Klimakrise, Gewalt und nachhaltiger Frieden
Seit mehr als einer Dekade stehen die Konfliktrisiken des Klimawandels im Fokus friedenswissenschaftlicher Debatten. In einigen Fällen wurden signifikante Einflüsse gefunden (etwa durch Wasser- und Nahrungsprobleme, Wetterextreme und Vertreibung), besonders in fragilen Brennpunkten, in denen Menschen bewaffneten Konflikten und anderen Risiken ausgesetzt sind. Reichere Regionen scheinen dagegen besser in der Lage zu sein, Sicherheitsrisiken und Gewaltkonflikte des Klimawandels einzudämmen. Die Ungerechtigkeit zwischen Betroffenen und Verursachern birgt erhebliches Konfliktpotential. Allerdings führt auch in der nördlichen Hemisphäre die Klimakrise zunehmend zu dramatischen Ereignissen. Dies zeigen Waldbrände und Hitzewellen oder Sturm- und Flutereignisse. Gegen die Zerstörungen an der Ahr 2021 konnte die Politik wenig helfen.
Wie komplex die Zusammenhänge sind, zeigt sich auch an den umgekehrten Auswirkungen von Militär, Rüstung und Krieg auf Naturbelastung und Emissionen, Ressourcenverbrauch und -absicherung, die noch wenig Berücksichtigung in der Umwelt- und Friedensdebatte gefunden haben. Das aktuellste Beispiel dafür ist der Ukrainekrieg seit 2022: er führt zu massiven Umweltschäden und Emissionen, belastet und beansprucht Infrastrukturen für Wasser, Nahrung, Energie und Rohstoffe, lenkt ab vom Klimaschutz. Hier zeigt sich ein Teufelskreis: Klimarisiken verschärfen Konfliktrisiken, die die Verwundbarkeit durch Umweltveränderungen erhöhen. Es drohen Ökozide, die der Umwelt dauerhaft schaden.
Besonders fatal wäre es, wenn durch Kaskadenverstärkungen das Klimasystem in eine Heißzeit kippen sollte, beschleunigt durch menschlichen Einfluss. In einer solchen Welt dürfte kaum jemand sicher sein – und der »Kampf ums Überleben« wäre akut.
Auch wenn wir nicht wissen, ob die heutige Generation der Zwanzigjährigen solche Extremszenarien erleben wird, hat sie Anlass für berechtigte Sorgen um ihre Zukunft. Bewegungen wie »Fridays for Future« mobilisierten Millionen von Menschen weltweit, um das verbleibende Zeitfenster zur Verhinderung einer Klimakatastrophe zu nutzen. Je weniger die Politik dem Klimanotstand begegnet und das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 befolgt, umso mehr steigen gesellschaftliche Konfliktpotentiale und auch die Radikalisierung in Teilen der Protestbewegung. Galt noch 2019 der Schulstreik als umstrittene Form des zivilen Ungehorsams, so sind es nun »härtere« Protestformen wie Besetzungen (bspw. Lützerath) oder Blockaden von Straßen und Flughäfen durch die »Letzte Generation«. In der Geschichte des zivilen Ungehorsams, etwa gegen Atom- und Kohlekraftwerke, Flughäfen und Atomraketen-Standorte zeigt sich: mit einem langen Atem können solche Aktionsformen Erfolg haben.
Gleichzeitig reagieren Politik und Gesellschaft immer stärker auf diese Proteste, die durch Gerichtsurteile und Vorwürfe des »Klimaterrorismus« kriminalisiert werden. Dies ignoriert die strukturelle Gewalt des fossilen Systems und die zu seinem Schutz eingesetzte Polizeigewalt. Sie stehen einer notwendigen Transformation entgegen.
Dagegen wären positive Verbindungen zu stärken, die Klima- und Umweltschutz ebenso fördern wie Frieden und gemeinsame Sicherheit, etwa durch das Konzept des »Environmental Peacebuilding«. Solche politischen Alternativen müssen »konfliktsensitiv« sein, also nicht nur die Emissionen und den Klimawandel eindämmen, sondern auch Konflikte vermeiden, etwa durch den Land- und Ressourcenverbrauch für Bioenergie, Staudämme oder Windparks. Der energiehungrige Norden hat großes Interesse an den Ressourcen im Globalen Süden, wenn etwa der Strom großer Solaranlagen aus Trockengebieten direkt oder indirekt (über Wasserstoff) exportiert werden soll oder die für die Energiewende erforderlichen strategischen Rohstoffe auf Kosten der lokalen Bevölkerung ausgebeutet werden, gegen allen Protest. Schon wird vor einem „grünen Energie-Imperialismus“ gewarnt (so Robert Habeck bei seiner Namibia-Reise im Dezember 2022), angeheizt durch die geopolitische Konfrontation im Ukrainekrieg.
Energie- und Klimafragen bieten sich auch gut als Felder internationaler Zusammenarbeit an, zusammen mit anderen planetaren Problemen wie dem Artensterben, Wasser- und Landdegradierung oder Plastikmüll. Ihre solidarische Bewältigung im Rahmen gemeinsamer Sicherheit würde der Blockbildung entgegenwirken, so wie im Kalten Krieg die Atomkriegsgefahr Rüstungskontrolle erforderlich machte. Zugleich könnten Staaten des Globalen Südens ihren Anspruch auf eine faire Ressourcennutzung geltend machen oder auch China seine führende Rolle bei der Entwicklung erneuerbarer Energieträger ausbauen.
Dabei sind Widersprüche zwischen den 17 Nachhaltigkeitszielen zu minimieren und Synergien zu schaffen. So lassen sich Konflikte zwischen Klima- und Naturschutz durch naturbasierte Lösungen mindern, Verbindungen von Klimagerechtigkeit und nachhaltigem Frieden herstellen oder zivile Konfliktbearbeitung für Klimaverhandlungen nutzen. Konflikt-Transformation und sozial-ökologische Transformationen gehören zusammengedacht.
Ihr Jürgen Scheffran