W&F 2023/1

Krieg und Frieden jenseits »Großer Männer«

Eine feministische Kritik populärwissenschaftlicher Geschichtszeitschriften

von Dorothée Goetze

Populärwissenschaftliche Geschichtszeitschriften orientieren sich in Themenwahl und Präsentation an einem männlichen Publikum. Dies erklärt einerseits die inhaltliche Fokussierung auf Krieg und Konflikt sowie andererseits die auf »Große Männer« und deren Taten ausgerichtete Darstellung. Feministische Perspektiven können durch differenziertere Darstellungen nicht nur zu einer Neuausrichtung der Themenwahl durch die stärkere Berücksichtigung von Frieden beitragen, sondern dadurch gleichzeitig die Entwicklung von für ein diverseres Publikum attraktiven Präsentationsformen fördern.

History sells – Geschichte lässt sich gut vermarkten. Das ist bekannt und die Vielzahl medialer Formate, die einem breiten Publikum historische Inhalte vermitteln wollen, belegt das eindrücklich. Neben Radiosendungen, Podcasts, Filmen, Fernsehformaten und den sogenannten sozialen Medien sind hier auch populärwissenschaftliche Zeitschriften zu nennen. Diese haben eine lange Tradition. Das führende englischsprachige Magazin »History Today« erscheint seit 1951. Die älteste deutsche populärwissenschaftliche Geschichtszeitschrift »Damals« ist nur acht Jahre jünger. Einen wahren Boom erlebt das Genre seit Anfang der 2000er Jahre. Seitdem ist die Anzahl der verschiedenen Zeitschriften sehr stark angestiegen, eben weil Medienmacher*innen erkannt haben, dass man mit Geschichte Geld verdienen kann.

Ihrem Anspruch nach präsentieren diese Geschichtsmagazine einem breiten Publikum aktuelle Ergebnisse der historischen Forschung zu relevanten Themen. Untersuchungen zu den Konsument*innen von populärwissenschaftlichen Geschichtszeitschriften zeigen jedoch, dass deren Leserschaft nicht so vielfältig ist, wie der Begriff »breites Publikum« zunächst annehmen lässt. Diese Geschichtsmagazine werden vor allem von älteren und gut gebildeten Männern gelesen. Dies gilt nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern wird durch Studienergebnisse etwa aus Großbritannien bestätigt (De Groot 2016, S. 59). Geschichtsdidaktische Forschungsergebnisse lassen noch weiterreichendere Aussagen zu: Populärwissenschaftliche Geschichtsjournale vermitteln kein gleichgestelltes Geschichtsbild; Frauen werden weder als Individuum noch als Gruppe sichtbar, während Männer überrepräsentiert sind und in ihrer Darstellung stereotyp auf gewaltvolle Eigenschaften reduziert werden (Lundqvist 2016, S. 1). Meist wird auf »Große Männer« fokussiert, deren Leben eine Verbindung zu einem wichtigen zeitgenössischen Ereignis aufweist. Über alle Länder hinweg dominieren Krieg und Konflikt die dargestellten Inhalte, deren Auswahl ist allerdings von nationalen Geschichtsschreibungen geprägt (Schumann, Popp und Hannig 2015, S. 16). Diese Befunde spiegeln sich deutlich auf den Titel­blättern von Geschichtszeitschriften wider.

Wenn also Krieg und Konflikt den thematischen Schwerpunkt populärwissenschaftlicher Geschichtsmagazine bilden und sich deren Darstellung an einer gut ausgebildeten männlichen Leserschaft orientiert, stellt sich die Frage, wie sich diese Darstellung mit einer weiblichen oder feministischen Perspektive verändert.

Frauen im Krieg: Die Zeitschrift »Historiskan«

Frauen werden in populärwissenschaftlichen Geschichtsmagazinen selten thematisiert – und falls doch, dann in der Regel nicht im Kontext von Krieg und Frieden; von nicht binär gelesenen Personen ganz zu schweigen. Es ist durchaus bemerkenswert, dass sich bei der Vorbereitung dieses Textes kein einziges deutschsprachiges Geschichtsmagazin ermitteln ließ, das sich dezidiert an Frauen und/oder nicht-männliche Personen richtet, obwohl es gleichzeitig einen fast unüberschaubaren Markt an Frauenzeitschriften und zahlreiche explizit feministische (politische) Magazine gibt. Ist Geschichte also etwa ein rein männliches Thema?

