das Szilard-Memorandum an Truman, von fast 70 Naturwissenschaftlern unterzeichnet, ist schwächer formuliert als etwa der Franck-Report. Die Erklärung (S. 272f.) schließt die „Angriffe mit Atombomben“ als „wirksames Mittel der Kriegsführung“ keinesfalls aus. Allerdings seien solche Angriffe auf Japan nicht zu rechtfertigen, solange a) es keine Möglichkeit habe, sich zu ergeben und die Kapitulationsbedingungen nicht im Detail kenne; und b) die moralischen Aspekte nicht genügend bedacht seien. Es ist auffallend, daß die Petition ein bedingungsloses Sich-ergeben, das als Hauptbarriere der Japaner für eine Kapitulation angesehen wurde, nicht kritisch als Stolperstein erwähnt. Erst im Nachhinein hat Szilard geäußert, der den Japanern damals „tatsächlich gemachte Friedensvertrag“, in dem die USA auf die bedingungslose Kapitulation verzichteten, hätte zu einem „ausgehandelten Frieden“ führen können.19 Der abgeschwächte Wortlaut der Petition drückt aus, daß Szilard den Kampf für eine Demonstration der Bombe bereits als verloren ansah.

Lanouette verzichtet leider in der Regel darauf, die bündig dargestellten Argumente des Physikers und seiner Verbündeten zu analysieren und sich mit den Positionen der Gegenseite auseinanderzusetzen. Der Biograph schildert jedoch eindringlich, wie Szilard auf den Abwurf reagierte. Zuerst war ein „Gefühl der Erleichterung“ (S. 276) da, daß die Geheimhaltung vorbei sei und daß man den Menschen sagen könne, was sie in diesem Jahrhundert erwarte. Als er die ersten Berichte über das nukleare Grauen hört, packt ihn Entsetzen. Es sollte ihn nie wieder loslassen. Szilard hält den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima ohne Punkt und Fragezeichen für einen tragischen Fehler, die Bombardierung Nagasakis für eine Grausamkeit (S. 277). In den folgenden Monaten entwickelt er hektische Tätigkeiten. Sie offenbaren die hilflose Phantasie des genialen Physikers, etwa wenn er dazu auffordert, daß seine Kollegen am Met Lab in Chicago als Zeichen ihrer Tauer schwarze Armbinden tragen sollten (S. 277).

Hiroshima und Nagasaki werden zur wichtigsten Rahmenbedingung für Szilards Denken und Wirken bis zu seinem Tod im Jahre 1964. Ob man dem Physiker einen »Schuldkomplex« unterstellt oder nicht – er selbst stritt ihn rückblickend ab, meinte aber gleichzeitig: „It was we (die Amerikaner, B.W.K.) who used the bomb (…) Somewhere, below the level of the consciousness, we have a stake in the bomb (…).“ 20 Es ist ein Defizit dieser Biographie, daß sie nicht erörtert, warum der Physiker einen A-Bombenabwurf auf Deutschland befürwortete; die entsprechenden Quellen, die z.B. Bernstein ausgewertet hat, werden in der Biographie nicht berücksichtigt. Ihnen zufolge war Szilard 1944 für ein solches atomares Bombardement selbst für den Fall eingetreten, daß die Waffe militärisch nicht notwendig gewesen wäre. Ein solcher Einsatz – so sein Argument – würde die US-Bevölkerung gegen einen gefährlichen Rüstungswettlauf mit der Sowjetunion mobilisieren. Anfang 1945 setzte dann, offensichtlich ausgelöst durch die Flächenbombardements der USA auf japanische Städte, bei ihm und anderen Kollegen am Met Lab in Chicago ein Umdenken ein, das zu den dargestellten Aktivitäten führte.21

Szilard hat nie erklärt, warum er – anders als Joseph Rotblat (siehe S. 30) das Manhattan-Projekt nicht verlassen hat. Eine solche Entscheidung hätte allerdings vorausgesetzt, daß Szilard wußte, wie es um Deutschland stand und daß Japan längst als Ziel für eine A-Bombe auserkoren war. Rückblickend gab er zu verstehen, daß er weder von der Lage des Dritten Reichs noch von der militärischen Zielplanung Kenntnisse hatte – diese Position vertraten übrigens im Frühjahr 1995 Teilnehmer des Manhattan-Projekts wie Hans Bethe22 und Edward Teller (s. Teller-Interview S. 26ff.) Für die Zeit nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands überzeugt Szilards Argument nicht mehr.

Lanouette präsentiert geradezu spannend die gesamte Bandbreite von Initiativen des rastlosen Aktivisten und Visionärs Szilard. Sie sind, zunächst im internationalen, dann im US-sowjetischen Rahmen, darauf gerichtet, die Verbreitung der Atomwaffen sowie den bilateralen Rüstungswettlauf unter Kontrolle zu halten. Unverkennbar ist, daß die politischen – und nicht die militärtechnologischen Elemente – in den Aktivitäten des Physikers überwiegen. In der Regel sind seine Anregungen unkonventionell und phantasievoll, oft waren sie ihrer Zeit voraus (und sind jetzt noch zeitgemäß), meistens hatte er kein Durchhaltevermögen. Mitunter machte er Vorschläge, von denen man nicht wußte, ob sie ernst gemeint waren. Zur letzten Kategorie gehören im übrigen seine Anregungen, die Verwundbarkeit der USA gegenüber feindlichen Waffen nicht durch neue Rüstungsprojekte, sondern durch die Umsiedlung von 30 bis 60 Mio. Amerikanern aus den Ballungsräumen zu horrenden Kosten zu vermindern (später sah er scharfsichtig in der Raketenabwehr bereits ein Problem für die siebziger Jahre).

Szilards Einfluß als Wissenschaftler kann nicht nur im Hinblick auf sein Scheitern in der Hiroshima/Nagasaki-Frage gemessen werden. Insgesamt blieb sein Wirken alles andere als folgenlos – die Gründung des heute noch aktiven »Council for a Liveable World« und die Mitinitiierung der Pugwash-Bewegung sind nur zwei Beispiele.

James Conant oder das kühle Plädoyer für den Abwurf der Bomben

Verkörpert Leo Szilard den Physiker, der 1945 vom Rande des Manhattan-Projekts gegen die offizielle Bomben-Politik gegenüber Japan aufbegehrt, so repräsentiert der Chemiker James Conant den neuen Typus des Wissenschaftsadministrators im Zentrum der Macht. Höchst unterschiedlich sind die Persönlichkeitsprofile der beiden. Dem undisziplinierten Genie ungarischer Herkunft steht der unterkühlte »Yankee scientist« des Ostküsten-Establishments gegenüber. Dessen »Several Lives«, wie Conant seine Memoiren betitelte, hat James Hershberg in einer Biographie umfassend und aus anderem – kritischerem – Blickwinkel dargestellt.

