W&F 2018/1

Krise oder Chance?

Korea, Nordostasien und Trump

von Christine Ahn und Tae Lim

Wie hat sich die Politik der USA gegenüber Nordkorea unter Trump verändert? Gab es eine erkennbare Abkehr von dem »pivot to Asia« der Regierung Barack Obama, der vor allem den Aufstieg Chinas eindämmen sollte? Wie wird sich die globale Neuordnung auf die Außenpolitik auswirken, insbesondere mit Blick auf den seit 65 Jahren ungelösten Konflikt auf der koreanischen Halbinsel? Die Autor*innen beleuchten Hintergründe und versuchen, einen Ausblick auf die künftige Entwicklung zu geben.

Im ersten Jahr der Präsidentschaft von Donald Trump erlebten die Vereinigten Staaten und, aufgrund der globalen US-Dominanz, auch die Welt gravierende Veränderungen. 2017 zogen sich die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen und dem Handelsabkommen »Transpazifische Partnerschaft« (TPP) zurück und kürzten die Mittel für die Entwicklungshilfe und die Vereinten Nationen erheblich. Gleichzeitig baute Nordkorea seine nuklearen Kapazitäten aus, und die USA reagieren anders darauf als bisher, was die Gefahr eines neuen Krieges auf der koreanischen Halbinsel heraufbeschwört.

Der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry meinte dazu: „Die Amerikaner*innen sollten sich darüber klar sein, dass wir am Rande eines Krieges mit dem nordkoreanischen Regime stehen, welches – anders als noch 1994 – nun im Besitz eines Arsenals von vermutlich 20 Nuklearwaffen ist.“ In Washington sagen viele, die Gefahr eines Krieges liege bei 30 bis 50 Prozent; auch der republikanische Senator Bob Corker glaubt, Trump bereite den „Weg zum Dritten Weltkrieg“ vor.

Die Verhärtung der US-Politik gegenüber Nordkorea

Die Spannungen nahmen weiter zu, als Trump in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2017 drohte, „Nordkorea völlig zu zerstören“. Der nordkoreanische Außenminister Ri Yong-ho reagierte darauf mit der Erklärung, da die USA „unserem Land den Krieg erklärt haben, behalten wir uns von jetzt an das Recht auf Selbstverteidigung vor“.

Obamas »strategische Geduld«, eine Kombination aus Sanktionen, aggressiven militärischen Übungen und Cyberkriegsführung, scheiterte dabei, das Atomwaffenprogramm von Nordkorea zu stoppen. Stattdessen testete Nordkorea während Obamas Amtszeit vier Nuklearwaffen und über 90 ballistische Raketen. Bei ihrem Treffen im Weißen Haus nach Trumps Wahlsieg warnte Obama seinen Nachfolger, Nordkorea würde seine größte außenpolitische Herausforderung sein. Im Januar 2017 schrieb Trump beim Kurznachrichtendienst Twitter „Es wird nie passieren“ und meinte damit die Fähigkeit Nordkoreas, das Festland der USA mit einer nuklear bewaffneten Langstreckenrakete zu erreichen. Ein Jahr später testete Nordkorea eine Wasserstoffbombe und startete eine Interkontinentalrakete des Typs Hwasong-15, die Japan überflog und eine Reichweite von etwa 12.800 km aufwies. Damit demonstrierte Nordkorea, dass es in der Tat jeden Ort des Festlands der Vereinigten Staaten erreichen kann.

Die Trump-Administration nahm sich mehrere Monate Zeit, um ihre Nordkoreapolitik zu überprüfen, und teilte dann mit, sie würde die Entnuklearisierung Nordkoreas mit einer „Politik des maximalen Drucks und der absoluten Entschlossenheit“ erzwingen. Dieser Ansatz läuft im Wesentlichen auf »strategische Geduld 2.0« hinaus – eine Kombination aus aggressiver Militarisierung der asiatischen Pazifikregion, verschärften Sanktionen, die vor allem durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängt werden sollen, und Druck auf andere Länder, die diplomatischen Verbindungen mit Pjöngjang abzubrechen. Damit setzt Trump die fehlgeschlagene Politik Obamas fort, dennoch gibt es einige signifikante Unterschiede.

