W&F 2010/3

Kriegsführung mit Drohnen

von Loring Wirbel

Im März 2010 berichtete Ronald Arkin vom Georgia Institute of Technology der Zeitschrift The Economist, seine Forschungsgruppe arbeite an der Software »Ethical Architecture« zur Steuerung unbemannter Flugkörper (Unpiloted Aerial Vehicles/UAVs, das sind so genannte Drohnen). Mit dem Programm sollen Drohnen in die Lage versetzt werden, während des Flugs unter ethischen Kriterien über einen bewaffneten Angriff zu entscheiden. Das scheint zunächst makaber, zeigt aber ein Bewusstsein für die ethischen Probleme, die durch Drohnenangriffe auf Menschen aufgeworfen werden, das die Regierung unter Barack Obama seit ihrem Amtsantritt im Januar 2009 vermissen ließ.

Am 14. Mai 2010 enthüllte die New York Times, dass die US-Regierung den radikalen Prediger Anwar al-Awlaki, der in den USA zur Welt kam, gezielt zum »Tod durch Drohne« freigegeben hat. Der US-Auslandsgeheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) wurde zwar in den 1970er und 1980er Jahren durchweg für Mordversuche an Staatsführern wie Fidel Castro (Kuba) und Patrice Lumumba (Kongo) kritisiert, dennoch nimmt die CIA im Rahmen der Drohnenkriegsführung nach wie vor Personen ins Visier. Es ist absurd: Der US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) darf die elektronische Kommunikation eines Verdächtigen erst nach einem aufwendigen Genehmigungsprozess abhören. Wenn die CIA einen Verdächtigen aber mit einer Drohne umbringen will, braucht sie dafür lediglich ein Genehmigungsverfahren des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

Wie kam es, dass die Vereinigten Staaten wieder auf die freizügigen CIA-Praktiken aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zurück griffen? Ein Grund ist wohl das Bestreben, in Irak und Afghanistan billig zu militärischen Erfolgen zu kommen. Ein weiterer Grund ist, dass im Pentagon und in den Geheimdiensten die Meinung vorherrscht, Drohnenangriffe verursachten weniger »Kollateralschäden« (getötete Zivilisten) als ausgedehnte Luftangriffe. Gekoppelt mit der relativ neuen Möglichkeit, robotische Flugkörper mit Hilfe von Mikroelektronik und weltraumgestützten Navigationssystemen zu steuern, führt dies fast zwangsläufig zur Aufwertung von Drohnen zum Kernelement der Kriegsführung.

Die Zuständigkeit für Drohnen bei bewaffneten Einsätzen ist nur schwer auszumachen, da das Verteidigungsministerium und die CIA inzwischen zur Genehmigung von bewaffneten Drohnenangriffen ein kompliziertes Verfahren auf drei Ebenen eingeführt haben. Einigermaßen transparent ist die Zuständigkeit der US-Luftwaffe für Dutzende von Drohnenflügen, die täglich über Konfliktzonen stattfinden. Dabei handelt es sich meist um unbewaffnete Aufklärungsflüge. Wenn der Einsatz Teil einer größeren, integrierten Offensive ist, kann die Luftwaffe auch bewaffnete Drohnenangriffe mit Hellfire-Raketen oder JDAM-Fliegerbomben anordnen. Allerdings wurde dem Pentagon schon bei den Angriffen auf Afghanistan im Oktober 2001 klar, dass es die traditionellen militärischen Einsatzregeln auf Grund der vielstufigen Befehlskette schwer machen, mit Drohnen auf Individuen zu zielen.

Ab 2002 leitete die CIA von ihren Basen in Djibouti und Katar aus viele bewaffnete Drohnenmissionen. Für die Geheimdienste war es einfacher, Flüge zum Ausschalten von islamistischen Kampfgruppen freizugeben, waren die Regeln für einen Raketeneinsatz doch weniger stringent, wenn die zuständige Behörde ihre Beteiligung an dem Einsatz gegenüber der Öffentlichkeit nicht zugab.

