Mehrsprachigkeit als Friedensinstrument
Statistische Notizen aus der Eurolinguistik
von Joachim Grzega
Der folgende Beitrag setzt die Zahl der Menschen mit Fremdsprachenkenntnissen in Relation zu friedensbezogenen nicht-sprachlichen Aspekten. Ob ein Zusammenhang besteht, wird mithilfe statistischer Tests ermittelt. Es zeigt sich im Vergleich der EU-Länder, dass je höher der Anteil von Personen ist, die in mindestens drei Fremdsprachen an Gesprächen teilnehmen können, desto geringer sind die Militärausgaben und desto besser die Werte auf dem allgemeineren Global Peace Index. Bezüglich Russland ist in einem Land ein positives Russland-Bild umso verbreiteter, je mehr Menschen Russisch auf Konversationsniveau beherrschen.
Schon viele haben geäußert, dass die Kenntnis von Fremdsprachen beziehungsweise Mehrsprachigkeit zu Friedfertigkeit und Frieden führen. Oft verbleiben die Beschreibungen jedoch im Theoretischen und Allgemein-Programmatischen (z.B. Kroff 1943, Marti 1996). Gelegentlich gibt es diesbezüglich auch konkrete praktische Vorschläge für den Zweit- und Fremdsprachenunterricht (z.B. Friedrich 2007, Grzega 2012, S. 302-305, mehrere Beiträge in Oxford et al. 2020). Der Nachweis, dass Mehrsprachigkeit tatsächlich von mehr Friedfertigkeit begleitet wird, steht jedoch noch weitgehend aus. Diese Studie will einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Fragestellung und bisherige Forschung
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat man die Aussöhnung der Völker durch die Pflege von Städtepartnerschaften zu fördern versucht. Diese waren und sind vielerorts auch begleitet von der Durchführung von Sprachkursen (teils über Bildungseinrichtungen, teils über Partnerschaftsvereine, teils privat), um eine möglichst intensive Freundschaft zwischen den Menschen zu ermöglichen. Ich selbst habe in unserem Landkreis mit Blick auf vorhandene Städtepartnerschaften Anfängerkurse in Französisch, Italienisch und Ungarisch durchgeführt. Doch: Lässt sich der Nutzen von Mehrsprachigkeit für Friedfertigkeit mit statistischen Mitteln zeigen? In einer Studie von Keysar, Hayakawa und An (2012) wurde gezeigt, dass man Informationen allgemein weniger emotional verarbeitet, wenn sie in einer Fremdsprache aufgenommen werden. In diesem Falle fokussiert man nämlich mehr auf die Fakten als auf die Stimmung des Gelesenen. Indirekt lässt sich daraus ableiten, dass diese geringere Emotionalität letztlich auch gilt, wenn andere Länder das Thema eines fremdsprachlichen Textes sind. Eine solche Entemotionalisierung kann auch der Bereitschaft für friedliche Konflikttransformation helfen – Fremdsprachenkenntnisse scheinen dafür eine wichtige Voraussetzung zu schaffen.
