Kompetenzaufbau für Krisenprävention
Zivile Konfliktbearbeitung in Namibia
von Angela Mickley
Militärische oder polizeiliche Einsätze, betonen Politiker in ihren öffentlichen Verlautbarungen gern, seien nur das allerletzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten der Konfliktlösung oder –vermeidung versagt hätten. Die Wirklichkeit sieht oft ganz anders aus: Warnsignale und –hinweise für gesellschaftliche, innerstaatliche oder zwischenstaatliche Konflikte werden ignoriert, präventive Maßnahmen kommen nicht zum Zug, und schließlich scheint der Einsatz von Truppen oder Polizeieinheiten wieder alternativlos. Dies muss nicht so sein, wie Angela Mickley schildert, die in Namibia ein Projekt initiiert und geleitet hat, das dem Kompetenzaufbau in Konfliktbearbeitung und Mediation bei Universitäten, Ministerien, Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und sogar dem Militär dient.
Mediation spielt im Vermittlungsinstrumentarium internationaler politischer Konflikte neben den sichtbaren Verhandlungen der politischen Akteure eine immer wichtigere Rolle. Die Afrikanische Union berücksichtigt die zunehmende Bedeutung der in der Mediation angelegten nachhaltigen Konfliktbearbeitung in der Konstruktion ihres »Peace and Security Council«. Er sieht für die externe Unterstützung regionaler Kriegs- und Konfliktsituationen durch zivile Intervention den Einsatz mediativer Methoden vor und greift damit die Tradition außergerichtlicher Konfliktbearbeitung auf, die in vielen Ländern Afrikas – neben oder in Konkurrenz zu den mit der Unabhängigkeit eingeführten verfassungsrechtlichen Methoden der Streitregelungen – weiter besteht.
Mediation wird zwar in ihren Ursprüngen auf afrikanische Formen der Konfliktregelung zurückgeführt, aber in Afrika im beruflichen und familiären Alltag wie auf der politischen Ebene noch wenig genutzt. Das schien angesichts des vielfältigen Entwicklungsbedarfs und zahlreicher Konfliktlinien vieler afrikanischer Staaten eine unnötige Lücke, wie Kirchen- und Bildungsvertreter, Unternehmer, Landwirte und Politiker bei meinen ersten Recherchen für das hier beschriebene Projekt im Jahr 2003 betonten. Von 2004-2009 führte ich gemeinsam mit ehrenamtlichen Experten (Mediatoren, Richtern, Anwälten, Ethnologen, Sozialarbeitern) in Namibia das Projekt »Initiative for Active Conflict Transformation in Namibia« (I-ACT) durch und bildete über 100 Schlüsselakteure in Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Bildungssektor in nachhaltiger Konfliktlösung und sozialer Zukunftsgestaltung aus.
Eine Projektidee und ihre Konkretisierung
Die Entscheidung, ein solches Projekt in Namibia durchzuführen, hatte verschiedene Gründe: Namibia ist eine junge Demokratie mit kolonialer Vergangenheit und multiethnischer Bevölkerung, hat wertvolle Bodenschätze, darunter Uran, aber auch zwei Wüsten und extreme Trockenheit. Die geostrategische Lage im südlichen Afrika, die Größe des Landes und seine mit zwei Millionen Einwohnern äußerst geringe Bevölkerungszahl prädestinieren es für die Einflussnahme anderer Staaten. Der Völkermord an den Herero/Nama/Damara 1904 hinterließ Deutschland eine besondere Verantwortung und in Namibia die Hoffnung auf eine Versöhnungsgeste für das Land, das ab 1915 unter südafrikanischer Besatzung und von 1920-1990 mit einem Mandat des Völkerbundes unter südafrikanischer Verwaltung stand, was auch die Einführung der Apartheidgesetzgebung mit sich brachte. Erst 1990 erlangte Namibia die Unabhängigkeit.
Im Gegensatz zu Südafrika beschloss Namibia, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Die ehemaligen Unabhängigkeitskämpfer in der Mehrheitspartei SWAPO (South West Africa People’s Organisation) wollten alle Kräfte auf den wirtschaftlichen und politischen Aufbau konzentrieren. Die kolonialen und Apartheids-Altlasten erwiesen sich jedoch als soziale Landminen: Die individuellen und kollektiven Traumata aus Gewalt- und Unrechtserfahrungen wirken in allen Bereichen des Gesellschafts- und Arbeitslebens nach. Bei allen Unterschiedlichkeiten, Dissensen und Feindseligkeiten gibt es jedoch in der Bevölkerung eine hohe Bereitschaft sowohl zu Versöhnung und friedlichem Dialog mit ehemaligen Feinden als auch zur gemeinsamen Lösung der Probleme des Landes. Die Methoden hierfür fehl(t)en allerdings.