Seit aber Präsident Obama ins Weiße Haus einzog, ist sogar noch eine weitere Ebene der Drohnenzuständigkeit aufgetaucht, die es der nationalen Führung erlaubt, bestimmte Drohnenflüge einfach abzustreiten – diese Verschleierung der Befehlsgewalt bezeichnet die CIA gerne als »plausible Dementierbarkeit«. Nach Angaben des Journalisten Jeremy Scahill und etlicher anderer Quellen führt das Joint Special Operations Command (JSOC, streitkräfteübergreifendes Kommando für Sondereinsätze) unbestätigte bewaffnete Drohnenangriffe in Afghanistan, Pakistan und Irak durch. Diese Einsätze werden direkt von Blackwater durchgeführt (die Firma nennt sich inzwischen Xe), und zwar über die Tochtergesellschaften Blackwater Select Inc. und Total Intelligence Solutions Inc. Die Drohnen werden in Pakistan und Afghanistan von Basen gestartet, deren Existenz quer durch die militärischen Hierarchien abgeleugnet wird.

Seit CIA-Direktor Leon Panetta US-Präsident Obama im Februar 2009 neue Drohneneinsätze vorschlug, steigen die Zahlen von Drohnenangriffen und der dadurch verursachten Todesfälle von Zivilisten buchstäblich jeden Monat. Einige Analysten, denen das Potential von Drohnen erst in jüngerer Zeit bewusst wurde, nennen Obama inzwischen »Drohnenpräsident«. In Folge dessen stieg in den USA die Kritik an den Drohneneinsätzen, und sie geht sowohl von progressiven Gegnern des Kriegs als auch von konservativen Gegnern des Präsidenten aus. Aber gebührt Obama das zweifelhafte Verdienst, Erfinder der Drohnenkriegsführung zu sein? Ein kurzer Blick in die Geschichte unbemannter Flugkörper macht rasch klar, dass Drohnen bereits in der Amtszeit von Bill Clinton und George W. Bush jr. eine Rolle spielten. 2009/10 besteht der Unterschied darin, dass Obama Drohnen zu seiner »Waffe der Wahl« für Irak, Afghanistan und Pakistan gemacht hat.

Roboterplattformen und automatisierter Krieg

Drohnen werden von allen Staaten mit nennenswerten Streitkräften eingesetzt. Die allererste Variante eines unbemannten Flugkörpers war der Marschflugkörper V-1 der deutschen Wehrmacht, Drohnen wurden aber bis zum Vietnam-Krieg vor allem für die Schulung von Kampfpiloten genutzt. Bisweilen ergänzten sie auch die U2- und SR71-Spionageflüge über China und Vietnam. Als eine kostengünstige Alternative zu bemannten Flugzeugen gelten sie aber erst seit den 1990ern, als die Mikroelektronik so weit fortgeschritten war, dass leistungsfähige Radar-, Bildverarbeitungs- und Abhörelektronik auf Träger montiert werden konnten, die kleiner als ein kompakter Personenwagen waren.

Etwa zur selben Zeit war die Entwicklung »intelligenter Bomben« so weit fortgeschritten, dass es in den Bereich des Möglichen rückte, Hellfire-Raketen und JDAM-Fliegerbomben von unbemannten Plattformen abzufeuern, da sie nach dem Abschuss bis zu einem gewissen Maß zur intelligenten Zielfindung fähig waren. Als diese Technologien in den späten 1990er Jahren einsatzreif wurden, begann das Pentagon, die unterschiedliche Bestimmung der unbemannten Flugkörper bereits anhand der Namensgebung zu unterscheiden: die Serienbezeichnung RQ wurde für unbewaffnete Aufklärungsdrohnen gewählt, MQ für bewaffnete Angriffsdrohnen.

Routinemäßige Drohneneinsätze gab es zum ersten Mal bei den Bombenangriffen im Kosovo-Krieg, als US-Drohnen nach Taszar (Ungarn), Gjader (Albanien) und Tuzla (Bosnien) verlegt wurden, um Serbien mit einem Netz von Drohnen zu umgeben, die ständig auf Patrouille waren. Allerdings wurden diese unbemannten Flugkörper fast ausschließlich zur Aufklärung genutzt, da bewaffnete Drohnen erst im Jahr 2000 zur Verfügung standen.

