W&F 2020/4

Klimawandel und Konflikt

Was wir gegenwärtig sagen können

von Adrien Detges

Fragen rund um Klimawandel und Konflikt erfreuen sich derzeit großer Aufmerksamkeit. Erst kürzlich, im Juli 2020, waren klimabedingte Sicherheitsrisiken wieder im Fokus einer öffentlichen Debatte im UN-Sicherheitsrat. Entsprechend wächst der Druck auf die Wissenschaft, verlässliche Informationen über das Verhältnis zwischen Klima und Konflikt zu liefern. Zentral sind hierbei die Fragen, wie und unter welchen Umständen klimabedingte Prozesse und Ereignisse zur einer Verschärfung von Konflikten führen können und welche präventiven Maßnahmen angesichts dieser Gemengelage ergriffen werden müssen. Doch was lässt sich beim jetzigen Stand der Forschung dazu tatsächlich sagen?

Die empirische Klimakonfliktforschung ist eine relativ junge Disziplin, die sich etwa am Anfang des neuen Jahrtausends aus der Debatte der 1990er Jahre über Ressourcenknappheit und so genannte »Umweltkonflikte« entwickelte (siehe Homer-Dixon 1999; Baechler 1999). Zur Verbreitung und wachsenden Popularität der Disziplin trugen vor allem der vierte und fünfte Sachstandbericht des Weltklimarates bei, in denen mögliche Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen und anderen klimatisch bedingten Entwicklungen thematisiert wurden (IPCC 2007, 2014).

In der relativ kurzen Zeit ihres Bestehens wurde die Klimakonfliktforschung durch mehrere Debatten geprägt. So bestand beispielsweise Uneinigkeit darüber, mit welchen Methoden das Verhältnis zwischen Klima und Konflikt am besten erforscht werden sollte, wie wichtig die Rolle des Klimawandels im Vergleich zu anderen Konfliktursachen einzustufen sei oder welche ethischen Implikationen eine Forschungsrichtung mit direktem Einfluss auf internationale entwicklungs- und sicherheitspolitische Diskurse und Agenden hat (siehe Hsiang et al. 2013; Buhaug et al. 2014; Selby et al. 2017).

Auch wenn diese Fragen nicht abschließend geklärt wurden, so zeichnete sich doch in den letzten fünf bis sechs Jahren, insbesondere in der empirischen Forschung, ein vorsichtiger Konsens ab. Für viele Forscher*innen geht es demnach nicht mehr darum, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Klima und Konflikt gibt, sondern vielmehr darum, wie und unter welchen Umständen klimabedingte Prozesse und Ereignisse zur einer Verschärfung sozialer Probleme beitragen und somit das Risiko gewaltsamer Konflikte erhöhen können. Die empirische Forschung ist somit nicht nur differenzierter geworden in ihrer Betrachtung verschiedener Wirkungszusammenhänge, sondern auch in ihrer Betrachtung verschiedener Risiken und Konfliktformen, die sich aus diesen Zusammenhängen ergeben können.

Von Klima zu Konflikt: mögliche Pfade

Zentral ist in der neueren Klimakonfliktforschung die Idee indirekter Zusammenhänge und längerer Wirkungsketten, die klimatische Einflussgrößen zunächst mit einer Reihe unmittelbarer wirtschaftlicher und sozialer Auswirkungen verknüpfen, die sich wiederum auf politische Entwicklungen und schließlich auf bestimmte Konfliktdynamiken auswirken können. Wichtig ist hierbei, dass diese Wirkungsketten nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern dass sich Konfliktsituationen gerade aus dem Zusammenspiel verschiedener ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Faktoren ergeben.

Einer Reihe möglicher Wirkungsketten kommt in der Klimakonfliktforschung eine besondere Bedeutung zu, wobei die nachfolgende Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