Probleme, mit denen Namibia kämpft (und die viele afrikanische Länder so oder ähnlich teilen), sind u.a.:
- Land- und Ressourcenverteilung, Wassermangel,
- latente oder offene Ungleichbehandlung nach Hautfarbe und kultureller Zugehörigkeit,
- verstärkt auftretende Konflikte zwischen ethnischen Gruppen mit transgenerationaler traumatischer Belastung (in Namibia gibt es mehr als ein Dutzend unterschiedliche ethnische Gruppen, die sich gegenseitig geschichtlich bedingt mit Vorurteilen begegnen),
- wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Herausbildung einer »Blackoisie«
- Korruption,
- Folgen der Globalisierung,
- erodierende Sozial- und Sicherheitsstrukturen durch HIV und AIDS,
- Eingliederungsprobleme von Ex-Freiheitskämpfern,
- divergierende kulturelle Prägungen afrikanischen und europäischen Ursprungs sowie fremde Wertvorstellungen zahlreicher Namibier aus Exilaufenthalten in unterschiedlichen politischen Systemen, u.a. in der DDR und Sowjetunion,
- hohe gesellschaftliche Toleranz von Gewalt gegen Frauen und Kinder,
- Forderungen der Opfer der Kolonialzeit (hauptsächlich das Volk der Herero, seit Oktober 2006 unterstützt vom namibischen Parlament) an die deutsche Regierung nach Dialog und Versöhnung.
Die »Initiative for Active Conflict Transformation in Namibia« sollte Entscheidungsträgern in Ministerien, Verwaltung und Wirtschaft sowie auf der Mesoebene, darunter Nichtregierungsorganisationen und regionale Bevölkerungsgruppen, ein grundlegendes Verständnis von Konfliktentstehung und Handlungskompetenz für konstruktive Intervention und Bearbeitung vermitteln. Dazu wurden in exemplarischen Trainings- und Schulungsprogrammen lokale Trainer ausgebildet, die die namibischen Kulturen und Sprachen sowie traditionelle Methoden der Konfliktlösung kennen und in die Ausbildung und Praxis einbringen. Eine Anpassung der Inhalte und Methoden an lokale kulturelle Kontexte war ausdrücklich erwünscht. Fernziel war, im Land eine ganzheitliche Ausbildung in Konfliktbearbeitung zu etablieren, die von lokalen Mediatoren und Trainern weiterentwickelt wird, so dass allmählich ein landesweit verfügbares Expertennetzwerk entsteht.
Konzeption des Projekts und erste Workshops
Dem Projekt vorangegangen waren meine Recherchen und Interviews zum südafrikanischen Transformationsprozess und der Vergleich mit deutschen Bemühungen um eine politische Vergangenheitsbewältigung.1
In einer weiteren Erkundungsmission Ende 2004 mit zwei Studierenden der FH Potsdam führten wir zahlreiche Vorgespräche mit Kollegen und Experten sowie lokalen Schlüsselakteuren, um Vertrauen aufzubauen und Kenntnisse zu gewinnen. Wir hörten vor allem zu, erfragten die verfügbaren Kompetenzen im Umgang mit biografischen, wirtschaftlichen und sozio-politischen Umwälzungen, identifizierten gemeinsam mögliche Beiträge zur Stabilisierung und erfuhren Einzelheiten über die Gestaltung und den ersten Aufbau des unabhängigen Namibia. Die Gesprächspartner schilderten ihre Erfahrungen mit Deutschland und ihre sehr unterschiedliche Einschätzung der Deutschen in Namibia, und sie benannten den überall sichtbaren Bedarf an konstruktiver Konfliktaustragung und -bearbeitung auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene. Viele Namibier hatten in den Exilzeiten in der DDR und Sowjetunion, den USA und Großbritannien eine Vielfalt politischer Systeme und Werte kennen gelernt. Unsere Probleme mit der deutschen Vergangenheit und der oft defizitären Bewältigung wurden ebenso thematisiert, und wir beschrieben Beispiele gelungener Vergangenheitsbearbeitung aus der eigenen Konfliktpraxis.