Hershbergs Buch über den Harvard-Professor, späteren Harvard-Präsidenten und Botschafter in Deutschland ist ein Meilenstein in der biographischen Erschließung des Atomzeitalters. Denn Conant hat zusammen mit Vannavar Bush das US-Atomprogramm maßgeblich vorangetrieben und ihm seine Organisationsstruktur gegeben. Bereits im Zweiten Weltkrieg war er gleichzeitig ein herausragender Architekt der nuklearen US-Politik der Nachkriegszeit. Hershbergs Leistung besteht darin, das bisherige umfangreiche Material durch die detaillierte Auswertung neuer Quellen zu bereichern und in einer gut lesbaren Studie zu präsentieren. Sie besticht zudem dadurch, daß, anders als bei Lanouette, die großen politischen Zeitbezüge hergestellt und analysiert werden.

Die Erarbeitung der nuklearen Sicherheitsarchitektur der Nachkriegszeit war dem im Frühjahr 1945 geschaffenen »Interim Committee« übertragen worden. In die Geschichte eingegangen ist dieser bereits erwähnte Ausschuß, weil er Präsident Truman die folgenschwere Empfehlung unterbreitete, Japan atomar zu bombardieren. Beraten wurde das »Committee« hierbei von den vier führenden Physikern Robert Oppenheimer, Enrico Fermi, Arthur Compton und Ernest Lawrence. In diesem mächtigen Ausschuß saß Conant und mit ihm Vannevar Bush und MIT-Präsident Karl Compton, also zwei weitere Wissenschaftsorganisatoren. Kriegsminister Stimson leitete das »Interim Committee«, Außenminister Byrnes fungierte als Trumans Sonderberater, zwei weitere hochrangige Politiker waren Undersecretary of the Navy Ralph A. Bard (s. Auszug S. 78) sowie Assistant Secretary of State William L. Clayton.

Durch neue empirische Funde führt Hershberg die Forschung weiter. Besonders beeindruckend und erstaunlich sind die apokalyptischen Empfindungen des sonst so rationalen Conant beim ersten atomaren Test in der Wüste von Alamogordo: Viele anwesende Naturwissenschaftler dachten an das Ende der Welt, Conant glaubte für den Bruchteil einer Sekunde, daß er der letzte Mensch war (S. 234). Dieser Schrecken hat ihn nicht davon abgehalten, auch weiterhin für einen Abwurf der Bombe auf Japan zu plädieren. Vorrangig war aus seiner Sicht die einzigartige Schockwirkung, die auch er sich von einer einzigen gewaltigen und beispiellosen Explosion der Atombombe versprach: die japanische Führung würde kapitulieren.

Conant schloß sich der vorherrschenden Begründung an, daß der Abwurf ohne vorherige Warnung den Krieg am schnellsten beenden und viele amerikanische Menschenleben retten würde. Kriegsminister Stimson berichtete dem »Interim-Ausschuß« von Plänen einer Invasion Japans mit amerikanischen Bodentruppen. Befürworter der Abwürfe wie Truman und Churchill sprachen nach dem Krieg von einer halben bis zu einer Million von Toten, die die Alliierten im Falle eines Einmarsches hätten in Kauf nehmen müssen (die Forschung hat diese Kalkulationen in den achtziger Jahren als Mythos entlarvt). Als dann die Auffassung vertreten wurde, daß Japan auch ohne die Atombombe kapituliert hätte, verteidigte sich Conant. Die Anzeichen eines bevorstehenden japanischen Zusammenbruchs und die »Friedensfühler« Tokios gegenüber Moskau seien dem »Interim-Ausschuß« am 21. Juni 1945 nicht bekannt gewesen, als er seine frühere Empfehlung für den Abwurf wiederholte. Überhaupt habe Conant sein Wissen über die militärische Lage von Stimson erhalten, der dem »Committee« keine detaillierte militärische Analyse präsentiert habe.

Die von Hershberg herausgearbeitete Einstellung Conants zum Abwurf einer einsatzbereiten A-Bombe ist ebenfalls repräsentativ für die meisten amerikanischen Wissenschaftler und Politiker im Zentrum der Entscheidungsprozesse. Praktisch alle haben die neue Waffe als ein legitimes Mittel in einem Krieg angesehen. Unmißverständlich weist Hershberg auch auf den Druck hin, der von dem sich damals auf ca. 2 Mrd. Dollar belaufenden Manhattan-Projekt ausging. Wie viele vor ihm zitiert der Autor Außenminister Byrnes: „Wie bringt man den Kongreß dazu, Gelder für Atomenergie zu bewilligen, wenn sie keine Ergebnisse der bereits ausgegebenen Mittel vorweisen können?“ 23 Ohne eine spezifische Quelle anzugeben, schreibt Hershberg im unmittelbaren Anschluß auch von Conant, daß er ein „akutes Bedürfnis“ (S. 226) hatte, seine während des Krieges unternommenen Anstrengungen vor allem gegenüber zukünftigen Untersuchungsausschüssen des Kongresses zu rechtfertigen.

Wenn man davon ausgeht, daß Conant den Einsatz der Bombe von Anfang an immer grundsätzlich befürwortete, ist es folgerichtig, die sich teilweise ändernde Begründung für das gesamte Manhattan-Projekt als »subtile Transformation« zu deuten. Die Angst vor einer Nazi-Bombe stand am Anfang, ergänzt durch die Auffassung, daß die USA diese – funktionierende – Waffe wegen ihres revolutionären Potentials unbedingt besitzen sollten, und zwar unabhängig davon, ob sie andere Staaten entwickeln würden oder nicht.

Der Autor weist darauf hin, daß mit der möglichen »post-war control«-Funktion der neuartigen Waffe das kostenaufwendige Mammut-Projekt vor dem Kongreß und der US-Öffentlichkeit allein nicht zu rechtfertigen war. Nach der Niederlage Deutschlands mußte der ursprüngliche Feind durch einen anderen ersetzt werden. „Deuschland war besiegt. Japan hatte keine Möglichkeit, atomare Waffen zu bauen. Der Wettlauf war vorbei. Conant fand trotzdem andere Rechtfertigungen, um die Bombe so früh wie möglich einzusetzen.“ (S.227)

Leider bündelt der US-Historiker seinen empirischen Befund nicht, er präsentiert auch keine eindeutige Rangordnung von Conants Motiven für den Abwurf der Bombe. Der Autor macht aber indirekt deutlich, daß sich dieser wichtige Akteur keinesfalls ausschließlich dem einen oder anderen vorherrschenden Motiv- und Interessenmuster für das atomare Bombardement zuordnen läßt. Sie ergänzen sich vielmehr. Der Biograph macht für seine Deutungen Anleihen sowohl bei der durch Bernstein als auch bei der durch Alperovitz vertretenen Richtung.