  • In Anlehnung an die Umweltsicherheitsliteratur der 1990er Jahre spielt etwa die klimabedingte Verknappung natürlicher Ressourcen, wie Wasser, Wald oder Ackerland, eine wichtige Rolle in vielen Arbeiten. Studien zeigen, wie Verknappung unter bestimmten Umständen zu Verteilungskämpfen führen kann, insbesondere, wenn die Verteilung und der Zugang zu Ressourcen als ungerecht empfunden werden und kein Ausgleich über entsprechende Mechanismen hergestellt werden kann, indem z.B. von der Ressource ausgeschlossene Menschen entschädigt werden oder sich neue wirtschaftliche Möglichkeiten und andere Vorteile für sie ergeben (Sedova et al. 2020). Dies betrifft sowohl lokale Konflikte, z.B. zwischen Viehzüchter*innen und Landwirt*innen im Sahel, als auch potentielle Spannungen zwischen Staaten, z.B. solchen entlang großer Flüsse, wie dem Nil, dem Mekong oder dem Indus.
  • Extreme Ereignisse, wie Dürren und Überschwemmungen, aber auch schrittweise Klimaauswirkungen, wie der Anstieg der Meerestemperaturen, können die Existenz von Menschen bedrohen, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, Fischerei oder anderen klimasensiblen Bereichen verdienen. Fehlen diesen Menschen alternative Einkommensquellen oder andere Absicherungsmöglichkeiten, so suchen sie gelegentlich einen Ausweg in kriminellen Aktivitäten oder anderen Formen der Anpassung, die ein erhöhtes Konfliktrisiko nach sich ziehen. Diese Situation wird nicht zuletzt von bewaffneten Gruppen für ihre Rekrutierungsaktivitäten ausgenutzt. So konnte beispielsweise in Indonesien ein systematischer Anstieg der Piraterie in Perioden beobachtet werden, in denen die klimatischen Bedingungen für die Fischerei ungünstig waren (Axbard 2015).
  • Weitere Wirkungsketten können sich aus den politischen Folgen von extremen Ereignissen und Krisen ergeben. Stürme, Überschwemmungen und andere Katastrophen erfordern zum einen das Einschreiten des Staates, was dazu führen kann, dass wichtige Ressourcen an anderer Stelle fehlen und der Staat andere Leistungen nicht mehr im gleichen Maße erbringen kann. Zum anderen sind Krisen oftmals auch ein Offenbarungsmoment, in dem politische Versäumnisse, soziale Ungleichheiten und andere Probleme auf besonders schmerzhafte Weise zum Vorschein treten. Dies kann die Beziehung zwischen Staat und Bürger*innen auf die Probe stellen und Auslöser sowohl für gewaltbereite Opposition als auch für brutale Repression durch den Staat sein (Wood und Wright 2016; Detges 2018, S. 34 f.).
  • Schließlich können auch klimapolitische Maßnahmen unvorhergesehene Nebeneffekte haben, die sich negativ auf soziale Beziehungen und Frieden auswirken. Biodiesel, »green tech« und der phasenweise Ausstieg aus den fossilen Energieträgern haben das Potential, den Klimaschutz voranzutreiben, doch können sie auch zu neuen Problemen führen, etwa Landgrabbing, Konflikte um seltene Erden und andere Rohstoffe oder politische Krisen in ölexportierenden Staaten (Busby 2020). Ebenso können Projekte der Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Klimaanpassung ungeahnten Einfluss auf lokale soziale Dynamiken ausüben und somit zu Konflikten führen (Tänzler und Scherer 2019).

Der Kontext zählt

Aus der Betrachtung dieser möglichen Wirkungsketten ergibt sich eine zweite wesentliche Erkenntnis: Die Wirkung klimatischer Einflüsse wird maßgeblich durch wirtschaftliche, soziale und institutionelle Rahmenbedingungen sowie durch das Tun und Unterlassen politischer Akteur*innen bestimmt. Das Konfliktrisiko erhöht sich dort, wo klimatische Schocks auf mangelnde soziale Leistungen, Ungleichheiten, defizitäre Institutionen und bereits bestehende Spannungen treffen (Sedova et al. 2020, S. 37 f.).Konflikte um knappe Ressourcen sind außerdem eher dort zu erwarten, wo formale und informelle Institutionen der Konfliktbeilegung defizitär sind – wo entsprechend funktionierende Systeme bestehen, lässt sich in Zeiten von Knappheit teilweise sogar ein erhöhtes Maß an Kooperation beobachten (Tubi und Feitelson 2016). Ebenso können Regierungen in Krisenzeiten durch solide Prävention und ein gelungenes Krisenmanagement punkten und somit nicht nur ihre Popularität und Legitimität, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken (Detges 2018, S. 34 f.). Schließlich können durch eine konfliktsensitive Gestaltung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen auch mögliche Nebenwirkungen reduziert werden. Auch hier spielen institutionelle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle (Tänzler und Scherer 2019).

