W&F 1994/3

MOX-Wirtschaft und Proliferationsgefahren

von Christian Küppers • Michael Seiler

Christian Küppers und Michael Seiler veröffentlichten im August diesen Jahres eine Studie*, in der die Hintergründe und Risiken der MOX-Wirtschaft, bestehend aus Wiederaufarbeitung, MOX-Brennelementfertigung und MOX-Einsatz in Reaktoren, untersucht werden. MOX steht für Mischoxyd und ist die Form, in der Plutonium in der zivilen Atomwirtschaft verwendet wird. Die Autoren zeigen auf, daß die MOX-Wirtschaft die Probleme der Entsorgung nicht löst und machen deutlich, welche gesundheitlichen und welche Proliferationsgefahren sich ergeben. Wenn der für die nächsten Jahre geplante massive Ausbau der MOX-Wirtschaft realisiert wird, wird zukünftig die zivile Plutoniumproduktion die Mengen militärischen Plutoniums weit überschreiten. Zur Lösung der Probleme fordern sie, daß die Wiederaufarbeitungsverträge gekündigt werden, daß vorhandenes separiertes Plutonium in eine proliferationssichere endlagerfähige Form gebracht wird, und daß zwischenzeitlich das abgebrannte Plutonium in internationalen Lagern zwischengelagert wird, um es dann durch das gemeinsame Verglasen mit Spaltprodukten endlagerungsfähig zu machen. Im Zusammenhang mit der Debatte um den »öffentlich zugänglichen Plutoniummarkt« und den daraus möglicherweise gebauten Atombomben, wird im folgenden Kapitel 8 (Mox-Wirtschaft und Proliferationsgefahren) auszugsweise abgedruckt. (Die Studie wurde in Auftrag und herausgegeben von den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges/IPPNW)

8.1 Einleitung

Die MOX-Wirtschaft bedingt die Separierung großer Mengen Plutonium aus abgebrannten Brennelementen. Unsepariertes Plutonium ist nur sehr schwer weiterverwendbar – zu zivilen wie zu militärischen Zwecken. Es muß immer von den stark strahlenden Spaltprodukten separiert werden, was nur mit hohem technischen Aufwand funktioniert. Im Unterschied dazu kann separiertes Plutonium mit viel geringerem technischen Aufwand weiterverwendet werden – zu zivilen wie zu militärischen Zwecken. Die Weiterverwendung zu militärischen Zwecken wird mit dem Fachwort »Proliferation« bezeichnet. Neben der Proliferation von waffentauglichem Material spielt auch die Proliferation technologischer Verfahren aus dem Nuklearwaffenbereich und von Personen, die über Insiderkenntnisse verfügen, eine Rolle.

Separiertes Plutonium liegt in der MOX-Wirtschaft in folgenden Stufen vor:

  • nach der Abtrennung in der Wiederaufarbeitungsanlage,
  • bei der Zwischenlagerung bis zur Weiterverarbeitung,
  • in der MOX-Brennelementefabrik,
  • bei der Lagerung von Zwischenprodukten und Schrott,
  • in frischen MOX-Brennelementen bis zu ihrem Einsatz im Reaktor.

In all diesen Stufen kann das Plutonium »umgewidmet« werden zu militärischen Zwecken. Erst der mindestens mehrwöchige Einsatz der MOX-Brennelemente im Reaktor führt zur Neuentstehung von soviel strahlenden Spaltprodukten, daß eine Abtrennung des Plutoniums nur noch mit sehr aufwendigen Techniken möglich ist.

Der Umgang mit separiertem Plutonium ist wegen der Proliferationsgefahr eines der großen Risiken der MOX-Wirtschaft. Die interessierte Industrie versucht dies vor allem mit zwei Argumenten herunterzuspielen:

  • Reaktorplutonium und MOX seien nicht für den militärischen Einsatz geeignet, und
  • die internationalen Kontrollen gegen Abzweigung (Safeguards) könnten auf jeden Fall eine Proliferation verhindern.

Die folgenden Untersuchungen der physikalischen, technischen und politischen Zusammenhänge werden zeigen, daß diese Argumente so nicht zutreffen und deshalb als bloße Schutzbehauptungen einzuordnen sind. In Kapitel 8.2 stellen wir die Funktionsweise einer Atomwaffe dar. Im Kapitel 8.3 wird die Frage der Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium untersucht. Kapitel 8.4 untersucht, wieweit bereits gefertigtes MOX oder MOX-Brennelemente zur militärischen Verwendung genutzt werden können.

