Migration and Displacement in Sub-Saharan Africa
The Security – Migration Nexus II
von Clara Fischer
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung übersteigt in Afrika südlich der Sahara die Süd-Süd Migration die Süd-Nord Migration um ein erhebliches Maß. Über 2/3 aller Migrantinnen und Migranten aus Ländern südlich der Sahara migrieren innerhalb der Region. Unfreiwillige Migration macht dabei einen großen Anteil der Bevölkerungsbewegungen aus. Etwa 20 Prozent der weltweiten Flüchtlingsbevölkerung (ca. 2,3 Millionen; UNHCR, 2008) und etwa die Hälfte der weltweit 25 Millionen Binnenvertriebenen (IDPs) (12,7 Mio; IDMC, 2007) leben in Afrika. Neben Flüchtlingen und Binnenvertriebenen aufgrund von Konflikten gelten zunehmend auch durch Umweltkatastrophen, Umweltzerstörung und Entwicklungsprojekte Vertriebene als unfreiwillige Migrantinnen und Migranten.
Am 13. und 14. Februar 2009 führte das Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC) in Bonn eine internationale Konferenz »Migration and Displacement in Sub-Saharan Africa. The Security – Migration Nexus II« durch. Die Veranstaltung fand im Haus der Deutschen Welle statt und wurde unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Rund 150 Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft waren der Einladung des BICC gefolgt und diskutierten Ursachen und Erscheinungsformen der Süd-Süd-Migration in Afrika. Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz, die von Dr. Doris Witteler-Stiepelmann, BMZ, Winfried Mengelkamp, MGFFI (Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen), und Peter J. Croll, BICC, eröffnet wurde, gehörten u.a. prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, relevanten Ministerien und afrikanischen Regionalorganisationen sowie lokalen und internationalen humanitären Organisationen.
Der erste Konferenztag hatte einen wissenschaftlich-analytischen Fokus und befasste sich primär mit Ursachen und unterschiedlichen Formen unfreiwilliger Migration in Afrika südlich der Sahara sowie mit den sozialen und politischen Auswirkungen auf betroffenen Länder der Region. Die Abgrenzung von freiwilliger und unfreiwilliger Migration – sei es innerhalb eines Staates oder grenzüberschreitend – ist vor allem aufgrund der Komplexität von Migrationsursachen schwierig und die Anwendung wissenschaftlicher Konzepte in der Praxis nicht immer sinnvoll. In seinem Impulsreferat betonte Dr. John Oucho (Universität von Warwick, Coventry), dass es sich bei beiden Phänomenen weniger um einen Gegensatz denn um ein Kontinuum handele.
Dr. Wim Naudé (UNU-WIDER, Helsinki) präsentierte seine Forschungsergebnisse zu den Ursachen internationaler Migration in Afrika südlich der Sahara. Demnach stellen Konflikte den wichtigsten Faktor, der zur Entstehung von Flüchtlingsströmen führt, dar. Umweltfaktoren können auch, insofern sie die Wahrscheinlichkeit für das Ausbrechen von Konflikten erhöhen und das wirtschaftliche Wachstum der betroffenen Staaten behindern, eine indirekte Ursache für internationale Migration darstellen. Dr. Koko Warner (UNU-EHS, Bonn) widmete sich in ihrem Vortrag insbesondere dem Zusammenhang zwischen Umweltveränderungen und Migration in Westafrika.
Darüber hinaus diskutierte die Konferenz humanitäre, legale und soziale Konsequenzen von unfreiwilliger Migration auf die betroffenen Menschen sowie die Auswirkungen unfreiwilliger Zu- und Abwanderung, Umsiedlung und Rückkehr auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen der Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer. Joseph Chilengi (Africa IDP Voice, Lusaka) ging in seinem Vortrag auf die soziale Vulnerabilität von Flüchtlingen und IDPs ein. Nuur Mohamud Sheekh vom Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) in Genf konzentrierte sich auf die Situation und die besonderen Bedürfnisse von Binnenvertriebenen sowie auf Fortschritte und Hindernisse bei der Implementierung der vor zehn Jahren verabschiedeten »Guiding Principles on Internal Displacement« anhand der Fallbeispiele Somalia und Kenia.
Dr. Sadia Hassanen vom Centre for Research in International Migration and Ethnic Relations (CEIFO), Stockholm, widmete sich in ihrem Vortrag der Rückkehr, Wiederansiedlung und Reintegration eritreischer Flüchtlinge im Sudan. Die von Andrea Warnecke (BICC) moderierte Podiumsdiskussion zum Nexus zwischen Migration und Sicherheit hatte die Auswirkungen unfreiwilliger Migration auf die betroffenen Menschen und die Aufnahmegemeinschaften von Flüchtlingen unter dem besonderen Aspekt der menschlichen Sicherheit zum Inhalt.