Die von Hershberg beschriebene Kontroverse zwischen Conant und – ausgerechnet! – dem führenden »Realisten« unter den protestantischen Theologen, Reinhold Niebuhr, ist ebenfalls in Vielem repräsentativ für den Streit in der unmittelbaren Nachkriegszeit um die moralische Dimension der Bombardements. Der Angegriffene fragt zurück: „Wenn das amerikanische Volk den Einsatz der Atombombe tief bereuen soll, warum sollte es dann nicht gleichermaßen die ein paar Monate vorher durchgeführte Zerstörung Tokios durch (…) Brandbomben bereuen?“ (S. 284) Er glaubte zeitlebens, daß es keine glaubwürdige Alternative zu einem Abwurf gab, später bereute er lediglich, daß die Bombe nicht früher fertig gewesen sei (S.227). Schuldgefühle hat er auch in seinen privaten Gesprächen mit Familienangehörigen nie ausgedrückt, weil er keine gehabt hat. Seinem Großsohn Jim zufolge hat er später eingeräumt, daß die Bombardierung Nagasakis ein Fehler gewesen sein mag (S.228). Mit dieser Frage war er als Mitglied des »Interim-Ausschusses« jedoch konkret nicht befaßt gewesen.

Nur einmal scheint Conant die Angst befallen zu haben, in der Hiroshima-/Nagasaki-Frage auf der aus seiner Sicht falschen Seite der Geschichte zu enden. Das war 1946, nachdem John Herseys kritische Reportage »Hiroshima« erschienen war (leider ist die deutsche Ausgabe dieses Klassikers vergriffen). Conant befürchtete, daß die überwältigende Zustimmung in den USA für die Bombenabwürfe umschlagen könne. In erster Linie war er darum besorgt, daß eine kritische Einschätzung der Abwürfe die USA im sich anbahnenden Kalten Krieg mit Moskau lähmt und daß sie in einem »Heißen Krieg« den von Conant befürworteten Einsatz von Atombomben auf die UdSSR unmöglich macht.

Der spätere »Praeceptor Americae« wurde deshalb aktiv, um dies zu verhindern. Conants Manipulationen hat Hershberg im spannendsten Kapitel seiner Biographie erstmals und ausführlich beschrieben: Wie Conants über das »old boys' network« seine Fäden spann, um mit dem damaligen Kriegsminister Stimson die autoritativste Figur für ein solches Unterfangen zu bekommen; wie stark er stilistisch und inhaltlich in die Entwürfe des Aufsatzes „The Decision to Use the Atomic Bomb“ eingriff. Dieser Artikel – „das einflußreichste Statement, das jemals über die Atombombe abgegeben wurde“ (Hershberg, S. 298) – beeinflußte die »orthodoxe Geschichtsschreibung« unangefochten bis in die Mitte der sechziger Jahre, als Gar Alperovitz seine Studie veröffentlichte.

Neuerscheinungen mit wenig Neuem

Drei in Deutschland erschienene Naturwissenschaftler-Biographien können es, obwohl zwei von ihnen ebenfalls voluminös sind, im Hinblick auf die Dichte der Darstellung, die Einarbeitung der politischen Rahmenbedingungen und vor allem hinsichtlich neuer Informationen in keiner Weise mit Hershbergs monumentaler Biographie aufnehmen. Albrecht Fölsings dickleibiges Einstein-Buch (Fölsing 1993) ähnelt zumindest in dem hier ausschließlich zur Debatte stehenden Abschnitt „Der Pazifist und die Bombe“ (S. 741ff.) auffallend der bereits 1971 erschienenen Einstein-Biographie von Ronald W. Clark24, die leider verkürzt ins Deutsche übertragen wurde; über Einsteins Nachkriegsaktivitäten informiert Clark im übrigen detaillierter als Fölsing.

Über weite Teile geschwätzig ist Norman Macraes Beschreibung des aus Ungarn in die USA emigrierten Mathematikers John von Neumann (Macrae 1994). Dieser interessiert hier als wichtiges Mitglied des »Target Committee«, das die Ziele der tödlichen Last über Japan mitbestimmte. In diesem Punkt geht der Autor durchaus über die Doppelbiographie von Steve J. Heims25 hinaus (Heims' Darstellung ist für die Positionen des ultra-konservativen Mathematikers in der unmittelbaren Nachkriegszeit allerdings informativer). Wie Groves, dessen Vertrauen von Neumann besaß, hatte auch das Mathematik-Genie u.a. die Stadt Kyoto, ein für die Japaner heiliges religiöses Zentrum, für die Zerstörung ausgewählt. Der Journalist und Biograph Macrae bescheinigt dem Naturwissenschaftler im Dienste der Militärs hier lediglich „Mangel an psychologischem Fingerspitzengefühl“ (S.214). Die unverblümte Diktion in den entsprechenden Passagen von General Groves` Autobiographie „Now it Can be Told“ vermitteln einen weitaus besseren Eindruck von der Eiseskälte des »Target Committee«, das sich ausschließlich von militärischen Erwägungen leiten ließ.

Mit den Worten „Einige Leute bekennen sich schuldig, um den Lohn für die Sünde zu beanspruchen“ (S. 215), soll von Neumann Oppenheimers Schock-Reaktion auf den Trinity-Test kommentiert haben. James Gleick, der Biograph des Physikers Richard Feynman (Gleick 1993), fügt dessen Reaktion auf die Frage eines Journalisten neben ihm nach dem Knall in der Wüste von Alamogordo hinzu: „That's the thing!“ (in der deutschen Ausgabe unpräzise übersetzt mit „Das ist die Bombe!“ (S. 229). Der von Gleick auszugsweise zitierte Brief an seine Mutter vom 9. August (S. 231) bestätigt auf beeindruckende Weise den Freudentaumel, den der erst 27-jährige Physiker mit vielen Kollegen teilt; Richard Rhodes hat den allgemeinen Enthusiasmus der am Trinity-Test Beteiligten in seiner klassischen Studie, die leider im deutschen Buchhandel nicht zu haben ist, eindringlich beschrieben.26 An die Stelle der Ausgelassenheit tritt auch bei Feynman später Nüchternheit (S. 299), die bei ihm jedoch politisch folgenlos bleibt.

Informativ wie bündig hat Lawrence Wittner die wichtigsten Gruppierungen und ihre politischen Vorstellungen im Amerika der ersten Jahre nach Hiroshima bis 1953 dargestellt (Wittner 1993). Seine kenntnisreichen Ausführungen basieren sowohl auf der Verarbeitung von Sekundärliteratur als auch auf der beeindruckenden Auswertung vieler Archive (er ist meines Wissens der einzige Historiker, der unabhängig von Hershberg Conants pro-nukleare Manipulationen entdeckt hat). Neben vielem ausreichend Bekanntem führen die beiden Kapitel dort am ehesten weiter, wo Wittner die Reaktionen des linken Spektrums der USA auf Hiroshima (z.B. bei den Kirchen) beschreibt und wo er die zum Teil rüden Praktiken der US-Regierungen gegenüber Naturwissenschaftlern und Pazifisten darstellt.

