W&F 1991/4

Kommunale und ökologische Folgen der Konversion (II)

Von der militärischen zur ökologischen Sicherheit

von Olaf Achilles

Der Abbau und der Abzug der ausländischen Streitkräfte sowie der Bundeswehr setzen öffentliche Mittel und Ressourcen in einem großen Maße frei, die jetzt für die drängenden Probleme der Zivilisation genutzt werden müssen. Die Rahmenbedingungen der Politik haben sich geändert. Dies hat zum Beispiel die anstehende Konversion des Militärapparates zur Folge. Sicherheit wird zunehmend nicht mehr militärisch, sondern ökologisch definiert. Dies muß auch für die freiwerdenden Liegenschaften und deren anstehende Umnutzung berücksichtigt werden.

So nennt z.B die SPD in einem Positionspapier die „Herausforderungen der heutigen Zeit“, denen mit den freiwerdenden Mitteln begegnet werden muß: der ökologische Umbau der Industriegesellschaft, die Ausgestaltung der sozialen Sicherheit, sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Dritten Welt (SPD 1990).

Die GRÜNEN in Rheinland-Pfalz fordern in ihrem Antrag „Entmilitarisierung und Konversion in Rheinland-Pfalz“ (Lt-Drs. 11/4014), daß die „durch den Konversionsprozeß freiwerdenden Kapazitäten und Ressourcen (…) zu einem ökologischen und demokratischen Umbau der Regionen in Rheinland-Pfalz genutzt werden (könnten)“. Die neue hessische Landesregierung will insbesondere große Militärflächen „nach ihrer Rekultivierung ganz oder teilweise als Landschafts- und Naturschutzgebiete“ ausweisen.

Der dritte Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ vom Oktober 1990 schildert eindrücklich die globalen Umweltprobleme auf unserem Planeten und macht Vorschläge zum „kommunalen Klimaschutz“. So soll wegen der Belastung durch den Verkehr im Bereich der Siedlungs- und Raumplanung als langfristige Maßnahme eine „Veränderung von Siedlungsstrukturen und Raumnutzungsplänen erfolgen, die geeignet ist, den Energieeinsatz, die Schadstoffemissionen und andere ökologische Belastungen des Verkehrs zu vermindern“ (Enquete S.112). Für die Industrie und den Kleinverbrauch hält die Kommission es für notwendig, durch eine Vielzahl von Möglichkeiten den Energieeinsatz und die Schadstoffemissionen zu vermindern.

Insbesondere staatliche Maßnahmen müssen voraussschauend klima- und damit zukunftsverträglich sein. Für die »ökologische Sicherheit« der Bundesrepublik, werden in den kommenden Jahren enorme (finanzielle) Anstrengungen nötig sein. Die Altlasten-Problematik wurde bereits erwähnt. Die Bereiche Müll, Energie, Landwirtschaft, Verkehr, Stadtumbau aber auch der Kleinverbrauch sind Investitionsbereiche, die verstärkt unter ökologischen Fragestellungen betrachtet werden. Generell ist also festzuhalten, daß die freiwerdenden Ressourcen bei der Konversion den neuen gesellschaftlichen Aufgaben (um-)gewidmet werden müssen. Hierfür können auf Bundesebene Sofortprogramme eingerichtet werden. Wenn es kein eigenes Konversionsministerium gibt, muß der Haushalt des Verteidigungsministeriums kontinuierlich u.a. in die Haushalte des Forschungs-, des Wirtschafts- und des Umweltministeriums umgeschichtet werden. Hier können dann die entsprechenden (Forschungs-)Programme für die freiwerdenden Liegenschaften und hier sind insbesondere die großen Liegenschaften, wie Flughäfen und (Truppen-)Übungsplätze zu nennen, angelegt werden.

Regionale Konversion

Die Idee der »Regionalen Konversion« wurde zuerst aus der Notwendigkeit geboren, daß ganze Regionen, und einzelne Gemeinden sozusagen vom Militär besetzt gehalten werden und es darum ging, Lösungen für einen zivilen Umbau aufzuzeigen. Dabei spielte nicht nur die ökonomische Abhängigkeit, sondern gerade auch die ökologische Belastung eine wichtige Rolle in der Argumentation betroffener Akteure (Vgl. Achilles 1990b).