„Es findet eine deutliche Verlagerung hin zum Militärischen statt“, die es unter einer demokratischen Präsidentschaft nicht gegeben hätte, sagte Tim Shorrock, seit vielen Jahren Journalist bei »The Nation«. Shorrock ist überzeugt, eine Präsidentin Hillary Clinton hätte den Rat von Experten wie William Perry gesucht, der sich dafür aussprach, Nordkorea als Nuklearmacht zu akzeptieren, aber auf ein Ende der Nuklearwaffen- und Raketentests im Gegenzug zu einer Kombination aus Friedensabkommen und ökonomischen Anreizen hinzuarbeiten.

Obwohl die Regierungen Clinton, Bush jr. und Obama alle ernsthaft einen präemptiven Militärschlag gegen Nordkorea in Erwägung gezogen hatten, kamen sie jeweils zu dem Schluss, dass die Kosten viel zu hoch wären. Käme es auf der koreanischen Halbinsel zu einem Krieg, würden nach einer Schätzung des US Congressional Reseach Service [Wissenschaftlicher Dienst des US-Kongresses] bei konventioneller Kriegsführung binnen Kurzem mehr als 300.000 Menschen getötet. Kämen Nuklearwaffen zum Einsatz, wären bis zu 25 Millionen Menschen betroffen. Nach Plänen des Pentagon würden bei einem Erstschlag der USA auch Bodentruppen intervenieren, um die überall in Nordkorea versteckten unterirdischen Nukleareinrichtungen zu lokalisieren und zu sichern.

Das letzte Mal, dass die USA kurz davor standen, einen Präemtivschlag gegen Nordkorea durchzuführen, war 1994, als das Pentagon nur noch auf Bill Clintons Genehmigung des Militärschlags wartete. Diese Pläne wurden in letzter Minute durch den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter gestoppt, der nach Pjöngjang flog und mit dem damaligen Machthaber Nordkoreas, Kim Il-sung, die Wiederaufnahme von Verhandlungen aushandelte, die schließlich zum Genfer Rahmenabkommen (Agreed Framework) führten. William Perry war damals US-Verteidigungsminister und bereit „Krieg zu riskieren, befürwortet inzwischen aber eindeutig eine friedliche Lösung. Kürzlich bestätigte Perry: „Ich glaube nicht, dass Nordkorea diese Waffen […] einsetzen wird, solange es nicht zu einem Angriff provoziert wird“.

Obwohl ein Krieg auf der koreanischen Halbinsel unvorstellbar wäre, planen außenpolitische Falken im Weißen Haus ernsthaft einen präemptiven Schlag gegen Nordkorea. Die Ratio der »blutige Nase«-Strategie ist folgende: Bevor es soweit ist, dass Nordkorea die USA mit einer nuklear bewaffneten Langstreckenrakete erreichen könnte, solle das US-Militär einen Präzisionsschlag gegen eine Raketenstellung Nordkoreas ausführen, um zu demonstrieren, welcher Schaden dem Land zugefügt werden könnte.

Warum Nordkorea die Bombe will

Als Trump in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen den Nordkoreaner*innen mit ihrer Auslöschung drohte, erwähnte er nicht, dass die Vereinigten Staaten während des Koreakrieges (1950-1953) Nordkorea schon einmal völlig zerstörten. Der Koreakrieg forderte fast vier Millionen Leben. Auf Korea wurden damals mehr Bomben abgeworfen als im gesamten Verlauf des Zweiten Weltkrieges im asiatisch-pazifischen Kriegsgebiet. Curtis LeMay, im Koreakrieg General der US-Luftwaffe, sagte nach Kriegsende bei einer Anhörung im US-Kongress: Wir haben so gut wie jede Stadt in Nord- wie Südkorea niedergebrannt […] Wir haben über eine Million koreanischer Zivilist*innen getötet und mehrere Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.1 Bruce Cumings, Historiker an der Universität von Chicago, zufolge haben die Vereinigten Staaten „in Nordkorea mehr Städte zerstört als während des Zweiten Weltkrieges in Japan oder Deutschland. Alle Nordkoreaner*innen wissen davon […] Wir hören davon nichts“. Trotz all dieser Verbrechen trieben die Nordkoreaner*innen die Vereinigten Staaten damals in eine Pattsituation und erzwangen 1953 einen Waffenstillstand.