Wer sich einen raschen Überblick über das Manhattan-Projekt verschaffen möchte, sei auf den Aufsatz von Stefan Fröhlich in dem von Michael Salewski edierten Band (Salewski 1995, S. 50-71) verwiesen. Leider brücksichtigt dieser Beitrag die neueste Literatur gerade über die Los-Alamos Jahre nicht. Auch seinem eigenen Anspruch, die „Erklärungsmuster der Zeitzeugen für ihre Entscheidungen heranzuziehen“ (S. 52), wird der Autor nur sehr begrenzt gerecht. Die Erinnerungen etwa von Peierls, Weisskopf, Wigner und Zacharias wertet er nicht aus, die relevanten Passagen in Conants Memoiren überprüft er nicht anhand der Hershberg-Biographie. Die am Ende des Aufsatzes von Fröhlich angestellten Spekulationen hätten sich durch eine Kenntnis des vorzüglich aufbereiteten Szilard-Materials empirisch verläßlich beantworten lassen. Die drei von Fröhlich für das Manhattan-Projekt herausgearbeiteten Hauptcharakterisierungen sind in der Tat zutreffend: Der Krieg als Stimulus für die wissenschafts-technologische Innovation; das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Politik; die Führung der Wissenschaft im Projekt und dessen gleichzeitige Kontrolle durch des Militär.

Aus techniksoziologischer Perspektive beschreibt einer der Vertreter dieser Ausrichtung, Thomas Hughes, das Manhattan-Projekt (Hughes 1991). Er sieht es in dieser ungewöhnlichen Sicht einerseits als Teil der „noch nicht abgeschlosssenen Entstehungsgeschichte großer technologischer Systeme“ (S. 387). Andererseits deutet er es als beispielloses Unternehmen, bei dem die Regierung die zentrale Koordinations- und Kontrollinstanz für die Herstellung eines einzigen »Produkts« wird, nachdem die Erfindungen gemacht und weiterentwickelt worden waren. Parallelen zu Industrieunternehmen stellt der Autor jedoch im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Wissenschaftlern, Technikern und Managern (S. 387) fest. Der Primat des Militärischen bleibt allerdings einzigartig. Hughes' Arbeit hätte die Forschung dann weitergeführt, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, die bisher kaum berücksichtigte industrielle Infrastruktur des Manhattan-Projekts zu analysieren; statt dessen wertet er vor allem die klassische Studie von Hewlett und Anderson aus.27 Glücklicherweise erliegt Hughes nicht der Versuchung seines Ansatzes, die Bomben-Entscheidung mit technologischen Zwängen zu erklären.

Hiroshima und die sowjetischen Naturwissenschaftler in der Stalin-Ära

David Holloways Studie „Stalin and the Bomb“ ist ein großer und solider Wurf. Der ausgewiesene Experte wartet in dieser historisch wie systematisch vorzüglich angelegten Arbeit mit vielen neuen Informationen auf, und zwar nicht nur über die Rolle der Naturwissenschaftler während der sowjetischen A- und H-Bombenprogramme. Vielmehr analysiert der Autor auch die Rahmenbedingungen und Imperative Stalinscher Politik, die industriell-wirtschaftliche Struktur der Projekte sowie die Einbettung der Wissenschaftler in die bürokratische Organisation der Atomprogramme. Holloways Buch beruht auf der Auswertung vieler Archive und geführter Interviews, entscheidende Dokumenten-Sammlungen blieben ihm allerdings verschlossen. Auch in dieser Studie Holloways erfährt der Leser etwa wichtige Aussagen Stalins nach wie vor aus den Aufzeichnungen amerikanischer Akteure und Politiker (dieses Werk »überholt« in Vielem auch das einführende Buch von Heinemann-Grüder 1992, das allerdings in seinen Kapiteln über die Rolle deutscher Wissenschaftler in Stalins Atombombenprogramm nach wie vor lesenswert bleibt). Eine abschließende Studie konnte Holloway zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorlegen. Das schmälert ihren Verdienst jedoch keineswegs.

Die Atombombenabwürfe der USA bedeuteten, wie der Autor eingehend darlegt, eine entscheidende Zäsur in der Atompolitik Stalins. Während des Zweiten Weltkrieges hatte der Diktator viele militärtechnologische Projekte, darunter auch das Nuklearprogramm, vernachlässigt. Das änderte sich schlagartig nach Hiroshima und Nagasaki. Bereits am 20. August setzte ein geheimes Dekret Stalins das sowjetische Projekt in Gang. Die (Kommando-)Struktur und die Organisation des Unternehmens, das nun höchste Priorität bekam, waren schnell etabliert. An die Spitze des Geheimprojekts berief Stalin keinen Militär, sondern Geheimdienstchef Berija, der das von Holloway kenntnisreich dargestellte »sowjetische Manhattan-Projekt« mit der ihm eigenen Mischung aus Effizienz und enormem Druck leitete (siehe Golovin S. 51ff.)

Holloway gibt Einblicke in die Arbeitsweise der Wissenschaftler, die vom Gebot der Geheimhaltung gekennzeichnet ist. Hier gibt es viele Parallelen zum Arbeitszusammenhang der amerikanischen Kollegen in Los Alamos. Der Historiker legt ferner überzeugend dar, wie sehr das sowjetische Atombombenprogramm von außen angeregt wurde, und er analysiert ebenso plausibel, daß Stalin die A-Bombe unter allen Umständen haben wollte. Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse von Holloways Studie, auch wenn man sie nicht gern hören mag. „Hiroshima“, soll Stalin zu Kurchatov und Vannikov gesagt haben, „hat die ganze Welt erschüttert. Das Gleichgewicht ist zerstört“ (S. 132). Jetzt setzte der Diktator alles daran, um die Balance wiederherzustellen. Die Atombombe war aber aus Stalins Sicht nicht nur eine mächtige Waffe, sondern auch das mächtigste Symbol für die wirtschaftliche und technologische Stärke der USA. Holloway legt dar, daß die A-Bombe nicht das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entworfene Design sowjetischer Außenpolitik veränderte, das auf die Konsolidierung der territorialen Gewinne und auf die Etablierung einer Interessenzone in Osteuropa ausgerichtet war. Allerdings mußte die Führung die Bombe als neuen Faktor in dieses Konzept einpassen. Zu fragen ist, ob hier der Verfasser deren Bedeutung nicht unterschätzt.