(…)

8.2 Funktionsweise von Atomwaffen

Für das Verständnis der Diskussion der Proliferationsgefahren bei MOX, die mit der Waffentauglichkeit von in zivilen Reaktoren produziertem Plutonium verknüpft ist, ist es erforderlich, die Funktionsweise einer Kernwaffe in groben Zügen zu verstehen. Nachfolgend wird daher das Funktionsprinzip dargestellt.

Bei der Kernexplosion in einer Kernwaffe wird innerhalb sehr kurzer Zeit eine große Energie freigesetzt, die bei reinen Spaltungswaffen von der Spaltung einiger Kilogramm Plutonium oder Uran herrührt. Bei einer Fusionswaffe dient die Spaltungswaffe als Zünder für eine Kernverschmelzung mit hoher Energiefreisetzung. Zur Erhöhung der Energieausbeute von Kernwaffen werden durch Zugabe von wenigen Gramm Deuterium-Tritium-Gemisch bei der Zündung zusätzliche Neutronen erzeugt, die das Plutonium oder Uran effektiver spalten (Cochran 1983). Diese »geboosteten« Waffen können kompakter konstruiert werden. Um eine Kernexplosion mit hoher Energiefreisetzung zu erreichen, muß eine Kettenreaktion eingeleitet werden, die nicht abbricht, bevor eine große Ausbeute an Spaltungsenergie stattgefunden hat. Für eine Kettenreaktion ist stets eine hohe Dichte des Spaltstoffs nötig. Die Explosionswirkung der Kettenreaktion treibt aber das Spaltmaterial wieder auseinander, so daß die Reaktion auch wieder zum Erliegen kommt. Bei der Einleitung der Kettenreaktion mit hoher Energiefreisetzung ist daher ein Zustand erforderlich, in dem der Spaltstoff weit »überkritisch« ist. Bis zum Erreichen eines unterkritischen Zustands (aufgrund des »Auseinanderfliegens«) muß eine große Zahl von Spaltungen stattgefunden haben.

Es gibt zwei Methoden, den überkritischen Zustand zu erreichen. Bei der Geschützmethode wird der überkritische Zustand durch Zusammenschießen zweier unterkritischer Spaltstoffmengen in einem Rohr erzielt. Bei der Implosionsmethode entsteht er durch die extrem schnelle Kompaktierung einer Hohlkugel aus Spaltstoff. Der ausreichend überkritische Zustand muß erreicht werden, bevor durch ein zufällig auftretendes Neutron nach Erreichen des kritischen Zustands eine Kettenreaktion eingeleitet wird. Tritt die Kettenreaktion verfrüht ein, so wird von einer Frühzündung gesprochen, bei der nicht die maximale Energiefreisetzung erzielt wird.

Die erforderliche Geschwindigkeit der Kompaktierung hängt daher wesentlich von der Zahl der Neutronen ab, die der verwendete Spaltstoff pro Sekunde aussendet, da diese schon vor dem beabsichtigten Zeitpunkt der Zündung eine Kettenreaktion hervorrufen können (Frühzündung). Die Neutronen rühren im allgemeinen von der spontanen Spaltung von Plutonium- und Uranisotopen her. Ist der Spaltstoff mit Elementen wie Sauerstoff, Fluor, Beryllium oder Aluminium verunreinigt, so werden zusätzliche Neutronen durch Wechselwirkungen der Alphastrahlung mit diesem Material ausgesandt. In der Zahl der ausgesandten Neutronen bestehen sehr große Unterschiede zwischen Uran einerseits und Plutonium verschiedener Isotopenzusammensetzung (siehe Kapitel 8.3). Bei Uran kann wegen der niedrigen Neutronenraten die Geschützmethode benutzt werden, während bei Plutonium die Implosionsmethode angewandt werden muß.