Ein wichtiger Schritt im Konversionsprozess ist die möglichst frühzeitige und ständige Einrichtung einer »regionalen Abrüstungskonferenz« (Abrüstungs- o. Konversionsratschlag), die den Prozeß des notwendig gewordenen »zivilen Umbaus« der Region beratend begleitet. An der Konferenz sollten Vertreter der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen aus dem Kreis insbesondere der Wirtschaft und ihrer verschiedenen Verbände, der Gewerkschaften, der Parteien, der Kirchen, der Bürgerinitiativen und Umweltverbänden etc. teilnehmen. Die Konferenz müßte in Abstimmung mit den kommunalen Parlamenten, insb. des Kreistages, Forderungen für die Region insbesondere an das Land und den Bund erarbeiten.

Alle Maßnahmen in der Region sind auf eine nicht-militärische sowie sozial- und ökologisch verträgliche Zukunft auszurichten. Für die einzelnen Gebiete der Region sind entsprechend gemeinsam Zukunftsmodelle zu erarbeiten. Dabei steht vor allem die Frage nach alternativen Arbeitsplätzen und einer »eigenständigen Regionalentwicklung« im Vordergrund. Zu klären ist, wie der Wegfall bestimmter bestehender Beschränkungen und Belastungen der Region durch das Militär möglichst schnell in einen Standortvorteil umgesetzt wird.

Bereits Mitte letzten Jahres kamen Wissenschaftler bei der Gründung des Institutes für regionale Konversion – jetzt Zentrum für Regionale Konversion mit Sitz in Berlin – zu folgender Aussage:

„Parallel zur Schaffung von internationalen und nationalen Rahmenbedingungen ist dieser Prozeß vor allem auf lokaler und regionaler Ebene zu realisieren. Wird diese Regionale Konversion nicht demokratisch gestaltet, drohen die Gefahr von neuer Arbeitslosigkeit in erheblichem Ausmaß, das Aufbrechen sozialer Konfliktpotentiale, die Einschränkung demokratischer Rechte, die Verschärfung von regionalen Strukturproblemen sowie die Fortentwicklung und Erhöhung ökologischer Belastung.

Deshalb müssen die verschiedenen betroffenen Interessengruppen in einem partizipatorischen Diskussions- und Arbeitsprozeß den Umbau ihrer Region ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich herbeiführen. Sie müssen dafür ihr eigenes gestalterisches Potential erkennen und entfalten. Nur eine »Abrüstung von unten« kann den anstehenden demokratischen und ökologischen Zukunftsanforderungen für unsere Gesellschaften gerecht werden“.

Militärische Bestandsanalysen/ Zustandsberichte

Dieser hier eingeforderte Konversionsprozeß kann nur optimal verfolgt werden, wenn genügend Daten für eine Umgestaltungdiskussion erarbeitet werden. Ein Reden hinter verschlossenen Türen wird nur die jetzt angelaufenen staatlichen Vorgehensweisen konsequent vorantreiben, mit dem Ergebnis, daß alle Forderungen z.B. seitens des Städte- und Gemeindebundes nicht mehr einklagbar sind.

Die rot-grüne hessische Landesregierung hat in ihren Koalitionsvereinbarungen unter dem Punkt „Standortkonversion; Bestandsaufnahme“ festgehalten: „Eine Bestandsaufnahme der ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgewirkungen von Streitkräftepräsenz in Hessen und der absehbaren Abrüstungsfolgen ist als Grundlage für die von der Koalition zu leistende Abrüstungssteuerung zwingend erforderlich.“

Eine Umfrage der Arbeits- und Forschungsstelle »Militär, Ökologie und Planung« (MÖP) e.V. bei allen Landtagsfraktionen im Oktober letzten Jahres ergab, daß viele Landespolitiker immer noch einer Geheimhaltungspolitik in Sachen Militär das Wort reden, obwohl wir längst das Zeitalter der Satellitenaufklärung erreicht haben und es wahrlich nicht zu verhindern ist, dem potentiellen Feind die Größe einer Liegenschaft vorzuenthalten. Es sei denn dem Feind stehen keine Aufklärungsmaßnahmen dieser technischen Art zur Verfügung…(vgl. Achilles 1990c).

Auch wenn Daten regional vertieft werden müssen, ist es in diesem von Daten und Information abhängigen Entscheidungsbereich, der die betroffene Region in der nächsten Zeit stark prägen wird, von negativer Konsequenz, die Gemeinden aus dem Entscheidungsprozeß herauszuhalten. Die durch die Konversion entstehende soziale und planerische Unsicherheit gebietet ein Höchstmaß an Offenheit. Der Arbeitskreis Garnisonen hat am 5.11.90 zu Recht gefordert, „daß die betroffenen Kommunen so früh wie möglich in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß einbezogen werden. Insoweit muß sichergestellt sein, daß eine enge Kooperation ggfs. auch auf der Ebene von Regionalkonferenzen erfolgt“.