„Aufholen und überholen“ hieß die Devise (S.133) für das sowjetische Atomprojekt. Stalin wollte das Monopol der USA brechen und in der Zwischenzeit die USA daran hindern, die »atomare Karte« erfolgreich gegen die UdSSR zu spielen. Seine Sorge war nicht, daß ein Atomkrieg unmittelbar bevorstand. Vielmehr galt es, sich durch den Bomben-Faktor nicht einschüchtern zu lassen. Die neue Waffe trug, wie Holloway herausarbeitet, auf diese Weise zur Verschlechterung der amerikanisch-sowjetischen Beziehung bei.

Stalins Politik ging, wie der Autor gut dokumentiert, im großen und ganzen auf. 1949 führte die UdSSR den ersten erfolgreichen Kernwaffenversuch vor. In der Zwischenzeit gelang es der Truman-Administration nicht, aufgrund ihres Monopols Stalin zu außenpolitischen Konzessionen zu bewegen – etwa in Osteuropa oder auf internationalem Parkett durch den Baruch-Plan, der die Vormachtstellung der USA verstetigt und der UdSSR die eigene atomare Option verweigert hätte. Am 30. Dezember 1946 stimmte der Atomenergieausschuß der UN mehrheitlich für den Plan. Fünf Tage vorher war dem »sowjetischen Oppenheimer« Igor Kurchatov – auf den Monat genau vier Jahre nach Fermis und Szilards erfolgreichem Versuch in Chicago – die (damals geheimgehaltene) Kettenreaktion erstmals in einem Experimentalreaktor gelungen.

Wie für die am Manhattan-Projekt beteiligten Physiker stellte das sowjetische Parallelunternehmen eine große intellektuelle Herausforderung für die sowjetischen Kollegen dar. Hinzu kam der Konkurrenzaspekt. Das Projekt brachte zudem Arbeit und Brot. Nachdem das Nuklearprogramm erste Priorität bekommen hatte, wurden die Atomphysiker zu einer privilegierten Kaste. Von den wissenschaftlichen Säuberungen des Jahres 1949 blieben sie verschont, weil die »westliche« und »idealistische« Quantenmechanik und Relativitätstheorie die theoretische Basis für den Bau der neuen Waffe darstellten. „Es war die Atombombe, die die sowjetische Physik 1949 rettete,“ resümiert Holloway (S. 211) in spannenden Passagen über die damaligen wissenschaftlich-idologischen Turbulenzen. Ungefährdet war und blieb auch diese Berufsgruppe nicht. In jenem Klima soll Stalin über die Physiker zu Berija gesagt haben: „Laß sie in Frieden. Wir können sie später immer noch erschießen.“ (S. 211)

Die sowjetischen Atomphysiker haben ihre Aktivitäten zum Teil anders begründet als ihre amerikanischen Kollegen. Sie reagierten ja »nur« auf den von den US-Naturwissenschaftlern mitinitiierten Rüstungswettlauf. Sie übernahmen Stalins Devise von der Wiederherstellung des Gleichgewichts oder waren davon überzeugt, daß die UdSSR eine eigene Bombe brauche, um sich gegen den Feind zu schützen oder ihn davon abzuhalten, sie gegen die UdSSR einzusetzen. Die Bombardierung Hiroshimas wurde als »zynischer Antihumanismus« bezeichnet. Vertraut ist die universal vorgebrachte Begründung, der Bau der – in diesem Fall sowjetischen – Bombe sei nicht dasselbe wie ihr Abwurf auf friedliche Städte, und: Nicht die Naturwissenschaftler, sondern die Politiker und Militärs würden diese Entscheidung treffen. Intensive moralische Diskussionen gab es wahrscheinlich gar nicht, sie wären sehr gefährlich gewesen (siehe Golovin-Interview S. 55). Ohnehin konnte man sich nur in den ersten Jahren weigern, am Atomprojekt teilzunehmen.

Für andere Wissenschaftler war der Bau der Bombe eine Fortsetzung des Krieges gegen Nazi-Deutschland. Der mächtige »Wissenschaftskommissar« Kurchatov unterschrieb oft mit »Soldat Kurchatov«. Er war es übrigens, der nach dem ersten Test der H-Bombe um die Entlassung aus dem Projekt bat. In die Entstehung und Entwicklung dieses Waffenprogramms gibt die grundlegende Studie Holloways ebenfalls erstaunlich viele neue Einblicke.

Deutsche Atomphysiker im Dritten Reich und danach

So verständlich es ist, daß sich hauptsächlich US-Historiker mit der Hiroshima/Nagasaki-Frage befassen, so unverständlich ist es, warum die bundesdeutsche Zunft der Historiker den amerikanischen Kollegen auch da das Feld überläßt, wo es um die Aufarbeitung der eigenen (Wissenschafts-)Geschichte geht. Ohne die Angst vor der Nazi-Bombe hätte es das Manhattan-Projekt in dieser Form nicht gegeben. Vor allem Mark Walker hat sich in einer wichtigen, auch hierzulande breit rezipierten Studie mit diesem Thema auf eine Weise befaßt, die die bis dahin jahrzehntelang dominierende Auffassung als Mythos entlarvte.28 Insbesondere Robert Jungk hatte nach Gesprächen mit Heisenberg, von Weizsäcker und anderen Kollegen die These kolportiert, daß sich die führenden Physiker aus moralischen Gründen der Mitarbeit am Bau einer Nazi-Bombe versagt hätten. In einer neuen Studie (Walker 1995) greift der Autor diesen Themenbereich wieder auf (siehe Artikel von M. Walker S. 59ff.)

Die monumentale Heisenberg-Biographie des amerikanischen Wissenschaftshistorikers David C. Cassidy zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, daß sie zwischen den Mythen und den Realitäten gut zu trennen weiß (Cassidy 1995). Der Verfasser unterstreicht die These, daß Heisenberg und seine Kollegen der Nazi-Führung deshalb kein »crash program« abforderten, weil sie keine Chance sahen, ein solches Projekt während des Krieges fertigzustellen. Demgegenüber wartet die Publikation von Thomas Powers mit der spektakulären, aber nicht belegten und deshalb nicht ernst zu nehmenden Behauptung auf, die noch über den langjährigen Mythos hinausgeht (Powers 1993). Um den Bomben-Bau zu vereiteln, soll Heisenberg bewußt Informationen gegenüber den zuständigen Behörden und den eigenen Kollegen zurückgehalten haben. Powers' Buch taugt als Thriller, aber nicht als seriöse Studie.

