W&F 2012/3

Massenmigration und Klimakriege?

Klimawandel als Sicherheitsbedrohung

von Michael Brzoska und Angela Oels

In diesem Beitrag legen die AutorInnen dar, welche politische Konstellation dazu beitrug, dass der Klimawandel zwischen 2003 und 2007 zunehmend als Sicherheitsthema problematisiert wurde. Sie zeigen am Beispiel der Migrations-, der Entwicklungs- und der Sicherheitspolitik, dass sich eine Prioritätenverschiebung von der Bekämpfung des Klimawandels (Mitigation) zur Bekämpfung der Klimafolgen (Adaptation und Katastrophenschutz) andeutet. Das Interesse des Militärs an den möglichen Folgen des Klimawandels ist groß. Konkrete Aktivitäten sind, mit einigen Ausnahmen, allerdings bisher kaum zu verzeichnen. In dieser Hinsicht spielen die in der Öffentlichkeit immer wieder vorgetragenen diskursiven Konstruktionen von Massenmigration und Klimakriegen in den sicherheitspolitischen Reaktionen auf den klimabezogenen Sicherheitsdiskurs zumindest aktuell keine Rolle.

Die Konstruktion des Klimawandels als Sicherheitsbedrohung gab es schon Ende der 1980er Jahre, sie entwickelte sich jedoch erst zwischen 2003 und 2007 zu einem dominanten Diskursstrang in der internationalen klimapolitischen Debatte. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurde der Klimawandel von Wissenschaft und Politik vor allem als Emissionsproblem konstruiert, dem mit Emissionsreduktionen (Mitigation) beizukommen sei. In der Klimarahmenkonvention von 1992 wurde daher eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau vereinbart, das gefährliche Klimaveränderungen ausschließt (Artikel 2), ohne jedoch zu konkretisieren, was für ein Niveau dies sein könnte.

Im Bericht des Klimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) von 2001 wurde erstmals anerkannt, dass ein gewisses Maß an globaler Erwärmung nicht mehr zu verhindern sei und dass daher Maßnahmen zur Anpassung an den unvermeidbaren Klimawandel in Vorbereitung gebracht werden sollten (Adaptation). Obwohl es den Industrieländern tatsächlich gelungen ist, ihre Emissionen auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren (erstmals in 2008; siehe IEA 2010, S.7), steigen die globalen Treibhausgasemissionen ungebrochen an. Die Selbstverpflichtungen der Industrie- und Schwellenländer werden mit etwa 50%iger Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von mehr als drei Grad Celsius bis 2100 führen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit kommt es sogar zu einer Erwärmung um fünf bis sieben Grad (Rogelj et al. 2010).

Trotz der zunehmend gesicherten und in IPCC-Berichten festgehaltenen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel wurden (und werden) in einer Reihe von Ländern öffentlichkeitswirksam von Industrievertretern, aber auch von einer Minderheit von Wissenschaftlern, dessen wahrscheinliches Ausmaß und zu erwartende Wirkungen in Frage gestellt. In den USA wurde diese Sicht auf den Klimawandel unter Präsident George W. Bush Regierungspolitik.

Parallel, und teilweise in Reaktion auf diese Diskussion, entwickelten andere Wissenschaftler Szenarien zukünftiger Auswirkungen des Klimawandels, die zum Teil weit über den IPCC-Mainstream hinausgingen. Ein typisches Beispiel dafür sind die »tipping points«: Klimaforscher warnen, dass bei starkem Temperaturanstieg „Umkipppunkte“ erreicht werden können, an denen es zu plötzlichen, drastischen und irreversiblen Veränderungen im Klimasystem kommen könnte, wie z.B. dem Zusammenbruch des Golfstroms oder dem Absterben der Regenwälder. Die potentiell katastrophalen Folgen eines Temperaturanstiegs von mehr als zwei Grad bieten reichlich Stoff für eine Konstruktion des Klimawandels als Sicherheitsbedrohung.