Alle militärischen Anlagen haben ein Belastungspotential. Es gibt mehrere Kreise und Gemeinden für deren Gebiet bereits eine »militärische Belastungsanalyse« durchgeführt wurde. Diese Erfassung ist sehr wichtig, da sie Daten und Aussagen gerade auch für eine potentielle Standortkonversion bereitstellt. Solche Militärische Belastungsanalysen entwickelten sich parallel zur kommunalen Friedensarbeit. Sie haben die Auswirkungen des mobilen und stationierten Militärapparates in einer bestimmten Region zum Untersuchungsgegenstand. Dabei kommen, je nach Autor, Anlaß und nicht zuletzt Auftraggeber die sozialen, politischen, kulturellen, juristischen, ökologischen und ökonomischen Belastungen zur Diskussion.

Militärische Belastungsanalysen dienen vor allem als Argumentations- und Abwägungsmaterial und sind auch für die Bauleitplanung relevant (Zahlreiche Beispiele sind in der Studie „Militärische Belastungsanalysen und Regionale Konversion“ genannt; Achilles1990b).

Im Bereich des zivilen Umbaus militärischer Einrichtungen (Konversion) ergeben sich sogar planungsrechtliche Notwendigkeiten für entsprechende Analysen: Gemäß Artikel 52 des Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommens und des Artikels 7 Abs. 3 des „Abkommen zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der UdSSR über einige überleitende Maßnahmen v. 17.10.90“ ist, gerade im Interesse des betroffenen Planungsträgers, eine genaue Kenntnis der ökologischen Schäden auf freiwerdenden Militärliegenschaften erforderlich.

Auch besteht diese Notwendigkeit bei der möglichen »Rückenteignung« einer Militärliegenschaft an den früheren Eigentümer nach § 57 Landbeschaffungsgesetz (LBG). Bei weiterbestehenden militärischen Anlagen sollte für den eventuellen Abschluß eines Gestattungsvertrages, sowie bei Neufestsetzungen von Entgelten und Entschädigungen nach § 2 LBG oder bei anstehenden (Bau-)Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 2 BauGesetzbuch entsprechende Kenntnis der Planungs-, sowie ökonomischen und ökologischen Grundlagen gegeben sein.

Kommunale Möglichkeiten

Der gesamte Konversionprozeß wird erheblich im Ergebnis durch folgende Faktoren bestimmt: vorhandene Datenerhebung bzw. Informationszustand der Gemeinde; prioritäre Einschätzung der Behandlung des Konversionsprozesses durch die kommunalen Verantwortlichen; partizipatorische Gestaltung des Konversionsprozesses; Kontakte zu Landes- und Bundespolitikern; laufende bzw. geplante Qualifizierungsprogramme für Arbeitnehmer sowie Beratungs- und Informationsangebote für Handwerk und Mittelstand.

Hier ist der einzige Punkt, wo Gemeinden konsequent mitgestalten können, sofern die Rahmenbedingungen der Konversionspolitik der Bundesregierung dies zulassen. Die Primärdaten können durch eine einzurichtende Konversionsagentur bzw. Konversionbrüo mit entsprechenden Fachkräften durch Aufträge an entsprechende Firmen, Festangestellte oder ABM etc. erarbeitet werden.

Die Kommunen sollten sich für regionale Konversionsagenturen einsetzen, die von Bundes- und Landesebene mit allen Informationen versorgt werden. Diese Konversionsagenturen bzw. Konversionsämter müssen nach vorgegebenen Leitlinien arbeiten. Das Land Brandenburg hat einen »Bevollmächtigten für sowjetische Streitkräfte und Konversion« mit einem entsprechenden Referat in der Staatskanzlei. Durch Beschluß des Landtages sollen jetzt Konversionsleitlinien erarbeitet werden. Die neue Landesregierung in Hessen hat vereinbart, daß sie auf Basis der Bestandsaufnahme der ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgewirkungen der Streitkräftepräsenz einen regelmäßigen Dialog mit Kreisen, Städten, Gewerkschaften, Friedensinitiativen, den alliierten Streitkräften, der Bundeswehr, und anderen Gruppen durchführen werde. Dabei sollen Maßnahmen für eine „zeitgerechte Rückgabe militärischer Liegenschaften, ihre ökologische Sanierung und Hilfe für die Beschäftigung entlassener Zivilbeschäftigter“ erarbeitet werden.