Eine wissenschaftsgeschichtliche Quelle ersten Ranges für die Rolle und das Selbstverständnis der deutschen Atomphysiker im Dritten Reich stellen die von Dieter Hoffmann sorgfältig edierten Farm-Hall-Protokolle dar (Hoffmann 1993). Die Niederschrift der von den Alliierten abgehörten und aufgezeichneten Gespräche der führenden deutschen Atomphysiker, die im britischen Farm Hall im Sommer 1945 interniert waren, vermitteln einen weitgehend unverstellten Zugang zu den damaligen Auffassungen der Wissenschaftler. Deren Positionen hat der Herausgeber in seinem Vorwort kritisch wie kenntnisreich kommentiert.

Einer der Internierten war der heute noch lebende Physiker Erich Bagge, der in dem von Michael Salewski herausgegebenen Band (Salewski 1995, S. 27-49) mit dem Aufsatz „Keine Atombombe für Hitler“ vertreten ist. Der Herausgeber führt in seinem Vorwort Bagge als prominenten Zeitzeugen für die Stimmungsschwankungen der Physiker zwischen Himmel und Hölle an (S. 26). In Bagges Aufsatz ist nichts davon zu spüren. Zutreffender dürfte auch heute noch die Charakterisierung der Allierten aus den Farm-Hall-Protokollen sein, wenn man Bagges buchhalterischen Duktus bedenkt: „Er ist durch und durch deutsch (…) Seine Freundschaft mit Diebner macht ihn verdächtig.“ (Hoffmann 1993, S. 60) Bagges Beitrag vermittelt den Eindruck, als sollte die Bombe gar nicht gebaut werden: „Ich möchte feststellen, daß in der Rede von Herrn Basche das Wort 'Atombombe' mit Sicherheit überhaupt nicht vorkam. Ich achtete sehr darauf, weil es mir beim Empfang im HWS durch Diebner am 8. September so einprägsam aufgefallen war.“ (S. 33)

In Bagges abgehörter und nachlesenswerter Äußerung in Farm Hall (S. 164) stellt sich dieser Sachverhalt jedoch anders dar.

Der Umgang der bundesdeutschen Naturwissenschaftler mit der Bomben-Problematik in den fünfziger Jahren ist ein wichtiger Aspekt in der hervorragenden Arbeit von Ilona Stölken-Fitschen. Auf der Grundlage umfangreicher und vielfach unbekannter Materialien analysiert die Autorin die politische und kulturelle Verarbeitung der A-Bombe insbesondere in der bundesdeutschen Diskussion (Stölken-Fitschen 1995). Die Grundhaltung ist durch Ambivalenz gekennzeichnet. Sie schwankt zwischen Grauen und Faszination, Angst und Hoffnung vor den »Segnungen« der zivilen Kernenergienutzung, zwischen atomarem Schrecken und atomarer Abschreckung. Der Kalte Krieg als wesentliche Rahmenbedingung für dieses Perzeptionsmuster überlagerte das »Mahnmal Hiroshima« bald bei den diversen Akteuren in unterschiedlich starker Weise.

Diese gute geschriebene Studie ist einer der überzeugendsten zeitgeschichtlichen Beiträge zur aktuellen »Hiroshima-Diskussion«. Im Spektrum der bundesdeutschen Literatur geht diese Arbeit weit über die bisher in der Regel analysierten Gruppierungen (Parteien, Friedensbewegung) hinaus. Thematisch erweitert sie den Fokus der verfahrenen und repetitiven US-Diskussion um eine wichtige Dimension und stellt damit das deutsche Pendant zur wegweisenden Untersuchung von Paul Boyer dar.29

Forschungsdefizite und -desiderate

Anstatt auf weitere Nuancierungen der amerikanischen Kabinettspolitik fixiert zu sein, ist es an der Zeit, die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Weltbilder und Traditionen zu untersuchen, die Hiroshima und Nagasaki möglich gemacht haben. Viel stärker als bisher müßte die Situation in Japan mit in die Untersuchungen einbezogen werden. Dies aber verlangt eine andere Organisation von Forschung. Anstatt daß die US-Historiker (und möglicherweise ihre Kollegen in Japan) nur zu sich selbst reden, wäre ein solches bilaterales Arrangement ein Zeichen gemeinsamen Lernens aus der Doppel-Katastrophe vom August 1945.

Die weitere Erforschung der Rolle der Naturwissenschaftler hätte dann einen festen Platz in einem solchen Design, wenn die technokulturellen und außenpolitischen Weltbilder der Physiker, ihre europäischen Traditionen und die Vermischungen mit dem »amerikanischen technologischen Enthusiasmus« (Hughes) untersucht würden. Ein derartiges Design, angemessen umgesetzt, enthält das Versprechen, daß Neuerscheinungen auch wirklich Neues vermitteln.

Rudolf Peierls: Gedanken über die Bombe

Ich werde oft gefragt: „Als Sie daran arbeiteten, die Atombombe entwickeln zu helfen, haben Sie da nicht gewußt, welche Schrecken sie bringen würde? Anfangs war Ihr Motiv die Angst, Hitler könne es als erster schaffen. Warum haben Sie die Arbeit nach der Niederschlagung Deutschlands fortgesetzt?“

Auf diese Frage zu antworten, ist schwer. Niemand konnte die Berichte und Bilder von Hiroshima und Nagasaki anders aufnehmen als mit Schrecken, und es gab keinen, der in irgendeiner Weise Stolz darüber empfunden hätte, daran mitgewirkt zu haben, daß es dazu kam. Aber es war Krieg, und im Krieg sind Tod, Leid und Zerstörung unvermeidlich. Bei den Atombombenabwürfen sind nicht mehr Menschen gestorben, als ein großer Feuerangriff auf Tokio gekostet hätte. Nicht das Ausmaß der Zerstörung ist es, das dem Krieg mit dem Einsatz der Atombombe eine neue Dimension verlieh; neu war die Mühelosigkeit, mit der die Waffe benutzt werden kann: Mit einem einzigen Flugzeug kann eine solche Zerstörung bewirkt werden, wie sie zuvor nur durch eine massive Militäroperation erreicht werden konnte. Wir kannten die Zerstörungskräfte der Bombe ebenso wie ihre Strahlenwirkungen, und Frisch und ich haben in unserem ersten Memorandum auch ausdrücklich darauf hingewiesen. Wir wußten, wie mühelos die Bombe einsetzbar war, und deshalb wußten wir auch, welche ungeheuer große Verantwortung damit den führenden Politikern und Militärs auferlegt wurde, die über das Ob und Wann des Bombeneinsatzes würden entscheiden müssen.