Bei der Implosionsmethode ist die Hohlkugel aus legiertem Plutoniummetall von Sprengstoff umgeben. Der Sprengstoff wird an verschiedenen Stellen seiner Oberfläche zeitgleich gezündet. Durch die Anordnung von Sprengstoffen verschiedener Deflagrationszeiten oder von Hohlräumen bzw. nicht detonierenden Materialien in der Sprengstoffladung wird ein Linseneffekt erzielt, bei dem die Druckwelle überall gleichzeitig die Oberfläche der Plutoniumhohlkugel erreicht. Die Hohlkugel wird komprimiert und die entstehende Vollkugel aus Plutoniummetall wird durch den gewaltigen Druck auf die doppelte Dichte oder mehr zusammengedrückt. Da die mindestens für eine Kettenreaktion erforderliche Masse (»kritische Masse«) bei doppelter Plutoniumdichte nur noch ein Viertel der ursprünglichen beträgt, können schon mit sehr wenigen Kilogramm Plutonium nukleare Sprengsätze konstruiert werden.

Die nukleare Zündung erfolgt bei optimaler Komprimierung – innerhalb einiger Millionstel Sekunden – durch einen elektronisch erzeugten Neutronenstoß. Die ersten Atombomben wurden noch mit einer Quelle gezündet, bei der ein Alphastrahler (z.B. Polonium-210) zur Zündung mit einem leichten Element (z.B. Beryllium) gemischt wird, wobei durch eine Kernreaktion pro Milligramm Polonium-210 12 Millionen Neutronen pro Sekunde erzeugt werden können.

Die Implosionstechnik wurde ab 1943 in den USA im Rahmen des Manhattan-Projekts zum Bau der ersten Atombombe entwickelt. Aber erst als im Sommer 1944 bekannt wurde, daß das Frühzündungsproblem bei Plutonium mit der Geschützmethode nicht gelöst werden kann, wurden große Anstrengungen zur Entwicklung der Implosionstechnik unternommen (Hawkins 1961). Sie führten innerhalb eines Jahres mit dem Trinity-Test zur ersten nuklearen Explosion.

Die Schwierigkeiten, die die Entwicklung des Bombendesigns 1943 bereitete, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, daß die erforderlichen Einzeltechniken heute prinzipiell breite Anwendung auch im zivilen Bereich finden. Dies bezieht sich sowohl auf die erforderlichen Rechenverfahren und -geschwindigkeiten als auch auf die Erzeugung von im Mikrosekundenbereich präzisen Schaltimpulsen als auch auf die Verwendung von Sprengstoffen zum exakten Verformen. Schon eine technisch versierte Gruppe ist heute zum Bau einer wirkungsvollen Atombombe in der Lage (Keeny 1977).

Die größte Schwierigkeit der Konstruktion einer Atomwaffe besteht heute in der Spaltmaterialbeschaffung. Durch eine Plutoniumabtrennung aus abgebrannten Brennelementen und die Verarbeitung des Plutoniums zu MOX-Brennelementen wird der Zugriff auf Plutonium erleichtert. Die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen nimmt daher durch den MOX-Einsatz zu.

8.3 Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium

In Zusammenhang mit der MOX-Wirtschaft spielte die Proliferationsfrage stets eine wichtige Rolle. Proliferationsgefahr besteht dann, wenn mit Plutonium aus zivilen Atomkaftwerken (Reaktorplutonium) Atombomben konstruiert werden können.

Noch heute wird – allerdings nur von interessierter Seite – die Waffentauglichkeit des Reaktorplutoniums bestritten. In Deutschland vertrat vor allem Wolfgang Stoll, als Geschäftsführer der jetzt Siemens gehörenden MOX-Brennelementfabrik Alkem, die These, daß ein Atombombenbau mit Reaktorplutonium nicht möglich ist (z.B. Stoll 1979, Hessischer Landtag 1984). In Belgien wird die Waffentauglichkeit beispielsweise von Synatom und Electrabel bestritten (Verbeek 1993).