Friedfertigkeit kann man individuell oder national betrachten. Im Buch »Wort-Waffen abschaffen!« (Grzega 2019) lege ich dar– während es sonst hauptsächlich um den Effekt von Wortgebrauch innerhalb von Sprachen geht –, dass EU-Staaten mit mehr als einer Amtssprache friedfertiger sind (Ebd., S. 52ff.). Zu dieser Aussage gelange ich durch den Vergleich zweier Gruppen von Ländern in der EU sowie der kulturell eng verwandten Länder Großbritannien, Norwegen und Schweiz: (1) Länder, die auf nationaler Ebene mehrsprachig sind, also jedes Gesetz in mehr als einer Sprache veröffentlichen müssen, und (2) Länder, die auf nationaler Ebene einsprachig sind. Vergleicht man diese beiden Gruppen mit ihren »Noten« auf dem Global Peace Index (GPI), so erzielt die erste Gruppe bessere Resultate für die Jahre 2010 bis 2017. Für die Jahre 2010 bis 2016 zeigt sich zudem, dass die Gruppe mit mehr als einer Amtssprache weniger für militärische Belange ausgegeben hat, gemessen am Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes – solche Ausgaben ließen sich auch als Parameter für nationale Friedfertigkeit heranziehen. In diesem Beitrag jedoch blicken wir nun auf den Zusammenhang von individuellen Fremdsprachenkompetenzen und nationaler Friedfertigkeit
Methodisches
Eine ideale Analyse achtet dabei darauf, dass nur die Variablen »Sprache« und der »friedensbezogene Aspekt« die Ausprägungen wechseln, andere Aspekte hingegen möglichst gleich sind. Die ausgewählten Länder sollten also möglichst dem gleichen »Kulturraum« entstammen – im Sinne von allgemeinen Werten, aber auch der politisch-juristischen Rahmenbedingungen. Betrachtet seien hier daher – gemäß einem der Ansätze in der Eurolinguistik (vgl. z.B. Grzega 2013, S. 3f.) – die Staaten der Europäischen Union. Dies soll nicht leugnen, dass es auch innerhalb der EU Unterschiede gibt (immerhin lautet das EU-Motto »In Vielfalt geeint«); doch die EU-Verträge liefern zumindest gewisse Bekenntnisse und Rahmenbedingungen, die für das Thema Friedfertigkeit eine grobe Zusammenfassung als Gruppe zu erlauben scheinen.
Welche sprachbezogenen Kennzahlen bieten sich an? Zur Feststellung der Anzahl von Fremdsprachen, die in einem Staat von den Menschen für ein Gespräch beherrscht werden, werden die Erhebungen von Eurostat (o.J.) herangezogen, d.h. der statistischen Datenbank der Europäischen Kommission. Zur Feststellung der Kenntnisse einzelner Fremdsprachen konkret lässt sich jedoch nur auf eine 2012 durchgeführte Umfrage im Auftrag der Europäischen Union zurückgreifen, die unter der Nummerierung Spezial-Eurobarometer 386 und dem Titel »Die europäischen Bürger und ihre Sprachen« zu finden ist (vgl. Eurobarometer 2012); sie wird ergänzend einbezogen.
Als Maß für Friedfertigkeit kann der schon erwähnte Global Peace Index herangezogen werden (vgl. Institute for Economics and Peace o.J.). In diesen Index fließen verschiedene Kriterien ein. Objektive Kriterien sind beispielsweise die Anzahl der geführten Kriege im In- und Ausland, die finanzielle Beteiligung an UN-Einsätzen, die Anzahl der Morde, die Anzahl der importierten und exportierten konventionellen Waffen, die Anzahl der inhaftierten Personen, die Anzahl der Bediensteten der Polizei und der staatlichen Sicherheitsorgane, der Umfang der Armee sowie die militärischen Ausgaben in Prozent des Bruttoinlandsproduktes; daneben finden sich auf Fachmeinung beruhende subjektive Kriterien, wie etwa die geschätzte Anzahl der Kriegstoten, der Grad des Misstrauens in Mitmenschen, der Grad der politischen Instabilität, das Ausmaß von Terroranschlägen, die Möglichkeit von gewalttätigen Demonstrationen sowie politischer Terror im Sinne der Verletzung von Menschenrechten. Am Ende wird daraus der Grad der Friedfertigkeit rechnerisch bestimmt, wobei der Wert 1,000 für das beste Ausmaß von Friedfertigkeit stehen soll und höhere Werte geringere Friedfertigkeit darstellen. Da die Daten zu den allgemeinen Fremdsprachenkenntnissen 2016-2018 erhoben wurden, seien für diese Analyse die GPI-Werte für 2016-2018 herangezogen.