In Schweden gibt es seit 2015 mit der Zeitschrift »Historiskan« (Übersetzung: Die Historikerin) ein Geschichtsmagazin, das Frauen und ihre Rolle in der Geschichte in den Fokus stellt und sich als ein Beitrag zu mehr Gleichstellung in der Geschichtsschreibung versteht.1 Diese Zeitschrift steht somit nicht in der Tradition eines feministischen, sondern eines geschlechtergeschichtlichen Zugangs zu Geschichte. Doch folgen gerade in den ersten Jahren der Zeitschrift die Titelblätter stark den oben beschriebenen Mustern bei Titelseiten anderer populärwissenschaftlicher Geschichtsmagazine, indem sie – wie ihre an Männer gerichteten Pendants – bekannte Frauenpersönlichkeiten in den Fokus rücken; obgleich der erste Titel zur Geschichte der weiblichen Brust mit einem Gemäldeausschnitt, der einen Busen zeigt, wohl zu Recht als programmatisch in Bild und Inhalt bezeichnet werden kann. Auf insgesamt sechs der inzwischen 31 erschienen Ausgaben (Stand: Dezember 2022) sind analog zu »Großen Männern« bedeutende Frauen abgebildet. Gezeigt wurden Königin Christina von Schweden (3/2016), Frida Kahlo (4/2016), Königin Marie-Antoinette (1/2017), Hilma af Klint (3/2017), Bernadette Devlin (4/2017) und Königin Margarethe I. von Dänemark (1/2020). Das legt den Schluss nahe, dass sich die Zeitschrift in der Frühphase stärker an der Bildsprache konventioneller Geschichtsmagazine orientierte, ehe sie eine eigene Ausdrucksform entwickelte. Unterscheidet sich die Auswahl der Persönlichkeiten zumindest insofern, als dass sie sich nicht auf Militärs und Politiker*innen beschränkt, sondern Herrscher*innen, Künstler*innen und politische Aktivist*innen repräsentiert, so handelt es sich jedoch auch hier um Einzelpersonen, denen eine herausgehobene Position zugeschrieben wird. Es wird also auch hier mit Personalisierung und Heroisierung gearbeitet.

Auf den ersten Blick scheinen Krieg und Frieden lediglich eine nachrangige Position auf der Themenliste in »Historiskan« einzunehmen. So zeigen nur zwei Titelseiten Bilder mit Kriegsbezug: Heft 2/2018 wählte als Aufmacher »Auf Leben und Tod. Suffragettenkrankenhäuser in London retteten Soldaten während des Ersten Weltkrieges«.2 Bildlich repräsentiert wird das Thema durch die Abbildung eines Gemäldes, das fünf Ärztinnen in OP-Kleidung zeigt, die einen Mann medizinisch versorgen. Die vierte Ausgabe des Jahres 2019 titelte »Im Schatten des Todes. 1939 errichteten die Nazis das einzige Frauenkonzentrationslager. Das Leben in Ravensbrück war geprägt von harter Arbeit und Grausamkeit«.3 Auf der Titelseite ist das Foto von befreiten Häftlingen des Konzentrationslagers Ravensbrück abgedruckt.

Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass bereits auf den Titelseiten der Zeitschrift Hinweise auf weitere Beiträge aus dem Bereich Krieg und Konflikt als Marginalien gesetzt werden. Darüber hinaus finden sich in den einzelnen Zeitschriftenausgaben immer wieder auch Texte, die Krieg thematisieren, ohne dass sie auf dem Titel beworben werden. In den Artikeln wird Krieg epochal breit gefächert, aber dennoch innerhalb eines durch andere Geschichtsmagazine bereits etablierten Kanons behandelt, von der Wikingerzeit (z.B. Historiskan 4/2017) bis zum 20. Jahrhundert (z.B. Historiskan 2/2017). Dabei werden unterschiedliche Facetten von Kriegserleben aufgegriffen. So gibt es etwa in Heft 1/2017 einen Artikel zum ersten russischen Frauenbataillon, das 1917 aufgestellt wurde (S. 58-63). Ausgabe 2/2017 enthält einen zehnseitigen Beitrag zum englischen Rosenkrieg, in dem Frauen als politische Akteurinnen dem blutigen Schlachtgeschehen und mächtigen Männern gegenübergestellt werden. Das nachfolgende Heft enthält eine Serie mit Aufnahmen der Fotografin Mia Green (1870-1949), die die Zeit des Ersten Weltkrieges in Haparanda bildlich dokumentiert hat, das als Grenzstadt zwischen dem neutralen Schweden und dem zum russischen Reich gehörenden Großfürstentum Finnland direkt vom Krieg betroffen war (Historiskan 3/2017, S. 44-49). Zudem ist im gleichen Heft ein Artikel zur Teilnahme von Frauen an den mittelalterlichen Kreuzzügen publiziert (Historiskan 3/2017, S. 57-61).

