W&F 1997/4

Militärs an die Ökofront?

Umweltpolizist USA

von Jürgen Scheffran

Nur wenige Wochen vor dem Klimagipfel in Kyoto trat US-Präsident Bill Clinton mit einer Erklärung vor die internationale Öffentlichkeit, die das Klimaregime ernsthaft gefährdete. Am 23. Oktober 1997 kündigte er an, die USA würden ihre klimaschädigenden Treibhausgasemissionen erst zwischen 2008 und 2012 auf das Niveau von 1990 zurückfahren (Frankfurter Rundschau 24.10.97). Kurz zuvor hatte das Energieministerium bekanntgegeben, daß der Ausstoß von Treibhausgasen in den USA 1996 um 3,4 % zugenommen habe, der höchste Zuwachs seit Jahren (FR 21.10. 97). Als größter CO2-Emittent der Welt, der rund ein Viertel aller Treibhausgase produziert, geben die USA ein schlechtes Vorbild für alle jene, die den auf Energieverschwendung gegründeten American Way of Life kopieren wollen. Dazu paßt auch, daß Clinton nur eine Woche später, anläßlich des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten Jiang Zemin, den Export von Kernenergietechnologie der USA nach China als Beitrag der USA zum Klimaschutz ausgab. Angesichts einer wachstumsorientierten Politik, die zukünftigen Generationen globale Erwärmung und radioaktiven Abfall beschert, rückt das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in der Energiepolitik in weite Ferne.

Offensichtlich läßt sich die Führungselite der USA von den Szenarien einer Klimakatastrophe und anderen in der Zukunft liegenden Umweltgefahren nicht dazu bewegen, schon heute den dringend erforderlichen ökologischen Umbau der Volkswirtschaft zu forcieren und dazu den Konflikt mit mächtigen Interessengruppen zu riskieren. Lobbyisten warnen, eine deutliche Emissionssenkung sei eine Katastrophe für die amerikanische Wirtschaft (Greenpeace Magazin 1997). Ökonomen rechnen aus, es sei für die USA billiger, die globale Erwärmung »auszuschwitzen«, als sie zu verhindern.1 Wenn sie denn kommen sollte, wird auf Feuerwehr, Polizei und Militär vertraut. Deren Aufgabe: Helfen, Retten, Bergen, Schützen, Strafen.

Umweltbedrohung als militärische Aufgabe

Es ist daher nicht verwunderlich, daß sich in der Umwelt- und Klimadebatte seit einigen Jahren eine Institution zu Wort meldet, die auf die Abwehr von Bedrohungen trainiert ist: das Militär. Seit Ende des Kalten Krieges auf der Suche nach neuen Bedrohungen zur Rechtfertigung seiner Existenz hat das Verteidigungsministerium (DoD: Department of Defense) der USA begonnen, die Umweltzerstörung und daraus folgende Konflikte für eigene Ziele zu instrumentalisieren. Angeknüpft wird an das in der Umwelt- und Friedensforschung diskutierte Konzept der ökologischen Sicherheit, mit dem der bislang militärisch dominierte Sicherheitsbegriff um die Umweltdimension erweitert werden sollte (Brock 1994 und Daase 1993). Hinzu kommt die Forschung über Umweltkonflikte, bei denen Umweltzerstörung ein wesentlicher konfliktauslösender oder -verschärfender Faktor ist (Bächler u.a. 1996). Einer ihrer entschiedensten Vordenker und Verfechter in Nordamerika, Thomas Homer-Dixon von der Universität Toronto, hat in der Clinton-Administration Gehör gefunden.

Aus militärischer Perspektive steht jedoch weniger das Anliegen im Vordergrund, Umweltzerstörung und -konflikten vorzubeugen (etwa durch nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung), als vielmehr dort einzugreifen, wo es bereits brennt. Auf der Suche nach neuen Aufgaben bietet sich das Militär selbst zur Lösung von ökologischen Krisen und deren Folgen an, als Garant der erweiterten Sicherheit. Wurde unter dem Schlagwort der ökonomischen Sicherheit die Sicherung des Zugangs zu strategischen Ressourcen und Rohstoffen forciert, betrifft ökologische Sicherheit nun die militärische Sicherung der ökologischen Qualität und des Zugangs zu erneuerbaren natürlichen Ressourcen.