Inzwischen reicht die Bandbreite verfügbarer Drohnen von handgestarteten Miniaturgeräten in der Größe einer Libelle bis zum Global Hawk, der etwa so groß wie ein Business Jet ist und pro Stück bis zu 60 Millionen US$ kostet. Drohnen finden sich in den Arsenalen von mehr als 40 Ländern, allerdings werden etwa 60% der Einsätze von den Vereinigten Staaten durchgeführt. Mit Drohnen werden weltweit inzwischen über fünf Milliarden US$ pro Jahr umgesetzt. Wurden 2003 über Irak, Afghanistan und Pakistan noch etwa 35.000 Flugstunden von US-Drohnen registriert, so wird für 2010 schon mit fast einer Milliarde Flugstunden gerechnet.

Als in den 1990er Jahren die ersten kleinen Drohnen aufkamen – darunter die Typen Hunter und Pioneer von TRW und QL-289 von Bombardier/Dornier –, waren noch keine autonomen Einsätze möglich, sondern die Steuerung erforderte eine erhebliche Mitwirkung von Piloten am Boden. Die zwei wichtigsten Plattformen aus den frühen Jahren der Afghanistan- und Irak-Kriege waren der in großen Höhen fliegende Global Hawk RQ-4, der von Northrop Grumman gebaut und ausschließlich zur Aufklärung eingesetzt wurde, sowie der tief fliegende Predator von General Atomics, der sich sowohl für RQ-Aufklärungseinsätze als auch für bewaffnete MQ-Einsätze eignet. Diese Systeme werden vom Boden aus von Piloten befehligt, deren Expertise mehr mit der eines erfahrenen Videospielers zu tun hat als mit der eines herkömmlichen Flugzeugpiloten. Die Schulungszentren, z.B. auf den Luftwaffenstützpunkten Creech (Nevada) und Holloman (New Mexico), ähneln Spielhallen – und tatsächlich streifen die Rekrutierungsbeauftragten der US-Luftwaffe und sogar der US-Armee seit dem Jahr 2000 auch durch Spielhallen, um zur Steuerung dieser Drohnen Teenager mit besonders flinker Auge-Hand-Koordination anzuheuern.

Als der Krieg gegen Ende des Jahrzehnts auf Pakistan übergriff, gab es von der bewaffneten Predator-Version bereits drei Generationen: den MQ-1 Predator A, den MQ-9 Predator B (auch Reaper genannt, = Sensenmann) sowie den Prototypen von Predator C (Avenger, = Rächer). Für einen bewaffneten Drohneneinsatz werden auf dem Boden bis zu 30 Kräfte gebraucht, und selbst für eine Aufklärungsdrohne noch bis zu 20. Die Zielsoftware für solche Systeme wurde ursprünglich mit dem Joystick von einem Laptop aus bedient, inzwischen gibt es auch schon Touchscreen-Ausführungen für kleine Endgeräte, z.B. für das iPhone. Das Training muss allerdings weiterhin von militärischen Spezialkräften durchgeführt werden, die mit GPS-gestützten Navigationswerkzeugen umgehen können, weshalb bei Einsätzen, die ausschließlich mit Drohnen arbeiten, auf einen »space cadre« (Weltraum-Kader) nicht verzichtet werden kann, also auf Experten, die mit militärischer Weltraumtechnologie vertraut sind.