Es war uns klar, wie wichtig es war sicherzustellen, daß die Entscheidungsträger die neue Lage einschließlich sämtlicher Folgen der Existenz dieser neuen Waffe begriffen. Wir dachten, daß über all dies gesprochen worden wäre. Zu der Zeit, als ich in England war, lag die Fertigstellung der Waffe noch in weiter Ferne. In Los Alamos hatten wir keinen direkten Kontakt mit den maßgeblichen amerikanischen Verantwortlichen, aber wir wußten, daß Oppenheimer mit ihnen in Verbindung stand, und wir hatten Vertrauen in dessen Fähigkeiten, die Sache verständlich und deutlich darzulegen. Wir waren der Meinung, die Verantwortlichen seien vernünftige und intelligente Leute und würden verantwortungsvoll entscheiden.

Rückblickend ist klar, daß wir mit dieser unserer Meinung zu optimistisch waren. Ich will nicht sagen, daß es den Entscheidungsträgern an gutem Willen gefehlt hätte, aber wir haben ihre Vorstellungskraft und ihr Vermögen, sich auf eine völlig neue Situation einzustellen, überschätzt. Meiner Ansicht nach wäre die naheliegende Reaktion gewesen, eine Bombe über einem dünn besiedelten Gebiet abzuwerfen, um ihre Wirkungen vorzuführen, und gleichzeitig die japanische Regierung ultimativ zu Friedensverhandlungen zu bewegen mit dem Ziel, einen Atombombenangriff größeren Ausmaßes zu vermeiden. Das hätte bedeutet, daß einige Menschen getötet und einige Gebäude zerstört worden wären, denn anders wäre die Kraft der Bombe nicht augenfällig geworden: Nach dem Alamogordo-Test waren die sichtbaren Wirkungen für den Experten zwar beängstigend, für den Laien aber nicht beeindruckend. Natürlich hätte man mit einem solchen Ultimatum scheitern können, aber es wäre doch wenigstens ein Versuch gewesen, unnötiges Sterben zu vermeiden. Offenbar ist niemand auf den Gedanken gekommen, diese Möglichkeit zu prüfen; jedenfalls stand sie in den führenden Politiker- und Militärkreisen nicht zur Diskussion. Was erörtert wurde, war ein Test, der vorher angekündigt und zu dem Beobachter eingeladen werden sollten (wie später bei einem Test auf dem Bikini-Atoll geschehen). Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, weil das zuverlässige Funktionieren des Zündmechanismus' nicht gewährleistet war und ein Fehlschlag des Tests gegenteilige Wirkung gehabt hätte.

Auch wenn wir nun, viele Jahre später, klüger sein mögen als damals – was hätten wir tun sollen? Hätten wir es von Anfang an unterlassen sollen, an der Atombombe zu arbeiten, oder hätten wir nach der Niederschlagung Deutschlands aufhören sollen, daran weiterzuarbeiten? Ersteres hätte ein untragbares Risiko bedeutet, und nach dem Sieg über Deutschland war schließlich immer noch ein blutiger und grausamer Krieg im Gange, der durch die neue Waffe verkürzt werden konnte (und wurde). Im übrigen: Nachdem das Phänomen der Kernspaltung entdeckt war und sich nicht wieder unentdeckt machen ließ, und nachdem man begriffen hatte, daß eine Atombombe tatsächlich machbar war, ergab sich unweigerlich der Schluß, daß sie früher oder später von jemandem entwickelt werden würde. Eine generelle Weigerung aller Wissenschaftler, an Kernwaffen zu arbeiten, konnte nicht zustande kommen, es sei denn, es hätte bei ihnen ein genereller Vertrauensmangel geherrscht in der Weise, daß sie ihrer Regierung die Fähigkeit zum angemessenen Umgang mit der Situation abgesprochen hätten. Deshalb halte ich den Gedanken eines solchen »Streiks« der Wissenschaftler für wirklichkeitsfremd.

Oder: Hätten wir darauf bestehen sollen, die Kontrolle darüber zu behalten, wie die Ergebnisse unserer Arbeit genutzt werden? Das hätte bedeutet, daß wir von der anmaßenden Vermutung ausgegangen wären, besser qualifiziert zu sein als andere, die richtigen politischen und militärischen Entscheidungen zu fällen, und im übrigen wäre eine derartige Kontrolle auch niemals zu verwirklichen gewesen. Ich bedaure, daß wir nicht darauf bestanden haben, mehr Gespräche mit den führenden Militärs und Politikern zu führen, Gespräche, in denen die Folgen und möglichen Handlungsverläufe auf der Grundlage des wissenschaftlichen Kenntnisstandes ausführlich und in aller Deutlichkeit erörtert worden wären. Daß solche Gespräche am Ende einen Unterschied gemacht hätten, ist freilich nicht gewiß.

Dies ist in Kurzform die Antwort auf Fragen, die ein eigenes Buch verdient hätten.

Quelle: Rudolf Peierls, Bird of Passage. Recollections of a Physicist, Princeton 1985, S. 203-205; (Übersetzung: Hedda Wagner.)

Vorgestellte Bücher

Cassidy, David C.: Werner Heisenberg. Leben und Werk, Frankfurt a. M. 1995 (Spektrum Akademischer Verlag), 600 S., 68 DM

Fölsing, Albrecht: Albert Einstein. Eine Biographie, Frankfurt a. M. 1993 (Suhrkamp), 959 S., 78 DM

Gleick, James: Richard Feynman. Leben und Werk des genialen Physikers, München 1993 (Droemer Knaur), 712 S., 56 DM

Heinemann-Grüder, Andreas: Die Sowjetische Atombombe, Münster 1992 (Westfälisches Dampfboot), 168 S., 26 DM

Herken, Gregg: Cardinal Choices. Presidential Science Advising from the Atomic Bomb to SDI, New York/Oxford 1992 (Oxford University Press), 317 S., $ 24.95

Hershberg, James: James B. Conant. Harvard to Hiroshima and the Making of the Nuclear Age, New York 1993 (Alfred Knopf), 948 S., $ 35

Hoffmann, Dieter (Hrsg.): Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe, Berlin 1993 (Rowohlt), 381 S., 42 DM

Holloway, David: Stalin and the Bomb. The Soviet Union and Atomic Energy 1939-1956, New Haven/London (Yale University Press), 464 S., $ 30

Hughes, Thomas: Die Erfindung Amerikas. Der technologische Aufstieg der USA seit 1870, München 1991 (C.H. Beck), 528 S., 58 DM

Lanouette, William, with Bela Silard: Genius in the Shadows. A Biography of Leo Szilard, New York 1992 (Charles Scribner`s Sons), 588 S., $ 35

Macrae, Norman: John von Neumann. Mathematik und Computerforschung – Facetten eines Genies, Basel u.a. 1994 (Birkhäuser Verlag), 349 S., 78 DM

Newman, Robert P.: Truman and the Hiroshima Cult, East Lansing 1995 (Michigan State University Press), 272 S., $ 34.95

Powers, Thomas: Heisenbergs Krieg. Die Geheimgeschichte der deutschen Atombombe, Hamburg 1993 (Hoffmann und Campe), 768 S., 78 DM