Demnach wird Umweltdegradation in der US-Regierung vorwiegend als Bedrohung von Sicherheitsinteressen interpretiert. So sagte US-Senator Sam Nunn bereits im Juni 1990 in einer Rede vor dem Senat, daß „in einem sehr realen Sinne ökologische Zerstörungen die Sicherheit unserer Nation und die Sicherheit der Welt bedrohen.“ In seinem 1991 erschienenen Buch »Beyond the Soviet Threat« läßt sich der Autor James Motley gar zu der Prognose hinreißen: „Während der neunziger Jahre wird die Umwelt zu einem Hauptthema US-amerikanischer nationaler Sicherheit werden. (…) Umweltfragen werden zusehends politischeren Charakter bekommen, weil sie mit dem nationalen Überleben verbunden sind (…) [Die Umweltfrage] stellt Nation gegen Nation, und zwar aus dem grundlegendsten aller Gründe: Der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse.“ (Bächler u.a. 1993: 80f)

Das Sicherheitsproblem für die USA besteht in der neuen Ära nicht mehr in der Existenz eines scheinbar übermächtigen und allgegenwärtigen Feindes, sondern darin, daß in dem diffusen Gefahrenspektrum der Zukunft ein konkreter Feind, gegen den vorgegangen werden könnte, nicht mehr auszumachen ist. „Die tatsächliche Bedrohung ist das Unbekannte, das Ungewisse.“ (Colin S. Powell) Zu den Umweltbedrohungen der Sicherheit gehört die potentielle Beeinträchtigung der Verfügbarkeit „vitaler Ressourcen“, auf die die USA weiterhin Zugriff haben wollen. Desweiteren können umweltinduzierte gewalttätige Konflikte die Stabilität in Regionen untergraben, die zum Interessenbereich der USA gehören. Schließlich wird befürchtet, daß Flüchtlinge und Migranten aus ökologisch zerstörten Regionen der Dritten Welt versuchen könnten, unerlaubt in die USA einzuwandern (Bächler 1993: 81).

Gegen die neue Unübersichtlichkeit der weltpolitischen Lage und damit verbundene unkalkulierbare Sicherheitsrisiken wird eine breite Palette militärischer Vorsorgemaßnahmen für die Bewältigung verschiedener Eventualfälle bereit gehalten. Das Spektrum möglicher Antworten auf die neuen Bedrohungen, die vorwiegend im Süden geortet werden, reicht von humanitärer Hilfe für Katastrophenopfer und Flüchtlinge über Grenzbefestigungen bis zu neuen Rüstungsprogrammen, speziellen Einsatztruppen und Militärinterventionen.

Wie weit Ressourcen aus dem militärischen Bereich für die Nutzung im zivilen Umwelt- und Katastrophenschutz konvertiert werden könnten, wurde in einer UNO-Studie aus dem Jahr 1991 untersucht (Disarment Study 1993). Unabhängig davon, wie sinnvoll die Einsatzmöglichkeiten sind, scheint das Militär wenig geneigt, die Verfügbarkeit seiner Ressourcen an zivile Stellen abzutreten. Die neuen Aufgaben möchte es lieber selbst übernehmen.

Institutionalisierung von Umweltsicherheit

Zunächst stand in den USA die Nutzung militärischer Ressourcen für den Umweltschutz im Vordergrund der Diskussion. So schlug Sam Nunn in seiner Rede 1990 vor, „einige der Ressourcen des Verteidigungsestablishments zu nutzen, … um den massiven Umweltproblemen zu begegnen, denen unsere Nation und die Welt heute ausgesetzt sind.“ Um dies zu erreichen, wurde eine konzertierte Aktion mehrerer Regierungsinstitutionen ins Leben gerufen, das Strategic Environmental Research and Development Program, mit dessen Etablierung ein Rat für verteidigungsorientierte Umweltforschung beauftragt wurde. In die gleiche Richtung ging die vom damaligen Senator Al Gore 1991 vorgeschlagene Environmental Task Force, die Daten von Satelliten und anderen Aufklärungsmitteln der Geheimdienste der Umweltforschung zur Verfügung stellen sollte.2