Die gezielte Mitwirkung der Firma General Atomic an CIA-Einsätzen begann mit der Aufklärungsdrohne Gnat (Moskito), die von den ersten CIA-Teams genutzt wurde, als sie als Reaktion auf die Attentate vom 9. September begannen, in Afghanistan einzusickern. Am 7. Oktober 2001, also dem ersten Tag der Luftangriffe der »Allianz der Willigen« auf Afghanistan, konnte der Taliban-Führer Mullah Muhammad Omar dem CIA beim ersten Versuch, ihn zu töten, entkommen, weil die Erteilung der Abschussgenehmigung durch die Befehlshierarchie des Pentagon verzögert wurde. Daraufhin verlangte die CIA für ihre Einsätze weniger strikte Regeln. Am 15. November 2001 wurde bei einem gezielten Tötungseinsatz eines Predator Mohammed Atef getötet; im November 2002 meldete die CIA nach einem bewaffneten Großangriff mit Drohnen auf al Kaida Erfolg.

Als vor der Invasion in den Irak im Zuge des regionalen Truppenaufbaus neue CIA-Basen in Djibouti und Katar eingerichtet wurden, bekam die CIA ihre eigenen Predator-Drohnen, die getrennt von denen des Pentagon abgerechnet und inventarisiert wurden. Diese Aufrüstung wirft die Frage der Rechenschaftspflicht bei solchen Angriffen auf. Am 3. November 2002 beispielsweise wurde von der CIA-Basis in Djibouti ein Predator gestartet, der im Jemen eine Hellfire-Rakete auf ein Auto abfeuerte und alle sechs der al Kaida zugerechneten Insassen tötete. Die Regierung Bush behauptete, die CIA habe vor dem Abschuss der Hellfire keine Identitätsüberprüfung angefordert. Da sowohl die Bedeutung des Jemen als auch die der CIA-Basis in Djibouti in den Jahren 2009-10 erheblich zugenommen hat, ist die Frage angebracht, wo wohl die Verantwortung für künftige Angriffe liegen mag, die auf jemenitischem Hoheitsgebiet stattfinden.

Drohnen als Jäger und Killer

Während sich der erste Predator für den zielbestimmten Angriff eignete, handelt es sich beim neueren Predator B Reaper um den ersten so genannten »hunter-killer« (Jäger-Killer). Er kann zunächst im Aufklärungsmodus über einem Bereich kreisen und dann in den Angriffsmodus umschalten. Der neun Meter lange Reaper fliegt 400 km/h, überträgt bis zu zehn Echtzeit-Videobilder pro Sekunde und ist mit bis zu 14 Raketen und zwei 1.000 kg-Fliegerbomben bewaffnet. Die Bewaffnung geht dabei nicht zu Lasten der Aufklärungsmöglichkeit. Der Reaper begann vor zwei Jahren die erste Predator-Generation zu ersetzen, und schon 2009 bildete das Air Education and Training Command der US-Luftwaffe mehr Piloten für die bodengestützte Steuerung unbemannter Flugkörper aus, als für Einsätze mit herkömmlichen Flugzeugen.

Auch beim Einsatz von Kampfrobotern wie dem Predator spielen unbewaffnete Drohnen oder bodengestützte Elektronik bei der Zielfindung häufig eine wichtige Rolle. Den Global Hawk beispielsweise halten viele für ein reines Spionagesystem, da er in Höhen von 18.000 m oder mehr fliegt. Der Global Hawk kann aber durchaus Ziele erkunden, die später von einem Predator angegriffen werden. Aus diesem Grund wird der Global Hawk auch in anderen Regionen stationiert, z.B. zur Überwachung Nordkoreas.

Ein neues Folgesystem, RQ-170 Sentinel (Wächter), das den Spitznamen Beast of Kandahar (Bestie von Kandahar) trägt, wurde von Lockheed Martin Advanced Development Programs entwickelt und nutzt wie der B2-Bomber die Tarnkappentechnologie; d.h. der Sentinel kann überhaupt nur vom neuesten High-Tech-Radar erfasst werden. Da die afghanischen Taliban keine und selbst die pakistanischen Militärs nur über einfache Radarsysteme verfügen, ist davon auszugehen, dass mit Sentinel vor allem der Einsatz von Drohnen im pakistanischen Luftraum vor dem pakistanischen Militär geheim gehalten werden soll. Hartnäckig halten sich außerdem Gerüchte, es sei auch eine bewaffnete MQ-Version des Sentinel entwickelt und sogar stationiert worden.