In dieser Situation eines zunehmenden Auseinanderklaffens zwischen geringer politischer Bereitschaft in einigen Staaten, selbst die eher vorsichtigen Schlussfolgerungen des IPCC ernst zu nehmen, und einer zunehmend dramatischeren Beschreibung der Risiken des Klimawandels durch ausgewiesene Wissenschaftler kam es zu massiven Versuchen der »Versicherheitlichung« des Diskurses über den Klimawandel. Akteure waren neben Wissenschaftlern vor allem Vertreter aus Politik und Sicherheitsapparaten. Klimawandel wurde nun als das größte Sicherheitsproblem des 21. Jahrhunderts angesehen, zu dessen Vermeidung auch außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen seien. Exemplarisch für diese Sicht etwa steht die Rede von US-Vizepräsident Al Gore bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn und das IPCC im Jahre 2007:

„Wir, die menschliche Gattung, sind mit einem planetarischen Notfall konfrontiert – einer Bedrohung des Überlebens unserer Zivilisation, die an unheilvollem und zerstörerischem Potential zunimmt […] Wir müssen rasch unsere Zivilisation mobilisieren, und zwar mit der Dringlichkeit und Entschlossenheit, die wir früher nur bei der Mobilisierung für einen Krieg aufgebracht haben.“

Zwei Elemente waren von besonderer Bedeutung für die Wirkmächtigkeit des »Versicherheitlichungs«-Diskurses. Zum einen beteiligten sich, wiederum insbesondere in den USA, eine größere Zahl hochrangiger ehemaliger und sogar einige aktive Militärs an diesem Diskurs. So wurden etwa in einem Bericht der CNA Corporation, die der US-amerikanischen Marine nahe steht, eine steigende Kriegsgefahr und Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA durch den Klimawandel prognostiziert (CNA 2007). Damit stärkten diese Vertreter aus dem Sicherheitsapparat die Glaubwürdigkeit des Diskurses über Klimawandel als Sicherheitsproblem.

Zum anderen wurde von den Protagonisten der »Versicherheitlichung« das in der Umweltpolitik bewährte Vorsorge-Prinzip in den Vordergrund gerückt: Wenn massive Folgen für Frieden und Sicherheit nicht auszuschließen seien, müsse Politik darauf ausgerichtet sein, dafür Sorge zu tragen, dass diese Folgen gar nicht erst auftreten könnten. Denn auch Militärs sind grundsätzlich Vertreter eines Vorsorgeprinzips, und zwar in der Form des »worst case«-Denkens, nach dem Planung sich an der schlechtesten aller Möglichkeiten auszurichten hat.

Protagonisten des Klima-Sicherheitsdiskurses argumentierten zweigleisig: Zum einen verlangten sie, dass die Politik alles in ihrer Möglichkeit stehende tun solle, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Andererseits argumentierten sie, dass die Politik sich auf eine drei bis vier oder gar fünf bis sieben Grad wärmere Welt einstellen und dafür politisch planen müsse. Beispiele für geforderte Maßnahmen sind ein umfassendes Monitoring möglicher Tipping Points im Klimasystem und Pläne für Geo-Engineering als »crash mitigation« (Mabey et al. 2011).

Beispiel Migration

Eine zentrale Figur des Klima-Sicherheits-Diskurses ist der »Klimaflüchtling« bzw. der »klimawandel-induzierte Migrant«. Im Angesicht des unvermeidbaren Klimawandels drohen angeblich „Millionen von Klimaflüchtlingen“ die Industrieländer zu „überfluten“ (Kolmanskoog 2008). Dies könnte schlimmstenfalls zu Konflikten zwischen den Migranten und der aufnehmenden Gemeinschaft führen oder gar zu »Klimakriegen«. Schon Anfang der 1990er Jahre warnten Autoren wie Thomas Homer-Dixon (1994) vor Millionen von Umweltflüchtlingen, die als Folge der Degradierung und daraus resultierenden Verknappung von natürlichen Ressourcen auftreten könnten.

Eine im politischen Diskurs weit verbreitete Schätzung mit einer Zahl von 250 Millionen Menschen, die bis 2050 allein vom Klimawandel vertrieben werden könnten, stammt von Norman Myers (Myers/Kent 1995; Christian Aid 2007). Die der Schätzung zugrunde liegende Methodik ist jedoch zu Recht in die Kritik geraten. Zum einen wird dabei vor allem die Umweltveränderung selbst als Auslöser der Flucht in den Blick genommen, während die in der komplexen sozialen, politischen und ökonomischen Ausgangssituation liegenden Fluchtursachen nur unzureichend berücksichtigt werden. Zum zweiten beruhen ihre Zahlenschätzungen auf recht kruden Extrapolationen. Inzwischen gelten daher die viel zitierten Zahlen von Myers und Kent als wissenschaftlich nicht haltbar (Jakobeit/Methmann 2012).