Die Nuklearkrise auf der koreanischen Halbinsel reicht bis ins Jahr 1958 zurück, als die USA nur wenige Jahre nach Abschluss des Waffenstillstandsabkommens damit begannen, auf ihren Stützpunkten in Südkorea Nuklearwaffen zu stationieren, und damit das Abkommen eindeutig verletzten. Zu Hochzeiten des Kalten Krieges hatten die USA in Südkorea bis zu 950 Nuklearwaffen stationiert, von denen allerdings keine mehr im Land sind.

Seit 1976 führen die Vereinigten Staaten und Südkorea jedes Jahr große gemeinsame Militärübungen durch, die von Nordkorea stets als Vorbereitung für eine Invasion eingestuft werden. An den zwei bis drei Monate dauernden Manövern nehmen jeweils Hunderttausende südkoreanische und US-Soldaten teil und es kommen Flugzeugträger, Tarnkappenbomber und nuklearwaffenfähige (wenn auch nicht nuklear bewaffnete) Bombenflugzeuge zum Einsatz. Während der Manöver befindet sich Nordkorea in einer Art Ausnahmezustand, was das Militär und die ohnehin schwache Wirtschaft unter zusätzlichen Druck setzt. Nordkorea ist zwar bemüht, seine konventionellen Waffen und Truppen einsatzbereit zu halten, seine Militärausgaben liegen aber bei deutlich weniger als einem Prozent des US-Verteidigungshaushalts. Nordkorea verfügt nach Aussagen von Überläufer*innen seines Militärs sowie von Kommandeuren des gemeinsamen Kommandos der Streitkräfte Südkoreas und der USA über veraltete Waffensysteme und schlecht ausgerüstete und ausgebildete Soldat*innen.

Der kontinuierliche und starke Druck auf Nordkoreas Militär und seine Sicherheitskräfte sind der Grund, weshalb Nordkorea auf Nuklearwaffen setzt. Um die Abschreckung angesichts eines möglichen präemptiven Schlags der USA glaubwürdig zu gestalten, konzentriert sich Nordkorea auf die Entwicklung mobiler Trägersysteme für nukleare Sprengköpfe, einschließlich Interkontinentalraketen und ballistischer Raketen, die von U-Booten aus gestartet werden können.

Im November 2017 führte Nordkorea einen erfolgreichen Test seiner Interkontinentalrakete Hwasong-15 durch, die bis zur Ostküste der USA fliegen könnte. Experten stellen allerdings die Abschreckungsfähigkeit der mobilen Startrampen in Frage, da das Land angeblich über lediglich 724 km asphaltierte Straßen verfügt. „Hwasong-15 wird wahrscheinlich in Silos in der Nähe des Bergs Baekdu stationiert“, sagt Dr. Jang Young-guen, Raketenexperte an der Korea Aerospace University; damit allerdings erhöhe sich auch die Gefahr eines US-Angriffs auf den Stationierungsort.