Am zweiten Konferenztag standen konkrete Handlungsansätze und Instrumente der »Migration Governance« im Mittelpunkt. Dr. Khoti Kamanga (Centre for the Study of Forced Migration (CSFM), University of Dar es Salaam) präsentierte zusammenfassend die am ersten Tag diskutierten Ansätze und die sich daraus ergebenden Herausforderungen an Politik, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen. Dr. Loren B. Landau (Universität von Witwatersrand, Johannesburg) hielt ein Impulsreferat zur politischen Agenda und hinterfragte kritisch die Rolle der internationalen Akteure. Anschließend diskutierten Vertreterinnen und Vertreter nationaler Regierungen und Regionalorganisationen auf dem von Dimitria Clayton (MGFFI) moderierten Podium konkrete Instrumente und Handlungsansätze auf nationaler und regionaler Ebene. Busisiwe J. Mkhwebane-Tshehla (South African Department of Home Affairs, Pretoria) erläuterte unter anderem die in der Republik Südafrika entwickelte Integrationsstrategie für Flüchtlinge. Veronica Eragu Bichetero, ehemaliges Mitglied der Menschenrechtskommission in Uganda (UHRC, Kampala) stellte die Lage von Flüchtlingen und IDPs in Uganda sowie die ugandische Gesetzgebung zu Flüchtlingen und IDPs vor. Dr. Anthony Barclay (Economic Community Of West African States (ECOWAS), Abuja) diskutierte die Ansätze, die ECOWAS als Regionalorganisation zur Begegnung von Flüchtlingsaufkommen in der Region entwickelt hat. Dr. Kamel Esseghairi (African Mediterranean Institute of Peace and Sustainable Development, Bardo) sowie Mehari Taddele Maru (Afrikanische Union, Addis Ababa) stellten Initiativen der Afrikanischen Union, Flucht und Vertreibung zu begegnen, vor.
Schließlich sprachen auf einem Podium zur Rolle von Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen Steven Corliss (UNHCR, Genf), Anne Zeidan, International Committee of the Red Cross (ICRC), Genf), Lisbeth Pilegaard (Norwegian Refugee Council (NRC), Oslo), Sicel’mpilo Shange-Buthane (Consortium for Refugees and Migrants in South Africa (CoRMSA), Johannesburg), Charles A. Kwenin (International Organization for Migration (IOM), Addis Ababa) sowie als Vertreterin der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Claudia Bürkin (KfW Entwicklungsbank, Frankfurt a.M.) über unterschiedliche Perspektiven und komplementäre Ansätze im Bereich Flucht und Vertreibung in Subsahara-Afrika. Betont wurde insbesondere die Notwendigkeit des »burden-sharing« zwischen Aufnahmeländern von Flüchtlingen und der internationalen Gemeinschaft.
Eine Zusammenfassung der während der Konferenz erarbeiteten Empfehlungen und einen Ausblick gab Baffour Amoa vom West African Action Network on Small Arms (WAANSA), Accra. Er rief dazu auf, die Forschung zu Migration in Afrika voranzutreiben sowie Forschung und Politik enger zu verknüpfen. Von großer Dringlichkeit sei es, die Datenlage zu Flucht und Vertreibung in Afrika sowie den Daten- und Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Akteuren zu verbessern. Er betonte zudem, dass unfreiwillige Migration ein Phänomen sei, das eines interdisziplinären Ansatzes und der Einbeziehung aller beteiligten Akteure, einschließlich der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen selbst, bedürfe. Unfreiwillige Migration sei vor allem ein Menschenrechtsthema, für das primär die betroffenen Staaten Verantwortung tragen müssten. Die Konferenz regte zudem ein Umdenken in der Entwicklungszusammenarbeit an. Prävention und die Bearbeitung der Fluchtursachen müssten mehr in den Fokus der internationalen Gemeinschaft rücken und das Thema Migration zum festen Bestandteil der Entwicklungspolitik werden.
In seinem Schlusswort kündigte BICC Direktor Peter Croll an, die Konferenz zum Ausgangspunkt für die Etablierung eines Netzwerkes von Wissenschaftlern und Praktikern zur Förderung von Austausch und Kooperation im Bereich Migration und Vertreibung zu machen. BICC plant zudem weitere Workshops im Themenfeld Migration und Konflikte sowie eine Folgekonferenz, die 2010 nach Möglichkeit in Afrika stattfinden soll.
Alle Konferenzbeiträge werden in Form eines BICC briefs Anfang Mai 2009 veröffentlicht.
Von Clara Fischer