Noch gewichtiger: Wurde in früheren wissenschaftlichen Arbeiten klimabedingte Migration als Bedrohung der Sicherheit betrachtet, da sie zu Konflikten zwischen den Migranten und der aufnehmenden Gemeinschaft führen könnte, wird Migration heute in der Forschung auch als Chance für die Betroffenen gesehen. Die Forschung zu Migration betont seit langem, dass Mobilität eine wichtige Anpassungsmaßnahme an veränderte Umweltbedingungen darstellt, dies gilt auch für den Klimawandel (Foresight 2011).

Aber trotz fehlender wissenschaftlicher Grundlagen wird in vielen politischen Dokumenten davon ausgegangen, dass der Klimawandel zu einem Anstieg der Migrationsbewegungen führen wird. So hält der Bericht des UN-Generalsekretärs über »Climate Change and its Possible Security Implications«von 2009 fest: „Es wird erwartet, dass das Ausmaß von Migration und Vertreibung sowohl innerhalb eines Landes als auch grenzüberschreitend durch den Klimawandel ansteigen wird, ebenso wie der Anteil der als »unfreiwillig« anzusehenden Bevölkerungsbewegungen.“ (UNGA 2009, S.15) Im Jahr 2009 – im Vorfeld der Klimakonferenz von Kopenhagen – setzte Bangladesch das Thema Klimaflucht auf die politische Agenda der internationalen Klimaverhandlungen. Das in Cancún 2010 verabschiedete »Adaptation Framework« erkennt erstmals politischen Handlungsbedarf im Feld der klimabedingten Migration, bleibt aber vage und unverbindlich, und der darauf bezogene Paragraph 14(f) der Cancún-Beschlüsse wurde bislang nicht mit Leben gefüllt. Langfristig allerdings könnte er dazu führen, dass für die Anpassung an den Klimawandel vorgesehene Gelder beispielsweise für geplante Umsiedlungen verwendet werden.

Aufwind für die Katastrophenvorsorge

In der Entwicklungszusammenarbeit hat der Klima-Sicherheitsdiskurs dazu geführt, dass der Klimawandel als zentrales Hindernis für menschliche Entwicklung betrachtet wird (Methmann 2011). Sowohl der World Development Report der Weltbank von 2010 als auch der Human Development Report 2007/2008 des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) waren dem Klimawandel gewidmet. Das UNDP argumentiert in seinem Bericht: „Der Klimawandel ist das zentrale Thema unserer Generation in Bezug auf menschliche Entwicklung […] Der Klimawandel droht menschliche Freiheiten zu untergraben und Wahlmöglichkeiten einzuschränken.“ (UNDP 2007, S.1) Die Weltbank beklagt: „Für diese [Entwicklungs-] Länder droht der Klimawandel die Verwundbarkeit zu erhöhen, schwer erkämpften Fortschritt zunichte zu machen und die Aussicht auf Entwicklung in erheblichem Maße zu untergraben.“ (The World Bank 2010, S. iii) Diese »Klimatisierung« des entwicklungspolitischen Diskurses hat eine neue Form des Risikomanagements durch Kontingenz hervorgebracht (Oels 2011). Anstelle von technischen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel treten nun vermehrt Maßnahmen, die die allgemeine Resilienz gegenüber Klimavariabilität erhöhen. Unter Resilienz wird „die Fähigkeit eines Systems und seiner Bestandteile, die Auswirkungen eines gefährlichen Ereignisses zeitnah und effizient zu antizipieren, zu absorbieren, aufzunehmen oder sich davon wieder zu erholen“ verstanden (IPCC 2012, S.3). Die Betroffenen werden aufgefordert, ihre eigene Vulnerabilität zu reduzieren, indem sie in partizipativen Prozessen „flexible, resiliente Gemeinschaften“ bilden (World Bank 2010, S.88).