Namhafte Experten – die teils zuvor auch selbst an der Entwicklung der Kernwaffen gearbeitet hatten – haben dagegen international schon seit Beginn der siebziger Jahre auf die Waffentauglichkeit des Reaktorplutoniums und die Gefahren, die sich damit aus seiner Handhabung ergeben, hingewiesen (z.B. (Mark 1971), (Taylor 1972), (Willrich 1974)). Dies geschah besonders in den USA, wo unter der Carter-Administration 1977 auch aus Proliferationsgründen alle Pläne und schon laufenden Projekte zu einer MOX-Wirtschaft gestoppt wurden. Der wesentliche Unterschied von Reaktorplutonium gegenüber Waffenplutonium unter dem Gesichtspunkt der Waffentauglichkeit ist seine intensivere Neutronenaussendung, die zu einer größeren Frühzündungswahrscheinlichkeit führt. In Tabelle 8.1 sind die von der Spontanspaltung herrührenden Neutronenemissionsraten von verschiedenen Plutonium- und Uranisotopen sowie von praktisch relevanten Isotopengemischen zusammengestellt.

Aus Tabelle 8.1 wird die relativ geringe Neutronenzahl bei hochangereichertem Uran (etwa 1,9 Neutronen pro Sekunde und Kilogramm) im Vergleich zu Waffenplutonium (bis 112.000 Neutronen pro Sekunde und Kilogramm) deutlich. Daraus resultiert die Ungeeignetheit der Geschützmethode bei einem Kernsprengsatz mit Plutonium.

Reaktorplutonium hat eine größere Neutronenrate als Waffenplutonium. Der Vergleich zeigt, daß bei Reaktorplutonium mit einem Abbrand von 33.000 MWd/tSM die Neutronenrate etwa 5 mal höher ist als bei einer üblicherweise noch als Waffenplutonium bezeichneten Mischung.

Die Frühzündungswahrscheinlichkeit hängt aber nicht alleine von der Neutronenrate ab, sondern auch von der Kompaktierungsgeschwindigkeit bei der Implosion. Durch eine aufwendigere Schießtechnik kann der Nachteil des Reaktorplutoniums daher ausgeglichen werden. In (Kankeleit 1986) und (Kankeleit 1989) sind Berechnungen von Frühzündungswahrscheinlichkeiten unter Variation verschiedener Parameter vorgenommen worden. Die Resultate sind:

  • Wäre für den ersten Plutoniumbombentest im Jahre 1945 (Trinity-Test) Reaktorplutonium mit einem Abbrand von 30.000 MWd/ tSM verwendet worden, so wäre mit 20% Wahrscheinlichkeit eine Energiefreisetzung entsprechend der Zündung von etwa 8000 Tonnen Trinitrotoluol (TNT) erfolgt, mindestens eine Energiefreisetzung entsprechend etwa 400 Tonnen dieses Sprengstoffs. (Auch J. Carson Mark, früher in der Atomwaffenentwicklung in Los Alamos tätig, stellt in (Mark 1990) fest, daß mit dem Trinity-Test-Design Reaktorplutonium beliebig hohen Abbrands eine Energiefreisetzung im Bereich von 1000 Tonnen TNT-Äquivalent erbringen kann.)
  • Bei verdoppelter Kompaktierungsgeschwindigkeit hätte die Wahrscheinlichkeit für die maximale Energieausbeute bereits 50% betragen (Mindestenergiefreisetzung von etwa 1000 Tonnen TNT-Äquivalent), bei vervierfachter Kompaktierungsgeschwindigkeit etwa 83% (Mindestenergiefreisetzung von etwa 4000 Tonnen TNT-Äquivalent).
  • Wird die eingesetzte Plutoniummenge reduziert – z.B. auf 4 kg gegenüber 6,1 kg im Trinity-Test –, so wird die Frühzündungswahrscheinlichkeit sehr gering. Allerdings reduziert sich auch die maximale Energieausbeute auf etwa 120 Tonnen TNT-Äquivalent. Durch Anwendung des Booster-Prinzips ließe sich die Energiefreisetzung aber auf ein Mehrfaches steigern.

Diese Ergebnisse zeigen, daß auch mit Reaktorplutonium Kernwaffen konstruiert werden können, die die Möglichkeiten konventioneller Explosionen weit übertreffen. 8000 Tonnen TNT-Äquivalent entsprechen 160.000 Bomben mit je 50 kg des konventionellen Sprengstoffs TNT. Der Nagasakibombe wird eine Sprengkraft von etwa 20.000 Tonnen TNT-Äquvalent zugeschrieben. Zum Vergleich kann auch der Sprengstoffanschlag auf das World Trade Center in New York herangezogen werden, hier wurden 0,5 Tonnen Sprengstoff eingesetzt.