Salewski, Michael (Hrsg.): Das Zeitalter der Bombe. Die Geschichte der atomaren Bedrohung von Hiroshima bis heute, München 1995 (Verlag C.H. Beck, Beck'sche Reihe), 334 S., 24 DM

Stölken-Fitschen, Ilona: Atombombe und Geistesgeschichte. Eine Studie der fünfziger Jahre aus deutscher Sicht, Baden-Baden 1995 (Nomos), 357 S., 78 DM

Walker, Mark: Nazi Science: Myth, Truth, and the German Atomic Bomb, New York 1995 (Plenum Press), 330 S., $ 28.95

Weinberg, Gerhard L.: Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Stuttgart 1995 (Deutsche Verlags-Anstalt), 1174 S., 98 DM

Wittner, Lawrence S.: One World or None. A History of the World Nuclear Disarmament Movement Through 1953. Vol. 1: The Struggle Against the Bomb, Stanford 1993 (Stanford University Press), 456 S., $ 29.95

Anmerkungen

1) Der epochale Brief ist abgedruckt in: Verfuß, Klaus/Hartmann Wunderer (Bearbeiter): Hiroshima. Geschichte und Aktualität der atomaren Bedrohung, Wiesbaden 1995 (Hrsg.: Hessisches Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung/Hessisches Institut für Lehrerfortbildung, Außenstelle Wiesbaden, in Kooperation mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung), S. 13. Zurück

2) Alperovitz, Gar: Atomic Diplomacy: Hiroshima and Potsdam, Boulder/London 1985 (erw. und neu durchgesehene Ausgabe; ursprüngliche Edition: New York 1965, dt. 1966). Zurück

3) In den letzten Jahren – man könnte etwas überspitzt sagen: Jahrzehnten – haben sowohl Alperovitz als auch Bernstein in vielen Beiträgen immer das Gleiche gesagt, ohne wesentlich neue Dokumente zu präsentieren. Siehe z.B. den Briefwechsel zwischen Alperovitz, Gar/Robert L. Messer und Barton J. Bernstein, in: International Security, 16, 3 (Winter 1991/92), S.204-221. Eiligen Leser sei dieser Briefwechsel empfohlen, da er im Kern alle Argumente und Probleme zusammenfaßt, die sich auch im Laufe der letzten Jahre nicht geändert haben. Siehe ferner Alperovitz, Gar: Beyond the Smithonian Flap: Historians' New Consensus, in: The Washington Post, 16. 10. 1994, sowie ders., Enola Gay: A New Consensus, in: Washington Post, 4. 2. 1995. Diese Positionen finden sich ausführlicher in seinem Aufsatz »Hiroshima: Historians Reassess« wieder, den die »Blätter für deutsche und internationale Politik« in ihrem Juli-Heft 1995 abdrucken werden (leicht gekürzte Fassung des Beitrages aus der Sommer-Ausgabe von »Foreign Policy«). Zu Barton Bernstein siehe The Atomic Bombings Reconsidered, in: Foreign Affairs, 74, 1 (Frühjahr 1995), S. 135-152. Zurück

4) Sherwin, Martin J.: A World Destroyed. The Atomic Bomb and the Grand Alliance, New York 1975; Bernstein, Barton J.: Roosevelt, Truman, and the Atomic Bomb, 1941-1945: A Reinterpretation, in: Political Science Quarterly, 90, 1 (Frühjahr 1975), S. 23-69, sowie ders. (Hrsg.): The Atomic Bomb. The Critical Issues, Boston/Toronto 1975. Zurück

5) Sherwin, Martin J.: Hiroshima and Modern Memory, in: Nation, 10. 10. 1981, S. 349-353. Zurück

6) Briefwechsel (Anm. 3), S. 220. Zurück

7) Ebd., S. 215. Zurück

8) Walker, Samuel J.: The Decision to Use the Bomb: A Historiographical Update, in: Diplomatic History, 14, 1 (Winter 1990), S. 110f. Zurück

9) Siehe z.B. seinen Artikel in der Washington Post, 4.2.1995. Zurück

10) Maddox, Robert James: Atomic Diplomacy: A Study in Creative Writing, in: Journal of American History, 59, März 1973, S. 925-934. Zurück

11) Das von Newman abgebrochene Zitat findet sich vollständig in: Szilard, Leo: Recollections, in: Weart, Spencer R./Gertrud Weiss Szilard (Hrsg.), Leo Szilard: His Version of the Facts. Selected Recollections and Correspondence, Cambridge, Mass./London 1978, S. 186. Zurück

12) Villa, Brian L.: A Confusion of Signals: James Franck, the Chicago Scientists and Early Efforts to Stop the Bomb, in: Bulletin of the Atomic Sientists, 31, 10 (Dezember 1975), S. 36-42. Zurück

13) Frisch, David H.: Scientists and the Decision to Bomb Japan, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 26, 6 (Juni 1970), S. 107-115. Zurück

14) Steiner, Arthur: Scientists, Statesmen, and Politicians: The Competing Influence on American Atomic Energy Policy 1945-46, in: Minerva, 12,4 (Oktober 1974), S. 469-509. Zurück

15) Szilard (Anm. 11), S. 186, Anm. 13. Zurück

16) Frisch (Anm. 13), S. 115. Zurück

17) Steiner (Anm. 14), S. 508ff. Zurück

18) Sherwin (Anm. 4), S. 207f. Zurück

19) Interview mit: U.S. News & World Report, 15. 8. 1960, S. 68. Zurück

20) Ebd., S. 71. Zurück

21) Bernstein, Barton J.: Introduction, in: Hawkins, Helen S. u.a. (Hrsg.): Toward a Livable World. Leo Szilard and the Crusade for Nuclear Arms Control, Cambridge, Mass./London 1987, S. xxxiiiff. Zurück

22) New York Times, 18. 4. 1995. Zurück

23) Zitiert von Szilard (Anm. 11), S. 184. Zurück

24) Clark, Ronald W.: Einstein. The Life and Times, New York 1971. Zurück

25) Heims, Steve J.: John von Neumann and Norbert Wiener. From Mathematics to the Technologies of Life and Death, Cambridge, Mass./London 1980. Zurück

26) Rhodes, Richard: Die Atombombe oder Die Geschichte des 8. Schöpfungstages, Nördlingen 1988. Zurück

27) Hewlett, Richard G./Oscar E. Anderson, Jr.: The New World, 1939/46, University Park/Pa., 1962. Zurück

28) Walker, Mark: Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe, Berlin 1990. Zurück

29) Boyer, Paul: By the Bomb's Early Light. American Thought and Culture at the Dawn of the Atomic Age, New York 1985. Zurück

Dr. Bernd W. Kubbig ist Projektleiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1995/2 Hiroschima und Nagasaki, Seite