Der Klima-Sicherheitsdiskurs hat vor allem dem Feld des Katastrophenschutzes neue Aufmerksamkeit eingebracht. Auf Initiative der norwegischen Regierung und der Internationalen Strategie für Katastrophenfürsorge der Vereinten Nationen (UNISDR) hat der Klimarat im März 2012 das Sondergutachten »Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation« vorgelegt. In der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger beklagt der Klimarat, dass die „internationale Finanzausstattung für Katastrophenschutz relativ gering ausfällt im Vergleich zur Höhe der Ausgaben für internationale humanitäre Einsätze“ (IPCC 2012, S.15). Der Klimarat empfiehlt so genannte »low regrets options«, die nicht nur dem Katastrophenschutz dienen, sondern zugleich Armut abbauen, eine nachhaltige Entwicklung befördern, und Resilienz gegenüber allen möglichen Arten von Katastrophen herstellen. Allerdings sieht der Klimarat auch Grenzen der Anpassungsfähigkeit, wo Tipping Points erreicht werden (IPCC 2012, S.18). Wegen der großen Unsicherheiten darüber, welcher Art die zukünftigen Katastrophen sein könnten, empfiehlt der Klimarat einen sich wiederholenden Prozess des Risikomanagements (IPCC 2012, S.15). Der Klimarat hebt auch die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit für Investitionen in den Katastrophenschutz hervor (IPCC 2012, S.8).

Sicherheitsakteure und der Klimasicherheitsdiskurs

In den Jahren 2007 und 2011 war der Klimawandel auch auf der Agenda des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. 2011 wurde auf Drängen Deutschlands eine Erklärung des Sicherheitsrat-Präsidenten verabschiedet, in der der Klimawandel erstmals als Sicherheitsbedrohung anerkannt wird, insbesondere für die Existenz der kleinen Inselstaaten, aber auch was die Ernährungssicherheit angeht (UNSC 2011). Damit war der Klimawandel im Herzen des Sicherheitsestablishments angekommen.

Schon vorher wurde in Sicherheitsapparaten über Klimawandel nachgedacht. An erster Stelle stehen dabei die USA seit dem Wechsel zur Regierung Obama. Größere zweistellige Millionenbeträge sind in den USA in den letzten Jahren für die Forschung über die Folgen des Klimawandels zur Verfügung gestellt werden. Dieser intensiven Forschungstätigkeit steht ein vergleichsweise geringeres Maß an konkreten Aktionen und Planungen gegenüber. Der Bereich, in dem sich in den US-Streitkräften am meisten tut, ist die Einsparung von Treibhausgasen. Alle Teilstreitkräfte haben inzwischen konkrete Pläne für die Reduktion von Treibhausgasen durch Einführung energiesparender und –effizienter Technologien. Biokraftstoffe werden in großem Maßstab getestet, selbst für Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge. Allerdings hat der Klimawandel als Begründungsmuster für diese Aktivitäten an Bedeutung verloren. Wichtiger sind gegenwärtig zwei andere Argumente. Zum einen fallen in Afghanistan in keinem Bereich so viele amerikanische Soldaten wie bei der Treibstofflogistik. Gerade Feldkommandeure drängen deshalb auf die Einführung energieeffizienterer Fahrzeuge. Zum anderen ist Energiesicherheit zu einem großen Thema der US-amerikanischen Streitkräfte geworden. Die Einsparung von Treibstoffen gilt als wichtiger Pfad für eine Verminderung der Abhängigkeit von ausländischen Ressourcen, nicht zuletzt der Streitkräfte selbst (Brzoska 2012a).

Auch in den Sicherheitsapparaten vieler anderer Staaten werden die möglichen Folgen des Klimawandels diskutiert. Das lässt sich etwa daran belegen, dass der Klimawandel in der weit überwiegenden Zahl der in den letzten Jahren veröffentlichten staatlichen Dokumente zu nationalen Sicherheitsstrategien und Verteidigungsplanung Erwähnung findet (Brzoska 2012b).

Dabei wird aber auch deutlich, dass das Verständnis über die Sicherheitsprobleme, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden können, sehr unterschiedlich ist. Grob lassen sich drei Konzepte unterscheiden.

Im ersten wird Klimawandel vor allem als Problem »menschlicher Sicherheit« gemessen, als zusätzliche Belastung von Menschen und Gemeinschaften in bereits jetzt sehr schwierigen wirtschaftlichen Situationen. In Staaten, die von diesem Konzept ausgehen, werden in den genannten Dokumenten nur in einem Bereich neue Aufgaben für Streitkräfte gesehen: dem Katastrophenschutz.