Dazu können speziell die militärischen Ausgaben in Prozent des Bruttoinlandsproduktes herangezogen werden, wie sie vom Stockholm International Peace Research Institute veröffentlicht werden (vgl. SIPRI); diese Zahlen können auch als Ausdruck von Friedfertigkeit interpretiert werden.
Des Weiteren eignen sich zum Vergleich einige Ergebnisse zum Fragebogen des World Values Survey der Periode 2017-2020 (vgl. WVS o.J.). Besonders interessant scheinen die Zustimmungswerte zu Aussage 21 „Ich hätte gerne keine Immigranten oder ausländische Arbeiter als Nachbarn“, Aussage 63 „Ich vertraue Menschen anderer Nationalität völlig oder einigermaßen“ und Aussage 259 „Ich fühle mich der Welt sehr nah oder nah“. Es sind Fragen der Toleranz und der Empathie; wenn diese weit verbreitet sind, dürfte dies ein Ausdruck von großer Friedfertigkeit einer Bevölkerung sein.
Der Haltung der EU-Länder auf politischer und individueller Ebene gegenüber Russland kommt für die zukünftige Friedenslage zentrale Bedeutung zu.1 Daher seien Teil-Resultate einer weiteren Umfrage aus der Eurobarometer-Reihe der EU hinzugezogen: Sie trägt den Titel »Zukunft Europas« und wurde als Spezial-Eurobarometer 451 im Oktober 2016 durchgeführt (vgl. Eurobarometer 2016). In Frage QB8.6 sollen die Interviewten beantworten, ob sie ein positives oder negatives Bild von Russland hätten (Ebd., S. 79). Frühere Erhebungen zu dieser Frage gibt es nicht. Im darauffolgenden Jahr war die Frage im Spezial-Eurobarometer 467 als Frage QC5.6 wieder vertreten (vgl. Eurobarometer 2017). Diese Fragen enthalten beide Bewertungsadjektive, „Haben Sie ein positives oder negatives Bild von Russland?“, und sind daher frei von einem häufigen Problem, das für die Eurobarometer-Reihe beschrieben worden ist (vgl. z.B. Höpner/Jurczyk 2012).
Bezüglich der statistischen Analyse zur Bestimmung von Korrelationen wurde in dieser Analyse der Spearman’sche Rangkorrelationskoeffizient (rho bzw. rs) verwendet. Er wird statt der Pearson-Korrelation verwendet, da einige Zahlenreihen gemäß eines Shapiro-Wilk-Tests nicht normal verteilt sind. In diesem Verfahren fallen die Ergebnisse mit Werten zwischen -1 und +1 aus. Je näher der Wert an -1 ist, desto größer ist eine negative Korrelation im Sinne von „Je mehr Punkte bei A, desto weniger Punkte bei B“; je näher der Wert an +1 ist, desto größer ist eine positive Korrelation im Sinne von „Je mehr Punkte bei A, desto mehr Punkte bei B“. Werte geringer als ±0,20 sind dabei vernachlässigbar; als signifikant soll, wie üblich, ein dazugehöriger p-Wert von unter 0,05 gelten (vgl. Cohen 1988, Ellis 2010).
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Korrelationen sind in Tabelle 1 dargestellt.
Blicken wir zunächst auf die Antworten aus dem World Values Survey für 2017-2020 (Tabelle 1, Zeilen WVS, Zeilen mit signifikanten Werten sind unterstrichen). Das Ausmaß der Fremdsprachenkenntnisse 2016-2018 hängt offenbar nicht mit der Haltung gegenüber ausländischen Personen als Nachbarn oder mit dem Vertrauen in ausländische Personen zusammen (alle Werte dieser Korrelationen sind nicht signifikant). Erstaunlicherweise zeigt sich jedoch: je größer die Verbreitung von Kenntnissen in zwei oder mehr Fremdsprachen ist, desto weniger verbreitet ist ein starkes Gefühl der Nähe zur Welt. Umgekehrt gilt interessanterweise auch: je weniger Fremdsprachenkenntnisse verbreitet sind, desto mehr gibt es ein Gefühl der Nähe zur Welt (0 Sprachen: rho=+0,47; p=0,0232; 2+ Sprachen: rho=-0,46, p=0,0270; 3+ Sprachen: rho=-0,50, p=0,0147).