Der Durchbruch für das Konzept der Umweltsicherheit kam im Jahr 1996. Die Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA durch globale Probleme durchzieht die im Januar 1996 vorgestellte nationale Sicherheitsstrategie der USA. Darin heißt es: „Amerikas Sicherheitsgebote haben sich fundamental verändert. (…) Die Gefahren, denen wir heute entgegensehen sind vielfältiger (…). Eine Reihe transnationaler Probleme, die einst weit entfernt schienen wie Umweltdegradation, Erschöpfung natürlicher Ressourcen, rapides Bevölkerungswachstum und Flüchtlingsströme, stellen nun Bedrohungen unseres Wohlstands dar und haben Implikationen sowohl für die gegenwärtige wie auch die langfristige amerikanische Sicherheitspolitik.“ (S.1)

Im einzelnen heißt es: „Der wachsende Wettbewerb um schwindende Reserven an nichtkontaminierter Luft, fruchtbarem Land, Fischbeständen und anderen Nahrungsquellen sowie Wasser, die einstmals als »freie« Güter galten, ist bereits ein sehr reales Risiko für die regionale Stabilität rund um die Welt. Die Spannweite der Umweltrisiken, die die internationale Stabilität ernsthaft beeinträchtigen, erstreckt sich auch auf die massenhafte Flucht der Bevölkerung vor menschgemachten oder natürlichen Katastrophen wie der ostafrikanischen Dürre oder Tschernobyl und auf die tiefgreifende Schädigung von Ökosystemen durch Industrieverschmutzung, Entwaldung, den Verlust der Biodiversität, den Ozonabbau, die Wüstenbildung, die Verschmutzung der Ozeane und, letztlich, auf Klimaveränderungen. Strategien zur Bewältigung von Umweltproblemen dieser Größenordnung werden Partnerschaften zwischen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen notwendig machen, die Kooperation zwischen Nationen.“ Auch die Streitkräfte könnten hierzu einen Beitrag leisten, indem sie „Nahrung, Schutz, medizinische Versorgung und Sicherheit all jenen in Not“ zukommen ließen, besonders den „Opfern von Überschwemmungen, Stürmen, Düren und anderen humanitären Katastrophen“ (S. 17). Von besonderer Bedeutung seien die technischen Aufklärungskapazitäten, die rasche Information über Katastrophen übermitteln könnten.

Zur Duchsetzung der neuen Sicherheitsstrategie schlug der damalige US-Verteidigungsminister William Perry im Mai 1996 das Pentagon-Konzept der »präventiven Verteidigung« vor: „Präventive Verteidigung kann als analog zur präventiven Medizin gedacht werden. Präventive Medizin schafft die Bedingungen, die die Gesundheit unterstützen, Krankheiten unwahrscheinlicher und chirurgische Eingriffe unnötig machen. Präventive Verteidigung schafft die Bedingungen, die den Frieden unterstützen, Krieg unwahrscheinlicher machen und Abschreckung unnötig.“ Als Vorbild in punkto Umweltschutz preist Medizinmann Perry das eigene Militär: „In allen Bereichen der Welt teilen die amerikanischen Streitkräfte den Reichtum ihrer Umwelterfahrung mit den Militärs anderer Länder und zeigen ihnen beispielhaft und anschaulich, wie Luft, Land und Wasser in ihren Ländern geschützt und erhalten werden können.“

Wie ernst die Clinton-Administration die Abwehr der Umweltbedrohung nimmt, zeigt sich an der Etablierung einer Unterabteilung für Umweltsicherheit im Verteidigungsministerium. Deren Vorsitzende Sherri Wasserman Goodman beschrieb in einer Konferenz zu Umweltsicherheit an der National Defense University am 8. August 1996 den Zusammenhang zwischen Knappheit natürlicher Ressourcen und Konflikten wie folgt: „Die Umweltknappheit kann mit politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Faktoren so zusammenwirken, daß Instabilität und Konflikt die Folge sind.“

Als Elemente der Umweltsicherheit sieht Gary Vest, Mitarbeiter in der Abteilung für Umweltsicherheit, sechs Aufgaben:

  • umweltverantwortliches Handeln durch militärische Einheiten sicherzustellen, wo auch immer sie seien;
  • angemessenen Zugang zu Land, Luft und Wasser sicherzustellen, um einen Verteidigungsauftrag durchführen zu können;
  • die Kriegführungsausrüstung des DoD zu schützen, (Menschen, Ausrüstung und Anlagen);
  • zu verstehen, wann die Umweltbedingungen zur Instabilität beitragen und wie die Umwelt in den Zusammenhang von Krieg und Frieden hineinpaßt;
  • verteidigungsbezogenene Belange in die Entwicklung nationaler Sicherheit einzubringen;
  • zu untersuchen, wie Verteidigungskomponenten als Instrumente der globalen US-Umweltpolitik dienen können.“ (Zitiert nach Ruff 1997: 83)