Deshalb kommt dem Joint Special Operations Command (JSOC) eine besondere Bedeutung zu. Der investigative Journalist Jeremy Scahill schrieb im Dezember 2009 in der Zeitschrift The Nation, dass das JSOC in der pakistanischen Stadt Karachi eine Außenstelle aufgebaut hat, deren Existenz von offiziellen Stellen nicht bestätigt wird und die ausschließlich mit Angestellten der Sicherheitsfirmen Blackwater Select und Total Intelligence Solutions Inc. betrieben wird. Die dort stationierten Teams beteiligen sich an so genannten »extraordinary renditions« (eine vom US-Gesetz nicht gedeckte Überstellung von Personen an andere Länder, die z.B. Verhöre unter Anwendung von Folter durchführen; die Übersetzerin) sowie an Drohnen-Bombardements im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Die Recherchen von Scahill deckten sich mit den Aussagen mehrerer Artikel in der New York Times. Diese berichtete im August 2009, dass Blackwater in der Vergangenheit eine »Eingreiftruppe« steuerte, die vom Büro des damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney eingerichtet worden war. Später war die Truppe auch für Einsätze mit bewaffneten Drohnen zuständig – zusätzlich zu den Drohnen, die die CIA ohnehin im Arsenal hatte.

Die CIA startet aber auch selbst unbemannte Flugkörper in Pakistan und Afghanistan, und zwar von Shamsi und Dschalalabad aus. Allerdings gerieten sie damit in Pakistan zunehmend in die Kritik, insbesondere, seitdem US-Präsident Obama und CIA-Direktor Panetta im vergangenen Januar einer Ausweitung des Programms zustimmten. Seither haben JSOC und Blackwater einige Führungsposten übernommen und starten Drohnen unter eigener Regie, nutzen dazu aber spezielle JSOC-Standorte in oder dicht an Waziristan und anderen pakistanischen Grenzprovinzen.

Diese Struktur zum Management von Drohnen ist vor dem Hintergrund der Pläne zu einem konventionellen »Prompt Global Strike« zu sehen. (Dies bezeichnet die Möglichkeit, jeden Punkt der Erde innerhalb von 30 Minuten mit konventionellen Waffen angreifen zu können; die Übersetzerin.) Diese Pläne der Obama-Regierung drangen im Mai 2010 im Kontext der Vertragsverhandlungen über nukleare Abrüstung mit Russland an die Öffentlichkeit. Global Strike selbst ist nichts Neues. Die Idee, ein Arsenal konventioneller Waffen für prompte Präzisionsschläge vorzuhalten, wurde im August 2003 beim Strategischen Kommando des US-Militärs in Omaha/Nebraska zum ersten Mal diskutiert, als die militärische Führung überlegte, die Zuständigkeit für Drohnen mit der für konventionell bewaffnete Minuteman III-Raketen zusammen zu legen. Seither wurde beim Strategischen Kommando ein Global Strike-Kommando angesiedelt, das die Obama-Regierung auch in einer Welt für entscheidend hält, in der die Rolle von Kernwaffen immer mehr zurück gefahren wird.

Die wachsende Bedeutung des Weltraums für militärische Operationen und die Zuständigkeit des Strategischen Kommandos für Drohneneinsätze ergab sich aus der Neuausrichtung der »strategischen Triade« durch den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Die alte Triade bezog sich nur auf Kernwaffen und unterschied zwischen drei Kategorien strategischer (Kern-) Waffen bzw. Trägersysteme: land-, see- und luftgestützt (letzteres sind die Kernwaffenbomber). Die neue Triade umfasst nun die folgenden drei Bereiche:

Offensivwaffen einschließlich Drohnen, Flugzeuge, Schiffe und Raketen, wobei die Unterscheidung in nuklear und konventionell entfällt,

Defensivwaffen einschließlich Raketenabwehr und

Infrastruktur einschließlich der globalen und weltraumgestützten Aufklärungs- und Kommunikationsnetzwerke.