Widmen wir uns nun den Werten des Global Peace Index (Tabelle 1, Zeilen GPI2016-2018, Zeilen mit signifikanten Werten sind unterstrichen). Betrachtet man jeweils den Prozentsatz derjenigen in einem Land, die keine, eine oder zwei Fremdsprachen gesprächsfähig beherrschen, so zeigen sich in Verbindung mit den GPI-Werten keine signifikanten Korrelationen. Wohl aber ergeben sich bedeutsame Zusammenhänge beim Prozentsatz von Menschen, die in mindestens drei Fremdsprachen an Gesprächen teilnehmen können. Hier lässt sich als Ergebnis festhalten: Je höher der Anteil von Personen mit mindestens drei Fremdsprachen, desto niedriger/besser der Wert auf dem Global Peace Index (2016: rho=0,44, p=0,0236; 2017: rho=0,38, p=0,0117).
Konzentriert man sich auf die militärischen Ausgaben (gemessen in Prozent am Bruttoinlandsprodukt), wie sie von SIPRI festgehalten werden, bestätigt sich dieses Bild (Tabelle 1, Zeilen SIPRI2016-2018, Zeilen mit signifikanten Werten sind unterstrichen): Je mehr Menschen in einem Land mindestens drei Fremdsprachen sprechen, desto geringere staatliche Militärausgaben gibt es (2016: rho=0,43, p=0,0232; 2017: rho=0,36, p=0,0134; 2018: rho0,45, p=0,0176).
Betrachtet man speziell den Anteil der Personen in einem Staat, die 2012 einem Gespräch in russischer Sprache folgen konnten, und setzt dies in Relation zum Anteil der Personen in einem Staat, die 2016 und 2017 ein positives Russland-Bild hatten (Tabelle 1, Zeilen pos. Russlandbild 2016-2017, signifikante Zeilen sind unterstrichen), so ergibt sich ebenfalls ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang (2016: rho=+0,42, p=0,0091; 2017: rho=+0,61, p=0,0069). Wohlgemerkt handelt es sich wiederum um aggregierte Ausprägungen auf der gesamtstaatlichen Ebene; die zur Sprachkompetenz befragten Individuen sind nicht dieselben wie die zum Russland-Bild befragten.
rho |
p (2-seitig) |
N |
|
WVS: Ausländer ungern als Nachbar! |
|||
0 Frspr. |
+0,18 |
0,4098 |
23 |
1 Frspr. |
-0,02 |
0,9442 |
23 |
2 Frspr. |
-0,17 |
0,4394 |
23 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,21 |
0,3246 |
23 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,22 |
0,3086 |
23 |
WVS: Vertrauen in Ausländer! |
|||
0 Frspr. |
-0,17 |
0,4283 |
23 |
1 Frspr. |
-0,21 |
0,3289 |
23 |
2 Frspr. |
-0,25 |
0,2596 |
23 |
3 oder mehr Frspr. |
+0,34 |
0,1175 |
23 |
2 oder mehr Frspr. |
+0,30 |
0,1692 |
23 |
WVS: Gefühl der Nähe zur Welt! |
|||
0 Frspr. |
+0,47 |
0,0232 |
23 |
1 Frspr. |
-0,18 |
0,4220 |
23 |
2 Frspr. |
+0,44 |
0,0321 |
23 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,50 |
0,0147 |
23 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,46 |
0,0270 |
23 |
GPI 2016 |
|||
0 Frspr. |
+0,19 |
0,3496 |
26 |
1 Frspr. |
+0,15 |
0,4704 |
26 |
2 Frspr. |
-0,24 |
0,2334 |
26 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,44 |
0,0236 |
26 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,34 |
0,0916 |
26 |
GPI 2017 |
|||