Die genannten Konversionsagenturen/Ämter könnten diesen Dialog strukturell ermöglichen. Sie wären insbesondere für die Gemeinden und Städte, die heimische Wirtschaft, Arbeitnehmer sowie auch anders betroffene Bürger beratend tätig. Sie müßten erörtern, welche Planungsmaßnahmen ergriffen werden könnten, welche Gelder im Bereich Sanierung, Wohnungsbau, Forschungsprogramme, Wirtschaftsförderung etc. vorhanden wären, sowie bei entsprechenden Anträgen helfen. Sie könnten die oben genannten Bestandsanalysen anfertigen (lassen), Rechtsfragen klären (lassen) sowie regional bestehende Forderungen direkt über die Landesregierung an die Bundesregierung, die hoffentlich eine korrespondierende Stelle einrichten würde, weiterleiten.

Eine umfassende wissenschaftliche Beratung und Begleitung durch Forschungsprogramme in den verschiedenen Ministerien ist ebenfalls einzuklagen. Es bestehen zahlreiche Arbeitsgruppen auf Landes- und Bundesebene, deren Arbeitsergebnisse dringend zentral ausgewertet und bereitgestellt werden müßten (vgl. Achilles 1990c).

Der anstehende Konversionsprozeß kann nicht nur bei militärdominierten Regionen zu großen Folgeproblemen führen. Die jetzige Konversionspolitik wird den anfallenden Aufgaben nicht gerecht. Hierbei sind gerade die kommunalen Spitzenverbände gefordert.

Das Neueste vom Abrüstungsmarkt

Seit dem 5. August ist es endgültig beschlossen. Sollten im ersten Truppenabbau-Konzept der Bundeswehr noch 213 Anlagen geschlossen werden, wurde diese Maßnahme um mehr als die Hälfte verringert. Von 720 Standorten in den alten Bundesländern wird die Bundeswehr nun bis Ende 1994 107 Standorte bis zu 50 Prozent reduzieren, 82 Standorte mehr als 50 Prozent reduzieren und 90 Standorte, davon 66 Kleinstandorte, ganz aufgeben. 441 Standorte erfahren keine oder eine bis 25 prozentige Reduzierung.

Dieses Vorgehen muß die betroffenen Gemeinden noch mehr treffen, denn eine große militärische Anlage, die z.B. teilweise wichtige Gewerbeausweisungen durch Flächenbelegung verhindert, bringt nun noch weniger Einnahmen, da die Soldaten gehen und Material eingemottet wird. Der Wirtschaftsfaktor Bundeswehr kann so, wenn überhaupt je, nicht mehr greifen. Auch wurde bekannt, daß die Bundeswehr in den nächsten acht Jahr 36.000 Zivilstellen abbauen will.

Das Sonderprogramm, daß vom Vermittlungsausschuß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates einmütig gefordert wurde, fehlt ebenfalls noch immer. Die SPD redet denn auch weiterhin von einer Scheinbeteiligung der Länder. Die Regierung habe es sich denkbar einfach gemacht. Eine auch unter regionale- und strukturpolitischen Aspekten durchdachte und mit den Truppenreduzierungen alliierter Streitkräfte koordinierter Abbau der Bundeswehr sei nicht zu erkennen. Der hessische Ministerpräsident Eichel (SPD) nennt die Vorgänge „wirklichkeitsfern, arrogant und von oben herab“.

Am geschilderten Verfahren (vgl. letztes u. dieses Heft) wurde lediglich aufgrund des massiven Protestes im Preis der freiwerdenden Liegenschaften eingelenkt. Für den sozialen und studentischen Wohnungsbau sollen die Grundstücke nun 50 Prozent unter Verkehrswert verkauft werden. In Ostdeutschland sollen Kommunen Grundstücke teils sogar kostenlos erhalten, wenn sie für den Wohnungsbau oder für gewerbliche Zwecke genutzt werden. Auch soll die Möglichkeit einer Ratenzahlung eröffnet werden.

»Neue« Zahlen wurden auch bei den alliierten Streitkräften bekannt. Demnach ziehen die USA 75.000 der 250.000 Soldaten ab; Großbritannien will bis Mitte 95 33.000 (35.000) der 66.000 stationierten Soldaten reduzieren, Frankreich 25.000 seiner 44.200 Soldaten, Holland will seine 7.700 um 2.500 Mann bis 1997, Kanada seine 7.700 um mind. 1.400 und Belgien will seine 27.300 Soldaten bis Mitte der 90er Jahre auf 3.500 vermindern.

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Olaf Achilles ist Dipl. Ing. und leitet die Arbeits- und Forschungsstelle Militär, Ökologie, Planung in Bonn.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1991/4 Testfall Rüstungsexport, Seite