Beobachter gehen davon aus, dass die getestete Hwasong-15 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander brach, was die Abschreckungsfähigkeit des Landes in Frage stellen würde. Nam Moon-hee, Nordkoreaexperte bei »SisaIN«, einer unabhängigen südkoreanischen Zeitschrift, rechnet damit, dass Hardliner in Washington auf einen präemptiven Schlag drängen werden, bevor aus Nordkoreas fortgeschrittenem Raketenprogramm wirklich eine zuverlässige Interkontinentalrakete hervorgeht, die das Festland der USA erreichen kann – das könnte schon Mitte 2018 der Fall sein. „Als erste militärische Option würden die USA vermutlich eine Seeblockade verhängen“, sagte Nordkoreaexperte Young C. Kim der Tageszeitung »Kyunghyang Shinmun«. „Je nachdem, wie Nordkorea darauf reagiert, könnte dies zu einem ausgewachsenen Krieg führen“. US-Außenminister Rex Tillerson deutete diese Möglichkeit als Reaktion auf den nordkoreanischen Raketentest vom November bereits als Option an.

Die Koreakrise im Kontext der Spannungen zwischen den USA und China

„Es gibt keine militärische Lösung, vergessen Sie es“, sagte Steve Bannon, bis vor Kurzem einer von Trumps wichtigsten Beratern, wenige Tage nachdem Trump im August 2017 davor gewarnt hatte, er werde Nordkorea mit „Feuer und Wut begegnen“. Nordkorea, so Bannon, sei „nur ein Nebenschauplatz“. Das echte Ziel sei China, mit dem sich die USA in einem „Handelskrieg“ befinde. 2011 bereits hatte der damalige US-Präsident Obama einen »pivot to Asia« (Schwenk Richtung Asien) verkündet, um China einzudämmen. Auch Trump sieht China als Bedrohung für die globale Hegemonie der USA und fordert das Land auf militärischem, ökonomischem und politischem Feld heraus.

Unter Obama planten die USA die Verlegung von 60 % der im Nahen und Mittleren Osten und in Europa stationierten US-Luft- und Seestreitkräfte in den asiatisch-pazifischen Raum bis zum Jahr 2020. Außerdem stimmte die US-Regierung einer Anpassung der Richtlinien für die Verteidigungskooperation zwischen den USA und Japan (US-Japan Joint Defense Cooperation) zu, was die Re-Militarisierung Japans fördert. In den Richtlinien wurde jegliche geografische Einschränkung gestrichen, wo das japanische Militär – die so genannten Selbstverteidigungskräfte – eingesetzt werden kann; außerdem wird die militärische Ausrüstung Japans stärker an die der USA angeglichen. Obama unternahm darüberhinaus den Versuch, zwischen den USA, Südkorea und Japan ein trilaterales Militärbündnis zu schmieden. Und schließlich vereinbarte die Regierung Obama im Jahr 2015 mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye den Aufbau des Raketenabwehrsystems THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) im Lande; die Indienststellung wurde allerdings bis Sommer 2017 zurückgestellt. Nach der Suspendierung Parks infolge eines Korruptionsskandals und angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass Moon Jae-in bei der erforderlich gewordenen Präsidentschaftswahl siegen und an die frühere »Sonnenscheinpolitik« anknüpfen würde, nutzte die Trump-Administration das politische Vakuum bis zu den Neuwahlen und begann einfach mit dem Aufbau des umstrittenen Raketenabwehrsystems, das nicht nur vor nordkoreanischen Raketen schützen soll, sondern mit seinem leistungsfähigen Radarsystem auch die Überwachung Chinas ermöglicht. Die Bedrohung durch das nordkoreanische Nuklear- und Raketenprogramm wurde von den USA also für eine deutliche Militarisierung der Region genutzt.

Die andere Säule des »pivot to Asia« war das transpazifische Handelsabkommen TPP, welches nach Obamas Vorstellungen einen regionalen Handels- und Wirtschaftsblock mit Anrainerländern Chinas schaffen sollte. Trump aber zog sich – auch auf Wunsch seiner nationalistischen Wählerbasis – unverzüglich aus TPP zurück und drohte China stattdessen mit Strafzöllen und Sanktionen. Die von der Regierung Trump im Dezember 2017 verabschiedete »Nationale Sicherheitsstrategie«, die Blaupause seiner Außenpolitik, benennt China ausdrücklich als ökonomischen Konkurrenten und macht klar, Washington werde „nicht länger die Augen verschließen vor Verstößen, Betrug oder ökonomischer Aggression.