Im zweiten Konzept wird davon ausgegangen, dass neben diesem Risiko in Zukunft noch ein zweites von Bedeutung sein wird: eine zunehmende Zahl von bewaffneten Konflikten in vom Klimawandel besonders betroffenen Regionen. Konflikte werden vor allem über knapper werdende Ressourcen wie Wasser und Land erwartet. Für die Streitkräfte der betroffenen Länder ergeben sich daraus unmittelbar gute Begründungen für eine Aufstockung ihrer Fähigkeiten, aber auch in einigen weiter entfernten Ländern werden hier zukünftige Aufgaben etwa im Bereich der militärischen Interventionen gesehen. Die Zahl der Staaten, in denen diese Argumentation auf offizieller Ebene vorgetragen wird, ist allerdings gering, neben den USA ist hier etwa Großbritannien zu nennen.

Schließlich gibt es noch einige Staaten, in denen Klimawandel in offiziellen Dokumenten als tatsächliche oder potentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit bezeichnet wird. Dazu gehören vor allem kleine Inselstaaten, aber auch Bangladesh, also Länder, in denen der Verlust großer produktiver Landgebiete bis hin zum Verlust der Existenz droht. Darüber hinaus sind es vor allem die USA, in denen die Verbindung zwischen Klimawandel und nationaler Sicherheit gezogen wird – gegenwärtig, wie bereits beschrieben aber nur als potentielle Risiken, die weiterer genauerer Untersuchung bedürften.

Fazit

Die Konstruktion des Klimawandels als Sicherheitsbedrohung erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem der klimaskeptische Diskurs die Politik der USA lähmte und damit Fortschritte in der internationalen Klimapolitik verhinderte. Es bildete sich eine ungewöhnliche Allianz aus Umweltschützern und Militärs, die vor den Sicherheitsrisiken des Klimawandels warnten. Insbesondere wurde dabei das Risiko von Millionen von Klimaflüchtlingen und damit einhergehenden bewaffneten Konflikten beschworen.

Wie wir gezeigt haben, sind zumindest die Schätzungen der Zahl möglicher Klimaflüchtlinge wissenschaftlich nicht haltbar. Darüber hinaus sehen neuere Studien Migration als eine Erfolg versprechende Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels. In der Entwicklungspolitik sind neben Anpassungsprojekten vor allem Maßnahmen der Katastrophenvorsorge im Aufwind, weil auf diese Weise die Resilienz gefährdeter Regionen gegenüber den Klimafolgen hergestellt werden soll.

Im Sicherheitssektor konnten wir zeigen, dass der Klimawandel sich in die meisten nationalen Sicherheitsstrategien eingenistet hat, jedoch meist als Problem menschlicher oder internationaler Sicherheit, nur in einigen Staaten als Problem nationaler Sicherheit. Selbst in diesen wird der Einsatz traditioneller Instrumente der Sicherheitspolitik, wie militärische Interventionen in Krisengebieten, zwar diskutiert, aber konkrete Planungen sind bisher ausgeblieben.

Wie wir gezeigt haben, hat die Konstruktion des Klimawandels als Sicherheitsbedrohung die politische Aufmerksamkeit auf die Mitigation der Sicherheitsrisiken verschoben – auf Kosten der Mitigation der Ursachen. Dabei droht aus dem Blick zu geraten, dass jede Investition in Emissionsreduktionen sich vielfach auszahlt und die Sicherheitsrisiken deutlich reduzieren könnte.

Literatur

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Dr. Angela Oels hat von 2009-2012 im Rahmen des Klimaexzellenzclusters CLISAP der Universität Hamburg ein Forschungsprojekt über die diskursive Konstruktion des Klimawandels als Sicherheitsbedrohung durchgeführt und vertritt derzeit die Juniorprofessur Global Governance am Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg. Michael Brzoska ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Professor an der Universität Hamburg sowie Principal Investigator am Klimaexzellenzcluster CLISAP, in dessem Rahmen er sich mit der Wahrnehmung des Klimawandels durch Akteure des Sicherheitssektors beschäftigt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2012/3 Klimawandel und Sicherheit, Seite 19–22