Dem DoD wird eine internationale Führerschaft in Fragen des Umweltschutzes zugebilligt, u.a. durch eine Reihe von Kooperationsprojekten. Genannt werden etwa die Implementierung des Montrealer Protokolls, Umweltteams in früheren Staaten des Warschauer Vertrags, eine »Kriegsspiel-Übung« zu den Kosten der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in Rußland, eine trilaterale Umweltinitiative mit Kanada und Australien, eine Ostsee-Initiative, ein militärisches Umwelthandbuch sowie verschiedene NATO-Pilotprojekte zu Umweltfragen.

In entsprechender Weise haben sich auch andere Ministerien der Clinton-Administration zum Thema Umweltsicherheit geäußert oder eigene Initiativen zur Abwehr der Umweltbedohung in die Wege geleitet (eine Darstellung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen; siehe die Dokumente auf der CES Homepage). Um die verschiedenen Anstrengungen zu koordinieren, wurde am 3. Juli 1996 ein »Memorandum of Understanding Concerning Cooperation in Environmental Security« zwischen der Umweltbehörde (Environmental Protection Agency), dem Energieministerium und dem DoD unterzeichnet. Ziel des Memorandums ist die Einrichtung eines breiten Kooperationsrahmens, der auch Verteidigungsaktivitäten und deren Energieversorgung und Abfallbeseitigung umfaßt. Ein zentrale Bedeutung wird Wissenschaft und Technik zugewiesen.

NATO: der größte Umweltschützer der Welt?

Die Beschäftigung mit Umweltproblemen hat auch in der NATO eine lange Tradition. Schon 1969 wurde der NATO-Umweltausschuß (CCMS: Committee on the Challenge of Modern Society) gegründet, in dessen Rahmen ein runder Tisch zu Umweltfragen eingerichtet wurde. In einem Bericht »Das Atlantische Bündnis und die Umweltkrise« aus dem Jahr 1971 heißt es vorausschauend, daß die Umweltkrise „sich letzten Endes als genauso ernst erweisen mag wie die Frage von Krieg und Frieden.'' (Krusewitz 1985: 39, 20 und Bächler 1993: Kap.4.3)

Bislang wurden zahlreiche CCMS-Studien zu den unterschiedlichsten Bereichen des Umweltschutzes durchgeführt. Eine Liste von Pilotstudien des CCMS vom Juni 1996 umfaßt 34 umweltbezogene Themen, von denen aber nur vier als verteidigungsrelevant angesehen werden. Letztere befassen sich vor allem mit grenzüberschreitenden Umweltproblemen durch Militäreinrichtungen und dem Schutz der Zivilbevölkerung vor militärischen Giftstoffen. Daneben wurden und werden eine Reihe von NATO-Forschungsworkshops veranstaltet. Allein für die Monate September bis November 1997 werden im Bereich Umweltsicherheit sechs Workshops nur für Osteuropa aufgelistet, die sich mit Themen befassen wie Biomarker, nachhaltige Bodennutzung, Verschmutzung des Schwarzen Meeres, Risiken radioaktiver Strahlung oder Kontamination militärischer Basen.

In einem von der Berliner Forschungsgruppe Ecologic (Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung) erarbeiteten Zwischenbericht zur NATO/CCMS-Pilotstudie »Umwelt und Sicherheit im internationalen Kontext« werden zwei fundamentale Verbindungen von Umwelt und Sicherheit identifiziert (Carius 1996). Dabei geht es um Probleme der „Umweltdegradation (einschließlich Naturkatastrophen) und der Ressourcenerschöpfung oder -knappheit als Folge militärischer Aktivitäten in Zeiten des Friedens und des Krieges auf der einen Seite und als direkte oder indirekte Quelle von Konflikten auf der anderen Seite.“ (S.56) Ziel der Untersuchung sei es, eine Liste der Umweltprobleme zu bekommen, die zu Sicherheitsbedrohungen werden könnten. Diese seien auch unter dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung bevorzugt anzugehen: „Sicherheit im militärischen Sinne zu erreichen, ist eine Hauptbedingung für den Erfolg jeder Strategie, die auf die Erreichung von Nachhaltigkeit zielt. Dies liegt daran, daß gewalttätige Konflikte und die daraus folgende Zerstörung den Bemühungen um die Realisierung nachhaltiger Entwicklung notwendig widerspricht. Somit ist die Bewältigung von Umweltproblemen, die gewalttätige Konflikte verursachen oder dazu beitragen, selbst schon ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Umgekehrt kann nachhaltige Entwicklung als wesentliche Voraussetzung für Sicherheit angesehen werden, und ihre Realisierung wird die Umweltbedrohungen der Sicherheit vermindern.“(S.57)