Die Trump-Administration versucht, Chinas Ruf als eine globale Führungsmacht zu schmälern und das historische Bündnis zwischen Peking und Pjöngjang zu untergraben. Beim Gipfeltreffen der USA mit China brachte Trump das „furchtbare“ Handelsabkommen zwischen den USA und China in einen direkten Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Nuklearwaffenprogramm. Wiederholt argumentierten die USA, China sei für die Situation mit Nordkorea verantwortlich, obwohl Peking kaum direkten Einfluss auf Pjöngjang haben dürfte. Laut Nam Moon-hee erhöht Trump als Teil der US-Strategie, mit der Chinas Einfluss als Vermittler in der Region geschwächt werden soll, den Druck auf Peking, die Schlinge um Nordkorea mit zusätzlichen Sanktionen enger zu ziehen. Wenn die USA mit Nordkorea direkte Gespräche aufnehmen, also ohne China als Vermittler, könnte dies Chinas globalen Einfluss untergraben. Und tatsächlich betonte US-Außenminister Tillerson auf die Frage, ob Washingtons Kontakte zu Nordkorea über China führten: „[W]ir haben zwei, drei Kanäle nach Pjöngjang offen, […] direkte“.

Die Neuausrichtung der Außenpolitik in der Ära Trump

Viele ringen noch darum, die US-Politik gegenüber Nordkorea zu verstehen, eines ist aber unübersehbar: Die Sorge vor unbesonnenen Handlungen der USA nimmt zu. Besonders deutlich wurde dies nach dem nordkoreanischen Raketentest vom November 2017, als der südkoreanische Präsident Moon sagte: „Wir müssen eine Situation verhindern, in der Nordkorea falsche Schlussfolgerungen zieht und uns mit Nuklearwaffen bedroht oder in der die USA einen präemptiven Schlag in Betracht ziehen. Diese Sorge findet sogar innerhalb der Trump-Administration Widerhall. Joseph Yun, der Abgesandte des US-Außenministeriums für Nordkorea, der immer wieder zu geheimen Treffen mit Vertretern Nordkoreas zusammenkommt, warnte, das Weiße Haus hätte eine „beeinträchtigte“ Diplomatie.

Die Notwendigkeit, einen Dialog zu beginnen, wurde erkannt. Nord- und Südkorea verständigten sich auf den Beginn eines Annäherungsprozesses. In seiner Neujahrsansprache 2018 betonte der nordkoreanische Staatsführer Kim Jong-un, beide Koreas „sollten sich bemühen, die militärischen Spannungen zu verringern“, und signalisierte, Nordkorea werde eine Delegation zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang entsenden. Südkorea reagierte umgehend und nahm die Telefon-Hotline in Panmunjom an der Waffenstillstandslinie wieder in Betrieb. Beide Seiten einigten sich auf ein Treffen der beiden Staaten am 9. Januar 2018, um über die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen und weitere Themen, wie Familienzusammenführungen und Nuklearwaffen, zu sprechen.

„Südkoreas Regierung wird einen Krieg um jeden Preis verhindern“, erklärte Präsident Moon letzten August und arbeitet seither stetig an der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Nach monatelangen Verhandlungen gelang es Moon auch, die Beziehungen zu China aufzutauen, die seit der Stationierung von THAAD sehr frostig waren. Moon legte auch den Grundstein für einen vorübergehenden »Stopp-für-Stopp«, indem er im Sinne eines »Olympischen Friedens« die Winterspiele in Pyeongchang zum Anlass nahm, um gemeinsame Militärmanöver mit den USA zu verschieben. Trump erklärte sich mit der Verschiebung der Manöver bis nach den Spielen einverstanden.