0 Frspr. |
+0,11 |
0,6039 |
26 |
1 Frspr. |
+0,19 |
0,3399 |
26 |
2 Frspr. |
-0,18 |
0,3857 |
26 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,38 |
0,0555 |
26 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,26 |
0,2076 |
26 |
GPI 2018 |
|||
0 Frspr. |
+0,23 |
0,2410 |
26 |
1 Frspr. |
+0,22 |
0,2774 |
26 |
2 Frspr. |
-0,28 |
0,1611 |
26 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,49 |
0,0117 |
26 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,37 |
0,0609 |
26 |
SIPRI 2016 |
|||
0 Frspr. |
+0,25 |
0,1971 |
28 |
1 Frspr. |
+0,17 |
0,3771 |
28 |
2 Frspr. |
-0,24 |
0,2237 |
28 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,43 |
0,0232 |
28 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,33 |
0,0879 |
28 |
SIPRI 2017 |
|||
0 Frspr. |
-0,24 |
0,2240 |
28 |
1 Frspr. |
-0,20 |
0,3182 |
28 |
2 Frspr. |
-0,25 |
0,1988 |
28 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,36 |
0,0134 |
28 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,36 |
0,0627 |
28 |
SIPRI 2018 |
|||
0 Frspr. |
+0,20 |
0,3080 |
28 |
1 Frspr. |
+0,20 |
0,3094 |
28 |
2 Frspr. |
-0,21 |
0,2920 |
28 |
3 oder mehr Frspr. |
-0,45 |
0,0176 |
28 |
2 oder mehr Frspr. |
-0,33 |
0,0846 |
28 |
pos. Russland-Bild 2016 |
|||
Russisch-Kompetenz |
+0,42 |
0,0091 |
27 |
pos. Russland-Bild 2017 |
|||
Russisch-Kompetenz |
+0,61 |
0,0069 |
27 |
Tabelle 1
Zusammenfassung und Ausblick
Es kann festgehalten werden, dass gilt: je höher der Anteil der Bevölkerung, der über Gesprächskompetenzen in mindestens drei Fremdsprachen verfügt, desto eher zeigt ein Land geringere Militärausgaben und – allgemeiner – bessere Werte auf dem Global Peace Index bei gleichzeitig schwächerem Verbundenheitsgefühl der Bevölkerung mit der Welt. Speziell mit Bezug auf Russland ist in einem Land ein positives Russland-Bild umso verbreiteter, je mehr Menschen auf Russisch an einem Gespräch teilnehmen können.
Freilich lässt eine Korrelation noch nicht auf eine Kausalität schließen. Beispielsweise könnte eine weitere Komponente der Auslöser für die Korrelation sein. Dennoch liefert dieses Resultat Hinweise darauf, dass es wert ist, mindestens drei Fremdsprachen auf einem Niveau zu erlernen, das eine Gesprächsteilnahme erlaubt – es könnte der Friedfertigkeit der Welt zuträglich sein.2
Anmerkungen
1) Der Aufsatz wurde ursprünglich im August 2021 erstellt. Er wurde verfasst in der Hoffnung, dass er einen Beitrag dazu leisten kann, dass es nicht zu einer Situation kommt, wie sie sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine nun ergeben hat. Für eine zukünftige Entwicklung Richtung Frieden sollte man aufgrund der hier vorgetragenen Beobachtungen dennoch die mögliche Kraft von Sprachkompetenzen als einen Faktor bedenken. Dabei sollte auch die Kraft von Schlüsselbegriffen verstanden, wie sie etwa Bundeskanzler Willy Brandt für die Beziehung zu Russland (und zu anderen Ländern) erkannt hatte (vgl. etwa Grzega 2021).