Zur Präzisierung des Projektdesigns definierten wir gemeinsam mit den namibischen Partnern zuerst deren Ausbildungsbedarf, und sie benannten mögliche Multiplikatoren. Dieses interaktive Vorgehen bewährte sich, generierte viel sozio-politische und kulturelle Erkenntnisse und gegenseitigen Respekt. In den folgenden Jahren konzipierten wir die angestrebten Kompetenzen für interessierte Gruppen und Institutionen sowie die erforderliche Methodik auf ähnliche Weise. Hauptthemen waren neben der Konfliktbearbeitung Führungsfähigkeit, Interessenvertretung, Verhandlungsführung, Entscheidungsfindung und Intervention in Gewaltsituationen mit und ohne Kleinwaffen.
Die Finanzierung erwies sich als schwierig, da die ursprüngliche Idee, die Initiative als zivilgesellschaftlichen Baustein des 2004 vom deutschen Kabinett beschlossenen Fokus auf Krisenprävention und Friedensaufbau einzubringen, offenbar verfrüht kam. Der Hinweis auf eine nötige, sinnvolle und von Namibiern immer deutlicher thematisierte Versöhnungsgeste verhinderte zwar langfristig die staatliche Unterstützung durch Deutschland, führte aber zu wachsendem Vertrauen und guter Kooperation mit Vertretern der Herero. Sie schätzten an dieser Initiative die wahrnehmbare Steigerung ihrer Fähigkeit, Krisen zu erkennen und Konflikte zu bearbeiten, die den Fortschritt des Landes behinderten. So wurde das Projekt als unabhängige zivilgesellschaftliche Initiative mit Spenden und ehrenamtlichen Experten durchgeführt, mit Unterstützung einzelner Projektphasen durch Forum Berufsbildung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) und namibisches Verteidigungsministerium.
Anfang 2005 begannen die ersten Workshops in Konfliktbearbeitung und Mediation sowie eine auf Vermittlung von Konfliktkompetenz fokussierte Kooperation mit der University of Namibia.2 In den folgenden Jahren nahmen über 100 Beamte, Akademiker, Psychologen, Schulleiter, Lehrer, Schüler, Studenten, Offiziere, Sozialarbeiter, Psychologen und ehemalige Freiheitskämpfer aus folgenden Institutionen an unseren Workshops teil:
- Ministerien für Gesundheit und Soziales, Verteidigung, Landwirtschaft,
- Ombudsman’s Office (direkt dem Präsidenten unterstellt),
- Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der University of Namibia,,
- Schulen (Waldorf-SchuleWindhoek, Delta),
- Executive Committee des SWAPO Women’s Council,
- Legal Assistance Centre der Paralegal Association,
- P.E.A.C.E. Centre, ein freier Träger, der mit Ex-Freiheitskämpfern, Traumatisierten und sozial benachteiligten Angehörigen verschiedener Kulturen arbeitet.
Gemeinsam entwarfen sie gesellschaftliche Zukunftsvisionen, die häufig unter das von der SWAPO propagierte Motto »Unity and Diversity« gestellt wurden. In der detailliert festgelegten schrittweisen Veränderung des eigenen Verhaltens und der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen wurde häufig eine soziale Wirklichkeit erkennbar, in der es Raum für Begegnung, Versöhnung und Entwicklung gab.
Eigenes Lernmodul für den namibischen Generalstab
2006 begann an der Universität Namibia der erste Master-Studiengang in »Strategy and Security Studies« zur Qualifizierung des namibischen Generalstabs. In das Curriculum konnten Regierungsführung, Entscheidungsfindung und Konfliktbearbeitung noch integriert werden, und 2007 beschäftigten sich erfahrene, mehrheitlich in der Sowjetunion ausgebildete Militärs, darunter der Vize-Verteidigungsminister, im Modul »Human Security« drei Wochen lang mit ziviler Intervention, Krisenbewältigung und -prävention sowie Konfliktbearbeitung. Sehr engagiert entwickelten sie Analysen und Bearbeitungsoptionen für aktuelle Konflikte, wie z.B. den in Zimbabwe, das sie aus militärischen Austauschprogrammen gut kannten, und diskutierten erforderliche Ergänzungen der Mandatierung von Friedensmissionen der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union. Alle hatten in entsprechenden Einsätzen selbst erfahren, welche Diskrepanz zwischen militärischer und »menschlicher Sicherheit« bestand und wie sie – und zwar als Einzige im Kampfgebiet – das Leid der zivilen Bevölkerung dort verringern konnten. Alle hatten bereits über ihr Mandat hinaus Zivilisten geholfen oder erleben müssen, wie das, etwa bei Landminen, nicht möglich war. Eine besondere Rolle spielte hier die Notwendigkeit der nachhaltigen Stabilisierung von Krisengebieten, die sie während der UN Mission im angolanischen Bürgerkrieg mit dem Aufbau einer sicheren Wasserversorgung und Kooperation mit lokalen Zivilisten unterstützt hatten. Eine auch didaktische Schwierigkeit lag darin, die Krisen generierenden Elemente von Kultur und Wirtschaft in das strategische Vorgehen einzubeziehen.