»Historiskan« folgt somit letztlich dem etablierten Narrativ der Heroisierung, das aus anderen populärwissenschaftlichen Geschichtszeitschriften bekannt ist, die stark mit den aufeinander bezogenen Mitteln der Heroisierung und Dämonisierung arbeiten; nur dass der Fokus verschoben wird und statt männlichen eben weibliche Heldinnen gewählt werden. Es erfolgt jedoch keine Anpassung der Erzählstrategien. Vielmehr wird ein etabliertes (männliches) Erzähl-Muster auf ein weibliches Publikum übertragen. Die Anpassung an die veränderte Zielgruppe erfolgt somit nicht durch die Art der Darstellung, sondern in erster Linie durch die Wahl der Protagonistinnen. Dabei folgt »Historiskan« fast ausnahmslos der Perspektive der weißen heterosexuellen Mittelschichtsfrau (Lundqvist 2016, S. 38).

Mit der Betonung von Krieg und Konflikt folgen populärwissenschaftliche Geschichtszeitschriften nicht der Entwicklung der geschichtswissenschaftlichen Forschung, die sich seit etwa 2010 verstärkt Fragen von Friedensdenken, -findung und -wahrung zuwendet, obwohl sie den Anspruch formulieren, am Puls der Forschung zu sein und aktuelle Ergebnisse zu präsentieren. Als Erklärung dafür, warum aktuelle Forschung und populäre Darstellungen in diesem Punkt unterschiedliche Pfade beschreiten, kann Joachim Krügers Befund zur Ausstellbarkeit von Frieden in Museen auf populärwissenschaftliche Geschichtszeitschriften übertragen werden: „Krieg ist verglichen mit Frieden […] konkreter und leichter fassbar“ (Krüger 2019, S. 381). Dabei böten gerade populärwissenschaftliche Geschichtszeitschriften (anders als Museen, die auf Ausstellungsobjekte angewiesen sind) die Möglichkeit, Frieden erzählbar zu machen.

Feministische Perspektive: ein Weg zum Frieden

Eine Voraussetzung dafür ist ein grundlegender Perspektivwechsel. Feministische Ansätze, wie sie in der (politikwissenschaftlichen) Friedens- und Konfliktforschung und den Internationalen Beziehungen fest etabliert sind (z.B. Smith und Yoshida 2022), können dafür die notwendigen Grundlagen schaffen. Eine feministische Perspektive hinterfragt die bislang dominierende und im Fall populärwissenschaftlicher Geschichtsmagazine auf weiße männliche Helden und Mittelschichtsfrauen ausgerichtete Erzählstrategie und strebt danach, bislang marginalisierte Akteur*innen zu berücksichtigen. Diese Perspektivverschiebung geht einher mit einer Reflexion etablierter Machtstrukturen und ermöglicht zugleich die Berücksichtigung von Alltagserleben und unterschiedlichen Wahrnehmungen. Das nimmt den Fokus weg von »Großen Männern« und Eliten, ohne diese jedoch in ihrer Wirkmächtigkeit (und eben auch Gewalt) zu negieren. Vielmehr werden diese unterschiedlichen Akteur*innen zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dadurch können Inklusions- und Exklusionsmechanismen sichtbar gemacht werden. Es geht also nicht darum, eine eindimensionale Perspektive durch eine andere zu ersetzen, wie das im Fall der Zeitschrift »Historiskan« durch den Austausch der Protagonist*innen geschehen ist, sondern Krieg in seiner Komplexität sichtbar zu machen.