Das Für und Wider ökologischer Sicherheit wurde bei einem von Ecologic gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium am 3.und 4. Juli 1997 in Berlin veranstalteten Workshop diskutiert, an dem auch Vertreter mehrerer Regierungsbehörden teilnahmen. Während einige Teilnehmer einen direkten Zusammenhang zwischen Umwelt und Sicherheit in Frage stellten oder eine Einflußnahme des Militärs kritisierten, hielten andere das militärische Eingreifen in Umweltkatastrophen und -konflikten für erforderlich (Sprenger 1997). Besonders offensiv trat Major Volker Quante vom Generalstab der Bundeswehr auf, der unbeeindruckt von der vorgetragenen Kritik die Frage stellte, welche andere Institution als die NATO besser für die Bewältigung zukünftiger Umweltprobleme gerüstet sei.

Bewertung

Zweifellos bestehen Zusammenhänge zwischen Umwelt- und Sicherheitspolitik.3 Daß Umweltzerstörung ein wesentlicher Konfliktfaktor sein kann, kann nicht allein deswegen bestritten werden, weil Militärs es ausnutzen könnten. Es läßt sich auch wenig dagegen einwenden, Militär und Rüstung umweltverträglicher zu machen oder Ressourcen aus dem militärischen Bereich für die Nutzung im zivilen Umweltsektor zu konvertieren, sofern dies unter Kosten-Nutzen-Aspekten sinnvoll ist. Aus ökologischen Gesichtspunkten jedoch eine Rechtfertigung des militärischen Auftrags abzuleiten bedeutet, den »Bock zum Gärtner« zu machen (Vogt 1992).

Die Aufgaben und Instrumente in der Umwelt- und Sicherheitspolitik sind grundverschieden. Daß militärische Streitkräfte und Rüstung eine inhärente Zerstörungsfähigkeit besitzen, weiß jedes Kind. Eine auf Erhaltung, Bewahrung und Vorsorge gerichtete Umweltpolitik ist damit nicht zu erreichen. Militär, Rüstung und Krieg binden und verbrauchen in erheblichem Maße natürliche Ressourcen, sie belasten und zerstören die natürliche und soziale Umwelt in nicht-nachhaltiger Weise (Krusewitz 1985). Auch für die Lösung von Umweltkonflikten ist das Militär wenig geeignet; eher besteht die Gefahr, daß sich die militärisch Stärksten den Zugriff auf die von ihnen beanspruchten Naturressourcen sichern, auf Kosten Schwächerer. Fatal wäre es, wenn mögliche vorbeugende Umweltschutzmaßnahmen im Vertrauen auf militärische Umweltsicherheit unterlassen oder zugunsten militärischer Interessen geopfert würden.

Leider gibt es dafür Anzeichen. So berichtete das Militärblatt »Defense News« im Oktober 1997, vor Clintons eingangs erwähnter Rede, für Vertreter des Verteidigungsestablishments stelle eine umfassendere Klimakonvention eine „ernste Bedrohung der militärischen Trainings- und Kampfbereitschaft“ dar. Die für Umweltsicherheit zuständige Sherri Goodman wird zitiert mit einem Memorandum, demzufolge das Verteidigungsministerium für 73 Prozent des Energieverbrauchs der US-Regierung verantwortlich sei und bereits eine Reduzierung der Emissionen von militärischen Einsätzen um 10 Prozent „inakzeptable Auswirkungen für die nationale Sicherheit habe“. Eine solche Reduzierung würde dazu führen, daß die Armee ihr Panzertraining im Jahr um 328.000 Meilen verringern müßte, der Navy 2.000 Einsatztage weniger zur Verfügung stünden und die Luftwaffe auf 210.000 Flugstunden verzichten müßte (Holzer 1997).