Das Strategische Kommando hat in allen drei Bereichen eine Schlüsselposition.

Im Frühjahr 2009 lieferte Lockheed Martin an das Strategische Kommando der USA ein Internet-Portal aus: Integrated Strategic Planning and Analysis Network Kollaborative Information Environment (ISPAN-CIE, Strategisches Planungs- und Analysenetzwerk – gemeinsame Informationsumgebung). Dieses Tool weist dem Global-Strike-Kommando sowie dem Weltraumkommando der US-Luftwaffe eine zentrale Rolle bei der Missions- und Zielplanung sämtlicher bewaffneter und unbewaffneter Drohnen zu, auch der Drohnen von JSOC, sowie eine gewisse indirekte Aufsicht bzw. sogar Kontrolle der unbemannten Flugkörper der CIA. Der Zugriff auf diese Werkzeuge gibt dem Strategischen Kommando der USA die Illusion, es seien nach wie vor Menschen in die Befehlskette eingebunden. General Kevin Chilton, der Oberkommandierende des Strategischen Kommandos, sagte, dieser »Befehlskreis« sei inzwischen auf Mikrosekunden verkürzt. Viele Kritiker, auch solche aus dem Militär, befürchten hingegen, dass die Verteilung der Einsatzregeln für bewaffnete Drohnen auf drei Ebenen in Kombination mit der Fähigkeit von Hunter-Killer-Drohnen, eigenständig den Zeitpunkt eines Angriffs auf ein bestimmtes Ziel festzulegen, letztlich dazu führt, dass bewaffnete Drohnenangriffe ohne jegliche menschliche Intervention stattfinden können.

Dies war jüngst der Auslöser für das Interesse der Medien für Roland Arkins Entwicklung einer »Drohnenbewusstsein«-Software. Das Pentagon hat ein Netz von Drohnen, bemannten Flugzeugen sowie Aufklärungs-, Navigations- und Kommunikationssatelliten in seine »einheitliche Luft- und Weltraum-Umgebung« eingebaut. Gemäß den Anforderungen für Prompt Global Strike muss dieses System in Krisenzeiten tatsächlich prompt, d.h. nahezu ohne Verzug, funktionieren. Das vernetzte System ist auf die Nutzung des Weltraums angewiesen und setzt quasi eine unilaterale Inanspruchnahme des Weltraums, wie sie 2006 in der Nationalen Weltraumpolitik der Regierung Bush zum ersten Mal formuliert wurde, voraus. Obwohl Peter Marquez vom Nationalen Sicherheitsrat 2009 von Präsident Obama mit der Ausarbeitung einer neuen multilateralen Weltraumpolitik beauftragt wurde, ist darüber noch nicht viel nach außen gedrungen. Wenn in der Strategie Kernwaffen zunehmend von Prompt Global Strike verdrängt werden und der Einsatz von Drohnen in Pakistan und Afghanistan immer üblicher wird, ist die unilaterale Weltraumnutzung damit impliziert.

Die Frage des Einsatzes von bewaffneten Drohnen wird sich sicherlich im Laufe des Jahres 2010 weiter zuspitzen, wenn Präsident Obama die Truppen in Afghanistan um 35.000 Soldaten aufstockt und eine bewaffnete Version der Drohne Sentinel in Pakistan stationiert wird und wenn vielleicht die weitgehend autonom agierende Kampfplattform auch noch um Tarnkappenmerkmale aufgerüstet wird. Die Kriegsführung mit Robotern ist bereits in vollem Gange.

Loring Wirbel lebt in Colorado Springs, dem Standort der Peterson Air Force, der u.a. das Nordkommando (NORAD) und die Weltraumkommandos der US-Luftwaffe und US-Armee beherbergt. Er schreibt seit mehr als 20 Jahren über Kommunikations-, Radar- und elektronische Aufklärungs- bzw. Spionagetechnologie und hat dabei häufig Militärdienstleister im Blick.
Übersetzt von Regina Hagen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2010/3 Afghanistan: Krieg ohne Ende, Seite 42–45