Dieser umfassende und integrative Zugriff feministischer Ansätze trägt nicht nur dazu bei, ein differenziertes Bild von Krieg jenseits von Held*innen zu zeichnen, sondern schafft die methodischen und theoretischen Voraussetzungen dafür, Frieden zu erzählen. Dies ist umso wichtiger, da, wie Christoph Kampmann betont, bislang die Schwierigkeit besteht, Friedenshandeln im gleichen Maße wie Krieg und Konflikt zu personalisieren und zu heroisieren (Kampmann 2019, S. 434). Dadurch ist Frieden bislang mit den Präsentationsstrategien populärwissenschaftlicher Geschichtsdarstellungen nicht oder zumindest nur schwer greifbar, wie sich im Kontext von Geschichtsmagazinen gezeigt hat. Eine feministische Perspektive würdigt die Komplexität von Friedenshandeln, -denken, -finden und -bewahren. Sie bedarf der »Großen Männer« nicht. Wichtiger sind Fragen danach, ob und welche anderen Gruppen sich nach Frieden gesehnt haben und sich diesen vorgestellt haben; auf welche Weise sie darin inbegriffen oder davon ausgenommen waren und ihn selbst durch ihr Handeln im Rahmen der bestehenden Machtverhältnisse herbeigeführt oder abgelehnt haben. Dadurch wird das Wechselspiel zwischen politischen Eliten, politischen Friedensbauer*innen sowie anderen Akteur*innen jenseits der sichtbaren politischen Bühne deutlich und der Beitrag der letztgenannten zu Frieden anerkannt. Das Einbeziehen ihrer (­Exklusions- und Diskriminierungs-)Erfahrungen trägt dazu bei, die Komplexität von Frieden zu erfassen, und verdeutlicht, warum Friedenfinden aber auch die Implementierung und das Bewahren von Frieden so schwer sind. Frieden wird damit nicht länger zum bloßen Ende von Kriegen reduziert, sondern als eigenständige und komplexe Leistung anerkannt und gewürdigt.

Bislang fehlt eine feministische Form populärwissenschaftlicher Geschichtserzählungen jedoch. Dieser Beitrag versteht sich daher als Anregung für eine kritische Reflexion populärer Geschichtsvermittlung und deren notwendige Weiterentwicklung. Eine solche (selbst-)emanzipierende Perspektive trägt nicht nur zu einem differenzierteren Bild von Geschichte jenseits etablierter Schubladen bei, sondern kann darüber hinaus einen wichtigen in die Zukunft gerichteten Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Fragen und Problemstellungen leisten: Wenn Frieden auch historisch lesbar wird, können wir gegenwärtige Tendenzen der Militarisierung, der Heroisierung, der Maskulinisierung hinterfragen und wirksamer kritisch begleiten.

Anmerkungen

1) Die Zeitschrift ist online zu finden unter: historiskan.se

2) Schwedischer Originaltitel: »På liv och död. Suffragettsjukhus i London räddade soldater under första världskriget« (Historiskan 2/2018).

3) Schwedischer Originaltitel: »I dödens skugga. 1939 öppnades nazisternas enda koncentrationsläger avsett för kvinnor. Livet i Ravensbrück präglades av hårt arbete och grymhet« (Historiskan 4/2019).

Literatur

De Groot, J. (2016): Consuming History – Historians and heritage in contemporary popular culture. 2. Aufl. London/New York: Routledge.

Historiskan 3–4/2016, 1–4/2017, 2/2018, 4/2019, 1/2020

Kampmann, Ch. (2019): Westfälischer Frieden und frühneuzeitliche Friedensgeschichte: Überlegungen zu Forschungsperspektiven und Forschungstransfer. In: Goetze, D.; Oetzel, L. (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist – Frühzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster: Aschendorff, S. 433-438.

Krüger, J. (2019): Krieg und Frieden in der Perspektive des Museums. In: Goetze, D.; Oetzel, L. (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist – Frühzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster: Aschendorff, S. 377-394.

Lundqvist, C. (2016): Kvinnors historia: Mer än vårt kön – En intersektionell studie av tidskriften Historiskan. Examensarbeit im Studiengang Lehramt Geschichte, Universität Karlstad, online-Publikation: urn:nbn:se:kau:diva-42929.

Smith, S.; Yoshida, K. (2022): Feminist conversations on peace. Bristol: Bristol University Press.

Schumann, J.; Popp, S.; Hannig, M. (2015): EHISTO – European History Crossroads as pathways to intercultural and media education. A report about the EU project (2012–2014). In: Popp, S.; Schumann, J.; Hannig, M. (Hrsg.): Commercialised History – Popular History Magazines in Europe. Frankfurt a. M.: Peter Lang, S. 14-39.

Dr. Dorothée Goetze arbeitet als Lektorin für Geschichte an der Mittuniversitetet Sundsvall (Schweden). In ihrer Forschung untersucht sie u. a. Fragen der frühneuzeitlichen Historischen Friedensforschung und der Public History.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2023/1 Jenseits der Eskalation, Seite 34–36