Ganz abgesehen davon, daß eine durch eine Klimakonvention beförderte Abrüstung nicht negativ sein muß, entlarven diese Aussagen das neue Umweltbewußtsein des Pentagon eher als Tarnkappe denn als ernsthaftes Konzept. Wie sonst soll es vereinbar sein, daß eine Abteilung, die zur Abwehr von Umweltbedrohungen gegründet wurde, Abkommen zur Verminderung dieser Bedrohung wiederum als Bedrohung auffaßt? Was von der Umweltrhetorik letztlich übrig bleibt, ist die Erkenntnis, daß das Militär in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgt und nicht die des Umweltschutzes. Militär, Rüstung und Krieg sind dann vor allem eins: Verursacher von Umweltzerstörung.

Literatur

Bächler, G / V. Böge / S. Klötzli / S. Libiszewski / K.R. Spillmann (1996): Kriegsursache Umweltzerstörung – Ökologische Konflikte in der Dritten Welt und Wege ihrer friedlichen Bearbeitung, Band 1, Zürich: Verlag Rüegger.

Bächler, G. / V. Böge / S. Klötzli / S. Libiszewski (1993): Umweltzerstörung: Krieg oder Kooperation?, Münster: agenda Verlag.

Brock, Lothar (1994): Friedensforschung im Zeichen immer neuer Kriege, AFB-Texte 1/94 (auch in: Frankfurter Rundschau, 09.05. 95).

Carius, A. / M. Kemper / S. Oberthür / D. Sprinz (1996): Environment and Security in an International Context, NATO/CCMS Pilot Study, Interim Report, October, in: Environmental Change and Security Project Report, Issue 3, Spring 1997, S. 65-65.

Daase, C. (1993): Ökologische Sicherheit: Konzept oder Leerformel?, in: B. Meyer, C. Wellmann, (Red.) Umweltzerstörung: Kriegsfolge und Kriegsursache.

Disarmament Study (1993): Potential Uses of Military-Related Resources for Protection of the Environment, New York: UN Office for Disarmament Affairs, 1991, abgedruckt in: Disarmament Study Series No.25, 1993.

Greenpeace-Magazin (1997): Sam likes it hot – Warum die USA Weltmeister im Energieverschwenden sind, November-Dezember.

Holzer, R. (1997): Pollution Treaty Poses Threat to U.S. Military, Defense News, Oct. 13-19.

Krusewitz, K. (1985): Umweltkrieg. Militär, Ökologie und Gesellschaft, Königstein/Ts..

Ruff, N. / R. Chamberlain / A. Cousteau (1997): Report on Applying Military and Security Assets to Environmental Problems, in: Environmental Change and Security Report, No.3, Spring 1997, S.82-95.

Scheffran, Jürgen (1992): Panzer gegen die ökologische Krise?, Spektrum der Wissenschaft, Nr.10, S. 128-132.

Sprenger, U. (1997): Gepanzert für die Öko-Schlacht?, Frankfurter Rundschau, 8.7.97.

Vogt, W. (1992): Militär und Umwelt(schutz) oder »Wenn der Bock sich als Gärtner aufspielt«, in: Meyer/Wellmann, S. 150-173.

Anmerkungen

1) So William Nordhaus, der mit Hilfe eines Modells schon die Bush-Administration überzeugen konnte, daß die Vermeidung des Klimawandels teurer sei als der nachträgliche Schutz vor den Folgen. Siehe W.D. Nordhaus, A Scetch of the Economics of the Greenhouse Effect, The American Economic Review, Vol.81, No.2, May 1991, pp. 146-150. Zurück

2) Diese und die im folgenden angesprochenen Zitate und Dokumente finden sich auf der WWW-Homepage des Center for Environmental Security (CES), http://w3.pnl.gov:2080/ces. Einige Dokumente sind auch abgedruckt in den halbjährlich erscheinenden Environmental Change and Security Project Reports des Woodrow Wilson Center sowie im Tagungsband: NATO/CCMS Environmental Security Conference, Preliminary Report, Center for Environmental Security, Pacific Northwest National Laboratory, September 1997. Die Übersetzungen der Zitate stammen vom Autor dieses Beitrags. Zurück

3) Zur Verbindung zwischen Frieden und nachhaltiger Entwicklung siehe die Diskussion in Wissenschaft und Frieden, 3/96. Zurück

Dr. Jürgen Scheffran ist wissenschaftlicher Assistent in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TH Darmstadt.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1997/4 USA, Seite