Die Lehr- und Lernformen bildeten neben den Inhalten einen eigenen Fokus, da die meisten im Exil autoritäre Bildungsformen erlebt und erlitten hatten, die Kritik, Diskurs und selbständiges Arbeiten nicht vorsahen. Die interaktiven Elemente, Mediationsübungen und Gruppenarbeiten waren so konzipiert, dass jeweils ein eigenes Ausprobieren der neuen Methoden, z.B. offene Fragen oder empathische Zusammenfassung in der Konfliktbearbeitung, der vertiefenden Theorie vorausging. Folgende Methoden wurden eingesetzt:
- Einführung und Arbeit mit der Thematik durch interaktive Lehr- und Lernmethoden (z.B. soziometrische Übungen, Kleingruppen und Partner-Interviews),
- Inputs zu Theorien und Methoden der Konfliktanalyse und -lösung sowie deren praktische Anwendung (z.B. Konfliktentstehung und Eskalationsmodelle, Kommunikationsfähigkeiten, Mediation),
- Rollenspiele einzelner Phasen sowie vollständiger Konfliktlösungsverfahren,
- künstlerische und kreative Übungen, um Lernprozesse zu unterstützen, zu verbessern und zu beschleunigen,
- alternative Ansätze anhand beispielhafter Fallstudien, mit Nutzung von Dramatechniken,
- Einschätzung individueller Kompetenzen und deren Transfer in neue Arbeitsgebiete, jeweils adaptiert entsprechend eigenem Bedarf und Können.
Im interaktiven Teil der Seminare kam es häufig zu unterhaltsamen Sequenzen, wenn alle die kulturellen Ausprägungen der eigenen Konfliktverhaltensweisen darstellten oder Besonderheiten, etwa der Eingeborenen in Regionen Deutschlands oder Namibias, zum Besten gaben. Unterschiede wie Übereinstimmungen riefen Erstaunen hervor, erleichterten die Anpassung unserer Materialien an die lokalen Bedürfnisse und erhöhten das Bewusstsein der Teilnehmer für interkulturelle Unterschiede und die Notwendigkeit der Verständigung in Konflikten. Die Offiziere formulierten sogar eine Forderung, Kulturen als eigenes Thema in den Studiengang einzufügen.
Nachwirkungen des Projekts
Die im Projekt erarbeiteten Lernschritte und Beispiele für Konfliktbearbeitung/Mediation sind übertragbar und können von Multiplikatoren und Funktionsträgern in Kommunen, Verwaltung, Universität und Politik eingesetzt und weiterentwickelt werden. Die Kooperationspartner engagieren sich für eine Fortführung des Projekts, um den hoffnungsvollen Prozess der Dialoggestaltung und Deeskalation fortzusetzen und die Entscheidungsstrukturen in Namibia zu stabilisieren.
Zu den Auswirkungen des Projekts gehörte u.a. eine Mediationsweiterbildung, die das Landministerium im November 2006 zur Optimierung seiner politisch folgenreichen Entscheidungen für die Trainer der Communal Land Boards durchführte, die für die Landverteilung in ihren Regionen verantwortlich sind. Die Landverteilung im Rahmen der Landreform ist ein wesentlicher Konfliktpunkt in Namibia. Inzwischen hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammearbeit (GIZ) für die Landreformkommission Trainings zur Verhandlungsführung, Beteiligung und Konfliktregelung durchgeführt. Der Women’s Council der SWAPO veranstaltete mit uns Workshops zur Konfliktbearbeitung für sein Exekutivkomitee, darunter Ministerinnen und die regionalen Koordinatorinnen. Die Außenministerin legte Wert auf eigene Erfahrungen mit der Wirkung von Mediationsverfahren, nahm an einem Workshop teil und engagiert sich heute nachdrücklich für die Reduzierung häuslicher Gewalt, die durch die immer noch große Kleinwaffendichte verstärkt wird.