Blinde Flecken und Einschränkungen

Doch bestehen in der empirischen Forschung auch Lücken und Einschränkungen, die es bei einer Bewertung möglicher Konfliktrisiken zu berücksichtigen gilt. So wird vor allem in Ländern und Regionen geforscht, die für ihre Konflikt­anfälligkeit bekannt sind und in denen Feldforschung vergleichsweise einfach ist, etwa weil dort Englisch gesprochen wird, wie in vielen Ländern Afrikas. Dies führt dazu, dass vor allem in Asien und Lateinamerika viele gefährdete Orte außer Acht gelassen werden und Forscher*innen es zudem versäumen, gerade die Bedingungen auszumachen, unter denen es trotz extremer klimatischer Bedingungen nicht zu Krisen und Konflikten kommt (Adams et al. 2018).

Ebenso lässt sich ein klarer Fokus auf räumlich begrenzte Dynamiken feststellen. Konfliktrisiken werden vor allem in unmittelbarer Nähe der klimatischen Prozesse und Ereignisse vermutet, durch die sie vermeintlich ausgelöst werden. Dabei sollte nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie deutlich geworden sein, dass in einer stark vernetzten Welt auch lokale Risiken schnell eine globale Dimension erreichen können, etwa wenn wesentliche Lieferketten oder außenpolitische Interessen betroffen sind. So könnten sich zum Beispiel gleichzeitige Dürren in Russland, China und Kanada stark auf die Lebensmittelpreise in Ägypten und im Libanon auswirken und dort zu Unruhen führen, was dann auch wieder für die europäische Außenpolitik unmittelbar relevant wäre. Solche transnationalen Effekte finden in der empirischen Forschung jedoch erst seit kurzer Zeit Beachtung (Benzie et al. 2019).

Die wohl wichtigste Einschränkung der empirischen Forschung bleibt aber ihr Fokus auf relativ kurzfristige Temperatur- und Niederschlagsschwankungen, die nicht direkt den Klimawandel, sondern vielmehr Klimavariabilität erfassen. Inwieweit bestimmte Schwankungen und Extremwetterereignisse ursächlich auf den Klimawandel zurückgeführt werden können, ist im Einzelfall oft schwer zu sagen (Selby et al. 2017). So lassen sich über Klimawandel und Konflikt auch nur vorsichtige probabilistische Aussagen treffen. Schenkt man den Expert*innen des Weltklimarates Glauben, so wird es in Zukunft häufiger zu extremen Ereignissen, wie Stürmen und Dürren, kommen (IPCC 2014). In diesem Zusammenhang ist die Annahme naheliegend, dass eine solche Häufung in entsprechend vulnerablen und anfälligen Regionen zu einer Vermehrung der weiter oben beschriebenen Risiken führen könnte, wenn keine geeigneten präventiven Maßnahmen ergriffen werden.

Ausblick

Was lässt sich also abschließend über die Beziehung zwischen Klimawandel und Konflikt sagen? Zunächst sollte festgehalten werden, dass es sich um ein vielseitiges Verhältnis handelt, das situationsbedingt sehr unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Wesentlich ist das Zusammenspiel klimatischer Faktoren mit weiteren sozialen, wirtschaftlichen und institutionellen Variablen. Vor diesem Hintergrund sind Vergleiche zwischen klimabedingten und nicht klimabedingten Konfliktrisiken nicht wirklich hilfreich. Ebenso wenig haben wir es, wie z.B. die Rede vom „Krieg ums Wasser“ unterstellt, mit einer neuen Gattung von »Klimakonflikten« zu tun. Vielmehr geht es darum, zu verstehen, wie und unter welchen Umständen bekannte Konfliktdynamiken und -risiken durch klimatische Einflüsse weiter verschärft werden können.

Weiterhin wichtig ist die Feststellung, dass Klimavulnerabilität einen ganz maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob in Gesellschaften, die von schwierigen klimatischen Bedingungen betroffen sind, auch klimabedingte Konfliktrisiken entstehen. Neben Klimaschutz können also auch Maßnahmen der Anpassung an den Klimawandel zur Prävention besagter Risiken beitragen.