2) Hierzu braucht nicht auf eine langwierige politische Entscheidungsfindung für das Schulwesen gewartet zu werden. Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten zu individuellem Sprachenlernen. In Deutschland etwa bieten die Volkshochschulen umfangreiche Sprachangebote. An der VHS Donauwörth gibt es im Rahmen des Projektbereichs »Innovative Europäische Sprachlehre« (InES) einen eintägigen Sieben-Sprachen-Schnupperkurs. Als Türöffner zu weiteren Sprachen werden Ideen für friedensfördernde Gesprächsstrategien eingebaut, die sich dann auch im Unterricht weiterer Sprachen widerspiegeln sollen. Alle genannten Konzepte richten sich auch an Personen ohne besonderes Sprachtalent.
Literatur
Cohen, J. (1988): Statistical power analysis for the behavioral sciences. 2. Aufl. New York: Academic Press.
Eurobarometer (2012): EBS386. Die europäischen Bürger und ihre Sprachen. Bericht, Juni 2012.
Eurobarometer (2016): EBS451. Die Zukunft Europas. Bericht, Dezember 2016.
Eurobarometer (2017): EBS467. Die Zukunft Europas. Bericht, November 2017.
Ellis, P. (2010): The essential guide to effect sizes: Statistical power, meta-analysis, and the interpretation of research results. Cambridge: Cambridge University Press.
Eurostat (o.J.). Online Data Code EDAT_AES_L21: Number of foreign languages known (self-reported) by sex. Datenbank.
Friedrich, P. (2007): Language, negotiation and peace: The use of English in conflict resolution. New York: Continuum.
Institute for Economics and Peace (o.J.): Global Peace Index (GPI) Websit. URL: visionofhumanity.org.
Grzega, J. (2012): Europas Sprachen und Kulturen im Wandel der Zeit: Eine Entdeckungsreise. Tübingen: Stauffenburg.
Grzega, J. (2013): Studies in Europragmatics: Some theoretical foundations and practical implications. Wiesbaden: Harrassowitz.
Grzega, J. (2019): Wort-Waffen abschaffen! Beobachtungen zu Europas gewaltvoller Wortwahl und Ideen für eine friedensstiftende Sprache. Berlin: epubli.
Grzega, J. (2021): Eurolinguistischer Blick auf Willy Brandt – Frieden fördern durch Überwindung rhetorischer Grenzen. In: Roczniki Humanistyczne 69 (5), S. 167-180.
Höpner, M.; Jurczyk, B. (2012): Kritik des Eurobarometers: Über die Verwischung der Grenze zwischen seriöser Demoskopie und interessengeleiteter Propaganda. In: Leviathan 40 (3), S. 326-349.
Keysar, B.; Hayakawa, S.; An, S. G. (2012): The foreign-language effect: Thinking in a foreign tongue reduces decision biases. In: Psychological Sciences 23, S. 661-668.
Kroff, A. Y. (1943): Education for the peace through the foreign languages. In: The Modern Language Journal 27(4), S. 236-239.
Marti, F. (1996): Language education for world peace. In: Global Issues in Language Education 25, S. 16-17.
Oxford, R. L.; Olivero, M. M; Harrison, M.; Gregersen, T. (Hg.) (2020): Peacebuuilding in language education: Innovations in theory and practice. Bristol: Multilingual Matters.
Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) (o.J.): Military Expenditure Database. sipri.org/databases/milex.
World Values Survey (WVS) (o.J.): Online Data Analysis. Wave 2017-2020. worldvaluessurvey.org/WVSOnline.jsp
Dr. Joachim Grzega ist Leiter des Bereichs »Innovative Europäische Sprachlehre (InES)« an der Volkshochschule Donauwörth und außerplanmäßiger Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Eichstätt-Ingolstadt.