Im Herbst 2017 erinnerte Präsident Moon Nordkorea, „ökonomische Entwicklung ist unmöglich ohne internationale Kooperation“, und versprach Nordkorea mehr Sicherheit durch „innerkoreanische und ostasiatische ökonomische Zusammenarbeit“. Im September 2017 kündigten Moon und der russische Präsident Wladimir Putin gemeinsam eine Initiative für trilaterale nordostasiatische Kooperation an, die Nordkorea einbindet und Themen wie Energieversorgung und Transportwesen umfassen soll. Diese Ankündigung kam zur richtigen Zeit, weil viele Analysten davon ausgehen, dass Kim Jong-un inzwischen zu Gesprächen bereit sei und „die Aufmerksamkeit wieder auf die angeschlagene Wirtschaft des Landes lenken“ wolle, wie Tim Shorrock schrieb.

Der Vorstoß in Richtung Dialog nimmt auch im US-Kongress Fahrt auf. Tim Kaine, demokratischer Senator und während Hillary Clintons Wahlkampf Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, schrieb: „Über die Jahre hat Nordkorea wiederholt die Idee angesprochen, den [Korea-] Krieg endlich mit einem Friedensvertrag abzuschließen. Wir sollten ohne Vorbedingungen Verhandlungen aufnehmen“. Im November 2017 kündigten Abgeordnete beider Häuser des Kongresses eine neue parteiübergreifende Gesetzesinitiative an, um auszuschließen, dass Präsident Trump Nordkorea ohne die Zustimmung des Kongresses angreifen kann.

Nachdem Kim Jong-un angekündigt hat, Nordkorea habe die Ziele seines Nuklearwaffenprogramms erreicht, könnte er nun zu Wirtschaftsgesprächen bereit sein. Die von Moon und Putin vorgeschlagene ökonomische Initiative, die innerkoreanische Annäherung sowie Druck der größeren an dem »UN-Kommando« beteiligten Staaten2 auf die USA, direkte Gespräche mit Nordkorea zu führen, könnten hilfreich sein. Vielleicht können die Wirtschaftsvereinbarungen zwischen Russland und Europa, die den Weg zur deutschen Wiedervereinigung ebneten, als Modell für das offizielle Ende des Koreakrieges dienen.

Vieles wird sich erst in den kommenden Monaten klären, aber schon jetzt sind sich weltweit alle einig, dass diplomatische Schritte hin zu einem Friedensprozess der Unterstützung bedürfen, um einen verheerenden Nuklearkrieg zu verhindern, und hoffentlich auch, um den lange ersehnten koreanischen Friedensvertrag zu ermöglichen.

Anmerkungen

1) Diese Zahlen sind zu niedrig. Viele Quellen sprechen von knapp einer Million getöteter Soldaten und etwa drei Millionen getöteter Zivilist*innen, deshalb schreiben die Autor*innen weiter oben von „fast vier Millionen Leben“. Zahlreiche Opfer waren Chines*innen [der Übersetzer].

2) Die 1950 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution 84 unterstellte die damals gegen Nordkorea kämpfenden Truppen dem US-amerikanischen Oberbefehl und gestattete ihnen, unter der UN-Flagge zu agieren. Dieses Arrangement wird als »UN-Kommando« bezeichnet und ist mangels eines Friedensvertrags offiziell bis heute gültig [der Übersetzer].

Literatur

Der Originaltext samt Quellenangaben kann bei der Redaktion angefordert werden (redaktion@wissenschaft-und-frieden.de). Aufgrund vieler koreanischer Quellenangaben wurde hier auf Literaturverweise verzichtet.

Christine Ahn ist Gründerin und Internationale Koordinatorin von »Women Cross DMZ«, eine globale Frauenbewegung, die für ein offizielles Endes des Koreakrieges, die Wiedervereinigung koreanischer Familien und eine Führungsrolle von Frauen bei der Friedensschaffung mobilisiert.
Tae Lim ist Masterstudierender für Ingenieurswesen an der University of Michigan, Ann Arbor. Er hat einen Bachelor in Astrophysik der University of California, Berkeley. Momentan ist er Praktikant bei »Women Cross DMZ«.

Aus dem Englischen übersetzt von Marius Pletsch.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2018/1 USA – eine Inventur, Seite 21–24