Das heißt aber nicht, dass deshalb andere Formen der Konfliktprävention obsolet würden. Gewaltsame Konflikte sind vielschichtige multi-kausale Phänomene und erfordern daher ein breites Spektrum an Lösungen und präventiven Ansätzen. Wichtig ist hierbei, dass klima- und entwicklungspolitische Maßnahmen, sofern ihr friedensstiftendes Potential genutzt werden soll, in Abstimmung mit anderen Maßnahmen geplant und umgesetzt werden sollten. Andernfalls besteht das Risiko der oben beschriebenen Nebeneffekte oder das Risiko, dass Maßnahmen der Konflikteindämmung ihrerseits zu höherer Klimavulnerabilität führen. In der Tschadseeregion z.B. haben Grenzschließungen im Kampf gegen Boko Haram auch den Binnenhandel unterbrochen, der gerade in Dürreperioden für die Bewohner*innen der Region essentiell ist (Vivekananda et al. 2019).

Ebenso wenig sollten die Ergebnisse der Klimakonfliktforschung Anlass für eine Versicherheitlichung der Klimapolitik geben. Es gibt genügend andere gute Gründe für den Klimaschutz. Diese gilt es nicht aus den Augen zu verlieren, wenn klima-, entwicklungs- und sicherheitspolitische Agenden miteinander abgestimmt werden.

Literatur

Adams, C.; Ide, T.; Barnet, J.; Detges, A. (2018): Sampling bias in climate-conflict research. Nature Climate Change, Vol. 8, Nr. 3, S. 200-203.

Axbard, S. (2015): Income Opportunities and Sea Piracy in Indonesia – Evidence from Satellite Data. American Economic Journal – Applied Economics, Vol. 8, Nr. 2, S. 154-194.

Baechler, G. (1999): Environmental Degradation in the South as a Cause of Armed Conflict. In: Carius, A.; Lietzmann, K.M. (eds.): Environmental Change and Security – A European Perspective. Berlin: Springer, S. 107-130.

Benzie, M.; Carter, T.R.; Carlsen, H.; Taylor, R. (2019): Cross-border climate change impacts – implications for the European Union. Regional Environmental Change, Vol. 19, Nr. 3, S. 763-776.

Buhaug, H.; Nordkvelle, J.; Bernauer, T. et al. (2014): One effect to rule them all? A comment on climate and conflict. Climatic Change, Vol. 127, Nr. 3, S. 391-397.

Busby, J. (2020): The Field of Climate and Secur­ity – A Scan of the Literature. New York: Social Science Research Council.

Detges, A. (2018): Drought, Infrastructure and Conflict Risk in Sub-Saharan Africa. Disserta­tion, Berlin: Freie Universität Berlin.

Homer-Dixon, T.F. (1999): Environment, Scarcity, and Violence. Princeton: Princeton University Press.

Hsiang, S.M.; Burke, M.; Miguel, E. (2013): Quantifying the influence of climate on human conflict. Science, Vol. 341, Nr. 6151, S. 1160.

Intergovernmental Panel on Climate Change/IPCC (2007): Climate Change 2007 – Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report of the IPCC. Cambridge: Cambridge University Press.

IPCC (2014): Climate Change 2014 – Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Genf: IPCC.

Sedova, B.; Pohl, B.; König, C. et al. (2020): 10 Insights on Climate Impacts and Peace – A summary of what we know. Berlin und Potsdam: adelphi und Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) e.V.

Selby, J.; Dahi, O.; Fröhlich, C.; Hulme, M. (2017): Climate change and the Syrian civil war revisited. Political Geography, Nr. 60, S. 232-244.

Tänzler, D.; Scherer, N. (2019): Guidelines for conflict-sensitive adaptation to climate change. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.

Tubi, A.; Feitelson, E. (2016): Drought and cooperation in a conflict-prone area – Bedouin herders and Jewish farmers in Israel’s northern Negev, 1957-1963. Political Geography, Nr. 51, S. 30-42.

Vivekananda, J.; Wall, M.; Sylvestre, F.; Nagarajan, C. (2019): Shoring up Stability – Addressing Climate and Fragility Risks in the Lake Chad Region. Berlin: adelphi.

Wood, R.M.; Wright, T.M. (2016): Responding to Catastrophe – Repression Dynamics Following Rapid-onset Natural Disasters. Journal of Conflict Resolution, Vol. 60, Nr. 8, S. 1446-1472.

Dr. Adrien Detges ist Senior Advisor beim Berliner Thinktank adelphi, wo er an der Schnittstelle zwischen Klima-, Entwicklungs-, und Sicherheitspolitik forscht und berät. Seine Arbeiten sind unter anderem in den Zeitschriften »Nature Climate Change« und »Journal of Political Geography« erschienen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2020/4 Umwelt, Klima, Konflikt – Krieg oder Frieden mit der Natur?, Seite 23–25