Im März 2007 tauschten sich ehemalige Projektteilnehmer in einer Open-Space-Konferenz mit unterschiedlichen Berufs- und Bevölkerungsgruppen aus und vernetzten sich, um Mediation und zivile Konfliktbearbeitung in Namibia nachhaltiger zu verankern.
Zwei weitere Netzwerke wurden im Anschluss an das Projekt gebildet: ein lokales Netzwerk von Fachleuten für Mediation im Alltag (Familie, Schule, Arbeit, Gericht, Politik) und ein Netzwerk für Krisenprävention im nationalen oder lokalen Kontext und für mögliche Interventionen in afrikanischen Krisen. Sie teilen das Interesse an der Frage, wie einer krisenhaften Entwicklung frühzeitig begegnet und eine gewaltsame Konfliktaustragung kurzfristig verhindert werden kann.
Der Kompetenzaufbau in Namibia schaffte neben einer konstruktiven Interessenvertretung die Grundlagen für die autonome Gestaltung gesamtgesellschaftlicher Versöhnungsprozesse.3 Unabhängig von akuten Konflikten wurden Veränderungen der persönlichen Haltung und Einstellung zu Wertesystemen initiiert, die langfristig eine stabilisierende Wirkung auf die soziale und politische Handlungskompetenz der Beteiligten ausüben und die Lebenssituation der Bevölkerung verbessern helfen. Trotz sehr geringer Finanzierung fand das Projekt »Initiative for Active Conflict Transformation in Namibia« großen Anklang: Die Teilnehmer der Trainings nutzen die Impulse und wenden das Gelernte in ihrem Umfeld an. Das Ombudsman’s Office beispielsweise bildete in den letzten Jahren Mediatoren aus, die in vielen Fällen eher den sozialen Frieden wieder herstellen als eine monatelange Gerichtsverhandlung.
Fazit
Zivile Konfliktbearbeitung wird in vielen Ländern Afrikas allmählich bekannter. Wie das Beispiel Namibias zeigt, sind Expertise und Kompetenzaufbau in diesem Bereich dringend nötig und auch erwünscht. Deutschland jedoch scheint Afrika diesbezüglich in den letzten Jahren aus den Augen verloren zu haben. In Afrika selbst ist das Wissen über zivile Konfliktbearbeitung zumindest auf gesamtafrikanischer Ebene vorhanden: Die South African Development Community (SADC) und weitere regionale Ebenen der Afrikanischen Union bekundeten Interesse an der Erweiterung von Friedensmissionen mit zivilen Mitteln, und Konferenzen mit SADC-Vertretern behandeln zivile Aspekte von Sicherheit.
Anmerkungen
1) Methoden der gesamtgesellschaftlichen Vergangenheitsbewältigung bei Truth and Reconciliation Commission (TRC) in Südafrika und Gauck Behörde in Deutschland, Vergleich der Ansätze und sozio-politischen Wirkungen, Entwicklung eines Modellkonzeptes für Bearbeitung von Täter-Opfer Situationen aus Staatssicherheitsaktivitäten. FH Potsdam 2002/3.
2) Anfang 2006 wurde der Kooperationsvertrag zwischen der Fachhochschule Potsdam und der University of Namibia unterzeichnet.
3) Siehe dazu die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erstellte Studie zur Wirkung derartiger Kompetenzbildung in Krisengebieten: Luxshi Vimalarajah (2012): Mapping German Development Cooperation in Peace Negotiations and Mediation: Experience, Potentials, Gaps and Areas for Strategic Support. Berlin: Berghof Foundation.
Prof. Dr. Angela Mickley ist Hochschullehrerin für Friedenserziehung, Konfliktbearbeitung/Mediation und Ökologie an der Fachhochschule Potsdam; sie forschte und arbeitete zu politischer Gewalt und Konflikten in Nord-Irland, dem Südlichen Afrika und dem Kaukasus und wirkte mit an Kriseninterventionskonzepten für Zivilgesellschaft, Polizei und Militär.