Neben der höheren Neutronenrate und ihrer Auswirkung auf die Frühzündungswahrscheinlichkeit gibt es bei Reaktorplutonium auch eine erhöhte Wärmeentwicklung durch den Plutonium-238-Anteil. Berechnungen in (Kankeleit 1986) und (Kankeleit 1989) haben aber gezeigt, daß dies durch entsprechendes Design und entsprechende Wahl des konventionellen Sprengstoffs oder auch durch geeignete Wärmeabfuhr ausgeglichen werden kann und somit der Konstruktion einer Kernwaffe mit Reaktorplutonium nicht entgegensteht.

Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Diskussion der Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium ist stets auch die Frage, wer als potentieller Nutzer betrachtet wird und welche Ziele dieser Nutzer mit einer Kernwaffe verfolgt. Für Nichtkernwaffenstaaten ist eine Waffe, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Energie von mehreren 1000 Tonnen TNT-Äquivalent freisetzt, sehr wirkungsvoll. Mit ihr kann beispielsweise ein Stadtzentrum, ein großer Industriekomplex oder ein Führungszentrum völlig zerstört werden. Auch für eine subnationale Gruppe besteht kein zentrales Interesse an einer exakt vorhersagbaren Sprengkraft, solange auf jeden Fall die konventionellen Sprengmöglichkeiten deutlich überschritten werden.

Mit abgezweigtem oder entwendetem Reaktorplutonium kann daher eine wirkungsvolle Atombombe konstruiert werden. Die Möglichkeiten dazu stehen schon einer technisch versierten Gruppe zur Verfügung, wenn das Plutonium beschafft werden kann.

8.4 MOX-Brennelemente als Quelle für Waffenplutonium

Im letzten Kapitel wurde dargestellt, warum Reaktorplutonium physikalisch zur Waffenherstellung geeignet ist. Als Waffenstoff wird das Plutonium vorzugsweise in Form von (legiertem) Plutoniummetall eingesetzt. Von Befürwortern der MOX-Wirtschaft wird deshalb immer wieder behauptet, auch die chemische Form von MOX und die Einbindung in die frischen MOX-Brennelemente verhinderten die Verwendung als Waffenstoff. Prinzipiell wäre aber auch ohne chemische Umwandlung MOX für eine einfache Atomwaffe zu verwenden (Mark 1992).

Tatsächlich bedarf es aber nur weniger Schritte, um vom frischen MOX-Brennelement zum Plutoniummetall zu kommen:

  • In einem ersten Schritt müssen die MOX-Pellets aus dem Brennelement rückgewonnen werden. Die Pellets befinden sich in den Brennstabhüllrohren. Damit muß zunächst das Brennelement so demontiert werden, daß die Brennstäbe einzeln vorliegen. Der einzelne Brennstab muß dann aufgesägt werden, die Pellets können einzeln entnommen werden. Dies sind alles einfache mechanische Tätigkeiten, bei denen der Ausführende lediglich Strahlenbelastungen in ähnlicher Höhe wie ein Beschäftigter einer MOX-Brennelementfabrik erhält.
  • Im zweiten Schritt müssen Uran und Plutonium voneinander getrennt werden. Die MOX-Pellets müssen dazu in Salpetersäure aufgelöst werden, die Lösung muß chemisch behandelt und dann die beiden Materialien mittels Extraktion getrennt werden. Dies sind alles einfache chemische Prozeduren, die in einem halbwegs gut ausgestatteten Labor durchführbar sind.
  • Als letzter Schritt muß die abgetrennte Plutoniumlösung mehrstufig so weiterbehandelt werden, daß das Plutonium als Metall anfällt. Solche Verfahren sind auch für Plutonium allgemein bekannt und können in einem üblichen Labor ausgeführt werden.

Zur quantitativen Veranschaulichung: Aus einem einzigen Standard-MOX-Brennelement für deutsche Druckwasserreaktoren mit 532 kg Schwermetallgehalt können mit den beschriebenen Methoden etwa 27 kg Plutonium abgetrennt werden, das Material für 4 bis 8 Atombomben.

Über lange Jahre hinweg behauptete die MOX-Wirtschaft, dies sei auch deswegen unrealistisch, weil sie keine Erfahrung mit Plutonium in metallischer Form habe. Daß dies offensichtlich kein belastbares Argument ist, hat sich für die Öffentlichkeit erkennbar seit den Diskussionen um den Einsatz sowjetischen bzw. russischen Waffenplutoniums als Ausgangsmaterial für MOX-Brennelemente gezeigt. Plötzlich konnte jeder der MOX-Brennelementhersteller ohne Probleme mit dem metallisch vorliegenden Waffenplutonium umgehen. Gerade die deutsche Firma Siemens hat – trotz ihrer früher immer wieder behaupteten Unkenntnis – im September 1993 einen Rahmenvertrag mit der russischen Regierung über die Zusammenarbeit bei der Behandlung von Waffenplutonium geschlossen.

Literatur

T.B. Cochran, W.M. Arkin, M.M. Hoenig: Nuclear Weapons Databook – Volume I – U.S. Nuclear Forces and Capabilities. Ballinger, Cambridge, MA 1983

D. Hawkins: Manhattan District History. Project Y, Los Alamos Project, Vol. 1, Inception until August 1945. Los Alamos Scientific Labs., LAMS 2532 (Vol. 1), 1961

Hessischer Landtag: 11. Wahlperiode, 6. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Technik, 6. Sitzung des Hauptausschusses 15.6.1984. Wortprotokoll WTA/11/6, HAA/11/6

E. Kankeleit, C. Küppers: Bericht zur Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium. TH Darmstadt, Juli 1986

E. Kankeleit, C. Küppers, U. Imkeller: Bericht zur Waffentauglichkeit von Reaktorplutonium. IANUS-1/1989, TH Darmstadt, Dezember 1989

S.M. Keeny Jr. (Chairma): Nuclear Power Issues and Choices. Report of the Nuclear Energy Policy Study Group, Ford Foundation/MITRE Corporation, Ballinger, Cambridge, MA, 1977

J.C. Mark: Nuclear Weapons Technology. In: B.T. Feld, T. Greenwood, G.W. Ratjens, S. Weinberg (Eds.): Impact of New Technologies on the Arms Race. Pugwash Monograph, MIT Press, Cambridge 1971, S. 133 ff.

J.C. Mark: Reactor-Grade Plutonium`s Explosive Properties. Nuclear Control Institute. Washington, D.C., August 1990

J.C. Mark, Plutonium Workshop, Bonn, 15-16 June 1992

W. Stoll: Papiere vom 12.3.1979 und 2.4.1979. In: Deutsches Atomforum e.V.: Rede-Gegenrede – Schriftliche Darlegungen der Gegenkritiker, Teil 1, Band 6. Bonn, 1979

T.B. Taylor: The Need for a Systems Approach to Preventing Theft of Special Nuclear Materials. In: R.B. Leachman, P. Althoff (Eds.): Preventing uclear Theft – Guidelines for Industry and Government. Praeger Publishers, New York 1972, S. 219

P. Verbeek, P.H. de Vos, P. Massart: Mox – Een wetenschappelijke ondersteuning voor het debat. Brüssel, Mai 1993

M. Willrich, T.b. Taylor: Nuclear Theft – Risks and Safeguards. Ballinger, Cambridge 1974

Neutronenraten verschiedener Isotope und Isotopengemische von Plutonium und Uran

Isotop/Isotopenmischung Zahl durch Spontanspaltung ausgesandter Neutronen (in Neutronen pro Sekunde und kg)
Plutonium-238 3.400.000
Plutonium-239 30
Plutonium-240 1.600.000
Plutonium-241 0
Plutonium-242 1.670.000
Uran-234 8,2
Uran-235 0,47
Uran-238 20
Hochangereichertes Uran* 1,9
supergrädiges Plutonium bis 48.000
waffengrädiges Plutonium bis 112.000
Reaktorplutonium** 544.000
* 93% Uran ** Abbrand 33.000 MWd/tSM

Christian Küppers, Michael Seiler: MOX-Wirtschaft oder die zivile Plutoniumnutzung. Risiken und gesundheitliche Auswirkungen der Produktion und Anwendung von MOX. Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung / IPPNW (Hrg.), Berlin 1994, 84 S. DinA4, 20,- DM. Bezug: IPPNW, Körtestr. 10, 10967 Berlin, (030) 6 93 02 44.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1994/3 Von Freunden umzingelt, Seite